Vorurteil und Genozid. Ideologische Prämissen des Völkermords, hg. v. Benz, Wolfgang. Böhlau, Wien 2010. 295 S. Besprochen von Gerhard Köbler. IT |
Ganzen Eintrag anzeigen Vorurteil und Genozid. Ideologische Prämissen des Völkermords, hg. v. Benz, Wolfgang. Böhlau, Wien 2010. 295 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Dass der Mensch des Menschen Wolf ist, weiß der Mensch schon seit langer Zeit. Dass Völker kommen und gehen, ist wohl auch seit dem immer deutlicher sichtbaren, zumindest relativen Erfolg des Experiments Mensch nachweisbar. Der Tatbestand Völkermord in der Rechtsgeschichte ist aber doch erst eine Errungenschaft des 20. Jahrhunderts, jedenfalls etikettiert der Herausgeber in seiner Einleitung das 20. Jahrhundert als Jahrhundert des Völkermords.
Das von Friedrich Gehart angestrebte und mit großem Einsatz verwirklichte Buch ist im Auftrag des Sir Peter Ustinov-Instituts entstanden. Nach der kurzen Einleitung des Herausgebers vereinigt es elf Beiträge ausgewiesener Sachkenner. Sie betreffen die Herero in Deutsch-Südwestafrika (Jürgen Zimmerer), die Armenier in der Türkei (Annette Schaefgen), den organisierten Hungertod (Holodor) in der sowjetischen Ukraine, (Svetlana Burmistr), die Endlösung der Judenfrage (Bernward Dörner), die Sinti und Roma (Peter Widmann), die Vertreibung der Deutschen aus Ost-Mitteleuropa (Wolfgang Benz), das Pol-Pot-Regime in Kambodscha (Angelika Königseder), den Zerfall Jugoslawiens (Holm Sundhaussen), die Eliminierung der Tutsi in Ruanda (Dominik J. Schaller) und die Frage nach Völkermord oder Bürgerkrieg in Darfur (Juliane Wetzel). Am Ende stellt Yehuda Bauer Holocaust und Genozid heute einander gegenüber.
Gemeinsame Ursache der in allen Fällen in zahllosen grausamsten Einzelheiten sichtbaren Unmenschlichkeit, die angesichts der modernen technischen Möglichkeiten auch vor Millionen von Opfern nicht mehr zurückschreckt ist das Vorurteil, das sich zu Feindbildern verdichtet und in Massengewalt mündet. Wird aber Vorurteil jemals durch Völkermord ausschließendes Urteil verhindert werden können? Nach Yehuda Bauer wird in der dialektischen Spannung zwischen der Präzed |
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Votýpka, Vladimir, Rückkehr des böhmischen Adels, aus dem Tschechischen von Reichel, Walter/Reichel, Simin. Böhlau, Wien 2010. 400 S., Abb. Besprochen von Gerhard Köbler. IT |
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Das seit dem 6. Jahrhundert von Slawen an der Stelle abziehender Germanen besiedelte, unter Ottokar II. ab 1251 mit Österreich kurz verbundene und 1526 auf Grund von Erbansprüchen Ferdinands I. mit Zustimmung des heimischen Adels an Österreich gelangte Böhmen trennte sich erst am Ende des ersten Weltkriegs mit weiteren Gebieten von Österreich in der Form der Tschechoslowakei ab. Obwohl in ihr noch viele Familien deutscher Herkunft lebten, führte der spätestens seit 1848 deutlich sichtbar werdende Nationalismus am Ende des zweiten Weltkriegs zu Vertreibung und Flucht. Mit der Europäisierung Europas als Folge der europäischen Gemeinschaften wurde jedoch wieder ein friedlicher Ausgleich möglich.
In seinem Prolog beschreibt der Verfasser kurz, wie die Ereignisse vom Jahresende 1989 für das Leben in der Tschechoslowakei eine Reihe von Veränderungen bewirkten, die auch die Rechtsordnung umgestalteten. In der Folge kamen verschiedene Mitglieder des ehemaligen böhmischen Adels nach Böhmen, teils erstmals in ihrem Leben, teils auch nur zeitweise. Vielen von ihnen begegnete der Verfasser, der dies zum Anlass für insgesamt drei Bücher über den böhmischen Adel nahm, von denen das erste die Schicksale während der Herrschaft des Kommunismus behandelte und 2007/2008 unter dem Titel Böhmischer Adel - Familiengeschichten in deutscher Übersetzung erschien, während aus den folgenden beiden Bänden eine Auswahl der interessantesten Kapitel im vorliegenden Band getroffen wurde.
Erfasst sind dabei die Familien Mladota, Schwarzenberg, Battaglia, Mensdorff-Pouilly, Dobrzensky, Troskov, Kinsky, Belcredi, Dlauhowesky, Coudenhove-Kalergi, Lobkowicz, Czernin, Kolowrat und Razumovsky. Ihre Geschichten werden in vielen bunten Schilderungen einfühlend journalistisch dargestellt. Damit we |
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Vries, Oebele, Asega, is het dingtijd? De hoogtepunten van de Oudfriese tekstoverlevering, met medewerking van Hempenius-van Dijk, Dieneke. Steven Sterk, Leeuwarden 2007. 535 S. Besprochen von Gerhard Köbler. IT |
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Die Friesen sind das besondedre, am Südufer der Nordsee siedelnde, im ersten nachchristlichen Jahrhundert durch den römischen Schriftsteller Plinius erstmals erwähnte germanische Volk, das im 8. Jahrhundert von den Franken unterworfen wird. Ihre Lex Frisionum wird wohl um 802 schriftlich festgeshalten, zahlreiche weitere Rechtsqullen werden im Hochmittelalter und im Spätmittellter aufgezeichnet.
Politisch integriert in den de Niederlanden und in Deutschland sprechen in der Gegenwart noch etwa 300000 Menschen das besondere Friesische. Um das ältere freiesische Recht haben sich verschiedene Forscher des 19. und 20. Jahrhunderts verdient gemacht, doch ist die grundlegende Textausgabe der friesischen Rechtsquwellen durch Kalr von Richthofen im Jahre 1840 trotz der ihr anhaftenden Schwächen ingesamt durch neuere Editionen nicht wirklich vollständig ersetzt.
Eine praktische Verbesserung dieser schwierigen Lage bietet von der Philologie her das von Horst Haider Munske 2001 herausgegebene Handbuch des Friesischen und von der Edition her das stattliche, an breitere Leserkreise gerichtete Werk des nach dem Studium der Geschichte 1986 in Groningen mit einer Dissertation über die mittelalterliche friesische Freiheit promovierten Historikers Oebele Vries. Es gliedert sich in eine Einleitung, eine Beschreibung der 24 einbezogenen Texte mit sehr anschaulichen Abbildungen und unter der als Titel verwendeten Frage in eine umfangreiche wertvolle Edition (De sage van Karel en Redbad, Proloog op de Keuren en Landrechten, De Zeventien Keuren, De uitzonderingen op de Zestiende Keur, De uitzonderingen op de Zeventiende Keur, De Vierentwintig Landrechten, De Overkeuren, De Willekeuren von de Opstalsboom, Het Algemene (Oosterlauwerse) Boetenr |
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Wagner, Alexander, „Gleicherweiß als wasser das feuer, also verlösche almuse die sünd“. Frühneuzeitliche Fürsorge- und Bettelgesetzgebung der geistlichen Kurfürstentümer Köln und Trier (= Schriften zur Rechtsgeschichte 153). Duncker & Humblot, Berlin 2011. 431 S. Besprochen von Werner Schubert. |
Ganzen Eintrag anzeigen Wagner, Alexander, „Gleicherweiß als wasser das feuer, also verlösche almuse die sünd“. Frühneuzeitliche Fürsorge- und Bettelgesetzgebung der geistlichen Kurfürstentümer Köln und Trier (= Schriften zur Rechtsgeschichte 153). Duncker & Humblot, Berlin 2011. 431 S. Besprochen von Werner Schubert.
