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Gothaisches Genealogisches Handbuch. Fürstliche Häuser, Band 1, hg. v.  d. Stiftung Deutsches Adelsarchiv, bearb. v. Finck von Finckenstein, Gottfried Graf/Franke, Christoph. Verlag des Deutschen Adelsarchivs, Marburg 2015. 664 S. Besprochen von Werner Augustinovic.

Gothaisches Genealogisches Handbuch, hg. v. der Stiftung Deutsches Adelsarchiv, bearb. unter Aufsicht des Deutschen Adelsrechtsausschusses, Bd. 1 Fürstliche Häuser, Hauptbearb. Finck von Finckenstein, Gottfried Graf/Franke, Christoph. Verlag des Deutschen Adelsarchivs, Marburg 2015. 664 S. Besprochen von Werner Augustinovic.

 

Seit mehr als 250 Jahren verzeichnen und aktualisieren die inzwischen zahlreichen Reihen des „Gotha“ – zunächst unter dem Titel eines Almanach de Gotha, dann als Gothaische Genealogische Taschenbücher und von 1951 bis 2015 als (insgesamt 158) Genealogische Handbücher des Adels (GHdA) - die verzweigten Netzwerke adeliger Familienverbände und haben sich dadurch einen einzigartigen Stellenwert als Nachschlagewerk in Fragen zur Genealogie der Aristokratie erarbeitet. Über ein Jahrhundert hat der Verlag Perthes in Gotha, nach dem Zweiten Weltkrieg der ursprünglich in Görlitz beheimatete Verlag C. A. Starke in Limburg an der Lahn die Bände publiziert, nunmehr soll dies in Eigenregie durch die Stiftung Deutsches Adelsarchiv mit Schriftleitung in Marburg an der Lahn erfolgen, die sich als Dokumentations- und Forschungsstätte zur Geschichte des europäischen Adels etabliert hat. Die neue Reihe des Gothaischen Genealogischen Handbuchs (GGH) im handlichen Kleinformat lehnt sich inhaltlich und formal im Wesentlichen an seine Vorgänger an. Mit den hochadeligen „Fürstlichen Häusern“ liegt nunmehr der erste Band vor, ihm sollen als Bände 2 und 4 „Adelige Häuser“ und als Band 3 „Gräfliche Häuser“ folgen.

 

Sein Kernstück bilden die auf drei Abteilungen verteilten Stammfolgen in alphabetischer Reihenfolge. Die erste Abteilung erfasst die Genealogie regierender sowie seit Anfang des 19. Jahrhunderts entthronter europäischer Fürstenhäuser, wobei für die Häuser Baden/Zähringen (Erbprinz Bernhard), Hannover/Welfen (Erbprinz Ernst August), Hohenzollern (Fürst Karl Friedrich), Holstein/Oldenburg (Prinz Christoph), Lippe (Prinz Armin), Österreich/Habsburg-Lothringen (Erzherzog Karl), Reuß (Fürst Heinrich XIV.) und Sachsen/Wettin (Prinz Michael, Herzog Friedrich Konrad, Prinz Andreas) Darstellungen nach Angaben der genannten Verfasser vorliegen, während für die weiteren regierenden oder entthronten fürstlichen Häuser Europas jeweils auf die bestehende Publikation im entsprechenden Band (mit Datum der Letztaufnahme der Genealogie) der GHdA-Reihe verwiesen wird. Jeder Beitrag informiert nach einer ganzseitigen bildlichen Darstellung des Wappens zunächst über die historische Entwicklung des Adelsgeschlechts, vornehmlich über die chronologische Abfolge (adels)rechtlich relevanter Akte, wie Standeserhöhungen, die Verleihung und Anerkennung von Prädikaten, Belehnungen, Regelungen zur Thron- und Erbfolge und vieles mehr, gefolgt von einer heraldischen Beschreibung des Wappens und von Literaturhinweisen. Den inhaltlichen Mittelpunkt bildet die Aktualisierung der Genealogie (Titel und Namen, Lebensdaten, akademische Grade, Prädikat, Beruf und öffentliche Funktionen, Ordensfunktionen, standesamtliche und kirchliche Eheschließung, evtl. Ehescheidung, Ehepartner mit Angaben zu Herkunft und Beruf, Nachkommen und deren persönliche Daten, bisweilen auch die Wohnadresse), je nach Bedarf weiter systematisch unterteilt in Linien, Äste, Zweige und (nach Glaubensbekenntnis unterschiedene) Häuser.

