Ishikawa, Toshiyuki, Deutschsprachige Staatsrechtslehrer. Profile von 1003 Mitgliedern der Staatsrechtslehrervereinigung (Doitsugoken kohogakusha. Protiru kokuhogakusha kyokai no 1003 nin) (= Reihe des Instituts für Rechtsvergleichung Band 10). Verlag der Chuo-Universität Tokio, Tokio 2012. 633 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
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Im Senatssaal der Universität Berlin tagte am 13. und 14. Oktober 1922 eine von den Staatsrechtslehrern Berlins einberufene Versammlung von 43 erschienenen von insgesamt 67 eingeladenen Staatsrechtslehrern, die Heinrich Triepel zu ihrem ersten Vorsitzenden wählte und die Vereinigung der deutschen Staatsrechtslehrer gründete, die bei einer zwischen 80 und 90 schwankenden Mitgliederzahl bis 1933 sieben Mal zusammentrat und 1938 aufgelöst wurde. 1949 wurde sie von Apelt, Helfritz, Jelinek und Kaufmann neu begründet. Bis 2010 wuchs die jährlich tagende, für das Fortkommen als Staatsrechtler existentiell wichtige, lange als sehr elitär und konservativ geltende Vereinigung auf mehr als 700 Mitglieder.
Toshiyuki Ishikawa wurde 1951 geboren und schloss seine juristische Ausbildung an der berühmten, 1885 gegründeten Chuo Universität in Tokio 1976 ab. Als Humboldt-Stipendiat wurde er von Otto Bachof in Tübingen betreut, dem er zur Erinnerung und in tiefer Dankbarkeit das vorliegende stattliche Sammelwerk widmet. Die erste Anregung hierzu hat ihm vielleicht bereits seine Frankfurter rechtswissenschaftliche Dissertation des Jahres 1991 über Friedrich Franz von Mayer als Begründer der juristischen Methode im deutschen Verwaltungsrecht geliefert, weil eine derartige Untersuchung notwendigerweise auf die biographischen Daten der behandelten Persönlichkeit führt.
Das leider eines deutschen Vorworts entbehrende, alphabetisch geordnete, im Text ganz überwiegend deutsche Werk umfasst verdienstvollerweise mehr als 1000 Staatsrechtslehrer von Manfred Abelein bis Manfred Zuleeg mit vielen aus verschiedenen Quellen |
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Jacob Taubes - Carl Schmitt , Briefwechsel mit Materialien, hg. v. Kopp-Oberstebrink, Herbert/Palzhoff, Thorsten/Treml, Martin. Fink, Paderborn 2011. 327 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
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Jacob Taubes wurde in Wien am 25. Februar 1923 in einer rabbinischen Gelehrtenfamilie geboren und wechselte nach der Berufung seines Vaters zum Großrabbiner 1936 mit diesem nach Zürich, wo er 1943 seine Ausbildung zum Rabbiner abschloss. Nach dem Studium von Philosophie und Geschichte in Basel und Zürich wurde er in Zürich 1947 mit einer Dissertation über abendländische Eschatologie promoviert, befreundete sich als Linksradikaler mit dem aus seiner Sicht rechtsradikalen Armin Mohler, wurde 1949 Dozent für Religionsphilosophie, 1951 Assistent und Dozent in Jerusalem und nach einem Streit 1953 Stipendiat und Gastprofessor in Harvard und Princeton. 1956 wurde er Professor an der Columbia Universität in New York, 1966 an der Freien Universität in Berlin, wo er nach verschiedenen Zusammenbrüchen am 21. März 1987 verstarb.
Am 2. August 1955 wandte er sich unter Hinweis auf Armin Mohler und Roman Schnur aus Boston an den sehr verehrten Herrn Professor Carl Schmitt, dem er ein Buchprojekt über The Conservative Tradition vorschlug. Hieraus entwickelte sich bis 1980 ein Briefwechsel mit insgesamt 47 Briefen. Ihn haben die Herausgeber an verschiedenen Stellen mühsam aufgespürt und sorgfältig fast durchgehend erstmals ediert.
Aus ihm lässt sich in gegenseitiger Anerkennung ein Gespräch über Fragen des Staates und der politischen Theologie ermitteln. Bereichert ist es um verschiedene Briefe an Dritte und Vierte und von Dritten und Vierten, Texte der beiden bedeutenden Schreiber zur politischen Theologie, Eintragungen in das Gästebuch der Familie Mohler von 1958 bis 1977, Abbildungen und einen Anhang über paulinische Feindschaft, eine Zeittafel sowie Verzeichnisse und Register.
Dadurch treten alle Beteiligten und die sie beschäftigenden grundlegenden F |
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Jahnel, Dietmar/Sramek, Jan, NZR Neue Zitierregeln Basiswissen Typographie und Verlagswesen (= Studium & Praxis - Vademecum). Jan Sramek Verlag, Wien 2012. 144 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen KöblerJahnelnzrneuezitierregeln20121206 Nr. 14552 ZIER 2 (2012) 00. IT
Jahnel, Dietmar/Sramek, Jan, NZR Neue Zitierregeln Basiswissen Typographie und Verlagswesen (= Studium & Praxis - Vademecum). Jan Sramek Verlag, Wien 2012. 144 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Wie kommt man, so fragt Dietmar Jahnel in seinem kurzen Vorwort, dazu, neue Zitierregeln für das Schreiben wissenschaftlicher Arbeiten der Juristen zu entwickeln. Der Impuls dafür kam aus seiner laufenden Praxis als Betreuer von Seminararbeiten, Diplomarbeiten und Dissertation (!) sowie als Mitherausgeber der juristischen Fachzeitschriften bbl und JusIT. Auch wenn es bereits zwei Werke zum juristischen Zitieren von Judikatur und Fachliteratur in Fußnoten auf dem Markt gibt, so fehlte doch bislang eine frei zugängliche Website, die Informationen zum juristischen Zitieren leicht verfügbar macht und an Hand zahlreicher Beispiele verdeutlicht.
Der Verfasser ist ao. Universitätsprofessor am Fachbereich öffentliches Recht der Universität Salzburg für die Fächer Verfassungsrecht und Verwaltungsrecht sowie Informatik und Informationsrecht. Unterstützt wurde er durch Jan Sramek. Er lernte nach dem Studium der Rechtswissenschaft, einer erklecklichen Anzahl von Semestern an den Instituten für deutsche Philologie und Kunstgeschichte das Verlagshandwerk bei „SpringerWienNewYork“ kennen und verwirklichte 2008 einen Lebenstraum durch die Gründung eines eigenen, auf wissenschaftliche Literatur spezialisierten Verlages.
Gegliedert ist das schlanke, das Rad naturgemäß nicht neu erfindende, die Kenntnisse und Fähigkeiten seiner Verfasser in versetzter Abwechslung bietende, in altruistischem Gewand auch Eigenwerbung ermöglichende Werk in zwei Teile. Vor Teil 1 erklärt Jan Sramek Zitieren und Formatieren, danach erläutern Dietmar Jahnel die neuen Zitierregeln und Jan Sramek Basiswissen Typographie und Verlagswesen. Möge es vielen Nutzern gelingen, das Werk optimal |
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Jahns, Sigrid, Das Reichskammergericht und seine Richter. Verfassung und Sozialstruktur eines höchsten Gerichts im Alten Reich. Teil 1 Darstellung (= Quellen und Forschungen zur höchsten Gerichtsbarkeit im Alten Reich 26/1). Böhlau, Köln 2011. 783 S., zahlr. Karten, Tab. und Abb. Besprochen von Gerhard Köbler. |
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Sigrid Jahns lag es, als sie 1975 nach Promotion (Frankfurt am Main 1972, „Frankfurt, Reformation und Schmalkaldischer Bund - die Reformations-, Reichs- und Bündnispolitik der Reichsstadt Frankfurt am Main 1525-1536), Auslandsaufenthalt und Referendarzeit an einem Bad Homburger Gymnasium freudig das Angebot annahm, nochmals „für ein paar Jahre“ in die Forschung zurückzukehren, fern, daraus ein Lebenswerk zu schaffen. Im Rahmen des von Peter Moraw, Volker Press, Karl Otmar Freiherrn von Aretin und Hermann Weber geleiteten, von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Forschungsschwerpunkts „Deutsche Sozial- und Verfassungsgeschichte des späten Mittelalters und der frühen Neuzeit“ übernahm sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin Volker Press’ das Teilprojekt Zusammensetzung und Sozialbeziehungen des Reichskammergerichts 1548-1806. Dass es bis 1983 nicht abgeschlossen war, hing mit dem ursprünglichen Umfang und den Tücken prosopographischer Forschung in den räumlichen und zeitlichen Dimensionen des Alten Reiches ebenso zusammen wie mit einer unglückseligen, den Eingeweihten bekannten Verkettung lebensgeschichtlicher Ereignisse.
Immerhin konnte die Verfasserin im Wintersemester 1990/1991 ihre zweiteilige Arbeit dem Fachbereich Geschichtswissenschaften der Universität Gießen als Habilitationsschrift vorlegen, die von Peter Moraw, Heinz Schilling, Helmut Berding, Gerd Althoff und Diethelm Klippel positiv bewertet wurde. Zwar hätte der darstellende Teil 1 seinerzeit in Druck gehen können, doch wollte die Verfasserin beide Teile gleichzeitig veröffentlichen und fehlten für Teil 2 noch fünzehn Biographien. Um zugesagte öffentli |
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Jahr, Christoph, :Antisemitismus vor Gericht. Debatten über die juristische Ahndung judenfeindlicher Agitation in Deutschland (1879-1960) (= Wissenschaftliche Reihe des Fritz-Bauer-Instituts 16). Campus, Frankfurt 2011. 475 S. Besprochen von Werner Schubert. |
Ganzen Eintrag anzeigen Jahr, Christoph, :Antisemitismus vor Gericht. Debatten über die juristische Ahndung judenfeindlicher Agitation in Deutschland (1879-1960) (= Wissenschaftliche Reihe des Fritz-Bauer-Instituts 16). Campus, Frankfurt 2011. 475 S. Besprochen von Werner Schubert.
In der Berliner Habilitationsschrift (Humboldt-Universität, Institut für Geschichtswissenschaft) geht es um den „Versuch, Rechts- beziehungsweise Justizgeschichte und Antisemitismusforschung zusammenzuführen, die über Jahrzehnte weitgehend unverbunden nebeneinander existierten und sich erst in letzter Zeit einander annäherten“ (S. 23). Obwohl die Literatur zum Antisemitismus kaum noch überschaubar ist, fehlte es bisher noch an Untersuchungen, welche die Prozesse gegen Antisemiten „in ihren juristischen, politischen und gesellschaftlichen Kontext einbetten, das heißt als eigenständigen Untersuchungsgegenstand behandeln“ (S. 26). Als Hauptquelle dienten neben insbesondere zeitgenössischen Schriften und Zeitungsartikeln die preußischen Ministerialakten im Geheimen Staatsarchiv Berlin-Dahlem. Nicht systematisch erschlossen werden konnten die Archivüberlieferungen von Bayern, Baden, Württemberg, Hessen und Sachsen. Die Analyse Jahrs beschränkt sich auf eine vergleichsweise geringe Anzahl von Strafprozessen, die Aufsehen erregt haben und deshalb reichhaltig dokumentiert sind (Anklageschriften, Urteile der Instanzgerichte und des Reichsgerichts; Korrespondenz mit den Staatsanwaltschaften).
In einem ersten Teil klärt Jahr nach einem Literaturbericht die theoretischen, methodischen und begrifflichen „Voraussetzungen und Setzungen“ (S. 26ff.). Unter Agitation versteht Jahr eine „öffentliche, nicht nebensächliche Äußerung, die sich explizit gegen Juden als Juden richtet“ (S. 16). Das Kapitel II: „Staat, Recht, Emanzipation“ (S. 40-115) geht u. a. auch auf die Justizorganisation und das Justizpersonal ein. Als Straftatbestände zur Sanktionierung judenfeindlicher Agitation kamen in Betracht |
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Jakobs, Horst Heinrich, Gedenkreden auf Frederick Alexander Mann, Brigitte Knobbe-Keuk, Werner Flume. Bonn University Press, Bonn 2011. 111 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
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Horst Heinrich Jakobs wurde 1934 geboren, 1963 in Bonn mit einer Dissertation über Eingriffserwerb und Vermögensverschiebung in der Lehre von der ungerechtfertigten Bereicherung promoviert und 1969 mit einer Untersuchung über Unmöglichkeit und Nichterfüllung habilitiert. 1971 wurde er nach Bochum berufen, kehrte aber drei Jahre später an die Universität Bonn zurück. Er ist Schüler des großen Werner Flume, der über Jahre und Jahrzehnte bürgerliches Recht und Steuerrecht in Deutschland wesentlich mitgestaltete.
Im kurzen Vorwort begründet er, ohne dass dafür eine wirkliche Notwendigkeit bestünde, die Veröffentlichung seiner aus nächster Nähe gestalteten Reden. Sie ist gekennzeichnet durch langjährige, herzliche Verbundenheit, die Bilder ermöglicht, die dem Außenstehenden andernfalls stets verschlossen wären. Nicht zuletzt deswegen ist das schlanke Werk auch als ein Buch des Jahres eingestuft worden.
Wie die Reden zeigen, waren alle drei Geehrten bedeutende Individualisten, die jeder für sich auf einzelnen Gebieten Hervorragendes geleistet haben. Nach dem Verfasser waren sie trotz aller persönlichen Verschiedenheiten aber darin einig, im Zeitgeist nicht mitzulaufen, sondern ihm Schlachten zu liefern. Hierfür legt der Verfasser mit bewegenden Worden Rechnung für Frederick Alexander Mann (1907-1991), die früh verstorbene Brigitte Knobbe-Keuk (1940-1995) und den langjährigen Nestor des deutschen Zivilrechts Werner Flume (1908-2009), die gemeinsam dokumentieren, was einmal in der Bonner Fakultät eine mächtige Richtung gewesen ist.