Ziel der Untersuchungen Wagners ist es, „Unterschiede und Gemeinsamkeiten der territorialen Armenfürsorgegesetzgebung der geistlichen Fürstentümer Köln und Trier herauszuarbeiten“ (S. 390). Dabei geht es zunächst um die Begründung der „staatlichen Kompetenzen im Bereich der Armenfürsorgegesetzgebung“ (S. 25), welche die Sicherung der menschlichen Existenz „durch staatliche Kontrolle und Verwaltung“ (S. 26) bezweckte. Wagner geht aus von der mittelalterlichen Fürsorgetheorie (Verdienstlichkeit der Spenden nach der Almosenlehre des Aquinaten; legistische Jurisprudenz der Kommentatorenzeit) und von den Bettelordnungen Nürnbergs von 1370 und 1478 (S. 45ff.). Die Befugnis zum Betteln wurde an die Erlangung von Bettelscheinen geknüpft, wobei fremde und auswärtige Arme vom Betteln ausgeschlossen wurden. Hinzu kam eine Kontrolle der Spitäler. Die Nürnberger Almosenordnung von 1522 (S. 56), die Wagner nicht mehr detailliert behandelt, wurde von zahlreichen Reichsstädten übernommen. Die Versorgungsreform wurde vom „kontrollierten Bettel“ auf eine „zentralisierte Zuteilung von Unterstützung“ umgestellt. Gegenstand eines weiteren Abschnitts sind die Fürsorgekonzepte des Humanismus, die Ypener Armenordnung von 1525, das darauf aufbauende Edikt Karls V von 1531 für die habsburgisch-niederländischen Städte und die theoretische Durchdringung des Ypener Fürsorgemodells durch den spanischen Humanisten Vives (S. 58ff.). Die protestantischen Armen- und Kastenordnungen gingen aus von der Zurückweisung der „Verdienstlichkeit des Almosens“ als „formale Werkgerechtigkeit“ (S. 66ff.). Die Reichspolizeiordnungen von 1530, 1548 und 1577 stellten den „Anfangs- und Endpunkt d |
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Wagner, Walter, Der Volksgerichtshof im nationalsozialistischen Staat. Erweiterte Neuausgabe mit einem Forschungsbericht für die Jahre 1975 bis 2010 von Zarusky, Jürgen (= Quellen und Darstellungen zur Zeitgeschichte Band 16 Die deutsche Justiz und der Nationalsozialismus, Teil 3). Oldenbourg, München 2011. 1023 S. Besprochen von Gerhard Köbler. IT |
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Walter Wagner wurde in Posen am 31. Juli 1901 geboren, studierte ab dem Sommersemester 1920 Rechtswissenschaft in Gießen, München und Frankfurt am Main, wurde nach der Promotion 1928 Staatsanwalt in Frankfurt am Main, 1930 Staatsanwaltschaftsrat in Berlin 1935 Erster Staatsanwalt bei dem Oberlandesgericht in Breslau, 1938 Oberstaatsanwalt in Schweidnitz und 1939 in Posen. Von 1940 bis 1945 war er im Kriegsdienst, wurde aber bereits 1945 Staatsanwalt in Frankfurt am Main, 1950 Oberstaatsanwalt und am 8. August 1954 Bundesanwalt am Bundesgerichtshof in Karlsruhe, wo er am 31. Juli 1966 als stellvertretender Generalbundesanwalt in den Ruhestand trat. Auf Anregung des früheren Präsidenten des Bundesgerichtshofs (Hermann Weinkauff) beschäftigte er sich mit dem Volksgerichtshof, für den sich zahlreiche Quellen ermitteln ließen.
!974 legte er sein umfangreiches Arbeitsergebnis vor. Soweit ersichtlich wurde von ihm in der Zeitschrift für Rechtsgeschichte nicht besonders Kenntnis genommen. Deswegen ist es angebracht, darauf mit wenigen Zeilen des Herausgebers zu verweisen.
Gegliedert ist das Werk in insgesamt sieben Abschnitte. In ihnen schildert der Verfasser aus seiner Sicht sorgfältig und detailliert Ursprung, Aufbau und Entwicklung des Volksgerichtshofs, die Strafbestimmungen und Zuständigkeiten, die Rechtsprechung zu den Ursprungsgesetzen, die Rechtsprechung zu den Kriegsgesetzen, die Verfolgung des Widerstands in den eingegliederten und besetzten Gebieten, die Verfolgung der Widerstandskämpfer des 20. Juli 1944 sowie Besonderheiten (Todesurteile, einzelne Verfahrensarten, Ära Freisler |
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Weber, Ines, Ein Gesetz für Männer und Frauen. Die frühmittelalterliche Ehe zwischen Religion, Gesellschaft und Kultur, 2 Teilbände (= Mittelalter-Forschungen 24, 1, 2). Thorbecke, Ostfildern 2008. XIV, 395, VI, 364 S. Besprochen von Hiram Kümper. |
Ganzen Eintrag anzeigen Weber, Ines, Ein Gesetz für Männer und Frauen. Die frühmittelalterliche Ehe zwischen Religion, Gesellschaft und Kultur, 2 Teilbände (= Mittelalter-Forschungen 24, 1, 2). Thorbecke, Ostfildern 2008. XIV, 395, VI, 364 S. Besprochen von Hiram Kümper.
Die ältere Lehre, fußend etwa auf die prominenten Studien Herbert Meyers oder Paul Mikats, hat sich die frühmittelalterliche Ehe und ihr Zustandekommen als in vierfacher Weise möglich vorgestellt: neben der frei geschlossenen Friedelehe und die gewaltsam gestifteten Raubehe sah man das dauerhafte Kebsverhältnis und schließlich die dotierte Muntehe als nicht nur gelebte, sondern auch in irgend einer Weise normativ begründete Formen ehelichen Zusammenlebens. Bis heute findet sich trotz vereinzelter Kritik diese Vorstellung von den vierfältigen frühmittelalterlichen Eheformen. Dagegen setzt nun die Verfasserin die pointierte These: „Weder die Texte der Konzilien, Kapitularien und Bußbücher noch die Leges und Formulae lassen auf derartig unterschiedliche Eheformen schließen“ (S. 33).
Kritisch, aber angenehm abwägend und niemals polemisierend setzt sich Weber mit der bisherigen Forschungsliteratur auseinander. Ihr eigener neuer Ansatz stellt sehr überzeugend den Konsens und dessen Zustandekommen in den Mittelpunkt der Betrachtung. Dabei argumentiert sie auf breiter Grundlage normativer Texte (Formulae, Kapitularien, Kanones, Leges und Bußbücher), die sie in konkrete lebensweltliche Zusammenhänge einzuordnen sucht. Besonders die komplexen Verflechtungen der an der Eheschließung beteiligten Gruppen werden einleuchtend herausgearbeitet. Was darüber ein wenig kurz kommt, ist die Frage nach dem tatsächlichen Stellenwert des Konsenses der beiden Ehepartner, namentlich der Braut. Weber hat sicher Recht, dass diese Frage, die bislang zu den Leitfragen der Untersuchung frühmittelalterlicher Eheschließungen zählte, auf anachronistische Prämissen aufbaut. Dagegen schlägt sie einen zeitgemäßen Konsensbegri |
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Weber, Petra, Gescheiterte Sozialpartnerschaft - Gefährdete Republik. Industrielle Beziehungen, Arbeitskämpfe und der Sozialstaat. Deutschland un d Frankreich im Vergleich (1918-1933/39) (= Quellen und Darstellungen zur Zeitgeschichte 77). Oldenbourg, München 2010. 1245 S. Besprochen von Gerhard Köbler. IT |
Ganzen Eintrag anzeigen Weber, Petra, Gescheiterte Sozialpartnerschaft - Gefährdete Republik. Industrielle Beziehungen, Arbeitskämpfe und der Sozialstaat. Deutschland und Frankreich im Vergleich (1918-1933/39) (= Quellen und Darstellungen zur Zeitgeschichte 77). Oldenbourg, München 2010. 1245 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Die 1958 geborene, nach dem Studium von Politikwissenschaft, Germanistik und Geschichte in Freiburg 1987 mit der von Wilhelm Hennis betreuten Dissertation über Sozialismus als Kulturbewegung - frühsozialistische Arbeiterbewegung und das Entstehen zweier feindlicher Brüder Marxismus und Anarchismus - promovierte Verfasserin, die seit 1995 als wissenschaftliche Mitarbeiterin des Instituts für Zeitgeschichte in München wirkt, ist auch bereits durch die Bearbeitung der Sitzungsprotokolle der SPD-Fraktion im deutschen Bundestag 1949-1947 und eine umfangreiche, das gesamte Geschehen berücksichtigende Biographie Carlo Schmids (1896-1979) hervorgetreten. Das vorliegende stattliche Werk fällt zeitlich gewissermaßen in die Mitte ihrer bisherigen Untersuchungen. Ihr besonderes Kennzeichen ist die mit zusätzlichen Schwierigkeiten verbundene vergleichende Ausrichtung über die nationale Geschichte hinaus.
