Klarsfeld, Beate/Klarsfeld, Serge, Erinnerungen, mit einem Vorwort zur deutschen Ausgabe von Klarsfeld, Arno, aus dem Französischen von Schade, Anna/Stephani, Andrea/Reuter, Helmut. Piper, München 2015. 624 S., 22 Abb. Besprochen von Ulrich-Dieter Oppitz. |
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Zu Serge Klarsfelds achtzigsten Geburtstag legen Serge und Beate Klarsfeld einen Erinnerungsband über ihre lange gemeinsame Zeit und ihre Bemühungen vor, Verbrechen gegen Juden in Deutschland und in Frankreich vor Gericht zu bringen. Ihre Bemühungen wären nicht vollständig geschildert, wenn nicht auch die intensiven Arbeiten aufgezeigt würden, mit denen sie den Überlebenden und den Nachkommen der Ermordeten ein kleines Maß an finanzieller Hilfe zukommen lassen wollten. Der lange gemeinsame Weg von den Protesten gegen Bundeskanzler Kiesinger ab dem Jahre 1967 bis zur Verleihung des Bundesverdienstkreuzes Erster Klasse im Jahre 2015 wird in wechselnden Kapiteln eindringlich geschildert. Die Aktionen in den verschiedensten Ländern der Welt zeigen ein eindringliches Panorama der Ungerechtigkeiten. Gegner sind die Ajatollahs im Iran ebenso wie Diktatoren in Südamerika und zahlreiche andere. Das Schwergewicht der Aktivitäten liegt indessen in Deutschland und Frankreich. Ausgehend von der Voraussetzung, dass erst Strafverfahren gegen die deutschen Täter, die Juden in Frankreich zu Tode brachten und bislang einer Anklage oder Verurteilung entgingen, nötig sind, bevor ihre im französischen Staat von Vichy daran mitwirkenden Verantwortlichen vor Gericht gebracht werden können, haben die Klarsfelds den Verbrechen von Barbie, Lischka, Hagen und anderen eine bis dahin unbekannte Öffentlichkeit verschafft. Danach war die Öffentlichkeit, und ihr folgend die Justiz, in Frankreich bereit, Verfahren gegen Papon, Bousquet und Leguay anzustrengen. Eindringlich schildern Beate und Serge abwechselnd in Kapiteln die einzelnen Aktionen. Die erreichten Erfolge wären nicht möglich gewesen, wenn nicht überaus intensive Ar |
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Carrasco, Justa/Neebe, Reinhard, Luther und Europa. Wege der Reformation und der fürstliche Reformator Philipp von Hessen, hg. v. Hessischen Staatsarchiv Marburg (= Schriften des Hessischen Staatsarchivs Marburg 30). Hessisches Staatsarchiv, Marburg 2015. 128 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen Carrasco, Justa/Neebe, Reinhard, Luther und Europa. Wege der Reformation und der fürstliche Reformator Philipp von Hessen, hg. v. Hessischen Staatsarchiv Marburg (= Schriften des Hessischen Staatsarchivs Marburg 30). Hessisches Staatsarchiv, Marburg 2015. 128 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Die Neuzeit ist ungeachtet vieler fortdauernder Gleichförmigkeiten von den ihr vorangehenden Jahrhunderten durch verschiedene neue Denkweisen und Verhaltensmuster getrennt. Hierzu gehören auch die Einstufung des Ablasshandels der christlichen Kirche durch Martin Luther als ungerecht und die daran anschließende Reformation des Glaubens. Sie hat weit über Wittenberg, Sachsen und das Heilige römische Reich hinausgewirkt und im Grunde weltweite Veränderungen verursacht.
Mit ihnen befasst sich eine für das Reformationsjubiläum 2017 konzipierte Ausstellung, die nach der Einführung der Verfasser nach dem während der „Luther-Dekade“ kaum in den Blick genommenen europäischen Dimensionen dieser Reformation fragt. Das vorliegende, schmale und elegante Begleitbuch will ein integraler Teil eines ausstellungsdidaktischen Gesamtkonzepts auf vier Säulen sein. Im Mittelpunkt steht dabei eine als Wanderausstellung konzipierte Tafelausstellung für Schule und Unterricht.
Gegliedert ist das vorliegende Werk in sieben Abschnitte. Sie betreffen Europa um 1500 als die Welt im Umbruch zwischen mittelalterlichen Vorstellungen und neuzeitlichem Denken, das Ereignis Luther mit dem „Thesenanschlag“ 1517, Luther und Erasmus, Thomas Müntzer sowie die Türken und Juden, den fürstlichen Reformator Philipp den Großmütigen von Hessen, die gespaltene Reformation mit Zwingli, Bullinger und Calvin, die Ausbreitung der Reformation nach Preußen, das Baltikum, Polen, Südosteuropa und die Republik Venedig, England, Schottland, Dänemark und Skandinavien, Frankreich, Spanien und in die Niederlande sowie einen Ausblick auf den Augsburger Religionsfrieden des Jahres 1555 und die kathol |
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Gleeson-White, Jane, Soll und Haben. Die doppelte Buchführung und die Entstehung des modernen Kapitalismus, aus dem Englischen von Held, Susanne. Klett-Cotta, Stuttgart 2015. 366 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
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Im Laufe der Zeit hat sich das Wesen vielleicht sogar des Menschen an sich von der bloßen Befriedigung der angeborenen Bedürfnisse zu relativ vorteilhafter Ansammlung von Kapital entwickelt. In diesem Rahmen kommt der Übersicht über das vorhandene Vermögen und seine Vermehrung oder Verminderung durch Geschäfte mit Mitmenschen eine erhebliche Bedeutung zu. Dementsprechend kann es kaum überraschen, dass sich älteste Versuche der Aufzeichnung von Geschäftsvorfällen eines Unternehmers zur Erlangung einer Übersicht schon unter den frühesten Quellen des dritten vorchristlichen Jahrtausends aus dem vorderen Orient finden.
Mit einem Teilbereich dieser Thematik beschäftigt sich die dem Geschichten über Kunst und Finanzen erzählenden Vater gewidmete Untersuchung der in Wirtschaftswissenschaft und Literaturwissenschaft ausgebildeten, nach fünfzehnjähriger Tätigkeit als Lektorin in Sydney als freie Schriftstellerin tätigen Verfasserin. Die ursprüngliche Idee zu ihrem Werk kam ihr in dem Sommer, in dem sie als Praktikantin des Peggy-Guggenheim-Museums in Venedig verbrachte, noch vor Abschluss ihres Studiums der Volkswirtschaft in die Geheimnisse der Malerei der italienischen Renaissance eingeführt wurde und daraufhin nach deren materiellen, die Kunst ermöglichenden Grundlagen suchte und dabei auf Luca Pacioli und seine 1494 im Druckveröffentlichte Abhandlung über die venezianische Buchführung (im Umfang von 27 Seiten) stieß. Nachdem sie ihr Erkenntnisziel danach in eine Geschichte der doppelten Buchführung, Luca Paciolis und der Revolution in der Mathematik und in der Kunst abgeändert hatte, erweiterte sie es nach einem Ausgriff auf das System eines nationalen Rechnungswesens in einem dritten Schritt zu einer umfassenden Geschichte der doppe |
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Mysterium „Gesetzesmaterialien“. Bedeutung und Gestaltung der Gesetzesbegründung in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, hg. v. Fleischer, Holger. Mohr (Siebeck), Tübingen 2013. VII, 137 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
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Der Mensch hat als rationales Wesen für viele Verhaltensweisen einen Grund, ohne dass ihm alle letzten Gründe an jeder Stelle immer bewusst sind. Diesen Grund kann er auch einem Mitmenschen mitteilen und ihn dadurch von der Sinnhaftigkeit seines Verhaltens zu überzeugen. In diesem Rahmen kann es ohne weiteres wirkliche Gründe und nur vorgeschobene, in der Wirklichkeit nicht tragende Gründe geben, die der bloßen Verschleierung der wahren Gründe und der Überredung oder Überzeugung von Mitmenschen dienen.
Nach dem kurzen Vorwort des Herausgebers geht der vorliegende schmale Sammelband auf ein Symposium an dem Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht in Hamburg im März 2012 zurück. Ziel der Veranstaltung war es, die Bedeutung und Gestaltung der Gesetzesmaterialien aus verschiedenen Blickwinkeln auszuleuchten und auf diese Weise zu einer schärferen Gesamtsicht zu gelangen. Die dortigen Referate stellt das eines Registers entbehrende Werk nunmehr der Allgemeinheit im Druck zur Verfügung.
Dabei betrachtet der Herausgeber Gesetzesmaterialien im Spiegel der Rechtsvergleichung, beschreibt Jan Thiessen die Wertlosigkeit der Gesetzesmaterialien für die Rechtsfindung aus methodengeschichtlicher Sicht, untersucht Christian Waldhoff Gesetzesmaterialien aus verfassungsrechtlicher Perspektive, behandelt Gerhard Hopf Theorie und Praxis der Gesetzesmaterialien in Österreich und geht Ulrich Seibert auf Gesetzesmaterialien in der Gesetzgebungspraxis ein. Am Ende formuliert Frauke Wedemann einen Wunschzettel für die Gestaltung der Gesetzesbegründung an den Gesetzgeber mit sechs Punkten, an deren Spitze die Sicherstellung einer hinreichenden Begründungstiefe steht. Insgesamt wird man eine der Wirklichkeit |
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Vesting, Thomas, Die Medien des Rechts – Sprache, Schrift, Buchdruck, Computernetzwerke. Band 1 Sprache. Velbrück Wissenschaft, Weilerswist 2011. 216 S. Besprochen von Gerhard Köbler. ZIER 5 (2015) 00. IT |
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Nach dem kurzen Vorwort des Verfassers des leider nur mit Verspätung zur Kenntnis und Einsicht gelangten Werkes hat er sich viele Jahre mit Fragen des Medienrechts und seinem Verhältnis zu technologischen und kulturellen Innovationen beschäftigt. Bei einem Forschungsaufenthalt in Florenz um die Jahrtausendwende wollte er aus diesen Überlegungen ein Werk über das Internet schaffen. Da dieses Projekt aus verschiedenen Gründen nicht verwirklicht wurde, kam ihm während dieser Zeit die Idee, „den Spieß umzudrehen“.
Wenn die elektronischen Medien in der Gegenwart eine so große Bedeutung erlangt haben, dass ein eigenes Medienrecht geschaffen werden konnte oder musste, müsste es umgekehrt auch eine Beziehung zwischen Recht und Medien überhaupt geben. Darüber hinaus müsste sich ein Zusammenhang zwischen Medien wie Lautsprache, Schrift, Buchdruck und Computernetzwerken einerseits und der Herstellung und Wiederverwendung von Recht und rechtlicher Expertise andererseits beobachten lassen. Die dabei in der Literatur entdeckte Lücke einer spezifisch rechtstheoretischen Fragestellung versucht das mit Band 1 (Evolution von Laut-Sprache und ihre Verwendung in oralen Kulturen) einsetzende Projekt zu schließen.
Gegliedert ist die interessante Untersuchung in fünf Abschnitte. Sie betreffen die Rechtstheorie als Medientheorie, Sprache, Medien, Subjektivität, die Oralität oraler Kulturen, orale Rechtskultur und „Ethik“ der Gabe sowie Spuren oraler Rechtskultur bei Homer (und Hesiod). Auffällig an dem die poetische Form des Rechts bejahenden, Uwe Wesel berücksichtigenden Werk ist bei dem kaum zu bestreitenden Vorrang der Sprache vor der Schrift und damit der Oralität vor der Literalität für die entwicklungsgeschichtliche Betrachtung die späte Feststellung von Spuren ora |
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Raina, Peter, House of Lords Reform – A History, Band 4 1971-2014 – The Exclusion of Hereditary Peers, Book 2 2002-2014. Lang, Oxford 2015. X, 608-1270 S., Abb. Angezeigt von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen Raina, Peter, House of Lords Reform – A History, Band 4 1971-2014 – The Exclusion of Hereditary Peers, Book 2 2002-2014. Lang, Oxford 2015. X, 608-1270 S., Abb. Angezeigt von Gerhard Köbler. ZIER 5 (2015) 85. IT
Das zweite Buch des vierten Bandes des großen Werkes Peter Rainas umfasst elf Kapitel. Es beginnt mit Kapitel 10 über das Joint Commttee on House of Lords Reform der Jahre2002-2003. Dabei setzt es mit der Angabe ein, dass Robin Cook am 13. Mai 2002 über den gegenwärtigen Stand der Auseinandersetzungen um die Reform des Oberhauses berichtet.
Die weiteren zehn Kapitel führen die Abläufe ab dem Jahr 2005 fort, indem sie als erstes die Stellungnahmen des Lord Speakers und Stimmen von außerhalb und jenseits der Parteiengrenzen aufgreifen. 2007 legte Jack Straw ein neues Reformpapier vor, dem 2008 der Vorschlag einer gewählten zweiten Kammer des Parlaments seitens einer überparteilichen Gruppierung. Die weiteren Kapitel behandeln die anschließende Entwicklung bis 2014.
Am Ende seiner beeindruckenden Darstellung der bisher letztlich an den geheimen Widerständen in beiden geschichtlich gewachsenen Häusern gescheiterten klauselreichen Reform schließt der Verfasser mit einem kurzen Epilog. Abgerundet wird das mit 9 Abbildungen führender Beteiligter bereicherte Werk durch eine wertvolle Bibliographie. Ein Indes von Aberdare bis Zoroastrian Trust Funds of Europe schließt den gesamten letzten, die ungewisse Zukunft als offen bezeichnenden Band benutzerfreundlich auf.
Innsbruck Gerhard Köbler
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Festschrift Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 75. Auflage. Beck, München 2015. 159 S. Angezeigt von Gerhard Köbler. |
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Dass Wissen Macht auch im Recht ist, wussten bereits die iurisprudentes auf dem Forum der antiken Stadt Rom, die ihr Wissen dem Wissbegierigen unentgeltlich zur Verfügung stellten, aber selbverständlich dafür ein Honorar (eine Ehrengabe) entgegennahmen. Von diesem Sachwissen können gerade in der arbeitsteiligen Dienstleistungsgesellschaft mehr Sachkenner denn je einigermaßen auskömmlich zehren, zumal sie ihre zum Lebensunterhalt erforderlichen Einkünfte überwiegend aus anderen, vorwiegend staatlichen Quellen beziehen. Da Sachkunde in der Praxis freilich eine möglichst bekannte Adresse benötigt, unter der sie auf dem riesig gewordenen Wissensforum abgefragt werden kann, hat auch der technische Vermittler des Wissens bislang einen sicheren Platz in dem stetig wachsenden Meer der Informationen.