Innsbruck Gerhard Köbler
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James, Harold, Krupp. Deutsche Legende und globales Unternehmen, aus dem Englischen von Siber, Karl-Heinz. Beck, München 2011. 344 S., 134 Abb. Besprochen von Gerhard Köbler. |
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Der in Bedford in Großbritannien 1956 geborene, in Cambridge ausgebildete und in Princeton tätige Historiker hat sich seit vielen Jahren intensiv mit der europäischen und deutschen Wirtschaftsgeschichte befasst. Aus diesen Bereichen hat er seit 1985 eine ganze Reihe wichtiger Veröffentlichungen vorgelegt. Sie betreffen etwa die Reichsbank, die Weltwirtschaftskrise, die deutsche Einheit, die Wiedergeburt des Nationalstaats, die Mark, die Verbandspolitik im Nationalsozialismus, die Deutsche Bank, die neue Wirtschaftskrise, die Geschichte Europas im 20. Jahrhundert oder Familienunternehmen in Europa, so dass seine Zuwendung zu Krupp ein sehr folgerichtiges Ergebnis seiner bisherigen Forschungen ist.
Gegliedert ist seine einnehmend geschriebene Untersuchung in insgesamt acht Abschnitte, in denen der Verfasser im Grunde jeweils eine Generation mit einem einzigen Schlagwort verbindet. Nach einer Nation und Namen verknüpfenden Einleitung stehen der Gründer Friedrich Krupp für Wagnis, Alfred Krupp für Stahl, Friedrich Alfred Krupp für Wissenschaft, Gustav Krupp von Bohlen und Halbach (I) für Diplomatie, Gustav Krupp von Bohlen und Halbach (II) für Tradition sowie Gustav und Alfried Krupp von Bohlen und Halbach für fragwürdige Macht. Unter Alfried Krupp von Bohlen und Halbach und Berthold Beitz erfolgt schließlich die Öffnung zur Welt.
Sorgfältig und detailliert beschreibt der Verfasser dabei die Entwicklung aus kleinsten, am Stammhaus eindrucksvoll veranschaulichten Anfängen zu Blüte und Krise eines weltweit bedeutenden deutschen Industrieunternehmens. Dabei verknüpft er am Ende die Wurzeln der deutschen Industriekultur anregend mit der vielleicht doch nicht ganz freiwillig aufgegriffenen Stiftungsidee. Ingesamt gelingt ihm eine spannende Beschreibung durchaus |
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Jander, Ingrid, Politische Verfolgung in Brandenburg 1949-1953. Der Kampf gegen Ost-CDU, Bauern und Kirchen im Spiegel der Akten von SED und Staatssicherheit (= Forschungen und Quellen zur Zeitgeschichte 59). Droste, Düsseldorf 2012. 628 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
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Menschen verfolgen andere Menschen vielfach allein deswegen, weil sie nicht gleicher Meinung sind wie sie selbst. Dies hat seit langem zu vielen und auch blutigen Opfern vor allem unter Minderheiten geführt. Mit der Aufklärung ist der Pluralismus gegenüber dem Christentum und mit der industriellen Revolution der Arbeiter gegenüber dem Bauern vorgedrungen, so dass Christentum und Bauernstand gegenüber Arbeiterschaft und Sozialismus mehr und mehr an wirklicher Bedeutung verloren haben.
Für einen kleinen Zeitausschnitt in einem einzelnen Land zeichnet das diesbezügliche politische Geschehen die Verfasserin in ihrer im Wintersemester 2008/2009 an der Freien Universität Berlin angenommenen, umfangreichen Dissertation detailliert nach. Sie behandelt dabei die evangelische Kirche, die christliche Partei und sogar die Bauernschaft im Arbeiter- und Bauernstaat nebeneinander. Ihnen begegnet die stalinistische Politik im Grunde in gleicher strikter, rechtswidriger, verbal verschleierter Art und Weise.
Angestrebt wird das sozialistische Paradies, verwirklicht wird die Unterdrückung der Nichtsozialisten. Bemerkenswerterweise geht es den sozialistischen Parteiführern dabei regelmäßig nicht nur um die bloße Ausschaltung von Gegnern, sondern auch um Massenwirksamkeit durch Massenkundgebung. Wichtigste Antriebskraft dürfte in diesem Zusammenhang das Misstrauen der sozialistischen bzw. kommunistischen Politiker (der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik) gegenüber dem eigenen Volk gewesen sein, dessen wahre Interessen sie zwar zu vertreten behaupteten, dessen wirkliches Wohl ihnen aber im Verhältnis zu ihren politischen Zielen letztlich völlig gleichgültig war.
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Jansen, Jelle Eric, Bezit te kwader trouw, verkrijgende en bevrijdende verjaring. Een leerstellige, rechtsvergelijkende studie op historische grondslag. Boom Juridische Uitgevers, Den Haag 2011. XXVII, 346 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen Jansen, Jelle Eric, Bezit te kwader trouw, verkrijgende en bevrijdende verjaring. Een leerstellige, rechtsvergelijkende studie op historische grondslag. Boom Juridische Uitgevers, Den Haag 2011. XXVII, 346 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Die Arbeit ist die mit einem Zitat aus Goethes Dichtung und Wahrheit über das Verhältnis von Staat, Sicherheit und Recht geschmückte, am 3. März 2011 in Groningen verteidigte, von den Professoren Jansen, Reehuis, Verstijlen und Zwalve beurteilte Dissertation des in Gouda am 4. August 1980 geborenen Verfassers. Sie gliedert sich nach der einleitenden Fragestellung in drei Teile. In einem kürzeren ersten Teil behandelt der Bearbeiter rechtshostisch die Pandektistik, geht dann in einem zweiten rechtsvergleichenden Teil auf das deutsche, angloamerikanische und französische Recht ein und widmet sich schließlich in seinem dritten Teil dem niederländischen Recht der Bürgerlichen Gesetzbücher von 1838 und 1982.
Ausgangspunkt ist Artikel 3:105 des Bürgerlichen Gesetzbuchs. „Artikel 3:105 macht“ - so lautet die deutsche Zusammenfassung - „derjenige Berechtigter der eine Sache besitzt in dem Augenblick dass die Klage die der Eigentümer gegen den Besitzer erheben kann durch Verjährung verloren geht“. Wenn Artikel 3:105 es ermöglicht, dass der bösgläubige Besitzer berechtigt wird, ohne dass der Eigentümer dies verhüten kann, so fragt sich der Verfasser, ob diese Vorschrift nicht abgeschafft oder angepasst werden muss.
Im Ergebnis entscheidet sich der Verfasser auf der Grundlage seiner rechtsgeschichtlichen und rechtsvergleichenden Forschungen innerhalb der fünf von ihm dargelegten dogmatischen Möglichkeiten dafür, Artikel 3:105 als einen Artikel anzusehen, der einen Verlust begründet. Er bejaht deswegen den Verlust des Rechts durch sachliche Rechtsverwirkung. Allerdings schlägt er einen Beginn der Verjährensfist bei beweglichen Sachen mit dem Zeitpunkt vor, in dem der der Eigentümer weiß, so |
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Jasch, Christian, Staatssekretär Wilhelm Stuckart und die Judenpolitik - der Mythos von der sauberen Verwaltung (= Studien zur Zeitgeschichte 84). Oldenbourg, München 2012. 528 S. Besprochen von Werner Schubert. |
Ganzen Eintrag anzeigen Jasch, Christian, Staatssekretär Wilhelm Stuckart und die Judenpolitik - der Mythos von der sauberen Verwaltung (= Studien zur Zeitgeschichte 84). Oldenbourg, München 2012. 528 S. Besprochen von Werner Schubert.
Das Werk von Jasch, basierend auf einer Berliner Dissertation unter Rainer Schröder, ist keine Biographie Stuckarts „im engeren Sinne“, sondern dokumentiert „das Wirken eines einflussreichen Juristen innerhalb der Innenverwaltung auf dem für das ‚Dritte Reich’ zentralen Politikfeld der Judenpolitik“. Stuckarts „Lebensgeschichte dient hierbei als Rahmen und gewissermaßen als Personifizierung historischer Vorgänge und ihrer strafrechtlichen und gesellschaftlichen Bewertung in der Nachkriegszeit“ (S. 6). Wilhelm Stuckart, ein Aufsteiger aus der unteren Mittelschicht (Arbeiterschicht) aus Wiesbaden, war nach dem zweiten Staatsexamen (1930) bis Februar 1932 im preußischen Justizdienst tätig, aus dem er wegen seiner Nähe zur NSDAP, der er unter dem Namen seiner Mutter 1930 beigetreten war, entlassen wurde (S. 19). Nach einer Zwischenstation als Rechtsanwalt und Rechtsberater der NSDAP in Stettin kam er am 15. 5. 1933 als Ministerialdirektor in das preußische Kultusministerium (dem späteren Reichserziehungsministerium) unter Rust, dessen Staatssekretär er bereits am 30.6.1933 wurde. Aufgrund eines „offenen Bruchs“ mit Rust wurde Stuckart im November 1934 in den einstweiligen Ruhestand versetzt. Schon am 11. 3. 1935 übernahm er als Ministerialdirektor und Titularstaatssekretär die Abteilung I (Verfassung und Gesetzgebung) des Reichs- und preußischen Ministeriums des Innern (RMdI). Im März 1938 wurde er zum Staatssekretär im RMdI ernannt, ohne dass sein Aufgabenbereich erweitert wurde. Leitender Staatssekretär war weiterhin Pfundtner. Mit der Übernahme des Innenministeriums durch Himmler erfolgte seine Ernennung zum „Staatssekretär des Innern“ (S. 155). Als solcher konnte er weitgehend selbständig agieren, wenn auch sein Aufgabenbereich nicht |
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John, Anke, Der Weimarer Bundesstaat. Perspektiven einer föderalen Ordnung (1918-1933) (= Historische Demokratieforschung 3), Böhlau, Köln 2012. 486 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen John, Anke, Der Weimarer Bundesstaat. Perspektiven einer föderalen Ordnung (1918-1933) (= Historische Demokratieforschung 3), Böhlau, Köln 2012. 486 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Die seit 1986 als Diplomlehrer für deutsche Sprache und Literatur tätige Verfasserin wurde 1996 mit einer Arbeit zur Landesgeschichte Mecklenburgs (Die Entwicklung der beiden mecklenburgischen Staaten im Spannungsfeld von landesgrundgesetzlichem Erbvergleich und Bundes- bzw. Reichsverfassung vom Norddeutschen Bund bis zur Weimarer Republik) an der Universität Rostock promoviert. Nach einer Tätigkeit als Lektorin und Publizistin bei der Ostsee-Zeitung wurde sie 2001 wissenschaftliche Assistentin am historischen Institut der Universität Rostock für neueste und europäische Geschichte. Nach ihrer Habilitation im Jahre 2009 vertrat sie Professuren für Didaktik der Geschichte in Duisburg-Essen und Jena.
Das vorliegende, auf dem Umschlag mit einer nicht besonders erhellenden Darstellung des Weimarer Bundesstaates im Reichsmuseum für Gesellschafts- und Wirtschaftskunde in Düsseldorf von 1928 geschmückte Werk ist die Druckfassung ihrer auch auf zahlreichen ungedruckten Quellen aufbauenden, mit einem Nachwort Detlef Lehnerts versehenen Habilitationsschrift. Sie behandelt eine interessante Thematik aus geschichtswissenschaftlicher Sicht in sechs Sachkapiteln. Sie betreffen nach einer kurzen Einleitung über Traditionen, Forschungsstand, historisch-semantische Befunde, das Konzept der Geschichtsräume und die eigene Vorgehensweise den Weimarer Bundesstaat im Verfassungsdenken und in der politischen Kommunikation, die Akteure und Antriebskräfte einer Reich-Länder-Reform, die Reich-Länder-Reform als politische Dauerthema und die Länder in der Bundesstaatsdebatte.
Am Ende fragt die Verfasserin danach, welche Perspektiven die föderale Ordnung in Weimar hatte. Dabei stellt sie fest, dass zwar staatsrechtliche Theoriebildung und populär-allertagsweltliche Reflexio |
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Joos, Kurt Ludwig, Schwieriger Aufbau. Gymnasium und Schulorganisation des deutschen Südwestens in den ersten drei Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg (= Veröffentlichungen der Kommission für geschichtliche Landeskunde in Baden-Württemberg, Reihe A Quellen 55). Kohlhammer, Stuttgart 2012. 822 S. Besprochen von Werner Schubert. |
Ganzen Eintrag anzeigen Joos, Kurt Ludwig, Schwieriger Aufbau. Gymnasium und Schulorganisation des deutschen Südwestens in den ersten drei Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg (= Veröffentlichungen der Kommission für geschichtliche Landeskunde in Baden-Württemberg, Reihe A Quellen 55). Kohlhammer, Stuttgart 2012. 822 S. Besprochen von Werner Schubert.
Wie Anton Schindling, der Vorsitzende der Kommission für die geschichtliche Landeskunde in Baden-Württemberg, in seinem Geleitwort ausführt, handelt es sich bei dem Werk von Joos (von 1959-1991 Referent im Kultusministerium von Baden-Württemberg) um eine Arbeit, die „historische Forschung mit Zeugenschaft und das in einer Art und Weise“ verbindet, „die den Inhalt als einen Text sui generis erscheinen lässt“. Dabei stehen nach Schindling „in diesem Fall memorierte Zeugenschaft und objektivierende Forschung keineswegs in Widerspruch zueinander“. Das Werk erscheint deshalb in der Reihe „Quellen“ der genannten Kommission, auch wenn es sich bei der Arbeit von Joos nicht um eine Quelle „klassischen Typs“ handelt (S. V). Joos behandelt im Schwerpunkt (S. 1-635) den Aufbau und die Konsolidierung des Schulwesens in den drei südwestdeutschen Staaten (Nordbaden, Württemberg-Hohenzollern [Französische Zone] und Württemberg-Baden [Amerikanische Zone]). Hierzu wertet Joos eine Vielzahl von archivalischen Quellen aus, und zwar auch die Akten der „Archives de l’occupation française en Allemagne et en Autriche“ in Colmar. Weshalb das Stuttgarter Archiv unberücksichtigt geblieben ist, wird nicht ersichtlich. Die Schulpolitik der Französischen Zone wurde maßgeblich bestimmt durch Raymond Schmittlein, Directeur le l’Education publique bei der Militärregierung, der bis 1949/1950 die Schulpolitik der Länder der Französischen Zone maßgeblich mitbestimmte (vgl. 34ff., 563ff.). Grundsätze des französischen Schulwesens ließen sich allerdings nur zum Teil durchsetzen (u. a. keine völlige Abschaffung der Gymnasien). Grundlage der Schulpolitik |
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Joos, Kurt Ludwig, Schwieriger Aufbau. Gymnasium und Schulorganisation des deutschen Südwestens in den ersten drei Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg (= Veröffentlichungen der Kommission für geschichtliche Landeskunde in Baden-Württemberg, Reihe A Quellen 55). Kohlhammer, Stuttgart 2012. 822 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen Joos, Kurt Ludwig, Schwieriger Aufbau. Gymnasium und Schulorganisation des deutschen Südwestens in den ersten drei Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg (= Veröffentlichungen der Kommission für geschichtliche Landeskunde in Baden-Württemberg, Reihe A Quellen 55). Kohlhammer, Stuttgart 2012. 822 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
An den beiden, im Grundsatz die gesamte Erde ergreifenden Kriegen des 20. Jahrhunderts war das Deutsche Reich auch aus eigenstem Interesse seiner Staatsoberhäupter und mit Zustimmung weiter Teile der Bevölkerung maßgeblich beteiligt. Da dies vor allem von den Siegern als Fehler eingestuft wurde, ergab sich wie von selbst die Notwendigkeit der Besserung Nazifizierter in Entnazifizierte, die sinnvollerweise auch ganz unten bei den am besten Bildbaren beginnen sollte. Hinzu kam, dass im Krieg auch Schulen beschädigt und zerstört wurden und selbst die territoriale Gliederung des Landes mit dem Vorrang Preußens bei den Besatzungsmächten auf Ablehnung stieß, so dass insgesamt vieles zu ändern war.