Gegliedert ist die Untersuchung nach einer einführenden Einleitung in insgesamt sieben chronologisch geordnete Kapitel, für welche die Weichenstellungen der Zeit vor dem ersten Weltkrieg die Grundlage bilden. Den Krieg selbst sieht die Verfasserin in der Spannung zwischen Reform und Radikalisierung und als Ursache der Generalstreiks des Frühjahrs 1920. Es folgen Unternehmeroffensive und Inflationskrisen, Fortschritt und Blockaden, gescheiterte Krisenstrategien, Machtergreifung der Nationalsozialisten im Deutschen Reich und Volksfront und Modernisierung der industriellen Beziehungen in Frankreich mit dem 6. Februar 1934 als Wendepunkt.
Im Ergebnis sieht die Verfasserin die Zwischenkriegszeit als eine Zeit der gemeineuropäischen Krise. Ob |
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Weber, Thomas, Die Ordnung der Rechtsberatung in Deutschland nach 1945. Vom Rechtsberatungsmissbrauchsgesetz zum Rechtsdienstleistungsgesetz (= Beiträge zur Rechtsgeschichte des 20. Jahrhunderts 64). Mohr (Siebeck), Tübingen 2010. XX, 405 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen Weber, Thomas, Die Ordnung der Rechtsberatung in Deutschland nach 1945. Vom Rechtsberatungsmissbrauchsgesetz zum Rechtsdienstleistungsgesetz (= Beiträge zur Rechtsgeschichte des 20. Jahrhunderts 64). Mohr (Siebeck), Tübingen 2010. XX, 405 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Die Arbeit ist die von Florian Mächtel angeregte, von Diethelm Klippel betreute, im Wintersemester 2009/2010 von der rechts- und wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Bayreuth angenommene, zu klaren Einsichten gelangende Dissertation des 1978 geborenen, seit 2006 als Rechtsanwalt und seit 2009 als Richter der Verwaltungsgerichtsbarkeit in Bayern tätigen Verfassers. Sie knüpft an die von Werner Schubert in ZRG GA 126 (2009) besprochene Untersuchung Simone Rückers (Rechtsberatung. Das Rechtsberatungswesen von 1919-1945 und die Entstehung des Rechtsberatungsmissbrauchsgesetzes von 1935 [= Beiträge zur Rechtsgeschichte des 20. Jahrhunderts 54], 2007) an. Dabei untersucht der Verfasser vor allem die Frage, ob das Vorläufergesetz des Jahres 1935 tatsächlich nach 1945 in ganz Deutschland uneingeschränkt in Geltung war, welche inhaltlichen Änderungen der Gesetzgeber im Einzelnen vornahm und was jeweils die Gründe dafür waren, untersucht aber auch Auslegung und Anwendung des Rechtsberatungsmissbrauchsgesetzes bzw. nach Umbenennung von 1962 des Rechtsberatungsgesetzes.
Gegliedert ist das Werk in eine kurze Einleitung, neun Kapitel und eine Zusammenfassung der Ergebnisse. Dabei weist der Verfasser besonders darauf hin, dass das von der Reichsregierung 1935 auf Grund des Ermächtigungsgesetzes beschlossene Rechtsberatungsmissbrauchsgesetz die bestehende Gewerbefreiheit auf dem Gebiet der Rechtsbesorgung aufhob und ein weitreichendes präventives Verbot mit Erlaubnisvorbehalt einführte. Ausgenommen von der Erlaubnispflicht wurden vor allem Rechtsanwälte.
Im Einzelnen betrachtet der Verfasser die „Entnazifizierung“ des Rechtsberatungsmissbrauchsgesetzes n |
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Wedel, Joachim von, Zur Entwicklung des deutschen parlamentarischen Zweikammersystems (= Schriften zur Verfassungsgeschichte 82). Duncker & Humblot, Berlin 2011. 372 S. Besprochen von Gerhard Köbler. IT |
Ganzen Eintrag anzeigen Wedel, Joachim von, Zur Entwicklung des deutschen parlamentarischen Zweikammersystems (= Schriften zur Verfassungsgeschichte 82). Duncker & Humblot, Berlin 2011. 372 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Das klassische Zweikammersystem nimmt seinen Ausgang in England, in dem in langwierigen Auseinandersetzungen Adelige im Oberhaus und Nichtadelige im Unterhaus des gemeinen Mannes ein Mitsprachrecht neben dem König erringen. Dabei wird das ursprünglich modifizierende Oberhaus im Laufe der Zeit ein eher retardierendes Moment. Dem folgen im Wesentlichen souverän gewordene deutsche Staaten nach dem Untergang des Heiligen Römischen Reichs seit 1806.
Demgegenüber untersucht der Verfasser nach Schließung des Senats als zweiter Kammer im Freistaat Bayern im Jahre 2000 drei Projekte, die sich in diesen Gesamtablauf eines allgemeinen Modernisierungsvorgangs nur mit Schwierigkeiten einfügen lassen. Sie betreffen die erste Kammer in Preußen (1848/1854), die berufsständischen Parlamente des Volkswirtschaftsrats (1880/1881), des Reichswirtschaftsrats (1920-1934) und des bayerischen Senats (1946-1999) sowie den ökologischen Senat (1990f.). Ihren Betreibern ging es nach den Erkenntnissen des Verfassers statt um Moderation von Modernisierung um Ersetzung der Verfassung durch eine Endordnung.
Im Ergebnis erweist sich das nichtföderale deutsche Zweikammersystem vor allem als Übergangsphase zur freiheitlichen Demokratie. Damit soll eine brauchbare Antwort auf eine zunehmende Ideologisierung von Politik versucht werden. Verkürzend zusammengefasst ordnet der Verfasser am Ende seiner vielfältigen Darlegungen selbst die drei behandelten Gegenstände als verfassungskonform entschärfte Überreste misslungener politischer Totalrevisionen ein, die aber als eine Form zur Politisierung des Ultrapolitischen einen eigenen Wert haben und im weiten Gesamtrahmen der Verfassungsgeschichte auch einen festen Platz verdienen.
Innsbruck |
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Wege in die Kriegsgefangenschaft. Erinnerungen und Erfahrungen deutscher Soldaten, hg. v. Scherstjanoi, Elke. Karl Dietz Verlag, Berlin 2010. 304 S., 33 Abb. Besprochen von Martin Moll. |
Ganzen Eintrag anzeigen Wege in die Kriegsgefangenschaft. Erinnerungen und Erfahrungen deutscher Soldaten, hg. v. Scherstjanoi, Elke. Karl Dietz Verlag, Berlin 2010. 304 S., 33 Abb. Besprochen von Martin Moll.