Seit 1934 wollte der 1933 den Berliner Fachverlag des jüdischen, getauften Verlegers Otto Liebmann mit allen Rechten gegen zeitgemäß angemessenes Entgelt erwerbende und daraufhin erkennbar prosperierende Verlag in der vom Vorgänger begründeten Reihe von Taschenkommentaren und Kurzkommentaren statt eines von zwei jüdischen und einem irrtümlich für halbjüdisch gehaltenen Juristen verfassten Vorgängers einen (einbändigen) Band 7 über das Bürgerliche Gesetzbuch veröffentlichen. Als Herausgeber war dafür zunächst der 1888 geborene, im Reichsjustizministerium als persönlicher Referent des seit 1931 als Staatssekretär tätigen Franz Schlegelberger wirkende Ministerialrat Gustav Wilke vorgesehen. Als er kurz vor der Fertigstellung 1938 in Österreich völlig unerwartet bei einem Verkehrsunfall tödlich verletzt wurde, trat neben den Bearbeitern Danckelmann, Friesecke, Henke, Hoch, Lauterbach, Pinzger, Radtke und Seibert der in Stade 1877 geborene, in Heidelberg 1902 zeitgemäß ohne Dissertation promovierte, nach Eintritt in die Nationalsozialistisch |
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Deutschland immer gedient zu haben ist unser höchstes Lob. Zweihundert Jahre deutsche Burschenschaften. Eine Festschrift zur 200. Wiederkehr des Gründungstages der Burschenschaft am 12. Juni in Jena, hg. v. Lönnecker, Harald (= Darstellungen und Quellen zur Geschichte der deutschen Einheitsbewegung Band 21). Winter, Heidelberg 2015. XIV, 1238 S. Angezeigt von Gerhard Köbler. |
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Trotz seiner Individualität war der Mensch von Anfang an auch ein soziales Wesen, das ohne Mitmenschen grundsätzlich nicht überleben konnte. In diesem Zusammenhang traten im frühen 19. Jahrhundert neben die älteren Landsmannschaften an den Universitäten die Burschenschaften. Neben dem wohl 1791 bezeugten Wort und der Ordnung zur Einrichtung von Burschenschaften von 1811 kommt dabei der Gründung der Urburschenschaft in Jena in dem Gasthaus grüne Tanne am 12. Juni 1815 besondere Bedeutung zu.
Zur Erinnerung an dieses Ereignis ist der vorliegende voluminöse Sammelband erschienen. Sein Herausgeber ist der in Hannover 1963 geborene, nach dem Marinewehrdienst in Geschichte, Rechtswissenschaft, evangelischer Theologie, Geographie, europäischer Ethnologie, lateinischer Philologie, Musikwissenschaft und Germanistik in Marburg, Gießen, Heidelberg, Freiburg im Breisgau und Frankfurt am Main ausgebildete, in Marburg 1989 bei Peter Rück zum Dr. phil. promovierte Historiker, Archivar und Jurist. Das von ihm 1992 entdeckte Archiv der deutschen Sängerschaft bildete eine wichtige Grundlage für die an dem Institut für europäische Geschichte der Technischen Universität Chemnitz im Februar 2015 erfolgte Habilitation, des in Rostock im Juli 2013 summa cum laude zum Dr. iur. promovierten, seit 1995 das Archiv und die Bücherei der deutschen Burschenschaft und der Gesellschaft für burschenschaftliche Geschichtsforschung in dem Bundesarchiv in Koblenz leitenden Gelehrten.
Dem Vorwort des vielseitigen verdienten Herausgebers folgen insgesamt 14 Studien. Sie betreffen etwa die Entst |
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Keazor, Henry, „Täuschend echt!“. Eine Geschichte der Kunstfälschung. Theiss, Darmstadt 2015. 256 S., Abb. Angezeigt von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen Keazor, Henry, „Täuschend echt!“. Eine Geschichte der Kunstfälschung. Theiss, Darmstadt 2015. 256 S., Abb. Angezeigt von Gerhard Köbler.
Fälschung ist die (trotz Anerkennung eines objektiven Urheberrechts in einer Gesellschaft) ohne Zustimmung des Berechtigten vorgenommene Veränderung oder Nachbildung eines von einem anderen hergestellten Gegenstands. Einzelne diesem weiten Bereich zuordenbare Handlungen erwähnt bereits das altrömische Zwölftafelgesetz der Jahre 451/450 v. Chr. Seitdem haben über die steigende Zahl der Menschen hinaus mit der allgemeinem Merkantilisierung des menschlichen Lebens auch die Möglichkeiten und die Zahl der Fälschungen erkennbar zugenommen, so dass es in der Gegenwart kaum mehr einen Gegenstand gibt, der nicht gefälscht oder verfälscht worden sein könnte.
Mit der besonderen Geschichte der Kunstfälschung beschäftigt sich das vorliegende Werk des in Heidelberg 1965 geborenen, nach dem Studium von Germanistik, Musikwissenschaft und Philosophie an seiner Heimatuniversität und an der Sorbonne in Paris 1996 mit einer Dissertation über das Werk des Malers Nicolas Poussin promovierten, nach Tätigkeiten als Assistent in Florenz und Frankfurt am Main 2005 mit einer Schrift über die Malerfamilie Carracci aus Bologna habilitierten und über die Universität Saarbrücken 2012 als Nachfolger Raphael Rosenbergs nach Heidelberg berufenen Verfassers. Bei seinem Erscheinen erweckte es unmittelbar das Interesse eines sachkundigen Rezensenten. Da der Verlag leider kein Rezensionsexemplar zur Verfügung stellen konnte, muss der Herausgeber vorläufig mit einigen Worten auf die einnehmend ausgestaltete Veröffentlichung hinweisen.
Gegliedert ist die von dem 2014 filmisch interviewten Wolfgang Beltracchi ausgehende Untersuchung nach einer Einleitung über Fakes, Hoaxes und „Foaxes“ in sieben Abschnitte. Sie betreffen die falsche Antike mit der Frage nach Fälschungen in der weitgehend urheberrechtsindifferenten Antike, das falsche |
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Lemberg, Joseph, Der Historiker ohne Eigenschaften – eine Problemgeschichte des Mediävisten Friedrich Baethgen (= Campus Historische Studien 71). Campus, Frankfurt am Main 2015. 518 S. Besprochen von Ulrich-Dieter Oppitz. |
Ganzen Eintrag anzeigen Lemberg, Joseph, Der Historiker ohne Eigenschaften – eine Problemgeschichte des Mediävisten Friedrich Baethgen (= Campus Historische Studien 71). Campus, Frankfurt am Main 2015. 518 S. Besprochen von Ulrich-Dieter Oppitz.
Die Studie, die einen Mittelalterhistoriker (1890-1972) behandelt, dessen wissenschaftliches Leben zwischen 1920 und 1972 in drei unterschiedliche Systeme fiel, wurde als Dissertation 2015 an der Humboldt-Universität in Berlin bei Michael Borgolte abgeschlossen. Bezeichnend für die Art der Darstellung ist bereits die Abbildung auf dem Titelblatt. Baethgen wird nicht mit einem möglichst wirkungsvollen Porträt abgebildet, sondern es zeigt einen Blick in das Präsidentenbüro der Monumenta Germaniae Historica. Wer bei diesem Buch eine Lebensschilderung vom Beruf des Großvaters bis zur Anzahl der Sargträger bei der ehrenvollen Bestattung erwartet, wird enttäuscht, ausnahmsweise ist das Todesdatum (18. Juni 1972) genannt (S. 233). Im Übrigen mag der Leser diese Daten, nach der vertretbaren Ansicht des Verfassers, den Nachrufen anderer Fachkollegen entnehmen. Stattdessen folge er dem Autor auf dem Weg eines normal begabten Historikers, der ohne geniale Entwürfe dem jeweiligen Zeitgeschmack entsprechende Veröffentlichungen liefert und dadurch bei jedem der Systeme als der richtige Mann zur richtigen Zeit am richtigen Ort betrachtet wird. Wenn die Geschichte der Päpste zu einem Forschungsaufenthalt in Rom führen kann, so entzieht er sich nicht dem Opfer und forscht zu Cölestin V. und Bonifaz VIII.
Die Ostforschung und ihre Problematik fesseln ihn an der „Aufstiegsuniversität“ Königsberg (ab 1929) ebenso wie Forschungen zu Karl dem Großen und Friedrich II. Sie erlauben ihm, sich als Schilderer des Reichsmythos zu qualifizieren. Gleichzeitig bereitet er mit seiner Mitarbeit bei der Nord- und Ostdeutschen Forschungsgemeinschaft die Ausbildung für Nachwuchskräfte, die nur wenige Jahre später in den annektierten Gebieten Osteuropas ih |
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Schlink, Bernhard, Erkundungen zu Geschichte, Moral, Recht und Glauben. Diogenes, Zürich 2015. 274 S. Besprochen von Werner Augustinovic. |
Ganzen Eintrag anzeigen Schlink, Bernhard, Erkundungen zu Geschichte, Moral, Recht und Glauben. Diogenes, Zürich 2015. 274 S. Besprochen von Werner Augustinovic.
In der juristischen Fachwelt ist der 1944 geborene Bernhard Schlink fürwahr kein Unbekannter: Als Rechtsprofessor an den Universitäten Bonn, Frankfurt am Main und Berlin (1982 – 2009) und langjähriger Richter am Verfassungsgerichtshof des Landes Nordrhein-Westfalen in Münster (1987 – 2006) kann er auf eine veritable Lebensleistung im Dienste des Rechts zurückblicken. Es ist daher ein bisschen eine Ironie des Schicksals, dass sein Name in der breiten öffentlichen Wahrnehmung nicht mit akademischer juristischer Gelehrsamkeit, sondern vielmehr mit schriftstellerischem Erfolg verbunden wird. Denn 1995 gelang ihm, der sich 1987 wohl aus Lust und Laune nebenher als Kriminalschriftsteller zu betätigen begann, mit seinem (in weiterer Folge in zahlreiche Sprachen übersetzten, mehrfach ausgezeichneten und 2009 auch verfilmten) Roman „Der Vorleser“ der Sprung auf die internationalen Bestsellerlisten. Die tragische Liebesgeschichte zwischen einem Schüler und angehenden Jurastudenten und der älteren Analphabetin Hanna Schmitz, die während des Dritten Reiches als Aufseherin in einem Außenlager von Auschwitz in das Unrecht des Systems verstrickt, dafür in einem Prozess verurteilt und inhaftiert wird, und die sich kurz vor der Haftentlassung das Leben nimmt, berührt den Leser, wobei der Wahrnehmung von Recht und Gerechtigkeit, wie sie Bernhard Schlink in seinem Erfolgsroman gestaltet und erfahrbar gemacht hat, ein nicht unbedeutender Anteil am Erfolg dieses Buches zukommen mag. Denn dieses verbietet sich konsequent jedes denunziatorische Moralisieren; die Protagonistin erscheint nicht als Monster, sondern als ein einst junger, naiver Mensch, den nicht ein devianter Charakter, sondern den die unglücklichen Umstände der Zeit zur Täterin werden ließen. Selbstredend musste der Verfasser für diese Positionierung manche Krit |
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Liebs, Detlef, Das Recht der Römer und die Christen. Gesammelte Aufsätze in überarbeiteter Fassung. Mohr Siebeck. Tübingen 2015. XII, 281 S. Besprochen von Hans-Michael Empell. |
Ganzen Eintrag anzeigen Liebs, Detlef, Das Recht der Römer und die Christen. Gesammelte Aufsätze in überarbeiteter Fassung. Mohr Siebeck, Tübingen 2015. XII, 281 S. Besprochen von Hans-Michael Empell.
Der Band umfasst dreizehn Aufsätze, die, wie dem knappen Vorwort zu entnehmen ist (S. V), zwischen 1983 und 2011 entstanden sind, jedoch zum Teil gründlich überarbeitet wurden. Denn, wie der Autor im Vorwort mitteilt: „Erfreulicherweise ruht die wissenschaftliche Gemeinschaft ebenso wenig wie meine Neugier noch nicht nachlässt.“ Die Arbeiten lassen sich in zwei Gruppen einteilen. Zunächst geht es (in den Aufsätzen Nr. 1 – 4) um Christen als Opfer strafrechtlicher Verfolgung durch den römischen Staat; sodann (Nr. 5 – 13) um die Entwicklung des römischen Rechts, insbesondere des Strafrechts, nach der konstantinischen Wende.
Der erste Aufsatz trägt den Titel „Der Prozess Jesu“ (S. 1ff.). Der Autor schildert das Geschehen von der Festnahme Jesu durch die Tempelpolizei bis zu seinem Tod am Kreuz. Danach geht er auf die unterschiedliche Glaubwürdigkeit der Quellen, insbesondere der vier Evangelien, ein. Von besonderem Interesse sind die Darlegungen über die Rolle der Juden. Der Autor stellt fest, entgegen neueren Forschungen jüdischer Gelehrter sei eine Mitwirkung von Juden am Tod Jesu kaum zu bestreiten (S. 12). Maßgeblich beteiligt gewesen seien Vertreter der jüdischen Oberschicht, die mit der römischen Besatzungsmacht kollaboriert hätten. Ausführlich werden die Verhandlung vor Pilatus, das Urteil und seine Vollstreckung sowie mögliche Motive des Pilatus dargelegt.
Im Aufsatz „Die Neronische Christenverfolgung“ (S. 20ff.) wird dargestellt, wie Kaiser Nero nach einer (vielleicht von ihm selbst veranlassten) gewaltigen Feuersbrunst in Rom (64 nach Christus) zahlreiche Christen strafrechtlich zur Verantwortung zog (wobei die Zugehörigkeit zur Christengemeinschaft ausreichte) und mit grausamen Strafen belegte, was in manchen Kreisen der Römer zu Mitleid mit den |
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Schlink, Bernhard, Erkundungen zu Geschichte, Moral, Recht und Glauben. Diogenes, Zürich 2015. 274 S. Angezeigt von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen Schlink, Bernhard, Erkundungen zu Geschichte, Moral, Recht und Glauben. Diogenes, Zürich2015. 288 S.
Alles hat eine Geschichte auch Moral, Recht und Glaube, so dass sich ihre Geschichte in der Zeit einigermaßen verfolgen lässt. Gegenüber der dem Menschen vorgegebenen äußeren Dimension sind Moral, Recht und Glaube wohl ihm subjektiv vorbehalten. Ihr Verhältnis zueinander kann individuell und unterschiedlich eingeschätzt werden.
Durch acht teils rötliche, teils hellgrüne Blüten von Toscanini-Rosen in einem eleganten Gefäß Anna Keels versinnbildlicht bietet der Verfasser des eleganten schmalen Sammelbands seine in diesem Zusammengang ermittelten Erkenntnisse des letzten Jahrzehnts. Sie beruhen auf den lebenslangen Erfahrungen des als Sohn eines Heidelberger Theologieprofessors in Gro0dornberg 1944 geborenen, in Heidelberg und Berlin ausgebildeten, über Abwägung im Verfassungsrecht promovierten und 1981 bei Ernst-Wolfgang Böckenförde in Freiburg im Breisgau über die Amtshilfe habilitierten Verfassers. Bei ihrem Erscheinen gewannen sie unmittelbar das Interesse eines sachkundigen Rezensenten, so dass es an dieser Stelle genügt, auf sie in wenigen Worten hinzuweisen.