Kurt Ludwig Joos, der nach Ausweis des Karlsruher virtuellen Bibliothekskatalogs in Tübingen am 20. September 1953 auf Grund der Dissertation „Hatte Shakespeare Mitarbeiter bei der Abfassung der Lustigen Weiber von Windsor“? promoviert wurde, war bei Kriegsende 19 Jahre alt. Von 1959 bis zu seiner Pensionierung 1991 war er als Beamter (Referent) im Kultusministerium Baden-Württembergs an der Gestaltung der Schullandschaft Baden-Württembergs beteiligt. Es ist ihm sehr dafür zu danken, dass er die dabei erlangte Sachkenntnis zu einer quellengesättigten, umfangreichen, Dieter Langewiesche gewidmeten Monographie genutzt hat.
Gegliedert ist das gewichtige, mit einem Bild beim Aufbau einer Schule in Ulm helfender Schüler geschmückte schulgeschichtliche Grundlagenwerk in 12 Abschnitte. Sie reichen von der Stunde null über die leeren Monate der Jugend ohne Chance, den Neubeginn im Herbst 1945, die Wiederaufnahme der Leh |
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Judges and Judging in the History of the Common Law and Civil Law from Antiquity to Modern Times, hg. v. Brand, Paul/Getzler, Joshua. Cambridge University Press, Cambridge 2012. XV, 349 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen Judges and Judging in the History of the Common Law and Civil Law from Antiquity to Modern Times, hg. v. Brand, Paul/Getzler, Joshua. Cambridge University Press, Cambridge 2012. XV, 349 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Richter und Gericht sind für das Recht von grundsätzlicher Bedeutung, auch wenn das Verhältnis der drei Gegebenheiten zueinander in seiner Entstehung nicht wirklich geklärt ist. Teilweise wird angenommen, dass Recht nur durch den Richter im Gericht geschaffen werden kann. Dem widerspricht die herkömmliche Vorstellung, dass der Richter das von der Allgemeinheit gebildete Recht nur findet und ausspricht.
Dementsprechend ist jede wissenschaftliche Befassung mit Richter und Gericht hilfreich und verspricht weitere Erkenntnisse und Aufschlüsse. Sie versucht und erreicht erfreulicherweise unter Enbeziehung des bedeutenden englischen Rechtskreises der vorliegende Sammelband. Die Herausgeber sind bekannte Rechtshistoriker der juristischen Fakultät der Universität Oxford, die unter dem Umschlagbild des Court of Wards and Liveries von 1598 die Verbindung mit Cambridge, der übrigen anglophonen Rechtsgeschichtswelt und sogar dem Rest der Welt aufnehmen.
Insgesamt enthält der gediegene, weiterführende, die besten Beiträge der 18. British Legal History Conference zusammenfassende Sammelband 16 Untersuchungen zu vielen verschiedenen Themen. Sie sind in die drei Abteilungen Common law, beginnend mit Paul Brands grundlegender Studie über judges and judging 1176-1307 und zeitlich aufsteigend bis Phil Handlers Betrachtung von judges and the criminal law in England 1808-1861, Continental Law (römisches Recht, mittelalterliche Richter, Höchstgerichte in Frankreich, England und Heiligem römischem Reich, Höchstgericht von Holland und Seeland) und Imperial Law (Habeas corpus, Bahamas, Australien und Neuseeland) gegliedert. Ein Index erschließt den reichen Inhalt der neuartigen Zugriffe auf richterliches Verhalten während zweier Jah |
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Juristische Hermeneutik zwischen Vergangenheit und Zukunft, hg. v. Meder, Stephan/Carlizzi, Gaetano/Mecke, Christoph-Eric/Sorge, Christoph. Nomos, Baden-Baden 2012. 245 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen Juristische Hermeneutik zwischen Vergangenheit und Zukunft, hg. v. Meder, Stephan/Carlizzi, Gaetano/Mecke, Christoph-Eric/Sorge, Christoph. Nomos, Baden-Baden 2012. 245 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Ziel der Hermeneutik und der Interpretation ist es, wie die Herausgeber in ihrem kurzen Vorwort klarlegen, von Anfang an, vor allem Texte eines Verfassers anderen verständlich zu machen. Dafür entwickeln bereits Altertum und Mittelalter eine grundsätzlich regelgeleitete Praxis der Interpretation. Seit der Neuzeit kommt die methodologische Reflexion hinzu, so dass zwischen Hermeneutik als Praxis der Interpretation und Hermeneutik als Theorie der Herkunft, Legitimation und Funktion von Interpretationsmethoden unterschieden wird.
Zur Erörterung von damit verbundenen Fragen trafen sich in Frankfurt am Main im August 2011 im Rahmen des 25. Weltkongresses der internationalen Vereinigung für Rechts- und Sozialphilosophie vorzügliche Sachkenner zu einem Workshop. Sie erörterten eine Reihe bedeutsamer Fragen der Vergangenheit wie der Zukunft der seit Entdeckung der Individualität jedes Interpreten für die Interpretation jedes Textes an der Wende des 18. zum 19. Jahrhundert neu gesehenen Hermeneutik. Der vorliegende Band stellt die dabei gewonnenen Erkenntnisse leicht greifbar jedermann zur Verfügung.
Er beginnt mit der Untersuchung der juristischen Hermeneutik Francis Liebers (1800-1872) durch Stephan Meder und endet mit der grundsätzlichen fragenden Gegenüberstellung von Zetetik und Dogmatik in der juristischen und theologischen Hermeneutik durch denselben Autor. Dazwischen vergleicht Christoph-Erich Mecke Puchtas und Savignys Hermeneutik, Martin Avenarius die unterschiedlichen Gedankengänge Gadamers und Wieackers, während Gaetano Carlizzi historische und theoretische Hauptfragen der gegenwärtigen juristischen Hermeneutik darstellt, José Antonio Seoane historische Bemerkungen zu Hermeneutik und Typus vorträgt und Christoph Sorge her |
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Justiz und NS-Verbrechen. Sammlung deutscher Strafurteile wegen nationalsozialistischer Tötungsverbrechen 1945-2002, Band 48 Die vom 27. 05. 1989 bis zum 01. 01. 2002 ergangenen Strafurteile Lfd. Nr. 908-920, bearb. v. Rüter, C(hristiaan) F(rederik)/De Mildt, D(ick) W(elmoed) unter Mitwirkung v. Hekelaar Gombert, L. Amsterdam University Press/De Gruyter, Amsterdam/Berlin 2012. X, 787 S. Besprochen von Werner Augustinovic. |
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Es ist eine bemerkenswerte Koinzidenz, dass die Publikation des ersten Bandes von „Justiz und NS-Verbrechen“ (JuNSV) genau in das „Protestjahr“ 1968 fällt, dessen Protagonisten in ihrer Forderung nach einer offeneren Gesellschaft unter anderem vehement eine tabulose und transparente Auseinandersetzung mit der nationalsozialistischen Ära reklamiert haben. Und tatsächlich: Die mittlerweile auf 48 Bände angewachsene Sammlung der zunächst westdeutschen, dann gesamtdeutschen Strafurteile wegen nationalsozialistischer Tötungsdelikte (dazu kommen 14 Bände der Reihe „DDR-Justiz und NS-Verbrechen“ für die seinerzeit auf ostdeutschem Boden ergangenen Entscheidungen) bietet tiefe Einblicke in das abgründige Geschehen jener Jahre, aber auch in die Strafjustiz der letzten Jahrzehnte bis in die unmittelbare Gegenwart. Es ist daher durchaus angebracht, in diesem Zusammenhang von einer zeit- und rechtsgeschichtlichen Quelle ersten Ranges zu sprechen, die mittlerweile auch online verfügbar ist. Ausnahmslos in elektronischer Form ist die zweite, überarbeitete und aktualisierte Auflage der in den Jahren 1968 bis 1981 erschienenen Bände I – XXII der westdeutschen Serie einsehbar, für Abonnenten der Buchreihen wird auf Antrag kostenfreier Zugang gewährt (ansonsten soll der Preis für eine Lizenz bei 5000 Euro liegen).
Zu verdanken ist dies der emsigen Editionsarbeit des Teams um Christiaan Frederik Rüter, bis 2003 Ordinarius am Institut für Strafrecht der Universität Amsterdam, dem neben namhaften Juristen wie Willi Dreßen, von 1996 bis |
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Kaiser Friedrich III. Tagebücher 1866-1888, hg. und eingeleitet v. Baumgart, Winfried. Schöningh, Paderborn 2012. 615 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
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Der Verfasser wurde im Neuen Palais in Potsdam am 18. Oktober 1831 als Sohn des preußischen Prinzen Wilhelm und seiner intelligenten und gebildeten, aber auch liberalen und eigensinnigen Ehefrau Augusta von Sachsen-Weimar-Eisenach geboren. 1844 wurde das als weich, aber auch zu heftigen Aufwallungen neigende Kind dem Berliner Altertumsforscher Ernst Curtius zur Ausbildung übergeben, der von 1849 bis 1852 das Studium von Rechtswissenschaft, Staatswissenschaft und Geschichte in Bonn folgte. Seit dem kinderlosen Tode Friedrich Wilhelms IV. von Preußen und der Nachfolge seines Bruders als Wilhelm I. 1861 war der Sohn Thronfolger.
Als er am 9. März 1888 nach dem Tode seines Vaters die Thronfolge antrat, war er bereits unheilbar erkrankt. Im November 1887 war bei ihm Kehlkopfkrebs festgestellt worden, nachdem er schon seit dem Ende der 1860er Jahre Schwierigkeiten im Hals verspürt hatte. Nach nur 99 Tagen beendete der Tod seine kurze, als liberal geltende Herrschaft.
Der umfangreiche, schriftliche Nachlass des langen Kronprinzen und kurzen Kaisers ist innerhalb des Hausarchivs der Hohenzollern im Geheimen Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz in Berlin untergebracht. Die seit frühen Jugendjahren geführten, bisher nur wenig beachteten Tagebücher sind nunmehr durch Winfried Baumgart (Mainz) in den wichtigsten Auszügen der 23 Bände aus dem Zeitraum von 1866 bis 1888 veröffentlicht. Diese Notizen zeigen, dass der Verfasser bei längerem Leben wahrscheinlich die auf ihn gesetzten liberalen Hoffnungen vieler nicht erfüllen hätte können und wollen.
Innsbruck Gerhard Köbler
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Kaiser, Ulrike, Das Amt Leuchtenburg 1479-1705. Ein regionales Zentrum wettinischer Herrschaft (= Veröffentlichungen der historischen Kommission für Thüringen, Kleine Reihe 33). Böhlau, Köln 2012. 278 S., Abb., Karte. Besprochen von Gerhard Köbler. |
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Nach dem kurzen Vorwort der Verfasserin ging der Beschäftigung mit dem Amt Leuchtenburg (an der Saale zwischen Saalfeld und Jena) „eine sehr persönliche und beruflich geprägte Fragestellung nach dem Burgalltag vor mehreren Jahrhunderten voraus“. Die alltägliche Praxis der Verfasserin, als Direktorin des Museums und Verantwortliche der Bereiche Öffentlichkeitsarbeit und Projektentwicklung die Leuchtenburg als eine der schönsten Höhenburgen Deutschlands zu vermarkten, deren Anblick Touristen von den Autobahnen anlockt und sie den steilen Burgberg mit freudigen Erwartungen erklimmen lässt, ging mit dem Gedanken einher, unter welchen Aspekten die Bevölkerung in früherer Zeit die Leuchtenburg als Amtsburg betrachtet haben mag. Hieraus erwuchs die von Helmut G. Walther betreute, im Wintersemester 2009/2010 von der philosophischen Fakultät der Universität Jena angenommene Dissertation der Verfasserin.
Sie gliedert sich in insgesamt fünf Abschnitte. Nach einer kurzen Einleitung behandelt die Verfasserin die innere und äußere Struktur des Amtes (Amtsdörfer und Fronarbeiten, land- und forstwirtschaftliche Flächen, Personalstruktur, Einnahmen- und Ausgabenstruktur), die Rolle des Amtes als unterste Herrschaftsebene innerhalb der wettinischen Landesverwaltung (Finanzverwaltung, Recht, Ordnung und Sozialdisziplinierung, Verhandlungen und Politik, Entwicklung und Infrastruktur, Verteidigung, Versorgung und soziale Verantwortung) und die Entwicklung und Profilierung der obersten Schlüsselrollen in der Amtsverwaltung (Vogt, Schösser, Schreiber). Am Ende bietet sie eine Zusammenfassung ihrer detaillierte Erkenntnisse.