Im neuen Millenium ab 2000, mehr als ein halbes Jahrhundert nach Ende von NS-Herrschaft und Zweitem Weltkrieg, wurde zunehmend deutlich, wie sehr die Zeit drängt, um quasi in letzter Minute Erlebnisberichte einstiger Zeitzeugen dieser für Europa schicksalsschweren Jahre dokumentarisch festzuhalten – sei es schriftlich oder mittels audiovisueller Medien. Im zurückliegenden Jahrzehnt sind daher nochmals und wohl letztmals zahlreiche Publikationen erschienen, in denen damals Beteiligte unterschiedlichster Gruppen zu Wort kommen: (Jüdische) Opfer des NS-Regimes, deutsche Bombengeschädigte und Heimatvertriebene, Kindersoldaten und Flakhelfer und, last but not least, Vertreter jener Millionen Soldaten, die oft jahrelang als Kriegsgefangene interniert waren, bei welcher Gewahrsamsmacht auch immer.
Der hier vorzustellende, von Elke Scherstjanoi sorgfältig zusammengestellte und, wo erforderlich, ebenso sparsam wie sachkundig erläuterte Sammelband mündlicher und schriftlicher Zeitzeugenberichte eröffnet einen sehr speziellen Zugang zu den Erlebnissen und Erfahrungen deutscher Soldaten in sowjetischer Kriegsgefangenschaft. „Wege in die Kriegsgefangenschaft“ meint hier die unmittelbare Vorgeschichte der Gefangennahme, diese selbst und die ersten Wochen danach, nicht jedoch den fast ausnahmslos mehrjährigen unfreiwilligen Aufenthalt der Protagonisten im Inneren der Sowjetunion. Zeitlich gesehen, wird somit bewusst nur ein schmales Segment der gesamten Dauer der Gefangenschaft abgedeckt, jedoch ein in vielerlei Hinsicht überaus interessantes und einschneidendes: Behandelt wird der krasse Bruch, den der Rollenwechsel vom deutschen Landser zum Gefangenen für ausnahmslos alle Betroffenen markierte, deren Befürchtungen und die Kontrastierung dieser meist negativen Erw |
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Weiers, Michael, Geschichte Chinas - Grundzüge einer politischen Landesgeschichte. Kohlhammer, Stuttgart 2009. 268 S. Besprochen von Gerhard Köbler. IT |
Ganzen Eintrag anzeigen Weiers, Michael, Geschichte Chinas - Grundzüge einer politischen Landesgeschichte. Kohlhammer, Stuttgart 2009. 268 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Das fast 10 Millionen Quadratkilometer Gebiet umfassende China ist nach dem Zweiten Weltkrieg in der Form einer Volksrepublik (und einer wirtschaftlich ähnlich gewichtigen Republik) zu einer Weltmacht aufgestiegen, der sich im Jahre 2011 sogar die Vereinigten Staaten und die Europäische Union als Bittsteller auf dem Finanzmarkt andienten. Zudem ist das Recht Chinas mit dem Recht Deutschlands in vielfältiger Weise verbunden, ohne dass in der Gegenwart noch von einem einfachen West-Ost-Gefälle in Eurasien gesprochen werden kann. Aus diesem Grunde verdient auch eine Geschichte Chinas wenigstens einen Hinweis in wenigen Zeilen.
Der 1937 in Bernried am Starnberger See geborene, mit Untersuchungen zu einer historischen Grammatik des präklassischen Mongolisch in Bonn (1965) promovierte und mit einer Untersuchung über die Sprache der Moghol der Provinz Herat in Afghanistan (1972) hervorgetretene Orientalist, Philologe und Historiker lehrte von 1972 bis 2003 Sprach- und Kulturwissenschaft an der Universität Bonn. Nach einer Geschichte der Mongolen (2004) und Beiträgen zur Sprache und Geschichte der Mongolen (2009) legte er zuletzt auch eine Geschichte Chinas vor.
Das Werk beschränkt sich auf die politische Entwicklung, die es chronologisch in zehn Abschnitte einteilt. Den frühen Stätten der Kultur folgen Chinas junge Reiche, die große Wende, das Land der vielen Reiche im 4. bis 7. Jahrhundert, das Großreich China, Zersplitterung und Verfremdung mit fünf Dynastien und zehn Staaten, der Weg von der Unabhängigkeit zur Fremdherrschaft, ein chinesisches Zwischenspiel, das fremdbestimmte, seinen Kaiser verlierende China und die Republiken seit dem 20. Jahrhundert. Sehr vorsichtig und zugleich vertrauenerweckend führt der Verfasser von den sagenhaften Anfängen bis zur dynamischen Gegenwart, ma |
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Weiglin, David Christopher, Richard Martin Honig (1890-1981) - Leben und Frühwerk eines deutschen Juristen jüdischer Herkunft. Zugleich ein Beitrag zur Entwicklung der modernen Lehre von der objektiven Zurechnung (= Studien zum Strafrecht 49). Nomos, Baden-Baden 2011. 201 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen Weiglin, David Christopher, Richard Martin Honig (1890-1981) - Leben und Frühwerk eines deutschen Juristen jüdischer Herkunft. Zugleich ein Beitrag zur Entwicklung der modernen Lehre von der objektiven Zurechnung (= Studien zum Strafrecht 49). Nomos, Baden-Baden 2011. 201 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Die Arbeit ist die von Urs Kindhäuser betreute, im Sommersemester 2010 von der juristischen Fakultät der Universität Bonn angenommenes Dissertation des Verfassers. Sie ist nicht zuletzt angeregt durch zwei kürzlich veröffentlichte Studien des Betreuers, die Honigs Gedanken zu neuem Leben erwecken wollen. Da Honig unter den heutigen Juristen eher unbekannt ist, hält es der Verfasser überzeugend für an der Zeit, ihn und sein Werk in einer Monographie zu würdigen, wobei es allerdings nach den Worten des Verfassers die immense wissenschaftliche Bandbreite Honigs vom Strafrecht bis zum Kirchenrecht nahezu unmöglich macht, das Gesamtwerk in einer einzigen Schrift mit der notwendigen Sorgfalt zu behandeln, so dass er sich auf die Habilitationsschrift über die Einwilligung des Verletzten (1919) und einen Beitrag in der Festgabe für Reinhard von Frank (1860-1934, nach eigener Einschätzung anfangs demokratisch, liberal und politisch links, nach der Revolution mit ihren vaterlandslosen Untertönen stark nach rechts geschoben) über Kausalität und objektive Zurechnung (1930) beschränkt.
Der in Gnesen am 3. Januar als Sohn eines jüdischen Justizrats und Notars geborene, kurz nach der Geburt die Mutter verlierende, 1909 am humanistischen Gymnasium seiner Heimatstadt das Abiturzeugnis erwerbende, 1910 in München das Studium der Rechtswissenschaft aufnehmende, zu einem nicht genannten Zeitpunkt nach Breslau wechselnde Honig bestand am 5. Juli 1913 die erste „juristische Prüfung beim Oberlandesgericht Breslau“ und wurde am 12. März 1914 bei Philipp Allfeld In Erlangen mit einer Untersuchung über den ungleichartigen Rückfall als einen allgemeinen Stra |
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Weimar 1919 - Chancen einer Republik, im Auftrag der Stadt Weimar hg. v. Ulbricht, Justus H. Böhlau, Köln 2009. 183 S., 78 Abb. Besprochen von Gerhard Köbler. IT |
Ganzen Eintrag anzeigen Weimar 1919 - Chancen einer Republik, im Auftrag der Stadt Weimar hg. v. Ulbricht, Justus H. Böhlau, Köln 2009. 183 S., 78 Abb. Besprochen von Gerhard Köbler.