Gegliedert sind die gedankenreichen Betrachtungen etwa über Erinnern und Vergessen, die Zukunft der Verantwortung, die Objektivität des Rechts und die Subjektivität der Richter oder Versöhnung mit der Vergänglichkeit entsprechend den vier Titelwörtern in vier Abschnitte. Das Leben mit der Geschichte, moralische Herausforderungen, rechtliche Verpflichtungen sowie Glaube und Zweifel folgen dementsprechend aufeinander. Ihnen allen gewinnt der Verfasser neue Einsichten für möglichst viele interessierte Leser ab, die vielleicht auch eine registrale Aufschließung verdient hätten.
Innsbruck Gerhard Köbler
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Wirtschaft und Umwelt vom Spätmittelalter bis zur Gegenwart – Auf dem Weg zur Nachhaltigkeit, hg. v. Schulz, Günther/Reith, Reinhold (= Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte Beiheft 233). Steiner, Stuttgart 1015. 274 S., Abb. Besprochen von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen Wirtschaft und Umwelt vom Spätmittelalter bis zur Gegenwart – Auf dem Weg zur Nachhaltigkeit, hg. v. Schulz, Günther/Reith, Reinhold (= Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte Beiheft 233). Steiner, Stuttgart 2015. 274 S., Abb. Besprochen von Gerhard Köbler.
Von Anfang an lebte der Mensch in seiner Umwelt und war sich dessen auch bewusst, obwohl seine Auswirkungen auf sie zunächst völlig belanglos waren. Dies änderte sich allerdings im Laufe der Geschichte so sehr, dass er sich zu einem Feind und einer Gefahr für sie wurde. Sobald er dies erkennen konnte und vielfach auch schmerzhaft erkennen musste, war ihm im eigenen Interesse ein Nachdenken angeraten.
Mit der hieraus entspringenden Thematik befasste sich die Gesellschaft für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte auf ihrer von der Fritz Thyssen Stiftung für Wirtschaftsförderung unterstützten 25. Arbeitstagung in Salzburg vom 3. bis zum 6. April 2013. Die dortigen Referate stellt der vorliegende, eines Registers entbehrende Sammelband der Allgemeinheit zur Verfügung. Sie gliedern sich nach zwei einführenden Beiträgen der Herausgeber in vier Teile. Diese betreffen Wald und Nutzung als Ressource, Bergbau und Ressourcennutzung, Umwelt und Nachhaltigkeit sowie Industrie, wobei jedes Referat grundsätzlich von einem Korreferat begleitet wird.
Den Beginn bilden Oliver Auges Ansätze zu Ressourcenschutz und Ressourcenregeneration im spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Holstein. Danach werden etwa Waldglashütten in Brandenburg-Preußen, Umweltfaktoren im kolonialen Bergbau Hispanoamerikas, Folgewirkungen des durch Preisverfall beendeten Tiefseebergbaus, die sich selbst regulierende Bodenseefischerei des Spätmittelalters, Motivationen für das Recycling von Altpapier im 20. Jahrhundert, Industrialisierung als Umweltintegration, ökologische Aspekte der wirtschaftlichen Entwicklung in der Tschechoslowakei von 1948 bis 1989 und die Entdeckung des Ozonlochs erörtert. Insge |
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Longerich, Peter, Hitler. Biographie. Siedler, München 2015. 1296 S., Abb. Besprochen von Werner Augustinovic. |
Ganzen Eintrag anzeigen Longerich, Peter, Hitler. Biographie. Siedler, München 2015. 1296 S., Abb. Besprochen von Werner Augustinovic.
70 Jahre nach dem Kriegsende und dem Suizid Adolf Hitlers hält das wissenschaftliche und öffentliche Interesse an dem Diktator unvermindert an, ein Ende ist vorläufig nicht absehbar. Zu revolutionär waren die Eingriffe, die im Laufe seiner Herrschaft in der Dauer von etwas über zwölf Jahren die deutsche Gesellschaft tiefgreifend prägen, das jüdische Volk an den Rand der Auslöschung bringen und Europa und die Welt in einen verheerenden Krieg stürzen sollten, als dass diese mittlerweile sieben Jahrzehnte der Reflexion ausgereicht hätten, sie hinreichend zu erklären. Eine stattliche Zahl deutscher wie internationaler Biographen von Konrad Heiden über Alan Bullock, Werner Maser, Joachim C. Fest, John Toland, Rainer Zitelmann, Marlies Steinert, Ian Kershaw bis hin zu Volker Ullrich und Wolfram Pyta hat sich an dem Thema Hitler abgearbeitet, Fakten erhoben und Züge seiner Persönlichkeit offengelegt. Heute dominiert weitgehend das Bild des machtbewussten, instinktsicheren Charismatikers, der die Bedürfnisse und Sehnsüchte vieler Zeitgenossen auf seine Person zu fokussieren und bis in den Untergang hinein daran zu binden vermochte.
Peter Longerich, dem diese Interpretation zu kurz greift, verdanken wir bereits wissenschaftliche Biographien von Rang zu zwei Persönlichkeiten aus der ersten Reihe der nationalsozialistischen Führungsriege: zu Heinrich Himmler (2008) und Joseph Goebbels (2010). Schon ein erster Blick auf die insgesamt nur 16 Abbildungen seines jüngsten Werks offenbart Programmatisches: Die Fotografien porträtieren nicht, wie zu erwarten wäre, die Person Adolf Hitler im Wandel der Zeit, sondern lassen die Auswirkungen seiner Herrschaft schlaglichtartig aufleuchten, dokumentieren Gleichschaltung und Exklusion. Ein Bild zeigt katholische Würdenträger 1933 beim Entbieten des Hitlergrußes (S. 353), ein weiteres eine Hochzeitsgese |
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Kertai, Benjamin, Sicherheit, Risiko und Opferschutz. Anlässe der Strafgesetzgebung und Möglichkeiten wissenschaftlicher Einflussnahme (= Criminalia 57). Lang, Frankfurt am Main 2014. 340 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen Kertai, Benjamin, Sicherheit, Risiko und Opferschutz. Anlässe der Strafgesetzgebung und Möglichkeiten wissenschaftlicher Einflussnahme (= Criminalia 57). Lang, Frankfurt am Main 2014. 340 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Das Recht ist von seinen Anfängen an ähnlich dem Menschen zunächst langsam, später aber immer stärker zunehmend gewachsen. Ein formaler Grund hierfür dürfte neben der Vermehrung und Arbeitsdifferenzierung der Gesellschaft auch die Professionalisierung der Gesetzgebungstätigkeit seit dem 19. Jahrhundert sein. Damit sind die tatsächlichen Anlässe der Gesetzgebung insgesamt und die dabei zumindest denkbaren Möglichkeiten wissenschaftlicher Einflussnahme aber noch nicht wirklich aufgedeckt, weil „unsere Kenntnisse über die Strafgesetzgebung einerseits erheblich und andererseits gezeichnet von einer erstaunlichen Kargheit an ausführlichen Untersuchungen sind“.
Dem will der nach dem Studium der Rechtswissenschaft in München und Aix-en-Provence und einer anschließenden Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter an dem Institut für die gesamten Strafrechtswissenschaften der Universität München als Staatsanwalt in München wirkende „promovierte Volljurist“ abhelfen. Seine vorliegende Dissertation gliedert sich nach einer kurzen Einleitung in sechs Abschnitte. Sie betreffen den wissenschaftlichen Kontext der Gesetzgebungswissenschaft und der Forderung nach einer rationalen Kriminalpolitik, die Untersuchung der Anlässe der Gesetzgebung an den Beispielen der §§ 238 StGB, 52a WaffG, 89a StGB), die Analyse und Diskussion der aufgefundenen Problemimpulse (Risiko und Sicherheit, Opferschutz), Ergebnisse der Strafgesetzgebung (zwei Arten beabsichtigter Vorverlagerung), der Bezug von Sicherheit, Risiko und Opferschutz zur Vorfeldkriminalisierung mittels abstrakter Gefährdungsdelikte und einen Ausblick auf Gegentendenzen.
Im Ergebnis kann der Autor überzeugend feststellen, dass es in der untersuchten Gesetzgebung neben einer Ten |
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Grieß, Martin, „Im Namen des Rechts“. Der Oberste Gerichtshof für die Britische Zone als Höchstgericht in Zivilsachen zwischen Tradition und Neuordnung (= Beiträge zur Rechtsgeschichte des 20. Jahrhunderts 86). Mohr Siebeck, Tübingen 2015. XVIII, 420 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
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Mit der Kapitulation des Deutschen Reiches vom 8. Mai 1945 ging die tatsächliche Gewalt auf die vier alliierten Besatzungsmächte in ihren einzelnen Besatzungszonen über. Das Reichsgericht in Leipzig wurde am 19. April 1945 bzw. nach der Bildung einer Kommission zur Bewahrung der Sachwerte des Reichsgerichts innerhalb der sowjetischen Besatzungszone am 8. Oktober 1945 geschlossen. Wegen des Fehlens eines Höchstgerichts bis zur Gründung des Bundesgerichtshofs am 1. Oktober 1950 wurde für die Zeit zwischen 1948 und 1950 für die britische Besatzungszone der Oberste Gerichtshof für die Britische Zone geschaffen, für den Werner Schubert 2010 ein Nachschlagewerk veröffentlichte.
Die vorliegende Untersuchung ist die von Hans-Peter Haferkamp betreute, im Rahmen des Projekts Justiz im Systemwechsel erstellte, im Wintersemester 2014/2015 von der rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Köln angenommene Dissertation des 1987 geborenen, nach dem Studium in Bonn als wissenschaftlicher Mitarbeiter an dem Institut für neuere Privatrechtsgeschichte, deutsche und rheinische Rechtsgeschichte der Universität zu Köln tätigen, 2015 seine juristische Ausbildung mit der zweiten juristischen Staatsprüfung abschließenden Verfassers. Sie gliedert sich insgesamt in acht Kapitel. Sie betreffen Vorüberlegungen (Fragestellung, Quellengrundlage, Forschungsstand und Desiderat), die Vorgeschichte des Obersten Gerichtshofs, die rechtlichen Rahmenbedingungen, die tatsächlichen Rahmenbedingungen, das Richterpersonal (9 Richter - Berger, Delbrück, Erman, Kuhn, Pritsch, Strack, Fritz von Werner, Wilde, Ernst Wolff - , 7 Hilfsrichter, zwei wissenschaftliche Mitarbeiter), die Recht |
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Buc, Philippe, Heiliger Krieg – Gewalt im Namen des Christentums, aus dem Amerikanischen von Haupt, Michael. Wissenschaftliche Buchgesellschaft/Zabern, Darmstadt 2015. 432 S. Angezeigt von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen Buc, Philippe, Heiliger Krieg – Gewalt im Namen des Christentums, aus dem Amerikanischen von Haupt, Michael. Wissenschaftliche Buchgesellschaft/Zabern, Darmstadt 2015. 432 S. Angezeigt von Gerhard Köbler.
Der Mensch liebt Ruhe und Frieden und neigt doch zu Gewalt und Verletzung. Dementsprechend kann es kaum verwundern, dass bereits das christliche Buch der Bücher unterschiedliche Prinzipien aufweisen kann. Auge um Auge rechtfertigt die Gewalt nach vorangegangener Gewalt, das Neue Testament fordert demgegenüber nach Schlägen auf die eine Wange die Entgegennahme von Schlägen auch auf der anderen Wange.
Mit der deswegen möglichen Gewalt im Namen des Christentums beschäftigt sich das vorliegende Werk des in Paris 1961 geborenen, nach einem mathematisch-naturwissenschaftlichen Abitur am Swarthmore College ein grundständiges Studium mit dem Bachelor of Arts in History abschließenden Verfassers, der 1988 den Master of History erwarb. Seine Dissertation widmete sich der Potestas in hochmittelalterlichen Kommentaren Frankreichs. Über die Stanford University gelangte er 2011 als Professor für Geschichte des Hoch-- und Spätmittelalters an die Universität Wien, die er auf Grund fundamentaler Differenzen betreffend die Leitung der Universität und ihrer ethischen Prinzipien gerne verlassen würde.
Das vorliegende, geschichtliche Wurzeln aktueller Gegebenheiten überzeugend freilegende Werk gliedert sich nach einer Einleitung über das Objekt dieser Geschichte in sieben Sachkapitel. Sie betreffen etwa den amerikanischen Way of War im Spiegel der Vormoderne, die christliche Exegese im Verhältnis zur Gewalt, das Märtyrertum, die Zwillingsbrüder nationaler heiliger Krieg und Sektiererterror, Freiheit und Zwang sowie das Subjekt der Geschichte. Am Ende seines spannenden, als Essay angelegten Buches fragt der Verfasser sich und den interessierten Leser, ob die von ihm an Hand vieler Beispiele behandelte Vergangenheit eine Zukunft haben kann und glaub |
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Gruenewaldt, Arthur von, Die Richterschaft des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main in der Zeit des Nationalsozialismus. Die Personalpolitik und Personalentwicklung (= Beiträge zur Rechtsgeschichte des 20. Jahrhunderts 83). Mohr Siebeck, Tübingen 2015. XVII, 403 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen Gruenewaldt, Arthur von, Die Richterschaft des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main in der Zeit des Nationalsozialismus. Die Personalpolitik und Personalentwicklung (= Beiträge zur Rechtsgeschichte des 20. Jahrhunderts 83). Mohr Siebeck, Tübingen 2015. XVII, 403 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Die Richter des Deutschen Reiches zwischen dem 30. Januar 1933 und dem 8. Mai 1945 hatten Recht zu sprechen wie alle Richter jeder anderen Zeit und waren doch wohl stärker an politische Voraussetzungen gebunden als ihre vorangehenden und ihre nachfolgenden Kollegen. Wie sie in der Rechtswirklichkeit handelten, ist für manche Einzelfälle bereits detailliert und weiterführend untersucht. Eine vollständige Behandlung auf Grund umfassender Verwertung aller vorhandenen Unterlagen steht aber noch aus und ist vielleicht auch erschöpfend niemals möglich.
Die vorliegende, von Werner Schubert betreute, im Sommersemester 2014 von der rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Kiel als Dissertation angenommene, im Druck mit einem Geleitwort des derzeitigen Oberlandesgerichtspräsidenten versehene Untersuchung geht die Thematik auf der verhältnismäßig breiten Grundlage der Richterschaft eines bedeutenden Oberlandesgerichts an. Sie gliedert sich nach einer Einleitung über Thematik, Gliederung, Forschungsstand und Quellenlage in sieben Sachkapitel. Sie betreffen die Geschichte des Oberlandesgerichts vor 1933, die politischen Verhältnisse in dem Oberlandesgerichtsbezirk in der nationalsozialistisch beherrschten Zeit, das Oberlandesgericht Frankfurt am Main in der nationalsozialistische beherrschten Zeit, Einzelbiographien (die Präsidenten Bernhard Hempen, Otto Stadelmann, Arthur Ungewitter, die Generalstaatsanwälte Kurt Wackermann, Hermann Vetter, die Vizepräsidenten (Heldemann, Rehorn), die Senatspräsidenten (Daltrop, Führ, Moehrs, Quint), die nationalsozialistische Personalpolitik und ihre Umsetzung, (Kollektivbiographie) die Richterschaft und das Oberla |
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Benware, Wilbur A., Zur Betonung geographischer Namen im deutschsprachigen Europa (= Germanistische Bibliothek Band 57). Winter, Heidelberg 2015. 421 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
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In der Sprache des Menschen hat sich im Zuge der Zeit auch der Wortakzent als die lautliche Hervorhebung eines Lautes oder einer Lautfolge eines Wortes entwickelt. Er wird beispielsweise in dem Hochdeutschen grundsätzlich mittels einer vermehrten Lautstärke zum Ausdruck gebracht. Er lässt sich am einfachsten mit der Erlernung der Sprache im zwischenmenschlichen Sprachkontakt aufnehmen und trennt vielfach leicht den Muttersprachler von dem Fremdsprachler.