Insgesamt wertet die Verfasserin in ihrer ansprechenden, gelegentlich etwas ung |
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Kaltenbrunner, Matthias, Flucht aus dem Todesblock. Der Massenausbruch sowjetischer Offiziere aus dem Block 20 des KZ Mauthausen und die „Mühlviertler Hasenjagd“ - Hintergründe, Folgen, Aufarbeitung (= Der Nationalsozialismus und seine Folgen 5). StudienVerlag, Innsbruck 2012. 448 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
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Der 1987 geborene Verfasser studierte nach Ableistung des Zivildiensts in der Gedenkstätte Mauthausen Geschichte und Slawistik in Wien und Warschau mit zahlreichen Aufenthalten in Russland, Polen und der Ukraine. Nach Abschluss seiner Studien wirkte er als Projektmitarbeiter an der Kommission für die Geschichte der Habsburgermonarchie der österreichischen Akademie der Wissenschaften. Gewidmet ist seine gewichtige Untersuchung Ariadna Sergeevna Jurkova, die in der Sowjetunion mehr Material als alle anderen über den Block 20 des Konzentrationslagers Mauthausen sammelte und damit ehemalige Kriegsgefangene und Häftlinge zu unterstützen versuchte.
Gegenstand des Werkes ist eine geheime Mordaktion von Nationalsozialisten mit dem Decknamen Aktion K oder Aktion Kugel. In ihrem Rahmen wurden nach den Erkenntnissen des Verfassers zwischen Februar 1944 und Februar 1945 im Konzentrationslage Mauthausen etwa 5000 Menschen ermordet. Etwa 570 bis 760 noch lebenden Gefangenen gelang in der Nacht vom 1. auf den 2. Februar 1945 nach Überwältigung der Wachen ein Ausbruch, den jedoch lediglich acht namentlich bekannte und einige wenige unbekannte Männer letztlich überlebten.
Nach Beschreibung des Forschungsstands und der Quellenlage untersucht der Verfasser sehr detailliert die bedrückenden, unmenschlichen Ereignisse in zehn Kapiteln. Sie betreffen die Kugelerlässe, die Häftlinge des Konzentrationslagers im Überblick, die Registrierung im Exekutionsbuch vom Februar bis Mai 1944, den Block 20 als Todesblock von Ende Mai 1944 bis Anfang 1945, die inneren Verhältnisse und die Flucht, die „Mühlviertler Hasenjagd“, ihre juristische Auf |
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Karauscheck, Erich René, Fehde und Blutrache als Beispiele nichtstaatlicher Konfliktlösung - Rechtshistorisch und Rechtsanthropologisch. Solivagus, Kiel 2011. 219 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
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Fehde und Blutrache sind in der vom Gewaltmonopol des Staates bestimmten Gegenwart rechtswidrig. In anderen Zeiten und an anderen Orten waren sie rechtmäßig. Dieser Gegensatz hat die rechtsgeschichtliche Forschung bereits vielfach beschäftigt.
Der 1962 geborene Verfasser war nach dem Studium der Rechtswissenschaft in Wien von 1988 an Vertragsassistent am Institut für Kirchenrecht der rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien. Im Jahre 1990 wurde er promoviert. Seit seiner Zulassung als Rechtsanwalt im Jahre 1996 ist er selbständig vor allem im Baurecht, Liegenschaftsrecht, Wohnrecht, Mietrecht und Versicherungsvertragsrecht tätig.
Der Kern der vorliegenden Publikation wurde in Wien vor nunmehr zwei Jahrzehnten (wohl 1990) als Dissertation vorgelegt. Die eine Reihe formaler Schwächen aufweisende Arbeit gliedert sich in Re-reading Fehde und Blutrache (1. Einleitung) und einen Teil II Fehde und Blutrache mit den Unterabschnitten (2.) Einleitung, (3.) demonstrative Analyse nichtstaatlicher Konfliktlösungsmechanismen Selbsthilfe, Fehde, Blutrache (1. Vorbemerkung, 2. im deutschen Mittelalter, 3. in Montenegro vor 1851, 4. bei den Nuer!) sowie ein (nicht in jeder Hinsicht aktuelles) Quellen- und Literaturverzeichnis (Bibliographie, Periodika, sonstige Quellen). Der Verfasser will seine dabei gewonnene Erkenntnis, dass Fehde, Blutrache und insbesondere die Sühne der Fehde durch Elemente der Verfahrensgerechtigkeit charakterisiert und legitimiert sind, in weiteren Studien nutzbar machen.
Innsbruck Gerhard Köbler
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Kasper-Marienberg, Verena, „vor Euer Kayserlichen Mayestät Justiz-Thron“. Die Frankfurter jüdische Gemeinde am Reichshofrat in kosephinischer Zeit (1765-1790) (= Schriften des Centrums für jüdische Studien 19). StudienVerlag, Innsbruck 2012. 504 S., Abb. Besprochen von Gerhard Köbler. |
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Die dem Werk zugrundeliegende Arbeit ist die von Gabriele Haug-Moritz betreute, im Juli 2009 von der geisteswissenschaftlichen Fakultät der Universität Graz angenommene Dissertation der als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Geschichte in Graz tätigen Verfasserin. Sie betrifft die bisher noch nicht ausreichend erforschte Geschichte des nicht nur als kaiserliche Regierungebehörde, sondern vor allem auch als Rechtsprechungseinrichtung tätigen Reichshofrats. Für sie gelingen der Verfasserin vielfältige neue Einblicke und Erkenntnisse.
Gegliedert ist die einschließlich des Anhangs umfangreiche, auf die Regierungszeit Josephs II. konzentrierte Untersuchung in drei Kapitel. Nach einer Einführung beschreibt die Verfasserin zunächst die jüdischen Prozessparteien am Reichshofrat im 18. Jahrhundert in Bezug auf die quantitativen Befunde (von 938 Prozessparteien waren 603 jüdisch, davon 390 Kläger und 141 Beklagte aus Frankfurt am Main). Danach ordnet sie das Reichshofratskollegium in das soziale Gefüge des Heiligen römischen Reiches ein und richtet dabei ihren Blick vertieft insbesondere auf Johann Jakob von Steeb und Johann Baptist von Steeb.
Verstärktes Interesse verdient auch das dritte Kapitel über das Argumentieren vor Gericht, das die Prozesspraxis und die rechtlichen Argumentationen erörtert. Insgesamt macht die gelungene Arbeit deutlich, dass die jüdischen Kläger in weit größerem Umfang Rechtsquellen zu ihrem Schutz vor christlichen Gerichten nutzen konnten, als dies bislang bekannt war. Ein Personenregister und ein Sachregister schließen die Arbeit benutzerfreundlich auf.
Innsbruck |
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Kästner, Alexander, Tödliche Geschichte(n). Selbsttötungen in Kursachsen im Spannungsfeld von Normen und Praktiken (1547-1815) (= Konflikte und Kultur - Historische Perspektiven Band 24). UVK, Konstanz 2012. XII, 676 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
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Das Leben ist eines der großen Geheimnisse, denen sich der Mensch gegenüber sieht. In seinem Beginn wie in seinem Ende ist es letztlich für ihn unergründlich. Dementsprechend geheimnisvoll behandelt der Verfasser den einfachen Sachverhalt tatsächlicher Selbsttötungen in Kursachsen zwischen 1547 und 1815 auch unter dem Titel tödliche Geschichte(n).
Das seiner Familie gewidmete umfangreiche Werk ist die von Gerd Schwerhoff betreute und begutachtete, von der philosophischen Fakultät der Technischen Universität angenommene Dissertation des als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Geschichte der frühen Neuzeit in Dresden tätigen Verfassers. Es befasst sich mit dem Umgang der Mitmenschen mit der Tötung eines Menschen durch die eigene Hand, die auch in der Gegenwart vielfältige Empfindungen hervorruft. Im Gegensatz zu einem Recht auf Leben ist ein Recht auf den Tod vielfach stärksten Zweifeln ausgesetzt.
Der Verfasser, der seine Einleitung mit dem etwa 50jährigen Häusler Peter Lehmann, der sich in Klein Seydau am 22. August 1763 in seiner Scheune erhängte, weil er in Sorge war, wie er das reichlich auf dem Feld stehende Getreide angesichts der Krankheit von Frau und Tochter einbringen könnte, als dem ersten ihm begegnenden frühneuzeitlichen ,Selbstmörder’ beginnen lässt, gliedert seine eindringliche, auf umfangreiche ungedruckte Quellen gestützte Untersuchung in drei Teile. Sie betreffen das Problem einer historischen Rekonstruktion von Suizidmotiven, die Normen und Praktiken im Umgang mit Selbsttötungen im 16. und 17. Jahrhundert und die Implementierung von Normen zum Suizid in Kursachsen im 18. Jahrhundert (Selbstmordmandat von 1779). Am Ende seiner ausführlichen Darlegu |
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Kepplinger, Hans Mathias, Die Mechanismen der Skandalisierung zu Guttenberg, Kachelmann, Sarrazin & Co. - Warum einige öffentlich untergehen - und andere nicht. Olzog, München 2012. 223 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
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Der in Mainz 1943 geborene Verfasser wurde nach dem Studium der Politikwissenschaft, Publizistik und Geschichte in Mainz, München und Berlin in Mainz 1970 mit seiner Dissertation über das politische Denken Hans Magnus Enzenbergers promoviert. Anschließend wirkte er als wissenschaftlicher Assistent Elisabeth Noelle-Neumanns und wurde nach seiner 1977 erfolgten Habilitation 1982 auf den neuen Lehrstuhl für empirische Kommunikationsforschung in Mainz berufen. Seitdem hat er sich in zahlreichen Veröffentlichungen mit der politischen Bedeutung der Massenmedien befasst.
Das Vorwort des vorliegenden Werkes beginnt überzeugend mit der Feststellung: jeder Skandal ist einzigartig. Danach erinnert der Verfasser in bunter Folge an Birkel-Nudeln 1985, Uwe Barschel, Philipp Jenninger, die Ölpest im Persischen Golf, die Flugreisen Lothar Späths, die Erschießung Wolfgang Grams’, einen Chemieunfall bei Hoechst, die geplante Versenkung der Brent Spar, die geheimen Konten der CDU, die Annahme anonymer Spenden durch Helmut Kohl, die Vernichtung von Daten im Bundeskanzleramt, den Kokainkonsum Christoph Daums, den Rinderwahnsinn, Guttenberg, Kachelmann, Sarrazin und vieles oder viele andere mehr. Ziel ist die Ermittlung wissenschaftlich überzeugender Regeln der Skandalisierung.
Seine Erreichung strebt der Verfasser in insgesamt fünfzehn Abschnitten an. Sie reichen von Momenten der Gewissheit bis zum Nutzen des Schadens und konzentrieren sich vor allem auf drei Fragen nach Gründen. Im Ergebnis stellt der Verfasser fest, dass die Skandalisierung von Missständen kein Wert an sich ist und der Nutzen der Skandalisierung auch nicht mit der Zahl der Skandale steigt, dass die Anprangerung gravierender Missstände durch Massenmedine v |
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Kernforschung in Österreich. Wandlungen eines interdisziplinären Forschungsfeldes 1900-1978, hg. v. Fengler, Silke/Sachse, Carola (= Wissenschaft, Macht und Kultur in der modernen Geschichte 1). Böhlau, Wien2012.411 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
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Mit Hilfe seines im Grunde immer regeren Verstands ist es dem Menschen in seiner Gesamtheit gelungen, sowohl in die Weite der die Erde umgebenden Welt wie auch in das Innere ihrer Bestandteile vorzudringen. Als geschichtlicher Beginn der modernen Kernforschung gelten dabei die Versuche Antoine Henri Becquerels, Pierre Curies und Marie Curies, für die sie 1903 den Nobelpreis für Physik erhielten. Otto Hahn und Lise Meitner erkannten 1938, dass Urankerne durch Bestrahlung mit Neutronen gespalten werden, woraus sich nach späterer Einsicht eigentlich unbegrenzt (aber mit gewissen Gefahren) Energie gewinnen lässt.
In Verfolgung dieser Möglichkeit begann Österreich nach einem Beschluss der Bundesregierung vom 22. März 1971 am 4. April 1972 mit dem Bau eines Siedewasserreaktors mit einer Nettoleistung von 692 Megawatt in Zwentendorf an der Donau in Niederösterreich. Am 5. November 1978 lehnte die Bevölkerung in einer Volksabstimmung bei einer Beteiligung mit 64,1 Prozent mit der Mehrheit von 50,47 Prozent die Inbetriebnahme des fertiggestellten Kernkraftwerks ab. Damit entstand die größte Investitionsruine Österreich mit grundlegenden Folgen für Wirtschaft und Forschung.
Vor und nach diesem dramatischen Vorgang gab es Kernforschung in Österreich. Der vorliegende, aus dem seit Juli 2007 vom österreichischen Wissenschaftsfonds geförderten Forschungsprojekt Österreichische Kernforschung im Spannungsfeld von internationaler Kooperation und Konkurrenz hervorgegangene, von den beiden an der Universität Wien tätigen Historikerinnen herausgegebene, mit einer bündelnden Einführung versehene Sammelband vereinigt dankenswerterweise zwölf Einzelstudien über Kernforschung im politischen und soziale |
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Keßler, Heinz/Streletz, Fritz, Ohne die Mauer hätte es Krieg gegeben. Zwei Zeitzeugen erinnern sich, 2. Aufl. edition ost, Berlin 2011. 224 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen KöblerKeßlerohnediemauerhätteeskrieg20120604 Nr. 14323 ZIER 2 (2012) 80 IT
Keßler, Heinz/Streletz, Fritz, Ohne die Mauer hätte es Krieg gegeben. Zwei Zeitzeugen erinnern sich, 2. Aufl. edition ost, Berlin 2011. 224 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Die Menschen sind trotz all ihrer allgemeinen Züge nichts mehr als zahllose individuelle Besonderheiten. Dementsprechend haben sie in der rechtsgeschichtlichen Entwicklung ein Recht auf Meinungsfreiheit errungen. Hiervon machen der 1920 geborene, zum Maschinenschlosser ausgebildete, nach Flucht aus der deutschen Wehrmacht in die Armee der Sowjetunion übergetretene, 1985 zum Verteidigungsminister der Deutschen Demokratischen Republik aufgestiegene Armeegeneral a. D. Heinz Keßler und der 1926 geborene, 1948 nach Kriegsgefangenschaft in die kasernierte Volkspolizei eingetretene und 1979 zum stellvertretenden Minister für nationale Verteidigung der Deutschen Demokratischen Republik ernannte Generaloberst a. D. Fritz Streletz als höchstrangige noch lebende ostdeutsche Militärzeitzeugen Gebrauch.