Am 6. Februar 1919 trat die am 19. Januar 1919 gewählte verfassunggebende Nationalversammlung des Deutschen Reiches im - so am Wahltag proklamierten - Nationaltheater Weimar zusammen, wo sie bis zur Annahme des Verfassungsentwurfs am 31. Juli 1919 und der Unterzeichnung (11. August 1919) tagte. 2009 war Weimar Kulturstadt Europas. Da lag es sehr nahe, zur Erinnerung an den 90. Jahrestag der Eröffnung der Nationalversammlung eine Sonderausstellung über die Weimarer Republik der Allgemeinheit zu präsentieren.
Die damit verbundene demokratische Hoffnung will der zugehörige Ausstellungsband veranschaulichen und verstetigen. Nach Grußworten, in denen etwa Brigitte Zypries mehr Gerechtigkeit für die Weimarer Verfassung vorschlägt, umrahmen insgesamt 7 Beiträge die 78 abgebildeten Ausstellungsstücke. Darin schildert der Kurator der Ausstellung die Morgendämmerung der Demokratie und zeichnet abschließend ein Panorama der Erinnerung. Jürgen Jahn widmet sich besonders Thüringen, Michael Dreyer dem Ertrag, Ursula Büttner der Überforderung, Jens Riederer und Christine Rost der Chronik sowie nochmals Michael Dreyer den Reden Friedrich Eberts, Wilhelm Pfannkuchs und Hugo Preuß’.
Am Anfang ist ein Feldgottesdienst des (5. thüringischen) Infanterieregiments Großherzog von Sachsen im Hof des Stadtschlosses in Weimar im August 1914 abgelichtet, am Ende ein Flugblatt der Deutschen Demokratischen Partei für die Wahl zum Thüringer Landtag am 10. Februar 1924. Anmerkungen sind am Ende des durch ein Personenverzeichnis erschlossenen Bandes angebracht. Möge der interessante Band dazu beitragen, dass zum 100. Jahrestag der Nationalversammlung ein vorgeschlgenes Haus der Demokratie in Weimar eröffnet werden kann.
Innsbruck |
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Weiterleben - Weitergeben - Jüdisches Leben in Deutschland, Fotos von Herlich, Rafael, Texte von Kiesel, Doron, mit einem Vorwort von Knobloch, Charlotte. Böhlau, Köln 2009. 184 S., 140 Abb. Besprochen von Gerhard Köbler. IT |
Ganzen Eintrag anzeigen Weiterleben - Weitergeben - Jüdisches Leben in Deutschland, Fotos von Herlich, Rafael, Texte von Kiesel, Doron, mit einem Vorwort von Knobloch, Charlotte. Böhlau, Köln 2009. 184 S., 140 Abb. Besprochen von Gerhard Köbler.
Das vom Fotografen seinen in der Zeit des Nationalsozialismus in Polen ermordeten Großeltern gewidmete Werk will die Verankerung der jüdischen Gemeinschaft in der deutschen Gesellschaft zeigen. Nach dem Vorwort der Präsidentin des Zentralrats der Juden wäre dies in Anbetracht der Shoah vor wenigen Jahrzehnten noch unvorstellbar gewesen. Jetzt kann das Werk beredtes Zeugnis von der Hoffnung einer selbstverständlichen jüdischen Existenz in Deutschland abgeben, zu der ein schwieriger Weg zu durchmessen war und ist.
In der Einleitung weist der Verfasser besonders darauf hin, dass am Ende des zweiten Weltkriegs nur noch etwa 17000 Juden in Deutschland verblieben waren. Sie mussten die Erfahrung machen, dass sie der Erinnerung an die Zeit der Verfolgung und Erniedrigung nicht ausweichen konnten. Gleichwohl überwog auch bei ihnen die Hoffnung.
1950 konnte dann der Zentralrat der Juden in Deutschland gegründet werden, der die politischen Interessen und repräsentativen Aufgaben der neu gegründeten jüdischen Gemeinden übernahm. Er vertritt inzwischen mehr als 100000 Juden in rund 100 Gemeinden. Sie zeigen die farbigen Fotos in Alltag und Lebenswelt, in Religion und religiöser Praxis, im politischen Leben, in Feiertagen, Erinnerung und Gedenken, in Solidarität mit Israel, zu Gast in der ehemaligen Heimat und auch in ihrer beeindruckenden Vielfalt, wobei die Öffnung des Eingangstors der neuen Synagoge in München der Hoffnung Ausdruck verleihen soll, dass die jüdische Gemeinschaft in Deutschland eine gedeihliche und sichere Zukunft erwarten möge..
Innsbruck Gerhard Köbler
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Weitin, Thomas, Recht und Literatur (= Literaturwissenschaft. Theorie und Beispiele 10). Aschendorff, Münster 2010. 168 S. Besprochen von Heinz Müller.Dietz. |
Ganzen Eintrag anzeigen Weitin, Thomas, Recht und Literatur (= Literaturwissenschaft. Theorie und Beispiele 10). Aschendorff, Münster 2010. 168 S. Besprochen von Heinz Müller.Dietz.
Der relativ schmale, aber konzise und in der Darstellung stark konzentrierte und verdichtete Band ist in einer literaturwissenschaftlichen Reihe erschienen. Er thematisiert und reflektiert in acht Kapiteln das überaus weitläufige – und zumindest teilweise auch schwer zu fassende – Verhältnis von Literatur und Recht. Dabei knüpft er einleitend an den US-amerikanischen Diskurs über „Recht als Literatur“ an. Freilich vermisst Thomas Weitin in diesem Diskurs nicht zuletzt den historischen Rückgriff, der ja in der europäischen Diskussion über die Entwicklung der Beziehungen zwischen Literatur und Recht eine bedeutsame Rolle spielt. Als Beispiele für die Begegnung der beiden kulturellen Phänomene werden nicht nur sprachliche Akzente bemüht – etwa die Rhetorik vor Gericht, Metaphern von Rechtstexten und die Hermeneutik, die ja für die Auslegung von Rechtsnormen zentral ist. Vielmehr breitet der Verfasser – nicht zuletzt auf literaturgeschichtlicher und philosophischer Grundlage - ein breites, vielseitiges Panorama wechselseitiger Beziehungen und Querverbindungen aus. Weitin schreitet vom „klassischen“ Vergleich zwischen Theaterstück, Schauspiel und gerichtlichem Prozess über Kants Geschmackslehre, Gadamers Hermeneutik, Derridas Dekonstruktion des Rechts, Luhmanns Verständnis von Literatur und Recht als gesellschaftlicher Funktionssysteme bis hin zu Foucaults Diskursanalyse von Wissenskonstitution und Wissenserwerb und der Entwicklung des Urheberrechts die moderne Entwicklung des Verhältnisses von Literatur und Recht in großen Zügen ab. Er registriert die hohe Einschätzung des Wertes literarischer Lektüre durch Juristen, namentlich Rechtsanwälte, die ja wohl auch zur zunehmenden rechtswissenschaftlichen Beschäftigung und Auseinandersetzung mit dem Themenkomplex „Literatur und Recht“ beigetrage |
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Weizsäcker, Richard, Der Weg zur Einheit. Beck, München 2009. 223 S., 10 Abb. Besprochen von Gerhard Köbler. IT |
Ganzen Eintrag anzeigen Weizsäcker, Richard, Der Weg zur Einheit. Beck, München 2009. 223 S., 10 Abb. Besprochen von Gerhard Köbler.
Aus Erfahrung weiß der Mensch, dass die Vergangenheit im Vergessen versinkt und die Zukunft nicht vorhersehbar ist. 40 Jahre nach ihrer Gründung feierte sich die Deutsche Demokratische Republik 1989 so glanzvoll, wie ihr dies möglich war, und kaum einer der äußeren Betrachter ahnte, dass dies der Anfang eines unmittelbar bevorstehenden Endes war. Nur ein Jahr später war die Deutsche Demokratische Republik nur noch Geschichte und vielleicht sogar nur eine Fußnote der Geschichte.