Der verdienstvolle Verfasser des vorliegenden Werkes, der sich in seinem kurzen Vorwort vor allem bei seinem ersten Deutschlehrer, dem Heidelberger Rechtsanwalt Werner Veith, für die erfolgreiche Aussaat und bei dem Office of Research der University of California für Forschungsgeld bedankt, geht in seiner ansprechenden Einleitung von dem Vorschlag eines Nachschlagewerks zur deutschen Ortsnamenbetonung durch Ernst Schwarz in den Jahren 1949/1950 aus und stellt auf dieser Grundlage die bisherige Forschungslage sachkundig dar. Seine eigene Zielsetzung besteht einerseits in der Vorlegung einer größtmöglichen Belegsammlung mehrgliedriger geographischer Namen im deutschsprachigen Raum und in der erheblichen Ergänzung und bestmöglichen Aktualisierung der früheren Beiträge. In diesem Rahmen bietet das Werk die Betonung von mehr als 24000 Namen (z. B. Búchholz, Érlauf, Kastelláun) aus einer insgesamt wohl niemand vollständig bekannten Gesamtzahl deutschsprachiger geographischer Namen (/z. B. 108609 Ortsnamen des Postleitzahlensystems der Bundesrepublik Deutschland).
Gegliedert ist das stattliche, mit dem Ortsschild der Gemeinde Ostseebad Boltenhagen Ortsteil Redewisch-Ausbau in dem Landkreis Nordwestmecklenburg veranschaulichte Werk nach der Einleitung in acht Sachabschnitte. Sie betreffen die Quellen zur T |
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Rechtsgeschiedenis op nieuwe wegen/Legal history, moving in new directions, hg. v. De Ruysscher, David/Capelle, Kaat/Colette, Maarten u. a. Maklu, Antwerpen-Apeldoorn 2015. 433 S. Angezeigt von Gerhard Köbler. |
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Die Geschichte hat gegenüber der Gegenwart den Nachteil, dass sie als einmal Geschehenes grundsätzlich nicht mehr abänderbar. Dies bedeutet für den Betrachter aber zugleich einen Vorteil, weil sich sein Gegenstand grundsätzlich nicht mehr anders gestaltet. Abänderlich ist lediglich das für den Betrachter entstehende Bild, das jedem Subjekt jeweils neu aufgegeben und vielleicht auch vorgegeben ist.
Dementsprechend sind neue Wege der Rechtsgeschichte in jeden Fall stets sehr zu begrüßen, weil sie das bisher Geschehene weder ändern können noch wollen, aber das Wissen um das Geschehe erweitern und bereichern können und wollen. In diesem Sinne wollte der 21. Belgisch-Niederländische Rechtshistorikertag vom 11. und 12, Dezember 2014 an der Freien Universität Brüssel neue Wege beschreiten. Die insgesamt fünf Herausgeber stellen die dort vorgetragenen Studien der Allgemeinheit nunmehr in gedruckter Form zur Verfügung.
Insgesamt handelt es sich um 16 Untersuchungen, die Paul Nève mit einer Episode aus der Geschichte Maastrichts in den Jahren zwischen 1378 und 1409 eröffnet. Danach werden etwa de Blijde Inkomst, der Gesellschaftsvertrag, Krieg und Friede, die Verwaltungsrechtssprache, die Vision belgisch-niederländischer Einheit, der Arbeitsunfall in der Sozialversicherung, Korsika in Mittelpunkt (von nirgends) an Hand von Quellen in Genua, der writ of debt, Charles de Méan, das Verhältnis des niederländischen Zivilgesetzbuchs von 1838 zu dem argentinischen Zivilgesetzbuch von 1871, die Friedensbemühungen am Ende des ersten englisch-niederländischen Krieges, die Bedeutung der Geschichte für den spanischen Erbfolgekrieg, die Einflusssphäre im internationalen Recht zwischen 1870 und 1920 und als Vermächtnis des neuen Imperialismus d |
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Bonnett, Alastair, Die seltsamsten Orte der Welt. Geheime Städte – Verlorene Orte – Wilde Plätze – Vergessene Inseln, 2. Aufl. Beck, München 2015. 296 S., 9 Abb. Besprochen von Werner Augustinovic. |
Ganzen Eintrag anzeigen Bonnett, Alastair, Die seltsamsten Orte der Welt. Geheime Städte. Wilde Plätze. Verlorene Räume. Vergessene Inseln. Aus dem Engl. v. Wirthensohn, Andreas. C.H.Beck, München 2015. 296 S., 9 Ill. Besprochen von Werner Augustinovic.
Der rationalen Durchdringung unserer Welt, ihrer Vermessung und Entzauberung stellt der an der Universität Newcastle wirkende britische Sozialgeograph und Verfasser des vorliegenden Bandes, Alastair Bonnett, ein Grundbedürfnis des Menschen nach Orten gegenüber, die sich gängigen Erwartungen verweigern und die Flucht aus der Routine ermöglichen. Er spricht von dessen „Topophilie“, die sich „niemals auslöschen oder befriedigen“ lasse. Die 47 Orte, die sein Buch vorstellt, reichen „von höchst exotischen und grandiosen Projekten bis zu den bescheidenen Ecken meiner Heimatstadt“, aber sie seien „alle gleichermaßen in der Lage, unsere geographische Vorstellungskraft anzuregen und zu verändern. Gemeinsam sorgen sie dafür, dass die Welt fremder, eigenartiger erscheint, dass sie zu einem Ort wird, an dem Entdeckung und Abenteuer sowohl im Nahen wie im Fernen nach wie vor möglich sind“ (S. 13ff.).
Teils sind die Orte, mit denen sich dieses unkonventionelle Buch befasst, allgemein bekannt und bedeutend, teils aber auch banal und scheinbar bedeutungslos. In die erste Kategorie fallen beispielsweise Lokalitäten wie Leningrad, Mekka, der Aralsee (hier erscheinend als Aralkum-Wüste), Prypjat (die völlig verstrahlte Stadt nahe Tschernobyl), der internationale Luftraum, der Berg Athos und Kolumbien (dessen von der Guerillabewegung FARC kontrollierte Gebiete). Am anderen Ende des Spektrums stehen ein Fuchsbau und eine Verkehrsinsel. Der Verfasser billigt aber jedem seiner Orte einen eigenständigen Wert zu und kennzeichnet diese Äquivalenz dadurch, dass er, wo immer es möglich ist, exakte geographische Koordinaten nach Google Earth beifügt. Seine durch den jeweiligen Ort angestoßenen Überlegungen beschäftigen sich mit dessen Gesch |
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Schmidt, Andreas, „Bischof bist Du und Fürst“. Die Erhebung geistlicher Reichsfürsten im Spätmittelalter – Trier, Bamberg, Augsburg (= Heidelberger Abhandlungen zur mittleren und neueren Geschichte Band 22). Winter, Heidelberg 2015. XIV, 1007 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen Schmidt, Andreas, „Bischof bist Du und Fürst“. Die Erhebung geistlicher Reichsfürsten im Spätmittelalter – Trier, Bamberg, Augsburg (= Heidelberger Abhandlungen zur mittleren und neueren Geschichte Band 22). Winter, Heidelberg 2015. XIV, 1007 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Die Erhebung zum Reichsfürsten des Heiligen römischen Reiches hat verfassungsgeschichtlich einen hohen Rang, der wie viele andere verfassungsrechtliche Akte auch eine allgemeine abstrakte und eine einzelfallbezogene konkrete Seite hat. Aus ausreichend vielen bestimmten Einzelfällen lassen sich dabei die eher wenigen generellen Regeln in vielfältigen Einzelheiten ergänzen. Mit den damit zusammenhängenden Fragen beschäftigt sich die vorliegende gewichtige Monographie.
Sie ist die in der Idee auf die der Geschichte und Germanistik gewidmete Studienzeit der Jahre 2003 bis 2008 in Bamberg zurückgehende, umfangreiche Quellen verwertende, von Bernd Schneidmüller und Stefan Weinfurter begutachtete, im Sommersemester 2014 von der philosophischen Fakultät der Universität Heidelberg angenommene Dissertation des von der Studienstiftung des deutschen Volkes geförderten, seit 2009 als wissenschaftlicher Mitarbeiter tätigen Verfassers. Sie gliedert sich außer in eine Einleitung über Gegenstand, Methode, Quellen, Abgrenzung und Prämissen in acht Sachkapitel. Sie betreffen die Voraussetzungen, die Amtsverleihung im Überblick, die Bezeichnung des Kandidaten, das Prüfverfahren an der Kurie, die Konsekration, die Besitzergreifung, die geistliche Fürstenherrschaft im Verhältnis zu Kollatur und Regalienleihe und den Einritt.
Verwertet sind dabei aus Trier acht Einzelfälle, aus Bamberg neun Einzelfälle und aus Augsburg neun bzw. zehn Einzelfälle. Auf Grund der gründlichen, erstmaligen Untersuchung aller Einzelschritte von der Wahl bis zum feierlichen Einzug in die jeweilige Kathedralstadt gelangt der Verfasser zu vielfältigen weiterführenden Erkenntnissen. Insbesondere kann er i |
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Borck, Cornelius, Hirnströme – Eine Kulturgeschichte der Elektroenzephalographie. Wallstein, Göttingen 2015. 382 S., Abb. Angezeigt von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen Borck, Cornelius, Hirnströme – Eine Kulturgeschichte der Elektroenzephalographie. Wallstein, Göttingen 2015. 382 S., Abb. Angezeigt von Gerhard Köbler.
Am 6. August 1930 veröffentlichte der Stadt-Anzeiger Düsseldorf nach den Eingangsworten des vorliegenden Werkes die Nachricht „Dunkelkammer der Psychiatrischen Klinik in Jena. Doppeltüren schließen den Raum schalldicht von der Umwelt ab. Eine bahnbrechende Entdeckung soll ausprobiert werden, die Professor Dr. Hans Berger, dem Direktor der Psychiatrischen Universitätsklinik Jena, gelungen ist. Es handelt sich um die Aufzeichnung der Gedanken in Gestalt einer Zickzack-Kurve, um die elektrische Schrift des Menschenhirns“. Danach zirkulierten in dem Moment der Erstbeschreibung die Zacken einer Kurve als „Geheimzeichen“ einer neuen Sprache, deren Entschlüsselung unmittelbar bevorzustehen schien. Diese Vision ist nach dem Verfasser aber (jedenfalls bisher) nicht in Erfüllung gegangen.
Mit ihr beschäftigt sich der in Hamburg 1965 geborene, in Medizin, Philosophie, Religionswissenschaft und Medizingeschichte in Hamburg, Heidelberg und Berlin ausgebildete, 1994 in Berlin den Magister Artium an der Freien Universität in Berlin erwerbende, danach in London, Bielefeld, Berlin und Weimar tätige Autor seit längerer Zeit. 2003 mit entsprechenden Überlegungen für das Fach Medizin- und Wissenschaftsgeschichte an der Freien Universität Berlin habilitiert, legte er während einer Tätigkeit in Montreal bereits 2005 unter dem Titel Hirnströme seine Habilitationsschrift über die Kulturgeschichte der Elektroenzephalographie im Umfang von 381 Seiten vor. Mit dem unveränderten Dankwort vom März 2005 erscheint die Arbeit des inzwischen nach Lübeck berufenen Verfassers mit Unterstützung durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft im gleichen Verlag ohne weitere Erklärung nochmals.
Gegliedert ist sie in sieben Abschnitte. Sie betreffen nach elektrisierenden Hirnbildern Hans Bergers langen Weg zum EEG, Elektrot |
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Archavlis, Kyriaki, Die juristische Willenserklärung – eine sprachakttheoretische Analyse (= Grundlagen der Rechtswissenschaft 28). Mohr Siebeck, Tübingen 2015. IX, 188 S. Angezeigt von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen Archavlis, Kyriaki, Die juristische Willenserklärung – eine sprachakttheoretische Analyse (= Grundlagen der Rechtswissenschaft 28). Mohr Siebeck, Tübingen 2015. IX, 188 S. Angezeigt von Gerhard Köbler.
Wohl milliardenfach täglich weltweit erfolgt die juristische Willenserklärung als die auf einen rechtlichen Erfolg gerichtete private Äußerung des Willens an die Außenwelt. Vielleicht 1701 wurde sie als Wort dem kurz zuvor geprägten lateinischen Vorbild voluntatis declaratio in der neuhochdeutschen Sprache nachgebildet. Trotz ihrer ungeheueren tatsächlichen Häufigkeit und ihres beachtlichen Alters ist sie monographisch nur wenig behandelt und nicht zweifelsfrei geklärt.
Dementsprechende Aufmerksamkeit verdient die von Joachim Rückert betreute, im Sommersemester 2014 con der juristischen Fakultät der Universität Frankfurt am Main angenommene Dissertation der 1982 geborenen, als wissenschaftliche Hilfskraft an ihrer Fakultät tätigen, 2014 mit der zweiten juristischen Staatsprüfung ihre Ausbildung abschließenden Verfasserin, die nach dem kurzen Vorwort von ihrem verehrten Lehrer gelernt hat, dass sich die Bedeutung einer Untersuchung anhand der Richtigkeit ihrer Fragestellungen messen lassen kann. Gegliedert ist die schlanke Studie nach einer Einleitung über die Fragestellung, den methodischen Gang der Argumentation und einige Aspekte der Sprachphilosophie innerhalb der allgemeinen Philosophiegeschichte in drei Sachkapitel. Sie betreffen John Langshaw Austin und die Theorie der Sprechakte, John R. Searles Klassifikation der illokutionären Kräfte von Sprechakten und die Rechtsgeschäftslehre unter Berüclsichtigung der Sprechakttheorien.
Im Ergebnis stellt die Verfasserin zusammenfassend fest, dass die vertrauensschutzintegrierende Theorie der Doppelfunktion und die willensorietiernden Theorien ihre Überzeugungskraft auf dem Wege sprachanalytischer Abstraktion methodisch verbessern wollen, aber jeweils an einem undifferenzierten Gebrauc |
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Gothaisches Genealogisches Handbuch. Fürstliche Häuser, Band 1, hg. v. d. Stiftung Deutsches Adelsarchiv, bearb. v. Finck von Finckenstein, Gottfried Graf/Franke, Christoph. Verlag des Deutschen Adelsarchivs, Marburg 2015. 664 S. Besprochen von Werner Augustinovic. |
Ganzen Eintrag anzeigen Gothaisches Genealogisches Handbuch, hg. v. der Stiftung Deutsches Adelsarchiv, bearb. unter Aufsicht des Deutschen Adelsrechtsausschusses, Bd. 1 Fürstliche Häuser, Hauptbearb. Finck von Finckenstein, Gottfried Graf/Franke, Christoph. Verlag des Deutschen Adelsarchivs, Marburg 2015. 664 S. Besprochen von Werner Augustinovic.