In sechs Abschnitten legen sie ihre Sicht der Dinge dar. Sie beginnen 50 Jahre nach dem Mauerbau in Ostberlin mit einer Einstimmung zur Lage in der DDR 1961, legen dann die Vorgeschichte der deutschen Zweistaatlichkeit dar und schildern nacheinander die militärischen Planungen im Westen, die sogenannte zweite Berlin-Krise, den 13. August 1961 aus der Sicht der DDR (Grenzsicherungsmaßnahme) sowie die Maßnahmen und die Folgen. Als Anlagen fügen sie Schreiben Gretschkos an Minister Hoffmann vom 15. Juli 1961, Konews an Minister Hoffmann vom 14. September 1961 (russisch), Konews an Minister Hoffmann vom 14. September 1961 (deutsch) und Aufzeichnungen über ein Gespräch Chruschtschows mit Ulbricht vom 1. August 1961 und ein Interview mit Generaloberst Mereschko vom 9. September 1961 bei.
Im Ergebnis vertreten sie die Ansicht, dass es ohne die Mauer Krieg gegeben hätte. Überzeugen kö |
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Kißener, Michael, Anfänge der modernen Demokratie in Mainz - das „Deutschhaus“ als Erinnerungsort. Vortrag im Landtag Rheinland-Pfalz am 9. August 2011 zum Abschluss der Reihe „Verborgen - verloren - wiederentdeckt. Erinnerungsorte in Mainz von der Antike bis zum 20. Jahrhundert“ (= Schriftenreihe des Landtags Rheinland-Pfalz 51). Landtag Rheinland-Pfalz, Mainz 2011. 48 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
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Der in Bonn 1960 geborene Verfasser wurde nach den Studium von Geschichte, Germanistik und Pädagogik als Stipendiat des Cusanuswerks in Bonn 1991 mit einer Dissertation über bischöfliche Wahlkapitulationen im Nordwesten des alten Reiches zwischen 1265 und 1803 promoviert. Danach arbeitete der als Geschäftsführer der Forschungsstelle Widerstand an der Universität Karlsruhe, wo er 2000 mit einer Schrift über badische Richter zwischen 1919 und 1952 habilitiert wurde. Seit 2002 ist er Professor für Zeitgeschichte in Mainz.
In seinem einer Begrüßungsansprache des Landtagspräsidenten Joachim Mertes und einer Einführung Matthias Schnettgers folgenden Vortrag geht er von Pierre Noras in einem siebenbändigen Werk ausgeführten Konzept der Lieux de mémoire und ihrer theoretischen Grundlage in Maurice Halbwachs‘ (1877-1045) Untersuchung über la mémoire collective des Jahres 1939 aus. Dem stellt er die Tatsache gegenüber, dass das „Deutschhaus Mainz“ im Internet nur mit etwa 1500 Einträgen (vor seinem Vortrag) vertreten war, in denen zudem Gaststätten, Apotheken und Seniorenstifte vorherrschten. Gleichwohl hält er überzeugend eine Zeitreise durch die Geschichte des unter Kurfürst Franz Ludwig von Pfalz-Neuburg (1729-1732) begonnenen Deutschhauses in Mainz für angebracht(, welche die Zahl der Nennungen zumindest bis 2012 auf rund 1660 erhöhte.
Zu Recht weist er dabei besonders darauf hin, dass mit dem Einzug französischer Revolutionstruppen unter General Adam Philippe de Custine am 21. Oktober 1792 die Idee von Freiheit, Gleichheit und |
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Klüßendorf, Niklot, Kleine Münz- und Geldgeschichte von Hessen in Mittelalter und Neuzeit, (= Veröffentlichungen der historischen Kommission für Hessen, Band 18 Das hessische Münzwesen, Band 2). Historische Kommission für Hessen, Marburg 2012. XVI, 184 S., 78 Abb. Besprochen von Gerhard Köbler. |
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Im Jahre 1936 veröffentlichte Walter Hävernick (Hamburg 1905-Hamburg 1983), der nach dem Studium in Frankfurt am Main, München und Hamburg in seiner Heimatstadt mit der Dissertation „Der Kölner Pfennig im 12. und 13. Jahrhundert“ promovierte und nach einem vierjährigen Volontariat 1935 Kustos des herzoglichen Münzkabinetts in Gotha wurde, als Band 1 einer Reihe sein Werk über das ältere Münzwesen der Wetterau bis zum Ausgang des 13. Jahrhunderts. Dieser für die historische Kommission für Hessen erarbeitete, in der Folge vergriffene wichtige Baustein einer hessischen Münzgeschichte wurde 2009 kommentiert und mit einem biographischen Vorwort des Verfassers neu aufgelegt. Damit bot sich eine Fortführung in einem weiteren Rahmen gewissermaßen von selbst an.
Der ebenfalls in Hamburg 1944 geborene Verfasser trat nach dem Studium von Geschichte, historischen Hilfswissenschaften, Anglistik und Volkskunde in Münster 1972 in den Archivdienst in Detmold ein, wechselte aber nach einer zur weiteren Ausbildung gedachten Abordnung an die Archivschule Marburg 1974 etwa zeitgleich mit dem Abschluss seiner Dissertation (Studien zu Währung und Wirtschaft am Niederrhein vom Ausgang der Periode des regionalen Pfennigs bis zum Münzvertrag von 1357) nach Marburg, wo er 1980 wissenschaftlicher Oberrat am hessischen Landesamt für geschichtliche Landeskunde mit dem Aufgabengebiet Landesnumismatik wurde. 1984 habilitierte er sich mit einer Schrift über Papiergeld und Staatsschulden im Fürstentum Waldeck 1848-1890. In der Folge wirkte er, sowohl für Mittelalter wie auch für Neuzeit fundiert ausgewiesen, bis 2010 als außerplanmäßiger Professor für Numismatik und Geldgesc |
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Koch, Peter, Geschichte der Versicherungswirtschaft in Deutschland. Verlag Versicherungswirtschaft, Karlsruhe 2012. 544 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen Koch, Peter, Geschichte der Versicherungswirtschaft in Deutschland. Verlag Versicherungswirtschaft, Karlsruhe 2012. 544 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Die Versicherung, die unter dieser Bezeichnung erstmals 1490 in den Quellen nachweisbar ist, ist dem Altertum unbekannt, hat sich aber vielleicht bereits im Frühmittelalter, spätestens jedenfalls im Hochmittelalter auf der Grundlage der Gegenseitigkeit der Schadenshilfe etwa bei Diebstahl, Brand, Beerdigungskosten, Lösegeldzahlung oder Schiffsverlust entwickelt. Als ein schuldrechtlicher Vertrag zwischen Versicherung oder Versicherungsgemeinschaft auf der einen Seite und einzelnem Versicherungsnehmer auf der anderen Seite gewinnt sie seit der frühen Neuzeit sehr große Bedeutung. Aus dem modernen Wirtschaftsleben lässt sie sich nicht mehr hinwegdenken, weil immer mehr Beteiligte bereit sind, ihre persönlichen Risiken gegen Entgelt von anderen tragen und damit sozialisieren zu lassen.
Der in Erfurt 1935 geborene Verfasser wurde nach dem wohl 1953 aufgenommenen Studium von Rechtswissenschaft und Staatswissenschaft in München 1961 mit einer Dissertation über Rechte an Sachen als sonstige Rechte im Sinne von § 823 I BGB promoviert. Zu dieser Zeit war er bereits und noch Direktionsassistent bei Heinz Leo Müller-Lutz von der Generaldirektion der Allianz Versicherungs-AG in München, weshalb die Arbeit bereits in versicherungswirtschaftlichem Gewand erscheinen konnte. Nach kurzer Tätigkeit als Gerichtsassessor bei der Staatsanwaltschaft am Landgericht Nürnberg-Fürth wurde er wissenschaftlicher Assistent am Institut für Versicherungswissenschaft der Universität Erlangen und vertrat 1969 sogar Reimer Schmidt in Hamburg, wechselte aber noch im gleichen Jahr in die Dienste der Aachener und Münchener Versicherungsgruppe, in der er zuletzt als Vorsitzender des Vorstands der seinerzeitigen Aachener Rückversicherungs-Gesellschaft tätig war.
Nach zahlreichen anderen versicherungswissenschaf |
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Koch, Sören, Unaufgeforderte Hilfeleistung in Notsituationen (= Rechtshistorische Reihe 420). Lang, Frankfurt am Main 2012. XVII, 412 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen Koch, Sören, Unaufgeforderte Hilfeleistung in Notsituationen (= Rechtshistorische Reihe 420). Lang, Frankfurt am Main 2012. XVII, 412 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Die Arbeit ist die von Nils Jansen betreute, von der juristischen Fakultät der Universität Bergen durch unvergleichliche Forschungsbedingungen geförderte, 2009 von der rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Münster angenommene Dissertation des nach dem Studium der Rechtswissenschaft in München und der zweiten juristischen Staatsprüfung 2007 zunächst in Flensburg als Rechtsanwalt tätigen und danach an der Universität Bergen in Norwegen beschäftigten Verfassers. Sie behandelt im Kern die dogmatische Herleitung des Ersatzes von Aufwendungen und Schäden des Nothelfers bei Nothilfe. Dazu greift die in drei Teile gegliederte, rund 200 Entscheidungen verschiedener Rechtsordnungen auswertende Untersuchung weit in die Geschichte zurück.
Nach einer kurzen Einleitung beginnt der rechtsgeschichtliche Teil mit der actio negotiorum gestorum des römischen Rechtes und verfolgt von dort aus die Entwicklung vom Mittelalter bis zur Neuzeit, in Humanismus und usus modernus Pandectarum, in neuen Ansätzen des Naturrechts sowie im 19. und 20. Jahrhundert, wobei der Verfasser die Lebensrettung als Standardfall der Geschäftsführung ohne Auftrag einordnet. Der zweite Teil versteht sich als Bestandsaufnahme und behandelt Ansprüche des Helfers bei berechtigtem Eingriff (Schadensersatz, Schmerzensgeld, Aufwendungsersatz, Vergütung für unaufgefordert erbrachte Leistungen) und bei ungewollter Hilfeleistung sowie Ansprüche des Hilfeleistungsempfängers. Danach folgen Kritik und Lösungsvorschläge.
Im Ergebnis spricht der Verfasser sich letztlich für die Annahme eines fiktiven Vertrags aus. Überwände man die Bedenken gegen eine Vertragsbegründung ohne Willenserklärung und den damit verbundenen (grundsätzlichen) Eingriff in die Privatautonomie, so ließen sich angemessene Rechtsfolgen |
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Köhler, Matthias, Strategie und Symbolik. Verhandeln auf dem Kongress von Nimwegen (= Externa 3). Böhlau, Köln 2011. X, 531 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen Köhler, Matthias, Strategie und Symbolik. Verhandeln auf dem Kongress von Nimwegen (= Externa 3). Böhlau, Köln 2011. X, 531 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Im Jahre 1672 griff der französische König Ludwig XIV. mit den Verbündeten England, Schweden, Münster und Lüttich die Vereinigten Staaten der Niederlande an. Zwecks Verhinderung der Vorherrschaft Frankreichs traten Spanien und das Heilige römische Reich auf Seiten der Niederlande in die Auseinandersetzungen ein. 1678 gelang Frankreich auf den Kongress von Nimwegen ein günstiger Friedensschluss.
Die Verhandlungen auf diesem Kongress sind der Gegenstand der von Barbara Stollberg-Rilinger angeregten, im Rahmen des Leibniz-Projekts Vormoderne Verfahren erarbeiteten, 2010 von der philosophischen Fakultät der Universität Münster angenommenen Dissertation des Verfassers. Sie gliedert sich außer in Einleitung und Ergebnisse in drei Sachkapitel. In ihnen beschreibt der Verfasser sorgfältig den Kongress, das Rollenhandeln, die Rollentrennung und die Rollenkonflikte bis zur schließlichen Entscheidungsfindung quellennah und methodenmodern.
Dabei geht ervon der ansprechenden Annahme aus, dass sich die Unterscheidung von instrumentellem und symbolischen Aspekt des Handelns deutlicher und verständlicher in Bezug auf soziologische und politikwissenschaftliche Theorieangebote explizieren lässt als in Bezug allein auf erweiterte Politikgeschichte. Dementsprechend verbindet er in seiner umsichtigen Erörterung das sachliche Argumentieren der Beteiligten mit höflichem oder unhöflichem Vorgehen und der Praxis des Austauschs von Gaben und Geschenken. Auf diese Art und Weise gelingen ihm vielfältige Einblicke in diplomatisches Handeln in der von ihm untersuchten Zeit, die von allgemeinerer Bedeutung für die politische Geschichte im frühneuzeitlichen Europa sind.
Innsbruck Gerhard Köbler
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Komlosy, Andrea, Globalgeschichte. Methoden und Theorien. Böhlau, Wien 2012. 276 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen Komlosy, Andrea, Globalgeschichte. Methoden und Theorien. Böhlau, Wien 2012. 276 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Mit der Erfindung von Rad, Kutsche, Dampfmaschine, Dampfschiff, Benzinmotor, Stromleitung, Flugzeug und Raumfahrt ist die äußerlich kaum veränderte Erde für den Menschen deutlich kleiner geworden und mit Telegraphie, Telephonie, Television und der Digitalisierung des Wissens hat die Entfernung viel von ihrer früheren Bedeutung verloren. Die einst unendliche Welt lässt sich seitdem als überschaubare Kugel verstehen, die in einem Tag odeer sogar einer Stunde umrundet werden kann. Deswegen ist neben die hergebrachte Geschichte der Teile besonders in den letzten Jahren verständlicherweise auch die umfassende Globalgeschichte getreten.
Die in Wien 1957 geborene Autorin wurde nach dem Studium von Geschichte und Politikwissenschaft in Wien 1984 in Wirtschafts- und Sozialgeschichte promoviert (1988 Wirtschafts- und Sozialgeschichte des Oberen Waldviertels) und wirkte danach mehrere Jahre freiberuflich im Museumsbereich und Ausstellungswesen. Seit 1993 war sie Universitätsassistentin am Institut für Wirtschafts- und Sozialgeschichte in Wien, wo sie seit ihrer Habilitation im Jahre 2002 über Grenze und ungleiche regionale Entwicklung - Binnenmarkt und Migration in der Habsburgermonarchie als außerordentliche Universitätsprofessorin wirkt. Aus der vertrauten Nähe heraus hat sie sich seitdem für die Globalisierung geöffnet.
