Kullmann, Wolfgang, Naturgesetz in der Vorstellung der Antike, besonders der Stoa. Eine Begriffsuntersuchung (= Philosophie der Antike 30). Steiner, Stuttgart 2010. 189 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Kullmann, Wolfgang, Naturgesetz in der Vorstellung der Antike, besonders der Stoa. Eine Begriffsuntersuchung (= Philosophie der Antike 30). Steiner, Stuttgart 2010. 189 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Die Vorstellung Naturgesetz verbindet und trennt zugleich Naturphilosophie und Rechtsphilosophie. Für die Naturphilosophie ist das Naturgesetz ein Grundgesetz der Natur im Sinne eines festen, vom Menschen zwar erkennbaren, aber grundsätzlich nicht abänderbaren Zusammenhangs von Voraussetzung und Folge, das insbesondere die Physik dem Menschen in Worten oder Zeichen zu beschreiben und zu erklären versucht. In der Rechtsphilosophie geht es demgegenüber um vom Menschen nicht gesetzte, unabhängig von seinem Willen im menschlichen Leben bestehende, auf Grund seiner Vernunft aber erkennbare, normative Zusammenhänge.
Der in Berlin-Spandau 1927 geborene, nach dem Abitur 1946 an der Humboldt-Universität Griechisch, Latein, Philosophie und Ägyptologie studierende Verfasser, schloss seine Studien 1951 mit dem ersten Staatsexamen ab und wurde 1952 in Tübingen mit der von Wolfgang Schadewaldt betreuten Dissertation über das Wirken der Götter in der Ilias promoviert. !957 wurde er in Freiburg im Breisgau mit einer Untersuchung über die (für ihn poetisch fassbaren) Quellen der Ilias habilitiert, 1964 nach Marburg und 1975 nach Freiburg im Breisgau berufen, wo er bis 1996 wirkte. Der Naturwissenschaft näherte er sich bereits in seinen 1974 vorgelegten Interpretationen zur aristotelischen Theorie der Naturwissenschaft.
Das Naturgesetz in der Vorstellung der Antike ist ein sehr weites und zugleich sehr interessantes Forschungsthema. Der Verfasser verfolgt es von Homer über Platon und Aristoteles, Zenon, Seneca, Paulus, Plutarch, Origines, Tertullian, Ambrosius und viel andere bis zu Augustinus. Dabei kann er mit vielen Differenzierungen ansprechend zeigen, dass die Vorstellung von göttlichen Regeln und Gesetzen, die wie menschliche Gesetze das ganze kosmische Geschehen einschließlich der menschlichen Angelegenheiten bestimmen, aus der archaischen Zeit Griechenlands stammt, und dass Augustinus mit dem Gedanken, dass Gott mit der Schöpfung auch feste Regeln für sie schuf, die Grundlage für das in Mittelalter und Neuzeit anerkannte göttlich sanktionierte Naturgesetz legte, das freilich dem modernen Naturverständnis fremd erscheint.
Innsbruck Gerhard Köbler