Seit mehr als 250 Jahren verzeichnen und aktualisieren die inzwischen zahlreichen Reihen des „Gotha“ – zunächst unter dem Titel eines Almanach de Gotha, dann als Gothaische Genealogische Taschenbücher und von 1951 bis 2015 als (insgesamt 158) Genealogische Handbücher des Adels (GHdA) - die verzweigten Netzwerke adeliger Familienverbände und haben sich dadurch einen einzigartigen Stellenwert als Nachschlagewerk in Fragen zur Genealogie der Aristokratie erarbeitet. Über ein Jahrhundert hat der Verlag Perthes in Gotha, nach dem Zweiten Weltkrieg der ursprünglich in Görlitz beheimatete Verlag C. A. Starke in Limburg an der Lahn die Bände publiziert, nunmehr soll dies in Eigenregie durch die Stiftung Deutsches Adelsarchiv mit Schriftleitung in Marburg an der Lahn erfolgen, die sich als Dokumentations- und Forschungsstätte zur Geschichte des europäischen Adels etabliert hat. Die neue Reihe des Gothaischen Genealogischen Handbuchs (GGH) im handlichen Kleinformat lehnt sich inhaltlich und formal im Wesentlichen an seine Vorgänger an. Mit den hochadeligen „Fürstlichen Häusern“ liegt nunmehr der erste Band vor, ihm sollen als Bände 2 und 4 „Adelige Häuser“ und als Band 3 „Gräfliche Häuser“ folgen.
Sein Kernstück bilden die auf drei Abteilungen verteilten Stammfolgen in alphabetischer Reihenfolge. Die erste Abteilung erfasst die Genealogie regierender sowie seit Anfang des 19. Jahrhunderts entthronter europäischer Fürstenhäuser, wobei für die Häuser Baden/Zähringen (Erbprinz Bernhard), Hannover/Welfen (Erbprinz Ernst August), Hohenzollern (Fürst Karl Friedrich), Holstein/Oldenburg (Prinz Christoph), Lippe (Prinz Armin), Österre |
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Glossner, Christian L., Wirtschaft, Politik und Gesellschaft. Die politische Vermittlung und gesellschaftliche Akzeptanz der sozialen Marktwirtschaft im Nachkriegsdeutschland. Nomos, Baden-Baden 2014. 303 S., Abb. Besprochen von Werner Schubert. |
Ganzen Eintrag anzeigen Glossner, Christian L., Wirtschaft, Politik und Gesellschaft. Die politische Vermittlung und gesellschaftliche Akzeptanz der sozialen Marktwirtschaft im Nachkriegsdeutschland. Nomos, Baden-Baden 2014. 303 S., Abb. Besprochen von Werner Schubert.
Das Werk Glossners ist die deutsche Fassung des 2010 in Oxford erschienenen Buches „The Making of the German Post-War Economy Political communication and public reception of the Social Market Economy after World War 2“, das auf einer Oxforder Dissertation Glossners von 2004 beruht. Wie der Untertitel des Werkes Glossners besagt, liegt der Focus der Arbeit weder auf der Entstehung noch der theoretischen Definition individueller Wirtschaftskonzepte, „sondern auf deren jeweiliger Kommunikation gegenüber der politischen Klasse und der allgemeinen Öffentlichkeit“ (S. 34). Das Buch ist in zwei Abschnitte unterteilt: „Wissenschaftliche Konzepte zwischen Neo-Liberalismus und Neo-Sozialismus“ und „Politik und öffentliche Meinung“. Das Kapitel über „Wissenschaftliche Konzepte zwischen Neo-Liberalismus und Neo-Sozialismus“ (S. 70ff.) behandelt die Themen die „Freiburger Schule und der Neo-Liberalismus“, die „Freiburger Schule und der Ordo-Liberalismus“ und die „Kölner Schule und die Soziale Marktwirtschaft“. Die Freiburger Schule geht zurück auf die Arbeitsgemeinschaft Volkswirtschaftslehre unter Erwin von Beckerath, die sich als private, nicht öffentliche Fortsetzung der zum 1. 3. 1943 aufgelösten Arbeitsgemeinschaft Volkswirtschaftslehre der Akademie für Deutsches Recht (Protokolle der Tagungen von 1940 und 1941 bei W. Schubert, Akademie für Deutsches Recht 1933-1945. Protokolle der Ausschüsse, Bd. XIX, 2011, S. 161ff.) formierte. Diese Arbeitsgemeinschaft befasste sich mit der Überleitung der Kriegswirtschaft in eine Friedenswirtschaft. Nach dem Kriegsende beeinflussten sowohl die Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft E. von Beckerath (u. a. Beckerath, Adolf Lampe und Walter Eucken) die Grundlagen der wirtschaftlich |
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Muhr, Rudolf/Peinhopf, Marlene, Wörterbuch rechtsterminologischer Unterschiede Österreich-Deutschland (= Österreichisches Deutsch Sprache der Gegenwart 16). Lang, Frankfurt am Main 2015. 748 S. Besprochen von Werner Schubert. |
Ganzen Eintrag anzeigen Muhr, Rudolf/Peinhopf, Marlene, Wörterbuch rechtsterminologischer Unterschiede Österreich-Deutschland (= Österreichisches Deutsch Sprache der Gegenwart 16). Lang, Frankfurt am Main 2015. 748 S. Besprochen von Werner Schubert.
Wer sich als Deutscher oder als Österreicher mit dem Recht des Nachbarlandes befasst, stellt schnell fest, dass es in der Rechtsterminologie erhebliche Unterschiede gibt. Dies hängt zum Teil damit zusammen, dass die österreichische Rechtsterminologie nicht wie die deutsche Ende des 19. Jahrhunderts einer umfangreichen Sprachreinigung unterzogen worden ist. Das vorliegende Werk Rudolf s (Forschungszentrum Österreichisches Deutsch an der Universität Graz) und Marlene Peinhopfs (Lecturer am Institut für Römisches Recht der Universität Graz) enthält 2000 österreichische Rechtstermini, die sich in Form bzw. Inhalt von Termini des deutschen Rechtssystems unterscheiden. Gleichzeitig bietet es englische und französische Übersetzungsvorschläge, da diese Sprachen neben dem Deutschen die wichtigsten Amtssprachen der Europäischen Union sind. Die Herausgeber sehen im vorliegenden Wörterbuch einen Versuch, „substantielle Unterschiede zwischen zwei verschiedenen Rechtssystemen, die auf derselben Sprache basieren, zuverlässig zu beschreiben, indem die Methoden der Terminologiewissenschaft und die Prinzipien der Technologiearbeit der EU angewendet wurden“ (S. 5). Das Wörterbuch geht aus von den österreichischen Rechtsbegriffen, die zunächst definiert und quellenmäßig nachgewiesen werden (Gesetzestexte, juristische Fachliteratur, Gerichtsurteile). Neben dem Hauptbegriff wird auch ein eventueller „Nebenbegriff“ aufgeführt. Es folgen die englischen und französischen Entsprechungen. Grundsätzlich werden die im Verlauf der Arbeit am Wörterbuch gefundenen deutschen Rechtsbegriffe ohne österreichische Entsprechung (mehr als 2000) nicht berücksichtigt (S. 6). Am Ende des Wörterbuchs findet sich eine „Alphabetische Entsprechungsliste – ausgehend von |
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Kausen, Ernst, Die Sprachfamilien der Welt. Teil 1 Europa und Asien, Teil 2 Afrika – Indopazifik – Australien – Amerika. Helmut Buske Verlag, Hamburg 2015. 1039, 1258 S., Karten. Angezeigt von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen Kausen, Ernst, Die Sprachfamilien der Welt. Teil 1 Europa und Asien, Teil 2 Afrika – Indopazifik – Australien – Amerika. Helmut Buske Verlag, Hamburg 2015. 1039, 1258 S., Karten. Angezeigt von Gerhard Köbler.
Die Sprache ist das besondere Unterscheidungsmerkmal des Menschen gegenüber allen anderen Organismen. Deswegen hat grundsätzlich jeder Mensch mindestens eine Sprache. Dementsprechend sollte das vorliegende gewichtige Werk viele (deutschsprachige) Menschen interessieren und als Leser finden.
Freilich ist nicht nur der Gegenstand ungewöhnlich umfassend und komplex, sondern steht auch sein Bearbeiter bisher leider nicht im Zentrum der philologischen Aufmerksamkeit. In Rheinhausen bei Duisburg 1948 geboren, studierte er in Gießen und Hannover Mathematik, Physik und Informatik und wurde in Hannover 1976 in der Mathematik im Bereich der komplexen Analysis bei Wolfgang Rothstein mit einer Dissertation über Maximumprinzip, Kapazität und Fortsetzung analytischer Mengen zum Dr. rer. nat. promoviert. Gleichzeitig absolvierte er jedoch in Göttingen von 1972 bis 1976 ein Studium der Ägyptologie, Altorientalistik und vergleichenden Sprachwissenschaft.
Von 1977 bis 1982 wirkte er als Manager der Informationstechnologie eines weltweit tätigen Unternehmens der Vereinigten Staaten von Amerika und von 1982 bis 2014 als Professor für Mathematik und theoretische Informatik an der Technischen Hochschule Mittelhessen. Neben mathematischen Werken legte er dieser Zeit in Sammelbänden Texte aus der ägyptischen Umwelt des Alten Testaments vor. Auf dieser individuellen Grundlage veröffentlichte er schließlich im Jahre 2012 eine Darstellung der indogermanischen Sprachen im Umfang von 780 Seiten.
An sie schließen die beiden großen, nach mehr als fünfzehnjähriger systematischer Vorbereitung vorgelegten Bände über die Sprachenfamilien der Welt an, die auf der Veröffentlichung des Jahres 2012 aufbauen und sie in einem erweiterten Rahmen fortsetzen |
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Sürek, Tunay, Die Verfassungsbestrebungen der Tanzimât-Periode. Das Kanun-i Esasî – Die osmanische Verfassung von 1876 (= Rechtshistorische Reihe 462). Lang, Frankfurt am Main 2016. XXXI, 206 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen Sürek, Tunay, Die Verfassungsbestrebungen der Tanzimât-Periode. Das Kanun-i Esasî – Die osmanische Verfassung von 1876 (= Rechtshistorische Reihe 462). Lang, Frankfurt am Main 2016. XXXI, 206 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Die Türken kamen nach den Hunnen und Awaren schon früh aus Ostasien bzw. aus der Mongolei in den Westen, traten seit dem Ende des 8. Jahrhunderts zum Islam über und drangen in dem elften Jahrhundert unter dem Geschlecht der Seldschuken nach Kleinasien ein, wo sie nach Zerschlagung des Seldschukenreichs durch die Mongolen unter dem Geschlecht der Osmanen von Nordwestanatolien aus geeint werden und am 29. 5. 1453 den Überrest des oströmischen Reiches in Konstantinopel/Byzanz/Istanbul erobern. Von dort aus nehmen sie nach Vorderasien auch Nordafrika und Südosteuropa ein, werden seit der zweiten Belagerung Wiens im Jahre 1683 wieder zurückgedrängt. Am 3. 11. 1839 verspricht der dadurch geschwächte Sultan im Erlass von Gülhane in freiwilliger Begrenzung seiner Gewalt die Vorbereitung neuer, den Bedürfnissen des Landes im internationalen Wettbewerb mit den europäischen Großmächten entsprechender Bestimmungen.
Mit der daran anschließenden Frage, inwieweit die von 1839 bis 1876 reichende Tanzimât-Periode (Periode der heilsamen Neuordnung) mit ihren gesetzlichen Anordnungen eine Säkularisierung und Konstitutionalisierung des Rechtes im osmanischen Reich vorangetrieben und beeinflusst hat, befasst sich die von Michael Stolleis betreute, im Sommersemester 2015 von dem Fachbereich Rechtswissenschaft der Universität Frankfurt am Main angenommene, noch 2015 im Druck erschienene Dissertation des nach dem Studium in Frankfurt am Main mit Auslandsaufenthalten in Paris und Los Angeles als Rechtsanwalt in einem Justitiariat tätigen Verfassers. Sie gliedert sich nach einer Einführung über Fragestellung, Begrifflichkeiten, Forschungsstand, Quellenlage, Zeitraum und Untersuchungsmethodik in sechs Sachkapitel. Sie betreffen das vortanzim |
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Raina, Peter, House of Lords Reform – A History, Band 4 1971-2014 – The Exclusion of Hereditary Peers, Book 1 1971-2001, Book 2 2002-2014. Lang, Oxford 2015. XXIII, 1-607, IX, 608-1270 S., Abb. Angezeigt von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen Raina, Peter, House of Lords Reform – A History, Band 4 1971-2014 – The Exclusion of Hereditary Peers, Book 1 1971-2001, Book 2 2002-2014. Lang, Oxford 2015. XXIII, 1-607, X 608-1270 S., Abb. Angezeigt von Gerhard Köbler.
Das House of Lords Englands oder in der Gegenwart Großbritanniens ist eine der ältesten und bekanntesten politischen Einrichtungen der Welt. Bei seiner Entstehung von zentraler Bedeutung ist es durch die demokratisierende Entwicklung spätestens seit der französischen Revolution des Jahres 1789 mehr und mehr an den Rand der Entscheidungszuständigkeiten geraten. Umso mehr verdient seine Geschichte eine umfassende Darstellung.
Peter Raina legt sie seit 2012 mit beeindruckender Geschwindigkeit in stattlichem Umfang vor. 2012 erschien der erste von den Anfängen bis zu dem Jahr 1937 reichende Band, der zwei Bücher bis zum Jahre 1911 und ab dem Jahre 1911 umfasste. Dem folgte 2013 der zweite, bis 1958 führende Band und 2014 der dritte, die Jahre von 1960 bis 1969 behandelnde Band. Der vierte Band schließt die große Gesamtdarstellung mit der Gegenwart ab.
Gegliedert ist er in seinem ersten Teil in neun Kapitel. Sie betreffen die vorgeschlagenen Reformen der Jahre 1971-1976, Earl Home’s Review Committee, Margaret Thatchers Vorbehalte, eine Vielzahl von Vorschlägen der Jahre 1980 bis 1997, die Diskussion der Parteien und der Öffentlichkeit über die Reform, die Stellungnahmen der Lords und der Labour Party des Jahres 1997, den Ausschluss der erblichen Peers in der Vorlage der Regierung von 1999, die königliche Kommission für eine Reform der Zukunft und als Abschluss der Reform A New White Paper. Wer immer sich für die Verfassung im Allgemeinen und die Verfassung des englisch/britischen Oberhauses im Besonderen interessiert, hat damit eine grundlegende detaillierte moderne Darstellung einer Gesamtentwicklung zur Verfügung, in welcher der am 11. November 1999 von der Königin gebilligte House of Lords Act 1999 als e |
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Die Einheit. Das Auswärtige Amt, das DDR-Außenministerium und der Zwei-plus-Vier-Prozess, hg. v. Möller, Horst/Pautsch, Ilse Dorothee/Schöllgen, Gregor u. a., bearb. v. Amos, Heike/Geiger, Tim. V & R, Göttingen 2015. 872 S., 63 Abb. Angezeigt von Gerhard Köbler. |
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Die Welt verläuft zwischen Dauer und Wandel ohne sichere Möglichkeit der Voraussicht der Zukunft. Nur wenige Genies oder Gaukler konnten im Frühling 1989 vorhersehen, dass wenige Zeit später die Herstellung einer deutschen Einheit wirklich möglich und tatsächlich geschehen würde. Aus späterer Sicht war sie freilich angesichts der dogmatischen Haltung der sozialistischen Politik gegenüber den Freiheitsbedürfnissen ihrer bevormundeten Individuen im Gefolge von Konferenzen über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa und von persönlichen Entscheidungen Michael Gorbatschows in der Sowjetunion naheliegend.