Dieses zumindest aus deutscher Sicht weltgeschichtlich bedeutsame Ereignis erregt naturgemäß das Interesse der Historiker. Deswegen ist der Vorgang bereits vielfach Gegenstand zeitgeschichtswissenschaftlicher Forschungen und Darstellungen gewesen und wird es auch noch weiter sein. Dessenungeachtet verdienen Betrachtung und Bewertung durch einen führenden, sich selbst vor allem als Zeitungsleser verstehenden deutschen Politiker besondere Aufmerksamkeit.
Richard von Weizsäcker gliedert seine Darstellung des danaligen Geschehens in insgesamt 25 Abschnitte, die mit der Einsicht beginnen, dass die Geschichte die Antwort gibt. Über Niederlage und Neuanfang von 1945 und den ostdeutschen Weg und den westdeutschen Weg sowie viele weitere Schritte, auf denen nach Ausweis des Personenregisters Michael Gorbatschow die wohl bedeutsamste Rolle spielt, gelangt der Verfasser zu Einheit und Freiheit am 3. Oktober 1990 und zum anschließenden, noch andauernden Versuch der inneren Einheit. Im Anhang des bewegenden Einblicks aus einem Zentrum deutscher Politik veröffentlicht er seine Rede vom 3. Oktober 1990, in der die Geschichte vor allem als Chance begriffen wird.
Innsbruck Gerhard Köbler
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Weller, Andreas, Die Einführung des Bürgerlichen Gesetzbuchs im französischen Rechtsgebiet der preußischen Rheinprovinz (= Rheinische Schriften zur Rechtsgeschichte 14). Nomos, Baden-Baden 2011. 361 S. Besprochen von Werner Schubert. |
Ganzen Eintrag anzeigen Weller, Andreas, Die Einführung des Bürgerlichen Gesetzbuchs im französischen Rechtsgebiet der preußischen Rheinprovinz (= Rheinische Schriften zur Rechtsgeschichte 14). Nomos, Baden-Baden 2011. 361 S. Besprochen von Werner Schubert.
Die weitgehende Vereinheitlichung des bürgerlichen Rechts durch das Bürgerliche Gesetzbuch zum 1. 1. 1900 war verbunden nicht nur mit dem Erlass umfangreicher Übergangsgesetze meist in Form von Ausführungsgesetzen, sondern auch mit einer reichhaltigen Judikatur zu den altrechtlichen Fällen. Diese Aspekte der Aufarbeitung der vor dem 1. 1. 1900 ganz oder teilweise abgeschlossenen Rechtssachverhalte ist bisher kaum in das Blickfeld der rechtshistorischen Literatur gelangt, weshalb es wichtig erscheint, dass sich Weller dieser Materie für das Rechtsgebiet des rheinpreußisch-französischen Rechts angenommen hat. In einem ersten Teil behandelt Weller die weitgehende Beibehaltung des französischen Zivilrechts in der preußischen Rheinprovinz nach 1814 (S. 27-62). Erst zwischen 1885 und 1888 wurde das neue preußische Grundstücksrecht von 1872 mit Modifikationen eingeführt (S. 54ff.). Abweichend vom innerpreußischen Recht konnte die Auflassung nicht nur vor dem Grundbuchamt, sondern auch vor einem Notar erfolgen. Das französische Prozessrecht war bereits durch die Reichsjustizgesetze von 1877 abgelöst worden. Allerdings behauptete sich die umfangreiche Mündlichkeit des Verfahrens, welche die Civilprozessordnung nicht ausgeschlossen hatte, noch sehr lange (S. 180). Im zweiten Kapitel geht es um den „Kampf um den Erhalt rheinischer Eigenheiten in den Gesetzgebungsverfahren zum Bürgerlichen Gesetzbuch und den preußischen Ausführungsgesetzen“ (S. 63-116). Bedeutsam sind in diesem Zusammenhang die meist vergeblichen Versuche insbesondere des Rheinischen Notariatsvereins, auf den Inhalt der BGB-Entwürfe Einfluss zu nehmen (S. 80ff.). Als Erfolg konnte das rheinisch-französische Recht lediglich die Zulassung auch des holographis |
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Wer war wer in der DDR? Ein Lexikon ostdeutscher Biographien, 5. Aufl., zwei Bände, hg. v. Müller-Enbergs, Helmut/Wielgohs, Jan u. a. Ch. Links Verlag, Berlin 2010. 1604 S. Besprochen von Gerhard Köbler. IT |
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In der Nacht zum 13. August 1961 begann die in der sowjetischen Besatzungszone des 1945 von den Alliierten total besiegten Deutschen Reiches errichtete Deutsche Demokratische Republik nach ihren eigenen Angaben zur Sicherung vor westlichen Gefahren mit dem Bau einer Grenzmauer, die bis zum Ende des Jahres 1989 ihre Bewohner von der Bundesrepublik Deutschland abschotteten. Dementsprechend wenig war im Westen über den Osten bekannt, sogar so wenig, dass sich noch am 40. Jahrestag der Errichtung im Oktober des Jahres 1989 kaum jemand vorstellen konnte, dass sich dieser bedeutende Industriestaat binnen kurzer Zeit vollständig würde auflösen können. Nachdem dies dann aber doch überraschend geschah und viele Informationen plötzlich verfügbar waren, war auch die Nachfrage nach einem Lexikon ostdeutscher Biographien vor allem im Westen sehr groß.
Dies brachte Christoph Links und Jochen Černý auf die naheliegende Idee eines biographischen Nachschlagewerkes über die DDR, das bereits 1992 in einer ersten Auflage vorgelegt werden konnte. Die Nachfrage war so groß, dass 1994 eine erweiterte Auflage, 2001 eine zweite Auflage und mit Unterstützung der Bundeszentrale für politische Bildung und des absatzstarken Weltbildes 2006 eine vierte Auflage jeweils in mehreren Lizenzausgaben möglich waren. Die fünfte, aktualisierte und stark erweiterte, dem 20. Jubiläum der Revolution des Herbstes 1989 und dem 20. Jahrestag der deutschen Vereinigung gewidmete Ausgabe konnte mangels Lieferung eines Rezensionsexemplars nicht an einen der mehreren Rezensionsinteressenten gegeben werden, so dass der Herausgeber auf sie mit wenigen Sätzen hinweisen muss.
Die fünfte, vollständig durchgesehene und erweiterte Ausgabe enthält nach Angabe des Vorworts ex |
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Westermann, Ekkehard/Denzel, Markus A., Das Kaufmannsnotizbuch des Matthäus Schwarz aus Augsburg von 1548 (= Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte Beiheft 215). Steiner, Stuttgart 2011. 526 S., 1 Abb. Besprochen von Gerhard Köbler. |
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Am Ende der 1980er Jahre machte der bekannte Wirtschaftshistoriker Hermann Kellenbenz (1913-1990, zuletzt in Erlangen-Nürnberg) den in Trachenberg in Schlesien 1940 geborenen, an der Pädagogischen Hochschule Karlsruhe tätigen Montanhistoriker Ekkehard Westermann auf eine Handschrift in der Österreichischen Nationalbibliothek in Wien aufmerksam, die er auf Grund seiner Erfahrung als für die oberdeutsche und internationale Wirtschaftsgeschichte sehr bedeutsam einstufte, aber selbst nicht mehr bearbeiten konnte. Um 1995 kam es daraufhin zu einem Kontakt mit dem 1967 geborenen Leipziger Sozial- und Wirtschaftshistoriker Markus A. Denzel. Gemeinsam wurde 1998 die Herausgabe des anonym verfassten Kaufmannsnotizbuchs mit einer kurzen Einleitung in einem auf zwei Jahre angelegten Projekt der Deutschen Forschungsgemeinschaft beschlossen, dessen Ergebnis 12 Jahre später im Manuskript vorgelegt werden konnte.