Ihr durch 21 Abbildungen veranschaulichtes, durch einen Anhang über Methoden und Theorien in der Praxis globalhistorischen Arbeitens, eine individuell gestaltete Bibliographie und ein Begriffsregister von Akkulturation bis Zivilisation bereichertes Werk gliedert sich nach einer kurzen Einführung in drei Abschnitte. In ihnen behandelt die Verfasserin Raum und Zeit, die Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen und die Lokalisierung der Globalgeschichte und spricht damit die wichtigsten Fragen und Probleme de |
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Komusiewicz, Martin, Die Diskussion um das Verhältnis von Rechtsanwaltschaft und Notariat seit dem Ende des 18. Jahrhunderts bis zum Erlass der Bundesnotarordnung (= Rechtshistorische Reihe 437). Lang, Frankfurt am Main 2012. 198 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
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Die Sicherung des Inhalts einer Erklärung bezüglich vieler wichtiger Umstände wurde den Menschen einige Zeit nach der Erfindung des Schreibens bedeutsam, weil mit der Entstehung der Schrift auch die Möglichkeit der Fälschung aufkam. Auf der Suche nach verlässlichen Sicherungsmöglichkeiten entstand der Notar. Da die Sicherung einen Wert vermittelte, entwickelten sich Dienstleistungsentgelte, auf die von vielen Seiten ein begehrlicher Blick geworfen werden konnte, wobei im deutschen Sprachraum hauptsächlich Nurnotare und Anwaltsnotare um das dadurch erlangbare Einkommen konkurrierten.
Die sich dieser (vor allem im Hintergrund wirtschaftlich wichtigen) Frage widmende Untersuchung ist die von Elisabeth Koch betreute, im Wintersemester 2011/2012 von der rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Jena angenommene Dissertation des zunächst als Rechtsanwalt und danach als wissenschaftlicher Mitarbeiter tätigen Verfassers. Sie gliedert sich angesichts ihres Umfangs im Einzelnen verhältnismäßig differenziert außer in Einleitung und Zusammenfassung im Wesentlichen in zwei Teile. Im ersten Teil stellt der Verfasser die Diskussion ausgehend vom Notariat im alten Reich von 1800 bis zur Gegenwart in ihrem chronologischen Ablauf dar, im zweiten Teil geht er inhaltlich auf die damit verbundenen Fragen ein.
Ausgangspunkt ist das Aufeinandertreffen des Nurnotariats Frankreichs im Rheinland und des Anwaltsnotariats Preußens rechts des Rheins nach dem Sturz Napoleons 1813/1815. Sorgfältig verfolgt der Verfasser die Argumente beider Seiten, die jeweils nach einer Ausdehnung ihres Rechtsgedankens oder Beurkundungssystems auf das jeweilige andere Gebiet strebten. Im Ergebnis gelan |
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Kontroversen um das Recht. Contending for Law. Beiträge zur Rechtsbegründung von Vitoria bis Suárez. Arguments about the foundation of Law from Vitoria to Suárez, hg. v. Bunge, Kirstin/Schweighöfer, Stefan/Spindler, Anselm/Wagner, Andreas (= Politische Philosophie und Rechtstheorie des Mittelalters und der Neuzeit. Texte und Untersuchungen 2, 4). frommann-holzboog, Stuttgart-Bad Cannstatt, 2012. X, 375 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen Kontroversen um das Recht. Contending for Law. Beiträge zur Rechtsbegründung von Vitoria bis Suárez. Arguments about the foundation of Law from Vitoria to Suárez, hg. v. Bunge, Kirstin/Schweighöfer, Stefan/Spindler, Anselm/Wagner, Andreas (= Politische Philosophie und Rechtstheorie des Mittelalters und der Neuzeit. Texte und Untersuchungen 2, 4). frommann-holzboog, Stuttgart-Bad Cannstatt, 2012. X, 375 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Wann, wo, wie und warum das Recht wirklich entstanden ist, kann mangels greifbarer Quellen über seine Anfänge niemand genau sagen. Irgendwann ist irgendwo aber irgendwelches Recht für die Menschen tatsächlich vorhanden und seit dem späteren dritten vorchristlichen Jahrtausend sogar für die Nachwelt fassbar zumindest in Teilstücken überliefert. Während die meisten seiner Nutzer seinen Bestand hingenommen und vielleicht auch bei Bedarf verändert haben, ist er wohl von den wenigsten auf seinen Grund hin untersucht und hinterfragt worden.
Zu bestimmten Zeiten hat an bestimmten Orten aber auch eine intensive Diskussion über die Begründung des Rechts stattgefunden. Zu diesen rechtstheoretischen Entwicklungskernen zählt nach dem die überwiegende methodologische Ansicht wiedergebenden kurzen Vorwort der Herausgeber auch die am Beginn der Neuzeit stehende Schule von Salamanca samt ihrem weiteren akademischen Wirkungsumfeld. Dabei noch offene Fragen haben Interessierte zu einer internationalen Konferenz zusammengeführt, die in Bad Homburg vor der Höhe im Dezember 2009 im Rahmen des Exzellenzclusters 243 „Die Herausbildung normativer Ordnungen“ der Universität Frankfurt ausgerichtet wurde und deren Referate der vorliegende Band der Allgemeinheit zur Verfügung stellt.
Insgesamt bietet der Sammelband 13 gedankenreiche Studien. Im Mittelpunkt stehen dabei Francisco de Vitoria, Domingo de Soto, Sepúlveda, Bartolomé de Las Casas, Alonso de la Veracruz, Fernando Vázquez de Menchaca, Diego de Covarrubias, Luis |
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Köpernik, Kristin, Die Rechtsprechung zum Tierschutzrecht - 1972 bis 2008, unter besonderer Berücksichtigung der Staatszielbestimmung des Art. 20a GG. Lang, Frankfurt am Main 2010. XXVI, 261 S., zahlr. Tab. Besprochen von Gerhard Köbler. |
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Die Arbeit ist die von Philip Kunig betreute, 2010 von der Freien Universität Berlin angenommene Dissertation der 1982 geborenen, nach dem Studium der Rechtswissenschaft für das Projekt DIALREL zum religiösen schlachten tätigen Verfasserin. Sie behandelt den Zeitraum zwischen dem Inkrafttreten des ersten bundesdeutschen Tierschutzgesetzes und der Aufnahme des Tierschutzes in das Grundgesetz (Art. 20a GG) als Staatsziel. Sie gliedert sich in insgesamt drei Kapitel.
In der Einleitung stellt die Verfasserin Hintergrund und Ziel der Arbeit dar, erläutert zentrale Begriffe unter Konzentration auf den Tierschutz, untersucht den Einfluss der Judikative auf die Legislative und ermittelt grundlegende Auswirkungen ihres Artikels 20a GG. Im zweiten Kapitel wertet sie die Rechtsprechung aus und behandelt dabei den Grundsatz des Tierschutzes, die Tierhaltung, das Töten von Tieren, Eingriffe an Tieren, Tierversuche, Eingriffe und Behandlungen zur Bildung, Eingriffe und Behandlung zur Produktion, Tierzucht, Tierhandel, Verbote und Strafvorschriften sowie Bußgeldvorschriften. Am Ende geht sie noch kurz auf Auswirkungen auf das Zivilrecht ein.
Insgesamt ermittelt sie fast 150 Entscheidungen ganz unterschiedlicher Gerichte und wertet sie in vielen Fällen sorgfältig aus. Dabei stellt sie überzeugend Schwächen der Judikative wie der Legislative fest. Auch wenn das Tier grundsätzlich den Bedürfnissen des Menschen dienen muss, verdient es doch mehr Schutz, als ihm Gesetzgebung, Ausführung und Rechtsprechung bisher gewähren.
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Korsmeier, Claudia Maria, Die Ortsnamen der Stadt Münster und des Kreises Warendorf (= Westfälisches Ortsnamenbuch 3). Verlag für Regionalgeschichte, Gütersloh 2011. 519 S., Abb. Besprochen von Gerhard Köbler. |
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Der Kreis Warendorf umfasst etwa 1318 Quadratkilometer der weitgehend flachen münsterländischen Parklandschaft mit rund 277000 Einwohnern in derzeit 13 kreisangehörigen Gemeinden (Ostbevern, Telgte, Everswinkel, Sendenhorst, Drensteinfurt, Warendorf, Ahlen, Sassenberg, Beelen, Ennigerloh, Beckum, Oelde und Wadersloh), von denen vier mittlere kreisangehörige Städte sind, die westlich anschließende kreisfreie Stadt Münster (niederdeutsch Mönster) an der Aa 303 Quadratkilometer mit gut 290000 Einwohner. Beide politisch getrennten Einheiten sind in Bezug auf die Ortsnamen ansprechend zu einer größeren Einheit verbunden. Der ihr gewidmete dritte Band des Westfälischen Ortsnamenbuchs kann auf diese Weise ingesamt 478 Siedlungsnamen behandeln, in die 111 Namen von Wüstungen eingeschlossen sind.
Nach dem kurzen Vorwort der bereits bei Soest tätigen Bearbeiterin weist das ausgesprochene Streusiedlungsgebiet einen vor allem durch die im 9. Jahrhundert einsetzenden Werdener Urbare und das Freckenhorster Heberegister sowie die Herzebrocker Heberolle des 11. Jahrhunderts früh dokumentierten alten Namensbestand auf. Ihm gehören 389 zweigliedrige, aus Bestimmungswort und Grundwort zusammengesetzte Ortsnamen, 38 Ableitungen und 52 einfache Ortsnamen an. Sie alle werden wie z. B. Münster/Mimigernaford mit bisher unerklärbaren Mimi an Hand zahlreicher Belege kritisch gedeutet.
Der wichtige Band beginnt mit dem in der Mitte des 12. Jahrhunderts bezeugten Ackfeld (Adicanhuuile) und endet alphabetisch mit der Wüstung Zumziel (14. Jh. de Sile). Ortsnamensgrundwörter sind ars, au, banni, beke (20), berg, bom, born, brok, bült, bur, burg, burschap, dal, dung, dorp (62 im Kreis Warendorf Soest, ingdorp 59), esch, feld, furt, garde, ger, hagen |
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Koschorke, Albrecht/Ghanbari, Nacim/Eßlinger, Eva/Susteck, Sebastian/Taylor, Michael Thomas, Vor der Familie. Grenzbedingungen einer modernen Institution. kup Konstanz university press, Konstanz 2010. 276 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen Koschorke, Albrecht/Ghanbari, Nacim/Eßlinger, Eva/Susteck, Sebastian/Taylor, Michael Thomas, Vor der Familie. Grenzbedingungen einer modernen Institution. kup Konstanz university press, Konstanz 2010. 276 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Albrecht Koschorle, geboren 1958 in Kastellaun im Hunsrück, wurde nach dem Studium der neueren deutschen Literaturwissenschaft, Philosophie, Kunstgeschichte, Kommunikationswissenschaft und Ethnologie in München 1989 nach einer Untersuchung über Leopold von Sacher-Masoch - Die Inszenierung einer Perversion - im Bereich der Wirkung von Literatur in der Kulturwissenschaft mit einer Dissertation über die Geschichte des Horizonts (vom Mittelalter bis zum 20. Jahrhundert) promoviert. Nach Tätigkeiten als Assistent in Würzburg und Berlin wurde er 1997 mit einer Schrift über Körperströme und Schriftverkehr als Erscheinungsform von Mediologie im 18. Jahrhundert habilitiert. 2001 wurde er für neuere deutsche Literatur und allgemeine Literaturwissenschaften nach Konstanz berufen, wo er auch Sprecher des kulturwissenschaftlichen Graduiertenkollegs über die Figur des Dritten wurde.
Aus dieser Einrichtung ging der vorliegende Sammelband hervor. Er vereint Beiträge fünfer Autorinnen und Autoren. Der Kreis der Angehörigen des Graduiertenkollegs ist dabei um Forscher aus Siegen und Calgary erweitert.
In der ausführlichen Einleitung wird das Interesse am Wertehimmel der Familie, an der Diskussion um die Ehe, an der Behauptung ihres Niedergangs, an der Familie als Trauerspiel und ähnlichen Fragen erläutert. Danach wenden sich die Beteiligten einzeln und vertieft der Aufklärung, der Form der Fortpflanzung, den Kindermärchen, der Heirat einer Magd und Onkeln und Tanten im Haus zu. Literaturhinweise und ein kurzes Personenregister von Wilhelm Albrecht bis zu Johann E. Zöllner versuchen eine Aufschließung der vielfältigen Erkenntnisse über die Familie und den Zustand vor ihr.
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Kradolfer, Matthias, Justitias „Emancipation“ - Zur Unabhängigkeit der Justiz in der schweizerischen Eidgenossenschaft 1798-1848. Unter besonderer Berücksichtigung der Justizgeschichte des Kantons St. Gallen (= Europäische Rechts- und Regionalgeschichte 15). Dike, Zürich 2011. XIII, 336 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen Kradolfer, Matthias, Justitias „Emancipation“ - Zur Unabhängigkeit der Justiz in der schweizerischen Eidgenossenschaft 1798-1848. Unter besonderer Berücksichtigung der Justizgeschichte des Kantons St. Gallen (= Europäische Rechts- und Regionalgeschichte 15). Dike, Zürich 2011. XIII, 336 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Die Arbeit ist die von Lukas Gschwend betreute, 2011 von der Universität Sankt Gallen. Hochschule für Wirtschafts-, Rechts- und Sozialwissenschaften sowie internationale Beziehungen angenommene Dissertation des in Sankt Gallen 1985 geborenen, in Zürich ausgebildeten, im Doktoratsstudium 2009-211 (!) am Lehrstuhl Thomas Gächters als Assistent tätigen Verfassers. Sie betrifft eine bisher noch nicht ausreichend bearbeitete Thematik. Sie gliedert sich in insgesamt 9 Abschnitte.
Nach einer Einführung über den Gegenstand der Untersuchung, Forschungsstand und wegleitende Überlegungen sowie den methodisch-theoretischen Rahmen (einschließlich von Vorgehen und Quellen) schildert der Verfasser unter Entwicklungsprozessen und Strukturbedingungen zunächst die Zersetzung der Gerichtsverfassung des Heiligen Römischen Reiches und die alte Eidgenossenschaft mit ihren Strukturbedingungen um 1800. Danach behandelt er Recht und Rechtspflege in der Reichsstadt Sankt Gallen unter besonderer Berücksichtigung der Verfassungsstrukturen und des Erbstreits der Familie Müller, wobei er auf die historisch gewachsene Justizverwaltung und die fehlende Beamtenprofessionalität hinweist. Anschließend legt er kurz das politische, von der Aufklärung bestimmte Reformdenken in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts dar.