Der Zeitgenosse konnte den ihm unwahrscheinlichen atemberaubenden Vorgang voll Spannung verfolgen, sich für ihn einsetzen, sein Gelingen erhoffen und eine Verwirklichung tatsächlich miterleben. Die in diesem Zusammenhang entstandenen Dokumente konnte er zwar einzeln an unterschiedlichen Stellen in Ausschnitten zur Kenntnis nehmen, in ihrer Gesamtheit standen sie ihm aber grundsätzlich bisher nicht wirklich zu seiner freien Verfügung. Dem hilft die vorliegende Edition für jedermann erfreulicherweise ab.
Sie fand unmittelbar mit ihrem Erscheinen das ungeteilte Interesse eines sachkundigen Rezensenten, doch konnte der federführende Verlag kein Rezensionsexemplar zu Verfügung stellen, geschweige denn auch nur antworten. Deswegen muss der Herausgeber vorläufig auf Grund eines aus der Bayerischen Staatsbibliothek in München ausgeliehenen Exemplars mit einem Satz darauf hinweisen. Insgesamt enthält die grundlegende Edition auf 700 Seiten 170 Dokumente aus dem Auswärtigen Amt der Bundesrepublik Deutschland und dem Außenministerium der (früheren) Deutschen Demokratischen Republi |
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Der Raum Ostfalen. Geschichte, Sprache und Literatur des Landes zwischen Weser und Elbe an der Mittelgebirgsschwelle, hg. v. Föllner, Ursula/Luther, Saskia/Stellmacher, Dieter (= Literatur – Sprache – Region 9). Lang, Frankfurt am Main 2015. 438 S., Abb. Tab. Besprochen von Gerhard Köbler. |
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Trotz des Fortdauerns der großen deutschen Sprachlandschaften eigentlich von den Anfängen bis zur Gegenwart haben die politischen Gebilde vielfache Veränderungen erfahren. Dabei ist Westfalen immerhin in dem Bundesland Nordrhein-Westalen jedenfalls namensmäßig erhalten geblieben und setzen auch die Bundesländer Sachsen und Sachsen-Anhalt irgendwie das frühmittelalterliche Volk der Sachsen fort. Dengegenüber ist, wie auch das Vorwort der Herausgeber festhält, unter den deutschen Landschaftsnamen Ostfalen einer der weniger bekannten, was mit der fehlenden Kontinuität einer politischen Einheit zusammenhängen dürfte.
Trotz der fachinterne Versuche, etwa das niederdeutsch-mitteldeutsche mundartliche Übergangsgebiet dialektologisch und lexikographisch zu erfassen, blieb eine große Gemeinschaftsarbeit für ein Ostfalenbuch über das Gebiet zwischen Leine, Elbe, Saale und Unstrut lange ein wissenschaftliches Desiderat. Erst nach der Herstellung deutscher Einheit gelang es zwei Gebieten der alten Provinz Sachsens Preußen und des früher selbständigen Landes Braqunschweig, eine kommunale wirtschaftliche und kulturelle Zusammenarbeit zu vereinbaren. Das hieraus entstandene Ostfälische Institut will mit dem vorliegenden, von den Landkreisen Helmstedt und Börde finanzierten Buch ein Überblickswerk zu Geschichte und Sprache des Raumes Ostfalen bieten.
Das zu diesem Zweck im Jahre 2008 ins Leben gerufene interdisziplinäre Projekt „Das Land zwischen Weser und Elbe an der Mittelgebirgsschwelle“ wollte die geographisch-landeskundliche und wirtschaftliche Raumentwicklung erfassen, eine von der ersten Bezeugung des Wortes Ostfalen bis zur Gegenwart reichende Geschi |
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Dröge, Martin, Männlichkeit und „Volksgemeinschaft“. Der westfälische Landeshauptmann Karl Friedrich Kolbow (1899-1945) – Biographie eines NS-Täters (= Forschungen zur Regionalgeschichte 78).. Schöningh, Paderborn 2015. 444 S. Angezeigt von Gerhard Köbler. |
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Die Untersuchung ist eine für den Druck leicht gekürzte und überarbeitete Fassung der von Dietmar Klenke betreuten, im Sommersemester 2014 von der Fakultät für Kulturwissenschaften der Universität Paderborn angenommenen Dissertation des der konstruktiven und familiären Atmosphäre am Lehrstuhl viel verdankenden Verfassers. Sie geht davon aus. dass sich der 1921 der Nationalsozialistischen deutschen Arbeiterpartei beitretende Karl Fridrich Kolbow in der Wahrnehmung der Zeitgenossen von anderen in der Öffentlichkeit stehenden Nationalsozialisten offenbar vorteilhaft abhob, so dass sich die Nachkriegserinnerung an seine Person das Bild einer respektablen Persönlichkeit zu eigen machte, die ein gerechter und unparteiischer Vorgesetzter und ein untadeliger Verwaltungsmann gewesen sei. Mit Hilfe der vollständig überlieferten Tagebücher Kolbows soll, nachdem neue Forschungsergebnisse das bis dahin gezeichnete Bild bereits schrittweise dekonstruiert hatten, dies überprüft werden.
Gegliedert ist die stattliche Studie nach einer Einleitung über den Untersuchungsgegenstand, den Forschungskontext samt Verortung, die Quellengrundlage und den Theorierahmen von Geschlechter- und Männlichkeitsgeschichte sowie Nation, Gemeinschaft und Volksgemeinschaft im Aufriss deutscher Geschichte des 20. Jahrhunderts in zwei Teile. Der erste Teil betrifft die Sozialisation einschließlich der beruflichen Arbeit als Bergbauingenieur bis 1933. Der zweite Teil behandelt den Landeshauptmann der Provinz Westfalen in den Jahren 1933-1939, die Männlichkeit in den Jahren 1933-1939 und 1939-1945 sowie die Hierarchien unter kriegsgefangenen Männern.
Auf Grund seiner eindringlichen und umsichtigen Analyse stuft der Ver |
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Birn, Marco, Die Anfänge des Frauenstudiums in Deutschland. Das Streben nach Gleichberechtigung von 1869-1918, dargestellt anhand politischer, statistischer und biographischer Zeugnisse (= Heidelberger Schriften zur Universitätsgeschichte Band 3). Winter, Heidelberg 2015. 387, LI S., Abb. Besprochen von Gerhard Köbler. |
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Dem Menschen ist die Teilung in die beiden Geschlechter der Frauen und Männer aus bisher wohl nicht eindeutig erkanntem Grunde vorgegeben. In der geschichtlichen Entwicklung haben sich lange Zeit anscheinend die Männer als größer, stärker und schneller durchgesetzt und vielleicht schon in den Horden der Anfänge die nach außen gerichteten Aufgaben übernommen. Mit der grundsätzlichen Anerkennung der Gleichberechtigung der Geschlechter durch die Gedanken der französischen Revolution des Jahres 1789 hat sich diese Rollenverteilung allmählich entscheidend gewandelt, zumal die körperliche Kraft in einer Welt der Ideen und Programmen an Gewicht verloren hat.
Die sich mit einem Teilbereich dieser Thematik beschäftigende Untersuchung ist die auf der 2012 gedruckten Magisterarbeit des d Verfassers über die Anfänge des Frauenstudiums an der Universität Heidelberg aufbauende, von Thomas Maissen betreute, am 31. Mai 2013 an der philosophischen Fakultät der Universität Heidelberg angenommene Dissertation des seit 2008 als studentische Hilfskraft am Universitätsarchiv tätige, die Tätigkeit als Archivar suchenden Verfassers. Sie holt den bisher fehlenden deutschlandweiten Vergleich des bisher nicht oder nur unzureichend bearbeiteten Materials nach. Sie gliedert sich dabei in drei Teile über die ersten Hörerinnen an deutschen Universitäten, die ersten immatrikulierten Studentinnen (auf dem Weg von der Ausnahme zur Normalität) und die Lebensverhältnisse und Versorgungslagen zwischen Abgrenzung und Anpassung.
Erster individueller Ausgangspunkt ist dabei die in Wittenberg 1733 von der philosophischen Fakultät gewährte besondere Verle |
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Vesting, Thomas, Die Medien des Rechts – Sprache, Schrift, Buchdruck, Computernetzwerke. Band 3 Buchdruck. Velbrück Wissenschaft, Weilerswist 2013. 226 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
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Das Recht besteht im Kern aus vom Menschen mit Hilfe seines Verstands geschaffenen mehr oder weniger komplexen Sätzen, die in den Gehirnen bisher unsichtbar sind, aber durch Sprache, Schrift, Buchdruck und Computernetzwerke für Mitmenschen erkennbar gemacht werden können. Insofern hat es seit seiner Entstehung verschiedene Medien genutzt. Sich ihnen rechtstheoretisch in einzelnen Bänden zu widmen, ist eine sehr ansprechende Vorgangsweise.
Der sich ihrer bedienende, in Detmold 1958 geborene Verfasser wurde nach dem Studium der Rechtswissenschaft und der Politikwissenschaft in Tübingen bei Ulrich K. Preuß an der Universität Bremen 1989 mit einer Dissertation über politische Einheitsbildung und technische Realisation – über die Expansion der Technik und die Grenzen der Demokratie - promoviert. Nach einer Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter an dem Institut für Rundfunk und Fernsehen an der Universität Hamburg wurde er bei Wolfgang Hoffmann-Riem 1996 für Staatsrecht und Verwaltungsrecht sowie Rechtstheorie habilitiert. Seit dem Wintersemester 1996/1997 wirkte er in Augsburg, seit 2002 in Frankfurt am Main, jeweils unter besonderer Berücksichtigung der Theorie der Medin.
Seine beiden ersten Bände über die Medien Sprache und Schrift des Rechts erschienen im Jahre 2011. Der vorliegende dritte Band befasst sich in seinen fünf Kapiteln mit dem Pergamentkodex und „Geist“ des Christentums, mit der Kultur und Epistemologie des Buchdrucks, mit der „Inkarnation“ der Souveränität, der „Exkarnation“ der Souveränität und dem kulturellen Rahmen des liberalen Staates und rückt dabei die Vorstellung der Einheit und Vollständigkeit des menschlichen Wissens und der Normenbestände, die (gedruckten oder) formellen Verfassungen, die (modernen europäischen) Kodifi |
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Vordenker und Vorreiter der Ökobewegung. 40 ausgewählte Porträts, hg. v. Simonis, Udo Ernst. Hirzel, Stuttgart 2014. 161 S. Angezeigt von Gerhard Köbler. |
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Die Erfolgsgeschichte der Menschheit hat, wie kaum anders zu erwarten, ihre jedenfalls der Erde auch nachteiligen Schattenseiten. Spätestens in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurde allgemeiner bewusst, dass der Mensch durch sein tatsächliches Verhalten, seine Umwelt und damit auch sich selbst bedroht und gefährdet. Klimaerwärmung, Luftverschmutzung und Wasserverschmutzung sind in diesem Zusammenhang wohl die deutlichsten Hinweise.
Im Hinblick auf dieses Geschehen sind zwecks Erinnerung und Vergewisserung der neuzeitlichen Entwicklung zwischen 2003 und 2014 in dem Jahrbuch für Ökologie Porträts verschiedener Menschen vorgestellt worden, die sich bereits früher mit dieser Problematik öffentlich beschäftigten. Für die betreffenden Philosophen, Naturwissenschaftler, Gesellschaftswissenschaftler sowie Praktiker standen dabei jeweils drei Buchseiten zur Verfügung. Die ausgewählten 24 Vordenker umspannen das 18. bis 20. Jahrhundert, die vorgestellten 16 Vorreiter die Neuzeit des aktiven Umweltschutzes und des Nachhaltigkeitsdiskurses.
Als Vordenker erfasst sind von dem für Umweltpolitik an dem Wissenschaftszentrum Berlin tätigen emeritierten Herausgeber Hans Carl von Carlowitz („Erfinder der Nachhaltigkeit“ 1645-1714), der 1713 an Hand von Kenntnissen über Venedig, England und Frankreichs eine Anweisung zur wilden Baumzucht, veröffentlichte, Alexander von Humboldt, Henry B. Thoreau, Karl Marx, Ernst Haeckel, Rudolf Steiner, Albert Schweitzer, Günther Anders, Hans Jonas, Erwin Chargaff, Rachel Carson, Leopold Kohr, E. F. Schumacher, Georg Picht, Elisabeth Mann Borgese, James Lovelock, Joseph Beuys, Carl Amery, André Gorz, Ivan Illich, Elinor Ostrom, Günter Altner, Malte Faber und Donella Meadows. Als Vorreiter sind ausgezeichnet Paul B. Sarasin („Der erste Weltnaturschützer“, |
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Reichtum im späten Mittelalter. Politische Theorie – Ethische Norm – Soziale Akzeptanz, hg. v. Schulte, Petra/Hesse, Peter (= Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte Beiheft 232). Steiner, Stuttgart 2015. 254 S., Abb. Besprochen von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen Reichtum im späten Mittelalter. Politische Theorie – Ethische Norm – Soziale Akzeptanz, hg. v. Schulte, Petra/Hesse, Peter (= Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte Beiheft 232). Steiner, Stuttgart 2015. 254 S., Abb.
Zwar gibt es auch verschiedene Tiere, die aus unerklärten Gründen Vorräte für nahrungsarme Zeiten anlegen, doch sammelt wohl nur der moderne Mensch Güter um des bloßen Habens willen. Diese Verhaltensweise hat er vermutlich erst in dem Zeitpunkt entwickelt, in welchem die Deckung der alltäglichen Lebensbedürfnisse verhältnismäßig gesichert war. Seitdem lassen sich Reichtum und Armut so gut trennen, dass sie zu gesellschaftlichen Schichtungen geführt haben, die bereits in der Antike erkennbar sind.
Dass diese Entwicklung gesellschaftliche Schwierigkeiten mit sich bringen kann, zeigt der von den Herausgeberinnen im Vorwort an die Spitze gestellte Buchtitel des Jahres 2010 „Gleichheit ist Glück – Warum gerechte Gesellschaften für alle besser sind“ beispielhaft. Als bereits kurz vorher in dem Jahre 2009 mit der Planung der Tagung „Reichtum im späten Mittelalter“ begonnen wurde, interessierte die Veranstalter die historische Fundierung dieser sozialpolitischen Diskussion. Mit großzügiger Unterstützung der Fritz Thyssen Stiftung konnte daraufhin in dem Palazzo Barbarigo della Terrazza des deutschen Studienzentrums in Venedig vom 7. bis 10. April 2010 eine Tagung durchgeführt werden, deren Ergebnisse der vorliegende Sammelband der Allgemeinheit zur Verfügung stellt.
