Kuzmany, Börries, Brody. Eine galizische Grenzstadt im langen 19. Jahrhundert. Böhlau, Wien 2011. 406 S., 47 Abb. Besprochen von Gerhard Köbler.
Kuzmany, Börries, Brody. Eine galizische Grenzstadt im langen 19. Jahrhundert. Böhlau, Wien 2011. 406 S., 47 Abb. Besprochen von Gerhard Köbler.
Der Verfasser ist nach dem Studium von Geschichte und Russisch in Wien, Paris und Moskau erstmals durch seine Diplomarbeit über Konstruktionsstrategien eines sowjetischen Judentums in den 1920er Jahren hervorgetreten. Seine vorliegende Dissertation ist im Rahmen zweier Forschungsprojekte zu habsburgisch-russischen Grenzstädten entstanden. Seit 2010 arbeitet der Verfasser im Doktoratskolleg über das österreichische Galizien und sein multikulturelles Erbe über nationale Ausgleichsbemühungen in Galizien, Bukowina und Mähren als Laboratorium der österreichischen und europäischen Nationalitätenpolitik.
Das etwa 24000 Einwohner zählende Brody liegt heute als Mittelpunkt eines nordöstlichen Rayons im Gebiet Lemberg in der Westukraine. Von 1772 bis 1918 war es nordostösterreichische Grenzstadt mit langer multikultureller Vergangenheit, von der noch in der Gegenwart die Bausubstanz kündet. 1918 gelangte Brody an Polen, als Folge des Hitler-Stalinpakts an die Sowjetunion, 1941 unter die bis 1944 dauernde Herrschaft der Wehrmacht des deutschen Reiches und 1991 an die Ukraine.
Gegliedert ist die sorgfältige Untersuchung in drei Teile mit elf Abschnitten. Nach Vorwort und Einleitung behandelt der Verfasser zunächst wirtschaftlichen Aufstieg (1630-1815) und Fall der Stadt, geht danach detailliert auf sie außergewöhnliche Kleinstadt ein, die sich als Österreichs jüdischste Stadt mit christlichen Minderheiten, aber auch als multikulturelle Lebenswelt und Zufluchtsort erweist, und nimmt zum Abschluss Verortungen (das bereiste Brody, das belletristische Brody etwa Joseph Roths) vor und (auch österreichische) Erinnerungsorte wahr. Die Antwort auf die Frage, ob Brody eine Erfolgsgeschichte ist, lässt er, auch wenn sie aus ökonomischer Sicht eindeutig zu bejahen ist, insgesamt ansprechend vom jeweiligen Blickpunkt des Betrachters abhängen.
Innsbruck Gerhard Köbler