In der Einleitung beschreiben die Bearbeiter nach der Wiedergabe einer der berühmtesten, wohl nach 1560 angefertigten, Jakob Fugger den Reichen mit seinem Hauptbuchhalter Matthäus Schwarz in der Gulden Schreibstube um 1520 zeigenden Abbildungen der europäischen Handelsgeschichte die Entstehung ihrer Vermutung, dass es sich bei dem rechten großen Buch auf der vorderen Tischhälfte des gezeigten Raumes um die von ihnen ausgewertete Wiener Handschrift CVP 10720 handeln könnte. Danach erörtern sie den Forschungsstand und ihre methodischen und editorischen Vorüberlegungen. In deren Mittelpunkt steht die Vermutung, dass die Handschrift den Kern aller Informationen über die Engagements der Fugger in der Tiroler und Kärntner Montanwirtschaft zwischen 1520 und 1550 enthält und dass der Hauptbuchhalter |
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Westermann, Stefanie, Verschwiegenes Leid. Der Umgang mit den NS-Zwangssterilisationen in der Bundesrepublik Deutschland (= Menschen und Kulturen 7). Böhlau, Köln 2010. 336 S. Besprochen von Gerhard Köbler. IT |
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Die Arbeit ist die von Rainer Eisfeld betreute, im Sommer2009 vom Max-Weber-Kolleg der Universität Erfurt angenommene Dissertation der in der Bearbeitungszeit an den medizinhistorischen und medizinethischen Instituten der Universitäten Tübingen und Aachen beschäftigten Verfasserin. Bereits im Vorwort zeigt sie den Stand des Jahres 2010 auf, nach dem die von nationalsozialistischen Zwangssterilisationen Betroffenen zumindest geringe Entschädigungen erhalten können, die betreffenden Verbrechen vom Bundestag geächtet und die Urteile der nationalsozialistischen Erbgesundheitsgerichte aufgehoben sind. Der Weg dahin war freilich lang, weil bis in das Ende des 20. Jahrhunderts eine von Juristen und Medizinern behauptete Definitionshoheit herrschte.
Ihn verfolgt die Verfasserin nach einer Forschungsstand, Quellen und Methodik behandelnden Einleitung aufmerksam und kritisch in drei Teilen, von denen der erste die Theorie und Praxis der Wertigkeit betrifft. Auf dieser Grundlage wendet sie sich den Wiederaufnahmeverfahren von Erbgesundheitsgerichtsprozessen nach 1945 zu, geht dabei auf einzelne Gerichte ein und setzt die Wiederaufnahmeverfahren in Bezug zur politischen Kultur der Bundesrepublik. Im dritten Teil legt sie die Perspektiven der Betroffenen dar.
Insgesamt wurden weit mehr als 300000 Menschen zwischen 1934 und 1945 im nationalsozialistisch beherrschten Deutschen Reich zwangsweise sterilisiert. Dies bedeutete grundsätzlich Zerstörung menschlicher Lebensperspektiven. Die Verfasserin sieht darin zu Recht auch eine Folge der ambivalent wirkenden, vor 1933 beginnenden und nach 1945 andauernden Aufklärung, auf deren menschenunwürdige Auswirkungen sie engagiert und nachdrücklich hinweist.
Innsbruck |
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Wiede, Wiebke, Rasse im Buch. Antisemitische und rassistische Publikationen in Verlagsprogrammen der Weimarer Republik (= Ordnungssysteme. Studien zur Ideengeschichte der Neuzeit 34). Oldenbourg, München 2011. 328 S., 7 Abb. Besprochen von Gerhard Köbler. IT |
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Die rasch auf das Interesse eines Sachkenners stoßende, mangels Lieferung eines Rezensionsexemplars aber vom Herausgeber mit wenigen Zeilen anzuzeigende Arbeit ist die von Lutz Raphael betreute, 2008 am Fachbereich III der Universität Trier angenommene Dissertation der 1974 geborenen, als wissenschaftliche Mitarbeiterin tätigenVerfasserin in einer leicht überarbeiteten Fassung. Sie betrifft eine vor allem wegen der nachfolgenden nationalsozialistischen Herrschaft sehr interessanten Gegenstand. Sie beruht außer auf einer breiten Literaturgrundlage auf der Verwertung der vor allem von Betroffenen zugänglich gemachten privaten Archivalien.
Sie ist überzeugend klar gegliedert. Nach einer kurzen Einleitung zu Forschungsstand und Forschungsinteresse, Quellen, Methoden und den begrifflichen Ausgangspunkten Verlagsbuchhandel, Rassismus und Antisemitismus sowie Absatz stellt die Verfasserin die Frage, wie deutsch der deutsche Buchmarkt der Weimarer Republik war. Danach untersucht sie exemplarisch den Georg Westermann Verlag mit Werken von Adolf Bartels, Otto Hauser, Ewald Banse und Werner Jansen, den auf dem Umschlag als Georg Fischer Verlag benannten Gustav Fischer Verlag mit Werken zu Wirtschaft und Gesellschaft, Medizin und Naturwissenschaften vor allem an Hand Herman Lundborgs und den Verlag Vandenhoeck & Ruprecht mit Werken zu Wissenschaft und Glauben vor allem an Hand Max Maurenbrechers Heiland der Deutschen.
Insgesamt kann die Verfasserin zeigen, dass rassistische und antisemitische Bücher auch außerhalb einschlägig ausgerichteter Verlage erscheinen konnten. Sie stellt aber zugleich fest, dass rassistische und antisemitische Veröffentlichungen in der Weimarer Republik ke |
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Wilke, Karsten, Die „Hilfsgemeinschaft auf Gegenseitigkeit“ (HIAG) 1950-1990. Veteranen der Waffen-SS in der Bundesrepublik. Schöningh, Paderborn 2011. 464 S., 13 Abb. Besprochen von Werner Augustinovic. |
Ganzen Eintrag anzeigen Wilke, Karsten, Die „Hilfsgemeinschaft auf Gegenseitigkeit“ (HIAG) 1950-1990. Veteranen der Waffen-SS in der Bundesrepublik. Schöningh, Paderborn 2011. 464 S. 13 Abb. Besprochen von Werner Augustinovic.
Als sich am18./19. April 1959 im hessischen Arolsen der „Bundesverband der Soldaten der ehemaligen Waffen-SS e. V.“ (HIAG) endgültig zu etablieren vermochte, konnte die Interessensgemeinschaft der vorgeblichen Elite-Veteranen des Zweiten Weltkriegs bereits auf eine mehr als ein Jahrzehnt lange bewegte Geschichte zurückblicken. Bereits am Ende der 1940er Jahre waren dezentral auf regionaler Ebene, ausgehend von paternalistischen Initiativen hoher und höchster Offiziere der Waffen-SS, Selbsthilfegruppen ins Leben gerufen worden, die sich als „Hilfsgemeinschaften auf Gegenseitigkeit“ (kurz HIAG) bezeichneten und deren Mitglieder einander bei der Organisation des Alltags unterstützten, einen Vermisstensuchdienst aufbauten und Hinterbliebene wie inhaftierte ehemalige Truppenangehörige betreuten. Konträre Auffassungen in Fragen der gesellschaftlichen Integration und der internen Organisation, dazu Kompetenzkonflikte unter den maßgeblichen Führungspersönlichkeiten, den ehemaligen hoch dekorierten Waffen-SS Generälen Paul Hausser, Felix Steiner und Herbert Otto Gille, die jeweils in unterschiedlichen Publikationsorganen („Der Ausweg“, „Wiking-Ruf“, „Der Freiwillige“) ihrer Stimme Ausdruck verliehen, verhinderten lange die Zusammenführung, die schließlich unter HIAG-Bundessprecher Kurt Meyer („Panzermeyer“), der sich „durch sein Geschick als Redner und durch seine fortgesetzte Präsenz auf öffentlichen Veranstaltungen im gesamten Bundesgebiet eine hohe Popularität unter den Mitgliedern (erarbeitete)“ (S. 75), gegen andauernde Widerstände umgesetzt werden konnte. Bis zu 20.000 Mitglieder sollen bisweilen der sich durch Beschluss des Bundesvorstandes am 31. Dezember 1992 schließlich selbst auflösenden Organisation angehört haben.