Enthalten sind darin nach einleitenden Überlegungen Petra Schultes über Reichtum als Gegenstand historischer Forschung insgesamt 11 Studien. Sie beginnen mit Einstellungen von Franziskanern und Dominikanern zu Eigentum und Reichtum im 14. Jahrhundert und führen etwa über Giles of Rome, die Theologie des 12.-14. Jahrhunderts, Johannes Geiler von Kaysersberg, Theorie und Wirklichkeit des Wuchers im bargeldlosen Verkehr, Gregory of Rimini, den soz |
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Gothaisches Genealogisches Handbuch. Fürstliche Häuser, Band 1, hg. v. d. Stiftung Deutsches Adelsarchiv, bearb. v. Finck von Finckenstein, Gottfried Graf/Franke, Christoph. Verlag des Deutschen Adelsarchivs, Marburg 2015. 664 S. Angezeigt von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen Gothaisches Genealogisches Handbuch. Fürstliche Häuser, Band 1, hg. v. d. Stiftung Deutsches Adelsarchiv, bearb. v. Finck von Finckenstein, Gottfried Graf/Franke, Christoph. Verlag des Deutschen Adelsarchivs, Marburg 2015. 644 S. Angezeigt von Gerhard Köbler.
Alle Menschen haben bisher Vater und Mutter sowie deren Vorfahren, viele Menschen auch Kinder und deren Abkömmlinge sowie Geschwister. Manche Menschen sind aber in der gesellschaftlichen Wirklichkeit bedeutsamer als viele andere. Hierzu zählt zumindest in der europäischen Geschichte vor allem der Adel.
Aus diesem Grunde erschienen nach Ausweis des Geleitworts des vorliegenden kompakten, vornehm gebundenen Bandes schon in der Mitte des 18. Jahrhunderts nahezu in jedem der mehreren hunderten souveränen Staaten Europas verschiedene Kalender oder Almanache in der Art und Größe eines Taschenkalenders, die unter Anderem auch eine Genealogie des jeweiligen Herrscherhauses enthielten. Während alle diese Reihen mit den sich stetig verändernden Zeitläuften verschwanden, entwickelte sich der an dem Hof der Herzöge von Sachsen-Coburg und Gotha erstmals im Herbst 1762 im Umfang von 20 Seiten erschienene Almanac nécessaire zu einem Nachschlagewerk von Weltgeltung. Dieses blieb über das Ende des Heiligen römischen Reiches im Jahre 1806 erhalten und erschien bis 1942/1944.
Zwischen 1951 und 2015 wurden 168 weitere Bände des Genealogischen Handbuchs des Adels in einem Nachfolgeverlag vertrieben. Dessen Rechte hat nunmehr die Stiftung Deutsches Adelsarchiv erworben, um mit dem im Juni 2015 erschienenen vorliegenden ersten Band einer neuen Reihe von Adelshandbüchern (neuer Gotha) an die 180jährige Tradition des alten Gotha und die des Genealogischen Handbuchs des Adels anzuschließen. Im Vorgriff auf eine Rezension eines sachkundigen Interessenten an Hand eines käuflich erworbenen Exemplars soll vorweg auf das beeindruckende, auf den Seiten 25 bis 106 von Abel bis Zychlinski reich |
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Rettig, Bernd, Hegels sittlicher Staat. Bedeutung und Aktualität. Böhlau, Köln 2014. 423 S. Angezeigt von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen Rettig, Bernd, Hegels sittlicher Staat. Bedeutung und Aktualität. Böhlau, Köln 2014. 423 S. Angezeigt von Gerhard Köbler.
Für den in Stuttgart 1770 geborenen, nach dem Studium von Philosophie und Theologie in Tübingen in Jena 1801 habilitierten Georg Friedrich Wilhelm Hegel ist die Weltgeschichte bekanntlich der notwendig fortschreitende Prozess, in dem sich der absolute Geist seiner Freiheit in dem dialektischen Dreischritt von These, Antithese und Synthese bewusst wird. In der tatsächlichen Umwelt versteht Hegel Preußen als Verwirklichung der Freiheit. Damit wird der Staat dem Einzelnen sehr stark übergeordnet.
Mit einem Teilaspekt dieser Thematik beschäftigt sich das vorliegende Werk. Nach seiner Vorbemerkung will der nach seinen Worten mit der marxschen Lehre groß gewordene, als Rechtsanwalt in Jena tätige Verfasser der von Gerhard Lingelbach begleiteten Untersuchung zeigen, dass Hegels „Rechtsphilosophie“, je tiefer man sie auslotet, ihren konservativen Gehalt verliert. Sichtbar wird nach dem Verfasser stattdessen ein an der Erhaltung der Natur orientiertes Weltbild, in dem sich eine organische Natur und eine bürgerliche Gesellschaft gegenüberstehen.
Gegliedert ist die durch die Tragödie des Sittlichen eingeleitete Untersuchung in insgesamt fünf Sachkapitel. Sie betreffen den Weg vom Gemeinwesen zu Staat und bürgerlicher Gesellschaft, das Bürgerliche Gesetzbuch als Recht ohne Mitte im Spiegel der Rechtsphilosophie, Hegels konstitutionelle Monarchie als Verwirklichungsform des objektiven Geistes, die Verwechslung des Staates mit der bürgerlichen Gesellschaft dargestellt an dem Beispiel der Weimarer Republik und - am Beispiel der Sowjetunion Stalins außerhalb der Sittlichkeit - den Gesellschaftsstaat als Betriebsstaat. Im Ergebnis spricht sich der Verfasser auf dieser Grundlage für eine Pflicht des politischen Staates aus, eine Pflicht zur Natur zum Maßstab des politischen Handelns zu machen, statt als reiner Gesellschaftssta |
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Rödder, Andreas, 21.0. Eine kurze Geschichte der Gegenwart, 2. Aufl. Beck, München 2015. 494 S. Angezeigt von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen Rödder, Andreas, 21.0. Eine kurze Geschichte der Gegenwart. Beck, München 2015. 494 S. Angezeigt von Gerhard Köbler.
Die Gegenwart hat eine lange Geschichte, weil alles Geschehen von dem ersten Anfang bis zur eigentlich nur aus einem logischen Denkmoment bestehenden Gegenwart Geschichte (der Gegenwart) ist. In diesem Sinne sind bereits viele Geschichten zu unterschiedlichen Zeiten verfasst worden, die kein einzelner Mensch jemals insgesamt leben kann. Von daher ist für die meisten Gegenwärtigen eine kurze Geschichte ihrer Gegenwart besonders interessant, mit deren Hilfe sie sich und ihr Leben möglichst allgemein und überzeugend erklären können.
Der sie unter einem digital-markanten Zeichen versuchende, in Wissen an der Sieg 1967 geborene Verfasser wurde nach dem Studium von Geschichte und Germanistik in Bonn und Tübingen mit einer Dissertation über Stresemanns Erbe in Gestalt von Julius Curtius und der deutschen Außenpolitik zwischen 1929 und 1931 in Bonn 1995 promoviert. Bereits zuvor war er an die Universität >Stuttgart gewechselt, an der er sich im Jahre 2001 mit einer Schrift über die politische Kultur der englischen Konservativen zwischen ländlicher Tradition und industrieller Moderne (1846-1868) habilitierte. Seit 2005 ist er für neuste Geschichte mit dem Schwerpunkt internationale Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts in Mainz tätig und hat dort eine bedeutende Darstellung mit dem Titel Deutschland einig Vaterland vorgelegt.
Das jetzige gewichtige Werk beginnt mit der rhetorischen Frage, ob eine Geschichte der Gegenwart möglich ist. Im Anschluss hieran behandelt der Verfasser in acht Abschnitten nacheinander die Welt 3.0 (digitale Revolution), die erste und zweite Globalisierung (Wirtschaft), das Ungenügen der Welt (Energiewende, Umweltbewegung, Klimawandel), die Ordnung der Dinge (Kulturschock 1973, marktradikale Modernisierungsparadigma, Gott und die Welt), zwei oder drei (Haben und Sein, Arm und reich, Migration |
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Ordnungen für die Kirche – Wirkungen auf die Welt. Evangelische Kirchenordnungen des 16. Jahrhunderts, hg. v. Arend, Sabine/Dörner, Gerald (= Spätmittelalter, Humanismus, Reformation 84). Mohr Siebeck, Tübingen 2015. XIII, 322 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen Ordnungen für die Kirche – Wirkungen auf die Welt. Evangelische Kirchenordnungen des 16. Jahrhunderts, hg. v. Arend, Sabine/Dörner, Gerald (= Spätmittelalter, Humanismus, Reformation 84). Mohr Siebeck, Tübingen 2015. XIII, 322 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Ordnung ist die vielfach dem Chaos gegenübergestellte, mit idg. *ar‑ (1), *h2er‑, V., fügen, passen zu verbindende tatsächlich-räumliche und danach auch übertragene Reihung von Gegebenheiten mit Hilfe des menschlichen Verstands. Kirchenordnungen sind ordnende Gestaltungen des kirchlichen Lebens durch vorschreibende Regeln, wie sie sich bereits in der Antike finden. In der frühen Neuzeit erscheinen als Folge der Reformation des christlichen Glaubens durch Martin Luther zwecks Ablösung des abgelehnten kanonischen Rechtes zahlreiche evangelische Kirchenordnungen, die in erheblichem Umfang bereits wissenschaftlich ediert sind.
Dieser erfreuliche Zustand geht insbesondere auf den in Erlangen wirkenden Ordinarius für Kirchenrecht Emil Sehling zurück, der am Ende des 19. Jahrhunderts den Plan einer Ausgabe der evangelischen Kirchenordnungen auf dem Gebiet des Deutschen Reiches von dem Beginn der Reformation (1517) bis zu dem Dreißigjährigen Krieg in vier Abteilungen mit je einem Band (Sachsen und Thüringen, Norden und Osten, Westen, Süden) entwickelte. Trotz der Unterstützung des Kaisers geriet das Vorhaben am Ende des Kaiserreichs aber nach dem fünften Band ins Stocken und konnte erst 1955 in Göttingen unter der Leitung Rudolfs Smends und nach einem weiteren Halt seit 2002 in Heidelberg fortgeführt werden, so dass mittlerweile 24 Bände der Allgemeinheit zur Verfügung stehen. Der bevorstehende Abschluss der Ausgabe im Jahre 2016 bot nach dem Vorwort der Herausgeber des vorliegenden Sammelbands eine günstige Gelegenheit, in der Form einer internationalen, in den Räumen der Heidelberger Akademie der Wissenschaften im März 2014 abgehaltenen Tagung auf den zwischen Erlangen, Gött |
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Schiegg, Markus, Frühmittelalterliche Glossen. Ein Beitrag zur Funktionalität und Kontextualität mittelalterlicher Schriftlichkeit (= Germanistische Bibliothek 52). Winter, Heidelberg 2015. 381 S., Abb., Tab. Besprochen von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen Schiegg, Markus, Frühmittelalterliche Glossen. Ein Beitrag zur Funktionalität und Kontextualität mittelalterlicher Schriftlichkeit (= Germanistische Bibliothek 52). Winter, Heidelberg 2015. 381 S., Abb., Tab. Besprochen von Gerhard Köbler.
Die geäußerten Gedanken des Menschen sind von den Adressaten angesichts der grundsätzlichen Individualität nicht immer leicht und eindeutig zu verstehen. Aus diesem Grunde hat sich die Glosse als der Versuch der Verständnishilfe durch Erklärung entwickelt. Für das deutsche Frühmittelalter sind dabei die volkssprachigen Glossen lateinischer Texte wegen der sonstigen allgemeinen Begrenztheit volkssprachiger frühmittelalterlicher Zeugnisse von besonderem Wert.
Mit einem Teilaspekt dieser Thematik befasst sich die von Wulf Oesterreicher und Beate Kellner betreute, im Sommersemester 2013 an der Universität München angenommene Dissertation des aus Schwabmünchen kommenden, seit 2005 an der Universität Augsburg ausgebildeten, zuletzt an der University of Bristol tätigen Verfassers, deren Idee einer textlinguistischen Untersuchung nach dem kurzen Vorwort auf Rolf Bergmann und deren Konzept der Paratextualität von Glossen auf Claudine Moulin zurückgeht. Sie gliedert sich nach der Problemstellung über Fragestellungen und Zielsetzungen der Arbeit, Vorgehensweise und definitorische Vorklärungen im Sinne eines funktionalen Glossenbegriffs in sechs Abschnitte. Sie betreffen Glossen im Überlieferungskontext (der funktionalen Perspektive des Althochdeutschen des östlichen Frankenreichs), textlinguistische Fundierung, Kotextualität, Paratextulität, Dimension C der Textualität – Kontextualität und ab Seite 209 die Textualität von Archiv des Bistums Augsburg Hs. 6 (Diözesanmuseum Augsburg 1002) mit Neuedition vierer Glossen.
Im Ergebnis seiner eindringlichen Forschung kann der Verfasser feststellen, dass die von ihm untersuchte, im zweiten älteren Teil in der zweiten Hälfte des 9. Jahrhunderts vielleicht in Würzb |
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Fried, Torsten, Geprägte Macht. Münzen und Medaillen der mecklenburgischen Herzöge als Zeichen fürstlicher Herrschaft (= Beihefte zum Archiv für Kulturgeschichte 76). Böhlau Verlag, Köln 2015. 502 S., Abb. Besprochen von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen Fried, Torsten, Geprägte Macht. Münzen und Medaillen der mecklenburgischen Herzöge als Zeichen fürstlicher Herrschaft (= Beihefte zum Archiv für Kulturgeschichte 76). Böhlau Verlag, Köln 2015. 502 S., Abb. Besprochen von Gerhard Köbler.
Die Prägung von Münzen setzt bereits in der Antike ein. Seit dem siebten vorchristlichen Jahrhundert wurden dabei einzelne Tropfen erhitzten Elektrons mit einem Metallwerkzeug bearbeitet, wobei schon ziemlich früh einfache Motive geschaffen wurden. Seit der frühen Neuzeit ließen sich die Herstellungsverfahren mit Hilfe von Maschinen beschleunigen und verbilligen, die Techniken insgesamt also erheblich verfeinern.
Mit einem Teilaspekt dieser Thematik befasst sich die vorliegende stattliche Untersuchung, die nach dem kurzen Vorwort gedanklich von der im Jahre 2006 begonnenen Serie Bundesländer der deutschen 2-Euro-Münzen ausgeht, die bis 2017 in einer Stückzahl von jeweils 30 Millionen von den die Präsidentschaft des deutschen Bundesrats führenden Bundesländern hergestellt werden. Inhaltlich ist das damit verbundene Buch die überarbeitete Fassung der von Michael North betreuten, 2013 an der philosophischen Fakultät der Universität Greifswald angenommenen Dissertation des Autors. Sie gliedert sich nach einer Einleitung über Erkenntnisziele, methodisches Vorgehen, Forschungsstand und Quellen in vier Sachabschnitte.