 

Die Bearbeiter legen Wert auf die Feststellung, dass „bei den in dieser Abteilung nachgewiesenen Häusern Adelsrechtsausschuß, Schriftleitung und Verlag nicht zuständig (sind) für die Nachprüfung der Frage, ob die von den Mitgliedern dieser Häuser geschlossenen Ehen den Erfordernissen des Fürstenrechts entsprechen und welche Prädikate zu führen sind. Entsprechendes gilt für die […] Chefbezeichnung“ (S. 109). Ähnliche Einschränkungen werden auch für die zweite, vormals reichsständische, später standesherrlich untergeordnete fürstliche und gräfliche Häuser mit dem Recht der Ebenbürtigkeit den regierenden Fürstenhäusern gemäß Art. 14 der deutschen Bundesakte vom 8. Juli 1815 dokumentierende Abteilung reklamiert, indem „nicht untersucht [wird], ob die von den Mitgliedern de[r] standesherrlichen Häuser[] geschlossenen Ehen den Erfordernissen der einzelnen Hausgesetze entsprechen oder nicht“ (S. 267). Die zweite Abteilung enthält analog zur ersten Abteilung Beiträge zu insgesamt 15 Häusern (Castell, Croÿ, Erbach, Isenburg, Kuefstein, Löwenstein-Wertheim, Ortenburg, Pappenheim, Rechberg, Salm, Schönburg, Solms, Thurn und Taxis, Waldbott von Bassenheim, Wied) sowie die entsprechenden GHdA-Verweise für die weiteren in diese Kategorie fallenden Geschlechter. Eine dritte Abteilung erfasst schließlich unter „A“ andere, nicht souveräne europäische Fürstenhäuser (darunter mit Beiträgen: Battenberg/Mountbatten, Blücher von Wahlstatt, Hanau, Hatzfeldt, Henckel von Donnersmarck, Kinsky, Leuchtenberg, Mansyreff, Paar, Weikersheim, Wrede), unter „B“ Familien ohne besonderes Diplom, die „nach besonderer Übereinkunft aus der I. Abteilung übernommen worden“ sind (Hannover, Reuß, Sachsen-Coburg und Gotha). Gelegentlich wird der laufende Text durch beigegebenes Bildmaterial (Persönlichkeiten, Sitze, Wappen) unterstützt und aufgelockert.

 

Ergänzend zu diesem Kernbereich enthält das Handbuch weitere nützliche Informationen und Hilfsmittel. Hervorzuheben sind besonders das alphabetische Gesamtverzeichnis der im GHdA und GGH veröffentlichten fürstlichen, gräflichen, freiherrlichen und adeligen nicht titulierten Häuser unter Nennung der jeweiligen Fundstelle der Letztaufnahme (S. 24 – 106) und das Verzeichnis aller im aktuellen Band vorkommenden Familiennamen (S. 641 – 663), die so auch über angeheiratete bürgerliche Ehepartner einen raschen Zugriff auf das entsprechende Fürstenhaus ermöglichen. Erhellend sind des Weiteren die Ausführungen zu den Aufnahmebedingungen des „Gotha“. Hierbei beruft sich der Herausgeber auf das historische, bis zum Inkrafttreten der Weimarer Reichsverfassung am 14. 8. 1919 geltende Adelsrecht, nach dem „nur durch legitime eheliche Abstammung vom biologischen Vater, nicht dagegen durch Adoption oder andere juristische Übertragungsformen“ (S. 13) eine Vererbung des Adels möglich war, und legt diesen Tatbestand mit marginalen Ausnahmen der Form und der Einteilung des GGH zugrunde. Das aktuell geltende Namensrecht werde dabei nicht berührt. Der Zweck dieses Verfahrens liegt wohl darin, eine inflationäre Ausweitung der Adelszugehörigkeit zu verhindern, wie sie durch den meist finanziell motivierten Ausverkauf klingender Namen und Prädikate an ebenso kapitalkräftige wie geltungsbedürftige bürgerliche „Neureiche“ droht. Bei der Abfassung der durch die Aufnahmewerber zu belegenden Artikel sei der historischen Wahrheit oberste Priorität einzuräumen, weshalb „auf keinen Fall […] Tatsachen wie Legitimierung, Scheidung, Wiedervermählung, sozialer Niedergang und dergleichen unterdrückt werden (dürfen)“ (S. 16). Über eine Aufnahme in das GGH behält sich der Herausgeber gegenüber den Antragstellern die Entscheidung vor, ein Rechtsanspruch bestehe nicht.

 

Kapfenberg                                                    Werner Augustinovic