Jahns, Sigrid, Das Reichskammergericht und seine Richter. Verfassung und Sozialstruktur eines höchsten Gerichts im Alten Reich. Teil 1 Darstellung (= Quellen und Forschungen zur höchsten Gerichtsbarkeit im Alten Reich 26/1). Böhlau, Köln 2011. 783 S., zahlr. Karten, Tab. und Abb. Besprochen von Gerhard Köbler.
Jahns, Sigrid, Das Reichskammergericht und seine Richter. Verfassung und Sozialstruktur eines höchsten Gerichts im Alten Reich. Teil 1 Darstellung (= Quellen und Forschungen zur höchsten Gerichtsbarkeit im Alten Reich 26/1). Böhlau, Köln 2011. 783 S., zahlr. Karten, Tab. und Abb. Besprochen von Gerhard Köbler.
Sigrid Jahns lag es, als sie 1975 nach Promotion (Frankfurt am Main 1972, „Frankfurt, Reformation und Schmalkaldischer Bund - die Reformations-, Reichs- und Bündnispolitik der Reichsstadt Frankfurt am Main 1525-1536), Auslandsaufenthalt und Referendarzeit an einem Bad Homburger Gymnasium freudig das Angebot annahm, nochmals „für ein paar Jahre“ in die Forschung zurückzukehren, fern, daraus ein Lebenswerk zu schaffen. Im Rahmen des von Peter Moraw, Volker Press, Karl Otmar Freiherrn von Aretin und Hermann Weber geleiteten, von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Forschungsschwerpunkts „Deutsche Sozial- und Verfassungsgeschichte des späten Mittelalters und der frühen Neuzeit“ übernahm sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin Volker Press’ das Teilprojekt Zusammensetzung und Sozialbeziehungen des Reichskammergerichts 1548-1806. Dass es bis 1983 nicht abgeschlossen war, hing mit dem ursprünglichen Umfang und den Tücken prosopographischer Forschung in den räumlichen und zeitlichen Dimensionen des Alten Reiches ebenso zusammen wie mit einer unglückseligen, den Eingeweihten bekannten Verkettung lebensgeschichtlicher Ereignisse.
Immerhin konnte die Verfasserin im Wintersemester 1990/1991 ihre zweiteilige Arbeit dem Fachbereich Geschichtswissenschaften der Universität Gießen als Habilitationsschrift vorlegen, die von Peter Moraw, Heinz Schilling, Helmut Berding, Gerd Althoff und Diethelm Klippel positiv bewertet wurde. Zwar hätte der darstellende Teil 1 seinerzeit in Druck gehen können, doch wollte die Verfasserin beide Teile gleichzeitig veröffentlichen und fehlten für Teil 2 noch fünzehn Biographien. Um zugesagte öffentliche Gelder dennoch nicht verfallen zu lassen, gab sie den zweiten Teil für den Untersuchungszeitraum 1740-1806 dann im Jahre 2003 vorweg in Druck und legte den ersten Teil mit Ergänzungen um mehrere Seiten und ein eigenes Unterkapitel nach Beendigung ihrer Lehrtätigkeit in München (2009) zwanzig Jahre nach Abschluss doch noch auch im Druck vor.
Gegliedert ist der erste, in seinen Anführungszeichen noch die Anfangsphase seiner Entstehung dokumentierende Teil dieses großen und wichtigen, wenn auch auf Teilbereiche eingeschränkten, auf zahlreichen ungedruckten wie gedruckten Quellen beruhenden, im Anhang eine Liste der (12) Kammerrichter und (14 katholischen und 10 evangelischen) Präsidenten zwischen 1648 und 1806 einfügenden, durch ein Personenregister von Abel bis Zwierlein abgerundeten Werkes in insgesamt vier Kapitel (Einführung, Funktion und Besetzung des Kammergerichts [Das Kammergericht als zentrale Institution des Alten Reiches, Das Personal, Die Besetzung der Assessorate], Das Gruppenprofil der Assessoren und der erfolglos Präsentierten [Geographische Herkunft, Ausbildungsprofil, Assessorat und soziale Mobilität], Die Personalverfassung unter Anpassungsdruck, Das Kammergericht - ein höchstes Gericht im Reich). Im Detail untersucht die Verfasserin die geographische Rekrutierung, die theoretisch-praktische Ausbildung, die soziale Herkunft und die soziale Mobilität mit Schwerpunkt auf der Wetzlarer Zeit des Gerichts. Dabei kann sie hauptsächlich an Hand von 92 Assessoren (sowie 36 sonstigen Präsentierten) des engeren Untersuchungszeitraums zwischen 1740 und 1806 vor allem anfängliche Modernität und spätere Reformbedürftigkeit nachweisen, so dass sie über zahlreiche neue Einzelerkenntnisse hinaus in erster Linie Bernhard Diestelkamp darin beipflichten kann, dass das „Reichskammergericht am Ende nur noch ein gelehrtes“ (sein Personal bisher wohl noch nicht vollständig an einem Ort präsentierendes) „Gericht unter anderen war, wenn es auch weiter in besonderem Ansehen stand“ und deshalb weiter besonderes Interesse verdient.
Innsbruck Gerhard Köbler