In der Hauptsache befasst er sich danach mit den Epochen der helvetischen Republik (1798-1803), der Mediation und Restauration (1803-1831), des Liberalismus und der Regeneration (1830/1831) sowie dem Weg von der Regeneration zur Bundesverfassung von 1848. Dabei kann er zwar insgesamt modernisierende Entwicklungen feststellen, we |
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Kramer, Nicole, Volksgenossinnen an der Heimatfront. Mobilisierung, Verhalten, Erinnerung. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2011. 392 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
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Der Nationalsozialismus war im Grunde eine von Männern für Männer gegründete Partei, die für den Arbeiter gedacht war, nicht aber auch für die noch eher seltene und dann jedenfalls bedeutungslose Arbeiterin. Auch bei den im Grunde als loses Vorbild verwendeten Germanen standen die Männer im Kampf, während die Frauen nur eine, frelich nicht unwichtige Kulisse in der Wagenburg bildeten. Im Laufe der nationalsozialistischen Herrschaft erwies es sich freilich als sinnvoll, Frauen einzeln oder auch aus Gruppe in die Bewegung wenigstens am Rande aufzunehmen.
Die Verfasserin greift die damit zusammenhängende Problematik in ihrer 2009 an der Universität München angenommenen Dissertation auf. Dabei geht sie von einer breiten Quellenbasis aus und gelangt in sorgfältiger Betrachtung zu anerkennenswerten neuen Erkenntnissen. Da die von Gertrud Scholtz-Klink als Reichsfrauenführerin geleitete Nationalsozialistische Frauenschaft mit dem Deutschen Frauenwerk vier Millionen Mitglieder und 4 Millionen inkorporierte Mitglieder mit steigender Tendenz zählten und mehr als 8 Millionen Frauen dem Reichsluftschutzbund angehörten, erweist sich ein großer Teil der deutschen Frauen mehr oder weniger stark den Nationalsozialismus verbunden.
Damit dürfte eine überzeugende Einschätzung gelungen sein neben der Verdrängung der Frauen aus dem Nationalsozialismus allgemein und ihrer bloßen Einstufung als Opfer. Nicht alle, aber doch zahlreiche Frauen ließen sich zur für die Bewegung gewinnen. Nach Ende der nationalsozialistischen Herrschaft wurde auch dies in der Erinnerung zu Unrecht weitgehend verdrängt.
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Kressin, Urban, Hereditas. Aspekte eines Wortgebrauchs in Spätantike und frühem Mittelalter. Lang, Frankfurt am Main 2011. VIII, 201 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
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Das praktisch wohl wichtigste Recht des Menschen in seinem gesamten Leben ist das Eigentum und am leichtesten erlangt er es in der Form des Erbes. Deswegen hat das Erbe seit der Entdeckung der Bedeutung der längerfristigen Innehabung der Sachen für den Menschen besondere Bedeutung. Von daher verdient der Gebrauch des lateinischen Wortes hereditas an der Wendung vom Altertum zum Mittelalter Aufmerksamkeit.
Verfolgt hat ihn der Verfasser in seiner von Bernhard Jussen angeregten und betreuten, im Wintersemester 2010/2011 am Fachbereich Philosophie und Geschichtswissenschaften der Universität Frankfurt am Main innerhalb des Projekts Erbe, Erbschaft, Vererbung angenommenen Dissertation. Sie gliedert der Verfasser in insgesamt fünf Abschnitte. Dabei wendet er sein Hauptaugenmerk den Kirchenvätern Hieronymus und Augustinus, Gregor dem Großen, den Konzilen und den Karolingern zu und verzichtet leider auf ein Stellenregister.
Im Ergebnis erkennt er hinter dem Gebrauch von Erbekonzepten dieser vielfältigen Zeiten keine Einheit, sondern eine von der jeweiligen Gebrauchssituation abhängige disparate Erbesemantik. In deren Rahmen erweist sich die hereditas als Schlüssel für Jenseitsdenken, Gesellschaftsordnung und Verteilung von Freiheit und Eigentum. Dementsprechend wird nur in besonderen Zusammenhängen sichtbar, dass ein Sohn ein ihm vom Vater vererbtes Landgut auch rechtlich gesichert wissen wollen, obgleich dies vermutlich im wirklichen Leben größtes Gewicht gehabt haben dürfte.
Innsbruck Gerhard Köbler
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Krethlow, Carl Alexander, Generalfeldmarschall Colmar Freiherr von der Goltz Pascha. Eine Biographie. Schöningh, Paderborn 2012. 749 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
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Wilhelm Leopold Colmar Freiherr von der Goltz wurde in Adlig Bielkenfeld, das nach dem Tod des späteren Generalfeldmarschalls in Adlig Goltzhausen umbenannt wurde, als Sohn eines Gutseigentümers geboren. Sein Leben führt in die Zeit zurück, in der das Deutsche Reich noch koloniale Interessen haben konnte. Dem entspricht nicht nur der Tod bei der Verteidigung Bagdads gegen die Briten (am 19. April 1916), sondern auch seine Ehrung mit dem Titel Pascha.
Mit 18 Jahren trat Goltz in die Infanterie Preußens ein und besuchte die Kriegsakademie in Berlin. Nach der Teilnahme an der deutsch-deutschen Auseinandersetzung mit Österreich von 1866 wurde er Mitglied des Generalstabs Preußens, einige Jahre nach dem deutsch-französischen Krieg von 1870 Lehrer für Kriegsgeschichte an der Kriegsakademie Preußens. Von 1883 bis 1895 führte er die Reorganisation der Armee des osmanischen Reiches durch und wurde dafür mit dem Titel Pasch geehrt.
Beinahe wäre er1906 Generalstabschef geworden, beinahe 1909 Reichskanzler. Akribisch zeichnet der Verfasser nach, wie der Generalfeldmarschall, der ein nur der Friedenssicherung dienendes Heer als ein innerlich unwahres Zwitterwesen einstufte, lebenslang für einen Präventivkrieg eintrat. Dies war nach der ansprechenden Ansicht des mit einer Dissertation über den Malteserorden 1997 in Bern promovierten Verfassers wohl auch der Grund dafür, dass er die angestrebten politischen Endziele nicht erreichte und sich nach Jahrzehnten des Dienstes an seinem Vaterland letztlich von allen ernsten Dingen zu Unrecht ausgeschlossen sah.
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Krings, Stefan, Hitlers Pressechef. Otto Dietrich (1897-1952). Eine Biographie. Wallstein, Göttingen 2010. 543 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen Krings, Stefan, Hitlers Pressechef. Otto Dietrich (1897-1952). Eine Biographie. Wallstein, Göttingen 2010. 543 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Die Arbeit ist die von Lutz Hachmeister am Institut für Journalistik der Universität Dortmund angeregte und betreute Dissertation des Verfassers. Sie verwertet insbesondere auch den von der Tochter zur Verfügung gestellten persönlichen Nachlass Otto Dietrichs. Hinzukommen zahlreiche weitere ungedruckte Archivbestände, so dass der Verfasser auf der bestmöglichen Quellengrundlage vorgehen konnte.
Gegenstand seiner Untersuchung ist der in Essen 1897 als Sohn eines Kaufmanns geborene Otto Dietrich, der nach dem Besuch des Realgymnasiums in Essen, der freiwilligen Kriegsteilnahme, dem Kriegsabitur in Gent (1917) und dem Studium von Staatswissenschaft und Philosophie in München, Frankfurt am Main und Freiburg im Breisgau 1921 zum Dr. rer. pol. promoviert wurde. Nach Tätigkeiten bei der Handelskammer Essen und der Essener allgemeinen Zeitung trat er im April 1929 mit der Mitgliedsnummer 126727 der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei bei und wurde Schriftleiter der Nationalzeitung sowie zum 1. August 1931 Reichspressechef der NSDAP. Seinen Lebensweg verfolgt der Verfasser sehr sorgfältig in zehn Kapiteln von der nationalistischen Prägung zwischen Kaiserreich und Republik bis zum Tode in Düsseldorf am 22. November 1952.
Zwar kam Dietrich mit Adolf Hitler an die Macht und bemühte sich um die Säuberung des Reichsverbands der deutschen Presse, die Verknüpfung von öffentlicher Meinung und NSDAP sowie die Befreiung der Gehirne und stieg damit am 30. April zum Vorsitzenden des Reichsverbands der deutschen Presse und 1938 zum Staatssekretär im Propagandaministerium auf, wollte aber niemals eine Spur von manchen Dingen gewusst haben, wurde Ende März 1945 entlassen und wollte nach 1945 praktisch mit der Organisation der Presse nichts zu tun gehabt haben. Im Ergebnis stuft ihn der Ver |
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Krusche, Sebastian, Die Bundesrechtsanwaltsordnung vom 1. August 1959. Vorgeschichte und Entsteheung (= Rechtshistorische Reihe 427). Lang, Frankfurt am Main 2011. 433 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen Krusche, Sebastian, Die Bundesrechtsanwaltsordnung vom 1. August 1959. Vorgeschichte und Entstehung (= Rechtshistorische Reihe 427). Lang, Frankfurt am Main 2011. 433 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Die Arbeit ist die von Werner Schubert in unerschöpflichem Einfallsreichtum angeregte und betreute, 2011 von der rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Kiel angenommene Dissertation des in Göttingen 1977 geboren, die juristische Ausbildung 2008 abschließenden Verfassers. Sie behandelt eine weitere wichtige Rechtsquelle des geltenden Rechts auf der Grundlage umfangreicher, teilweise archivalischer Quellen. Der Verfasser unterscheidet insgesamt elf Teile.
Nach einer kurzen Einleitung geht er auf die vielfältige, 1878 zur Einheit führende Entwicklung des Anwaltsrechts bis 1945 auf der Grundlage der vorliegenden Literatur ein. Danach schildert er die verwickelte Lage in den unterschiedlichen Besatzungszonen, die erst infolge der Entscheidung für eine konkurrierende Gesetzgebungszuständigkeit vereinheitlicht werden konnte. Im Mittelpunkt steht dann zu Recht die Gesetzgebungsgeschichte der Bundesrechtsanwaltsordnung, die mit Entwürfen durch die Rechtsanwaltschaft einsetzt, aber erst in einem dritten Entwurf des Bundesjustizministeriums bzw. der Bundesregierung nach fast zehn Jahren zur Verwirklichung gelangt.
Im Anschluss hieran erörtert der Verfasser sorgfältig die Kernfragen (Berufsbild, Zulassung, Rechte und Pflichten, Rechtsanwaltskammern, Ehrengerichte, Rechtsanwaltschaft bei dem Bundesgerichtshof, Bundesrechtsanwaltskammer) der Bundesrechtsanwaltsordnung und geht auf die weitere Entwicklung ein. Grundsatz ist die Freiheit der Advokatur, die bislang Bestand behalten hat. Umfangreiche Anhänge mit einigen Kurzbiographien runden die ansprechende Arbeit ab, die freilich auch Hartsang und Herman von Mangoldt und Herrman von Mangoldt aufführt.
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Kuhl, Christoph, Carl Trimborn 1854-1921. Eine politische Biographie. Schöningh, Paderborn 2011. 310 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
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Die vorliegende, mit einem Bildnis Carl Trimborns auf dem Umschlag geschmückte Arbeit ist die von Hermann Hiery angeregte und betreute, am 11. November 2009 von der kulturwissenschaftlichen Fakultät der Universität Bayreuth angenommene, von der Hanns-Seidel-Stiftung e. V. in München geförderte, den Nachlass des Porträtierten erstmals umfassend auswertende Dissertation des Verfassers. Sie gliedert sich nach einer Einleitung in insgesamt neun Abschnitte. Sie begleiten chronologisch den abwechslungsreichen Lebenslauf Trimborns vom Elternhaus bis zu den letzten Monaten.
Carl Trimborn wurde in Köln am 2. Dezember 1854 als drittes von 15 Kindern des Rechtsanwalts Cornelius Balduin Trimborn geboren. Nach dem Abitur auf dem Apostelgymnasium seiner Heimatstadt studierte er in Leipzig, wo er mit Adolf Gröber die katholische Studentenverbindung Teutonia-Leipzig im KV begründete, Geschichte und Philosophie und danach in München und Straßburg Rechtswissenschaft. Nach Abschluss der Ausbildung wurde er Rechtsanwalt in Köln und wirkte in verschiedenen Vereinen an maßgeblicher Stelle.
1896 wurde er in den Reichstag und in das Abgeordnetenhaus Preußens sowie 1904 zum Präsidenten der Generalversammlung der katholischen Vereine Deutschlands gewählt. Im deutschen Kaiserreich war er zeitweise Staatssekretär im Reichsamt des Inneren und in der vielfältigen Parteienlandschaft stieg er als Nachfolger Adolf Gröbers zum Vorsitzenden des Zentrums auf. Ansprechend zeichnet der Verfasser das engagierte Wirken eines sehr integrationsfähigen und kompromissbereiten Politikers nach, der zwar die deutsche Geschichte an keiner Stelle entscheidend geprägt, aber doch zum Ausgleich zwischen den unterschiedlichen Kräften und zur Stabilität des Gemeinwesens maßgeblich beigetragen hat.
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Kullmann, Wolfgang, Naturgesetz in der Vorstellung der Antike, besonders der Stoa. Eine Begriffsuntersuchung (= Philosophie der Antike 30). Steiner, Stuttgart 2010. 189 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen Kullmann, Wolfgang, Naturgesetz in der Vorstellung der Antike, besonders der Stoa. Eine Begriffsuntersuchung (= Philosophie der Antike 30). Steiner, Stuttgart 2010. 189 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Die Vorstellung Naturgesetz verbindet und trennt zugleich Naturphilosophie und Rechtsphilosophie. Für die Naturphilosophie ist das Naturgesetz ein Grundgesetz der Natur im Sinne eines festen, vom Menschen zwar erkennbaren, aber grundsätzlich nicht abänderbaren Zusammenhangs von Voraussetzung und Folge, das insbesondere die Physik dem Menschen in Worten oder Zeichen zu beschreiben und zu erklären versucht. In der Rechtsphilosophie geht es demgegenüber um vom Menschen nicht gesetzte, unabhängig von seinem Willen im menschlichen Leben bestehende, auf Grund seiner Vernunft aber erkennbare, normative Zusammenhänge.