Diese betreffen das Verhältnis von Bild und Schrift, die Bedeutung der Münzen und Medaillen der Herzöge Mecklenburgs in der politischen Praxis (Standeserhöhungen, Absetzungen, Teilungen und Kriege), die Gedenkmünzen und die Medaillen. Dabei kann der Verfasser eindrucksvoll an Hand vieler Beispiele zeigen, wie Schrift und Bild die herzogliche Selbstdarstellung ermöglichen. Ein umfangreicher Abbildungsteil veranschaulicht in 63 Zeugnissen die vielfältigen Erkenntnisse, ein Personenregister schließt sie benutzerfreundlich auf.
Innsbruck |
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Schmid, Hans-Ulrich, Historische deutsche Fachsprachen. Von den Anfängen bis zu dem Beginn der Neuzeit. Eine Einführung (= Grundlagen der Germanistik 57). Erich Schmidt, Berlin 2015. 288 S., Abb. Angezeigt von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen Schmid, Hans-Ulrich, Historische deutsche Fachsprachen. Von den Anfängen bis zu dem Beginn der Neuzeit. Eine Einführung (= Grundlagen der Germanistik 57). Erich Schmidt, Berlin 2015. 288 S., Abb. Angezeigt von Gerhard Köbler.
Ob die menschliche Sprache einen einzigen örtlich-zeitlichen Ausgangspunkt hat oder mehrfach an unterschiedlichen Orten zu unterschiedlichen Zeiten entwickelt wurde, ist bisher wohl noch nicht entschieden. Eindeutig steht aber längst fest, dass ihr Umfang sich stetig erweitert. Damit differenziert sie sich auch notwendig so stark, dass der an sich jedem Sprachgemeinschaftsmitglied zugängliche Allgemeinwortschatz in Gegensatz zu dem besonderen Wortschatz einzelner Fachsprachen tritt, zu denen trotz einzelner Abgrenzungsschwierigkeiten auch und vor allem die Rechtssprache gezählt wird.
Das vorliegende Taschenbuch ist nach seinem kurzen Vorwort in Zusammenhang mit der Konzeption eines sprachhistorischen „Moduls“ in dem Bereich der historischen deutschen Sprachwissenswchaft an der Universität Leipzig entstanden. Es will einen Überblick über die Entwicklung deutscher Fachsprachen von der dem Verfasser besonders vertrauten ältesten Zeit bis zu dem Beginn der Neuzeit bieten. In diesem Rahmen behandelt es an Hand ausgewählter Texte Wortbildung, Lexik, Semantik, Syntax, Textstrukturen und sogar Wort-Bild-Bezüge.
Gegliedert ist es nach einer kurzen Einleitung in fünf Abschnitte über die septem artes liberales, die (11) verschiedenen artes mechanicae von Bauhandwerk, Bergbau, Textil- und Lederverarbeitung, Seefahrt, Handel, Landwirtschaft und Gartenbau, Jagd und Fischerei, Kochkunst, Heilkunde, Hofkünste und Kriegskunst, die suspekten und verbotenen Künste Alchemie, Zauber, Segen, Wahrsagerei und Mantik, die Rechtssprache und Abschließendes. Im Rahmen der ausführlich erfassten Rechtssprache unterscheidet der Verfasser die voralthochdeutsche und althochdeutsche Rechtssprache von der mittelhochdeutschen und mittelnierde |
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Beiträge zur Namenforschung 50 Heft 1/2 3/4 (2015) Tiernamen – Zoonyme, Band 1 Haustiere, Band 2 Nutztiere, hg. v. Dammel, Antje/Nübling, Damaris/Schmuck, Mirjam. Winter, Heidelberg 2015. X, 254 S., 255-515 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen Beiträge zur Namenforschung 50 Heft 1/2 3/4 (2015) Tiernamen – Zoonyme, Band 1 Haustiere, Band 2 Nutztiere, hg. v. Dammel, Antje/Nübling, Damaris/Schmuck, Mirjam. Winter, Heidelberg 2015. X, 254 S., 255-515 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Dem Menschen steht von seinen Anfängen an das ihm als solches zeitlich vorangehende Tier zur Seite. Mittels seines Verstands hat er sich im Laufe seiner Geschichte weitgehend zu seinem Herren aufgeschwungen und bedient sich seiner in vielen Hinsichten, insbesondere zu seiner eigenen Ernährung und Ergötzung. Von daher sind die Tiere einschließlich ihrer ihnen von ihm selbst zugeteilten Namen von großem Interesse.
Weil in Bezug auf die Tiernamenforschung im deutschen Sprachraum im Gegensatz zu anderen Sprachräumen nach Erkenntnis der Herausgeber noch eklatante Wissensdefizite bestehen, haben sie am 7. und 8. Oktober 2013 an der Akademie der Wissenschaften und der Literatur in Mainz erstmals eine Tagung zu Tiernamen unter dem Titel „Bello, Gin Tonic, Krake Paul – Individualnamen von Tieren“ erstmals eine Tagung zu Tiernamen veranstaltet. Um dem Missverständnis vorzubeugen, Artbezeichnungen wie Deutscher Drahthaardackel seien Namen, haben sie dabei von Individualnamen gesprochen. Gemeint waren dementsprechend immer und ausschließlich Eigennamen bzw. Individualnamen, niemals Nomenklaturen.
Die Beiträge der international ausgerichteten Tagung legen die Herausgeber in den beiden Bänden vor. Band 1 enthält zehn Studien etwa zur skandinavischen Perspektive für Namen von Rind, Hund oder Latze, zum Familienmitglied Vofflan, zu den Kaninchennamen Lilly, Paul und Krümel, zu Lazarus und Lazi, Milo und Spatz, Stinker und Stinkili und vielem Anderem mehr. Band 2 bietet etwa Einsichten zu Zulu Cattle Names (wie z. B. Sie hassen mich), zu den Zirkustieren Kaja, Ramses und Pünktchen oder zur Poetik der Tiereigennamen in der deutschen Literatur des Mittelalters, so dass insgesamt vielfältige Erträgnisse in den |
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Middelberg, Mathias, „Wer bin ich, dass ich über Leben und Tod entscheide?“ Hans Calmeyer – „Rassereferent“ in den Niederlanden 1941-1945. Wallstein, Göttingen 2015. 272 S. Angezeigt von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen Middelberg, Mathias, „Wer bin ich, dass ich über Leben und Tod entscheide?“ Hans Calmeyer – „Rassereferent“ in den Niederlanden 1941-1945. Wallstein, Göttingen 2015. 272 S. Angezeigt von Gerhard Köbler.
Hans Georg Calmeyer wurde in Osnabrück am 23. Juni 1903 geboren und starb dort am 3. September 1972. Er studierte Rechtswissenschaft in Freiburg im Breisgau, Marburg und München und nahm 1923 als Mitglied eines rechtsnationalen Freikorps an Adolf Hitlers Versuch eines Putsches teil, verlor aber 1933 seine Zulassung als Rechtsanwalt wegen Betätigung in kommunistischem Sinne für zehn Monate, bis er dem Nationalsozialistischen Kraftfahrerkorps (und später dem Bund nationalsozialistischer deutscher Juristen) beitrat. Von 1941 bis 1945 war er während der Besetzung der Niederlande durch das Deutsche Reich ein leitender, auch für die Verfolgung der Juden zuständiger Mitarbeiter Arthur Seyß-Inquarts, der jedoch heimlich inmitten der Vernichtung Juden auch das Leben rettete.
Matthias Middelburg wurde in Osnabrück 1964 geboren und studierte in seiner Heimatstadt Rechtswissenschaft mit wirtschaftswissenschaftlichem Schwerpunkt. Im Jahre 2003 promovierte er über Judenrecht, Judenpolitik und den Juristen Hans Calmeyer in den besetzten Niederlanden. Diese Thematik greift der nach Tätigkeiten als Syndikusanwalt, Beteiligungsmanager, Büroleiter des Wirtschaftssenators Bremens und Leiter des Wirtschaftreferats der Staatskanzlei Niedersachsens 2009 als Mitglieder CDU direkt in den Bundestag gewählte Verfasser im vorliegenden Werk nochmals auf.
Gegliedert ist die eindingliche Studie in insgesamt 16 Abschnitte. Sie beginnen bei Anne Frank und Annes bester Freundin Jacqueline und führen über Hans Calmeyer, die Judenverfolgung in den besetzten Niederlanden, die Registrierung der Juden, rassische Zweifelsfälle, Calmeyers Entscheidungen, die Entscheidungsstelle, die Forderung der SS nach einem Stopp für die Abstammungsprüfungen, „port |
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Ziemann, Benjamin, Gewalt im Ersten Weltkrieg – Töten – Überleben – Verweigern. Klartext, Essen 2013. 276 S. Angezeigt von Gerhard Köbler. |
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Der Krieg ist die Austragung von Streitigkeiten zwischen Völkern oder Staaten mit Gewalt. Die Anfänge reichen in die vorgeschichtliche Zeit zurück und lassen sich vielleicht mit der Sesshaftwerdung verbinden. Jedenfalls ist die Anwendung körperlicher Gewalt ein wesentliches Merkmal des Krieges, so dass Verletzen und Töten im Krieg gewissermaßen zwangsläufig und bewusst und gewollt geschieht.
Der in Berlin 1964 geborene Verfasser wurde nach dem Studium von Geschichte und Philosophie an der Freien Universität Berlin 1992 Promotionsstudent in Bielefeld in dem Graduiertenkolleg zur Sozialgeschichte von Klassen, Gruppen, Schichten sowie Eliten und schloss diese Ausbildungsphase 1995/1996 mit einer Dissertation über ländliche Kriegserfahrungen im südlichen Bayern zwischen 1914 und 1923 ab. Nach anschließender Tätigkeit als wissenschaftlicher Assistent am Institut für soziale Bewegungen der Universität Bochum wurde er 2004 habilitiert. Seit 2005 ist er als Lecturer und seit 2011 als Professor of Modern German History an der Universität Sheffield tätig.
In seinem vorliegenden, auf umfangreichen archivalischen Forschungen beruhenden Werk geht er davon aus, dass der erste Weltkrieg neue Formen der Gewalt in vorher nicht bekanntem Ausmaß mit sich brachte und nur im Töten und Überleben auch durch Verweigern bestmöglich zu verstehen ist. Gegliedert ist der Band über den ersten Weltkrieg als Laboratorium der Gewalt nach einer Einleitung in die drei Teile Gewaltpraktiken, Gewaltverweigerung und Gewaltverarbeitung.. Abbildungen veranschaulichen die vielfältigen Ausführungen über die bislang noch nicht zu verhindernde kriegerische Gewalt, Anmerkungen stützen sie wissenschaftlich ab.
Innsbruck Gerhard Köbler
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Matasović, Ranko, Slavic Nominal Word-Formation. Proto-Indo-European Origins and Historical Development (= Empirie und Theorie der Sprachwissenschaft 3). Winter, Heidelberg 2014. 221 S. Angezeigt von Gerhard Köbler. |
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Die zur indogermanischen Völkergruppe zählenden Slawen erscheinen in der Völkerwanderung und besiedeln von den Germanen freigegebene Gebiete in Ostmitteleuropa. Sie werden überwiegend von Byzanz (Kyrill, Methodos) aus christianisiert und bilden verschiedene Reiche (Polen, Russland u. s. w.). Die Zusammenhänge zwischen den indoeuropäischen Anfängen und dem Frühslawischen sind von allgemeinem philologischem Interesse.
Der Verfasser des vorliegenden Werkes wurde in Zagreb 1968 geboren und 1995 mit einer Dissertation über A Theory of Textual Reconstruction in Indo-European Linguistics promoviert. Seitdem hat er neben verschiedenen Übersetzungen aus dem Lateinischen, Griechischen, Litauischen, Hettitischen, Irischen und Englischen eine Reihe unterschiedlicher Werke vorgelegt, darunter auch ein Etymological Dictionary of Proto-Celtic. Nach mehr als zwanzigjähriger Befassung mit dem Indoeuropäischen und nach zehnjähriger Beschäftigung mit dem neuen etymologischen Wörterbuch des Kroatischen fand er ein modernes Handbuch der Wortbildung des Slawischen in besonderem Maße nützlich und verfasste es, weil er keinen Schüler dazu zu überreden vermochte, mit eigener Hand.
Gegliedert ist das schmale, interessante Werk nach einem kurzen Vorwort in drei Sachabschnitte. Sie betreffen die Ableitung durch Suffigierung (einschließlich der Wurzelnomina), für die der Verfasser wohl weit mehr als 100 Möglichkeiten aufzeigt, die Präfigierung von Nomina (21 Gruppen von *do- bis *be-) und die Nominalkomposita. Am Ende bietet er sehr hilfreiche Register seiner Erkenntnisse für das Frühslawische wie das Frühindoeuropäische.mit schätzungsweise mehr als 1000 bzw. mehr als 500 Einträgen.
Innsbruck |
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Kaesler, Dirk, Max Weber. Preuße, Denker, Muttersohn. Eine Biographie. Beck, München 2014. 1007 S. Angezeigt von Gerhard Köbler. |
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Der in Erfurt am 21. April 1864 geborene, in München am 14. Juni 1920 als erstes von acht Kindern des späteren nationalliberalen Reichstagsabgeordneten Max Weber sen. geborene, früh an Gehirnhautentzündung erkrankte und deswegen von der Mutter besonders behütete, später zeitweise von den Erträgen des Familienvermögens lebende Max Weber ist einer der bedeutendsten deutschen Kulturwissenschaftler und Sozialwissenschaftler. Auf Grund seiner vielfältigen Werke ist er bereits vielfach Gegenstand biographischer Darstellungen geworden. Auch der Verfasser hat sich Webers Werk und Wirkung schon 1972 erstmals gewidmet.
In Wiesbaden als Dirk Käsler 1944 geboren, war er in München aufgewachsen und hatte dort und an der London School of Economics Soziologie und politische Wissenschaft studiert. Nach der Promotion des Jahres 1976 und der Habilitation für Soziologie im Jahre 1983 wurde er 1984 nach Hamburg und 1995 nach Marburg berufen. Von den Anfängen bis zur Gegenwart ist dementsprechend Weber zu den besonderen Forschungsschwerpunkten Kaeslers zu zählen.
Das gewichtige vorliegende Werk gliedert sich chronologisch geordnet in insgesamt 13 Kapitel. Sie betreffen die Bereitung der Bühne in den großen Rahmen von Preußen, Bürgertum, Kapitalismus und Bürokratie, die familiären Anfänge in Erfurt, Berlin, Bielefeld, Heidelberg und Frankfurt am Main, den Charlottenburger Sohn, den Herren Studenten und Einjährigen, den Herrn Doktor und Privatdozenten, den Herrn Professor in Freiburg im Breisgau, den Schnitt von 1896-1899, den mit Hilfe der protestantischen Ethik Genesenden, den Amerika bereisenden und Russland beobachtenden Wissenschaftsorganisator, den Heidelberger Privatgelehrten, die Zeit des ersten Weltkriegs, den Herrn Professor in Wien und München sowie das Ende. Wer immer die vielfältigen Einsichten des Verfassers in |