Der in Berlin-Spandau 1927 geborene, nach dem Abitur 1946 an der Humboldt-Universität Griechisch, Latein, Philosophie und Ägyptologie studierende Verfasser, schloss seine Studien 1951 mit dem ersten Staatsexamen ab und wurde 1952 in Tübingen mit der von Wolfgang Schadewaldt betreuten Dissertation über das Wirken der Götter in der Ilias promoviert. !957 wurde er in Freiburg im Breisgau mit einer Untersuchung über die (für ihn poetisch fassbaren) Quellen der Ilias habilitiert, 1964 nach Marburg und 1975 nach Freiburg im Breisgau berufen, wo er bis 1996 wirkte. Der Naturwissenschaft näherte er sich bereits in seinen 1974 vorgelegten Interpretationen zur aristotelischen Theorie der Naturwissenschaft.
Das Naturgesetz in der Vorstellung der Antike ist ein sehr weites und zugleich sehr interessantes Forschungsthema. Der Verfasser verfolgt es von Homer über Platon und Aristoteles, Zenon, Seneca, Paulus, Plutarch, Origines, Tertullian, Ambrosius und viel andere bis zu Augustinus. Dabei kann er mit vielen Differenzierungen ansprechend zeigen, dass die Vorstellung von göttlichen Regeln und Gesetzen, die wie menschliche Gesetze d |
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Kuß, Susanne, Deutsches Militär auf kolonialen Kriegsschauplätzen. Eskalation von Gewalt zu Beginn des 20. Jahrhunderts (= Studien zur Kolonialgeschichte 3). Ch. Links Verlag, Berlin 2010. 500 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen Kuß, Susanne, Deutsches Militär auf kolonialen Kriegsschauplätzen. Eskalation von Gewalt zu Beginn des 20. Jahrhunderts (= Studien zur Kolonialgeschichte 3). Ch. Links Verlag, Berlin 2010. 500 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Die 1965 geborene Verfasserin war nach dem Studium von Geschichte, Philosophie und Politikwissenschaft in Freiburg im Breisgau und Berlin ab 1992 als Mitarbeiterin am ostasiatischen Seminar der Freien Universität Berlin tätig, von 1994 bis 2008 in verschiedenen Stellungen am historischen Seminar der Universität Freiburg. Ihre 1998 abgeschlossene, 2005 veröffentlichte Dissertation hatte das Thema Der Völkerbund und China - technische Kooperation und deutsche Berater 1928-1934, so dass sie bereits früh einen weiten Rahmen abstecken konnte, in dem sie sich zur besonderen Sachkennerin entwickeln konnte. Ihr vorliegendes Werk rief dementsprechend umgehend das Interesse eines sachkundigen Rezensenten hervor, dem der Verlag leider kein Rezensionsexemplar zur Verfügung stellen konnte, so dass der Herausgeber mit wenigen Zeilen auf die kompakte Veröffentlichung hinweisen muss.
De Verfasserin teilt ihre Arbeit unter dem Motiv „The Germans to the Front“ nach einer kurzen Einleitung über Gewalt im Krieg, Forschungsstand, Methode, Quellen und Gliederung in drei Sachkapitel. Nacheinander behandelt sie den Boxerkrieg von 1900/1901, den Herero- und Namakrieg 1904-1907 und den Majimajikrieg 1905-1908, die kolonialen Kriegsschauplätze einschließlich der Motivationen, Waffen, Gegner, Krankheiten und Reaktionen im Ausland und Inland, um schließlich zu Auswertung und Erinnerung überzugehen. Am Ende bietet sie eine klare Zusammenfassung über deutsche Kolonialkriege.
Im Ergebnis ermittelt die Verfasserin eine erschreckende Brutalität, für deren Ausmaß sie neben Rassismus, Nationalismus und Militarismus vor allem Unkenntnis einerseits und Akzeptanz im Deutschen Reich wie in Großbritannien und Frankreich andererseits wahrsche |
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Kutting, Dennis, „Neues Bauen für neue Menschen?“ Planungen städtischer Verwaltungen und Aneignung durch die Bewohner im sozialen Wohnungsbau der 1920er Jahre (= Speyerer Forschungsberichte 264). Deutsches Forschungsinstitut für öffentliche Verwaltung, Speyer 2010. IX, 122 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
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Der Verfasser studierte seit 1999 Geschichte und Politikwissenschaft an der Freien Universität Berlin, der Università Ca Foscari und der Universität Köln. 2007 wechselte er für ein Aufbaustudium an die Deutsche Verwaltungshochschule in Speyer. Dort ist er seit Mai 2008 als Forschungsreferent am deutschen Forschungsinstitut für öffentliche Verwaltung tätig.
Seine Untersuchung befasst sich mit einer Interessanten Entwicklung im frühen 20. Jahrhundert. Nach dem Ende des ersten Weltkriegs entwickelten sich viele Stadtverwaltungen als Planer und Bauherren von Siedlungen des sozialen Wohnungsbaues. Als Gegenstand seiner grundlegenden Betrachtung verwendet der Bearbeiter den städtischen Siedlungsbau der Zwischenkriegszeit in Frankfurt am Main.
Illustriert durch 39 Abbildungen behandelt der Verfasser auf der Grundlage seiner klaren Einleitung drei Sachgebiete. Sie betreffen das neue Bauen für den neuen Menschen, die Verwaltung des neuen Bauens und des neuen Menschen und die Aneignung des neuen Bauens durch seine Bewohner.-Im Ergebnis konstatiert der Verfasser überzeugend einen Misserfolg, weil der von den Sozialingeniueren des neuen Bauens angestrebte neue Mensch durch seine Verhaftung in der eigenen Geschichte überwiegend Utopie blieb.
Innsbruck Gerhard Köbler
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Kuzmany, Börries, Brody. Eine galizische Grenzstadt im langen 19. Jahrhundert. Böhlau, Wien 2011. 406 S., 47 Abb. Besprochen von Gerhard Köbler. |
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Der Verfasser ist nach dem Studium von Geschichte und Russisch in Wien, Paris und Moskau erstmals durch seine Diplomarbeit über Konstruktionsstrategien eines sowjetischen Judentums in den 1920er Jahren hervorgetreten. Seine vorliegende Dissertation ist im Rahmen zweier Forschungsprojekte zu habsburgisch-russischen Grenzstädten entstanden. Seit 2010 arbeitet der Verfasser im Doktoratskolleg über das österreichische Galizien und sein multikulturelles Erbe über nationale Ausgleichsbemühungen in Galizien, Bukowina und Mähren als Laboratorium der österreichischen und europäischen Nationalitätenpolitik.
Das etwa 24000 Einwohner zählende Brody liegt heute als Mittelpunkt eines nordöstlichen Rayons im Gebiet Lemberg in der Westukraine. Von 1772 bis 1918 war es nordostösterreichische Grenzstadt mit langer multikultureller Vergangenheit, von der noch in der Gegenwart die Bausubstanz kündet. 1918 gelangte Brody an Polen, als Folge des Hitler-Stalinpakts an die Sowjetunion, 1941 unter die bis 1944 dauernde Herrschaft der Wehrmacht des deutschen Reiches und 1991 an die Ukraine.
Gegliedert ist die sorgfältige Untersuchung in drei Teile mit elf Abschnitten. Nach Vorwort und Einleitung behandelt der Verfasser zunächst wirtschaftlichen Aufstieg (1630-1815) und Fall der Stadt, geht danach detailliert auf sie außergewöhnliche Kleinstadt ein, die sich als Österreichs jüdischste Stadt mit christlichen Minderheiten, aber auch als multikulturelle Lebenswelt und Zufluchtsort erweist, und nimmt zum Abschluss Verortungen (das bereiste Brody, das belletristische Brody etwa Joseph Roths) vor und (auch österreichische) Erinnerungsorte wahr. Die Antwort auf die Frage, ob Brody eine Erfolgsgeschichte ist, lässt er, auch wenn sie aus ökonomischer Sicht eindeutig zu bejahen ist, insgesamt ansprechend vom jeweilige |
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Laabs, Dirk, Der deutsche Goldrausch. Die wahre Geschichte der Treuhand. Pantheon Verlag, München 2012. 384 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
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Als sich die Deutsche Demokratische Republik knapp ein Jahr nach ihren großen Feiern des vierzigjährigen Bestands 1990 der Bundesrepublik Deutschland anschloss, war die Freude zumindest bei der Mehrheit der Beteiligten groß, hatte doch ein Jahr zuvor kaum jemand an die Verwirklichung dieser lange Jahre vorgetragenen politischen Forderung geglaubt. Allerdings bedeutete diese politische Einheit auch umfangreiche Aufgaben und bedeutsame Herausforderungen, hatten sich doch die beiden Teile des Deutschen Reiches seit 1945 in vielen Hinsichten ziemlich auseinandergelebt. Insbesondere bestand im Osten die Planwirtschaft, die es nun mit der westlichen Marktwirtschaft zu verbinden galt.
Zu diesem Zweck wurde gegen Ende der Deutschen Demokratischen Republik die Treuhandanstalt als bundesunmittelbare Anstalt des öffentlichen Rechts in Deutschland gegründet, der zum 1. Juli 1990 7984 volkseigene Betriebe mit vier Millionen Beschäftigten anvertraut wurden. Ihre Aufgabe sollte es sein, die volkseigenen Betriebe der Deutschen Demokratischen Republik nach den Grundsätzen der Marktwirtschaft zu privatisieren oder notfalls stillzulegen und die Effizienz und Wettbewerbsfähigkeit der verbleibenden Unternehmen zu sichern. Nach knapp etwa fünf Jahren wurde die Anstalt nach 39,6 Prozent Stilllegungen, 53,8 Prozent Privatisierungen, 13,1 Prozent Rückgaben an frühere Berechtigte und 2,6 Prozent Überführungen in kommunale Trägerschaft zum 31. Dezember 1994 wieder aufgelöst.
Mit der wechselvollen Geschichte dieser Anstalt befasst sich das vorliegende, auf ziemlich sorgfältigen Ermittlungen beruhende, zu überwiegend kritischen Ergebnissen gelangende Werk des Filmemachers Dirk Laabs, der sich zuvor etwa mit dem Versagen von Politik und Geheimdiensten im Umfeld des 11. September (2001) befasst hatte. Insgesamt si |
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Lamberts, Emiel, Het gevecht met Leviathan - Een verhaal over de politieke ordening in Europa (1815-1965). Prometheus, Amsterdam 2011. 428 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
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Der in Londerzeel 1941 geborene Verfasser ist emeritierter Professor für neueste Geschichte an der Katholischen Universität in Löwen. Zu seinen bedeutendsten Veröffentlichungen zählen Christian Democracy in the European Union (1945-1995) und The Black International (1870-1878). Gemeinsam mit Hans Blom redigierte er eine Geschichte der Niederlande.
Der Titel seines vorliegenden Wekes spielt auf das biblisch-mythologische Seeungeheuer an, das durch eine staatstehoretische Schrift von Thomas Hobbes aus dem Jahre 1651, an die der Verfasser im Prolog bewusst anknüpft, zu Weltruhm gelangt ist. Der Verfasser verlagert dessen Wirken in die jüngere Vergangenheit. Damit erregte er in kurzer Zeit so viel allgemeines Interessse, dass im Erscheinungsjahr binnen sechs Monaten drei Drucke erforderlich wurden.
Gegliedert ist die spannende, seit 1967 angedachte, an der Biographie des österreichischen Spitzendiplomaten Gustav von Blome anknüpfende Darlegung, die ihre wissenschaftlichen Nachweise in den Anhang verlegt, in insgesamt fünf Abschnitte. Sie betreffen nach einem kurzen Vorwort und Prolog Metternich, Bismarck, die römische Kirche, die schwarze Internationale und die Unie van Fribourg und werden durch einen Epilog über Adenauer in Cadenabbia abgeschlossen.
Innsbruck Gerhard Köbler
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Lammeyer, Philipp, Konflikt zwischen Zession und dem vom Zedenten erwirkten Urteil. Schutz des Schuldners gegen die Gefahr der doppelten Inanspruchnahme (= Augsburger Rechtsstudien 67). Nomos, Baden-Baden 2012. 310 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
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Die Arbeit ist die von Beate Gsell angeregte und betreute, im Sommersemester 2011 von der juristischen Fakultät der Universität Augsburg angenommene, mit summa cum laude bewertete Dissertation des Verfassers. Sie betrifft eine einzelne, im Grenzbereich zwischen Schuldrecht und Zivilprozessrecht stehende Frage. Sie gliedert sich außer in Einführung und Zusammenfassung in drei Sachkapitel.
Ausgangspunkt sind zwei Urteile des Bundesgerichtshofs vom 19. Oktober 2000 (BGHZ 145, 352) und 3. Mai 2005 (BGHZ 163, 59), in denen eine seit mehr als 8 Jahrzehnten nahezu einhellig vertretene Rechtsauffassung aufgegeben wurde. Dabei ging es um die Frage, ob bei Abtretung einer Forderung während einer Rechtshängigkeit ohne Offenlegung und folgender Verurteilung des Schuldners mangels Rüge der Aktivlegitimation des Gläubigers und Kenntnisnahme des Schuldners nach Rechtskraft und vor Leistung an den Zedenten der Schuldner doppelte Leistung an den Zedenten (Altgläubiger) und den Zessionar (Neugläubiger) vermeiden kann. Die bisher herrschende Meinung gewährte dem Schuldner in dieser diffizilen Lage die Vollstreckungsgegenklage.
Der Verfasser stellt nach seiner Einführung in die Thematik den Lösungsansatz des Bundesgerichtshofs dar und geht danach auf die geschichtliche Entwicklung seit dem römischen Recht ausführlich ein. Anschließend bietet er eigene Ansätze zur Lösung der Problematik. Im Ergebnis lehnt er die Lösung des Bundesgerichtshofs ab und spricht sich auf Grund der geschichtlichen Entwicklung dafür aus, den Schuldner dadurch zu schützen, dass er mit befreiender Wirkung an den jeweiligen Titelgläubiger (und nicht mehr berechtigten Zedenten) zahlen kann. Die tatsächliche weitere Entwicklung d |