Inhaltlich auf |
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Will, Martin, Selbstverwaltung der Wirtschaft. Recht und Geschichte der Selbstverwaltung in den Industrie- und Handelskammern, Handwerksinnungen, Kreishandwerkerschaften, Handwerkskammern und Landwirtschaftskammern (= Ius Publicum 199). Mohr (Siebeck), Tübingen 2010. XLII, 977 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen Wiede, Wiebke, Rasse im Buch. Antisemitische und rassistische Publikationen in Verlagsprogrammen der Weimarer Republik (= Ordnungssysteme. Studien zur Ideengeschichte der Neuzeit 34). Oldenbourg, München 2011. 328 S., 7 Abb. Besprochen von Gerhard Köbler.
Die rasch auf das Interesse eines Sachkenners stoßende, mangels Lieferung eines Rezensionsexemplars aber vom Herausgeber mit wenigen Zeilen anzuzeigende Arbeit ist die von Lutz Raphael betreute, 2008 am Fachbereich III der Universität Trier angenommene Dissertation der 1974 geborenen, als wissenschaftliche Mitarbeiterin tätigenVerfasserin in einer leicht überarbeiteten Fassung. Sie betrifft eine vor allem wegen der nachfolgenden nationalsozialistischen Herrschaft sehr interessanten Gegenstand. Sie beruht außer auf einer breiten Literaturgrundlage auf der Verwertung der vor allem von Betroffenen zugänglich gemachten privaten Archivalien.
Sie ist überzeugend klar gegliedert. Nach einer kurzen Einleitung zu Forschungsstand und Forschungsinteresse, Quellen, Methoden und den begrifflichen Ausgangspunkten Verlagsbuchhandel, Rassismus und Antisemitismus sowie Absatz stellt die Verfasserin die Frage, wie deutsch der deutsche Buchmarkt der Weimarer Republik war. Danach untersucht sie exemplarisch den Georg Westermann Verlag mit Werken von Adolf Bartels, Otto Hauser, Ewald Banse und Werner Jansen, den auf dem Umschlag als Georg Fischer Verlag benannten Gustav Fischer Verlag mit Werken zu Wirtschaft und Gesellschaft, Medizin und Naturwissenschaften vor allem an Hand Herman Lundborgs und den Verlag Vandenhoeck & Ruprecht mit Werken zu Wissenschaft und Glauben vor allem an Hand Max Maurenbrechers Heiland der Deutschen.
Insgesamt kann die Verfasserin zeigen, dass rassistische und antisemitische Bücher auch außerhalb einschlägig ausgerichteter Verlage erscheinen konnten. Sie stellt aber zugleich fest, dass rassistische und antisemitische Veröffentlichungen in der Weimarer Republik ke |
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Winkler, Heinrich August, Geschichte des Westens. Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert. Beck, München 2009. 1343 S. Besprochen von Marcel Senn. |
Ganzen Eintrag anzeigen Winkler, Heinrich August, Geschichte des Westens. Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert. Beck, München 2009. 1343 S. Besprochen von Marcel Senn.
Was ist das: „der Westen“? Diese Frage habe ich mir, offen gestanden, noch nie gestellt, so wie sich viele andere ja auch nie fragen, was denn die berüchtigte Allerweltsvokabel „Europa“ bedeute, und von der zwar alle meinen, sie wüssten, wovon sie sprächen.[1] Es sind diese selbstverständlichen Halbbegrifflichkeiten, die wie graue Eminenzen durch aller Munde kursieren und die selbst die Wissenschaften noch erfolgreich beflügeln. Nun also schickt sich einer an, das Phänomen „Westen“ historisch aufzuarbeiten. Und mit Hermann August Winkler – inzwischen emeritierter Professor der Humboldt-Universität und ehemals Mitbegründer sowie langjähriger Mitherausgeber von „Geschichte und Gesellschaft“ (einer der profundesten Zeitschriften im Fachbereich der Geschichte) setzt sich zugleich einer der besten Kenner der neuesten Geschichte Mitteleuropas mit dieser Frage auseinander.
Winkler definiert den „Westen“ als „Projekt“, das zwar weitgehend der Aufklärungsperiode Englands, Frankreichs und der Vereinigten Staaten von Amerika entsprungen sei, seine Wurzeln jedoch schon in der Antike und im Mittelalter gehabt habe. Dieses Projekt werde durch die vier Ideen der (1) unveräußerlichen Menschenrechte, der (2) repräsentativen Demokratie, der (3) Herrschaft des Rechts bzw. des Rechtsstaats und der damit verbundenen (4) Idee der Gewaltenteilung konstituiert.
Die Geburt dieses Projekts verdanke sich, so Winkler, dem ständigen Leiden an den Missständen in der Praxis. Denn dies entspreche Eigenart und Charakter des Westens, der sich die antike philosophische Tugend der Selbstkritik stets bewahrt, diese Kritik aber auch ständig zur Korrektur der eigenen Praxis eingesetzt und sich nie mit der Faktizität der Praxis begnügt habe. Insofern sei der Westen durch einen doppelten Widerspruch geprä |
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Winrici Treverensis/Winrich von Trier, Conflictus ovis et lini. Der Streit zwischen Schaf und Lein. Lateinisch/Deutsch, hg., zum ersten Mal in eine andere Sprache übersetzt und kommentiert v. Dräger, Paul. Kliomedia, Trier 2010. 280 S. Besprochen von Gerhard Köbler. IT |
Ganzen Eintrag anzeigen Winrici Treverensis/Winrich von Trier, Conflictus ovis et lini. Der Streit zwischen Schaf und Lein. Lateinisch/Deutsch, hg., zum ersten Mal in eine andere Sprache übersetzt und kommentiert v. Dräger, Paul. Kliomedia, Trier 2010. 280 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Das in sieben Handschriften überlieferte und durch zwei weitere verlorene Handschriften bezeugte, wohl zwischen 1066 und 1078 von dem aus Verdun nach Trier als Leiter der Domschule und Bibliothekar gekommenen Winrich verfasste hochpoetische Streitgedicht ohne große Nachwirkung wird vom sehr engagierten, verdienstlichen Herausgeber in eine mögliche Beziehung zu Heinrich IV. und Gregor VII. gestellt, kommentiert und dabei mit Quellenhinweisen versehen sowie in seinen 781 Versen erstmals in eine andere Sprache übersetzt und damit der Gegenwart leicht verständlich gemacht.
Innsbruck Gerhard Köbler
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Worby, Sam, Law and Kinship in Thirteenth-Century England (= Studies in History New Series). The Royal Historical Society/Boydell Press, Woodbridge/Suffolk 2010.. VIII, 198 S. Besprochen von Susanne Jenks. |
Ganzen Eintrag anzeigen Worby, Sam, Law and Kinship in Thirteenth-Century England (= Studies in History New Series). The Royal Historical Society/Boydell Press, Woodbridge/Suffolk 2010.. VIII, 198 S. Besprochen von Susanne Jenks.
Angezeigt werden soll dieses aus einer 2005 eingereichten Dissertation entstandene Buch, das sich - trotz des Titels - mit dem 13. und 14. Jahrhundert (mit Ausflügen ins 15. Jahrhundert) beschäftigt und die Charakteristika der „kinship systems“ in Theorie und Praxis aufzeigen will. In den ersten beiden Kapiteln werden die (idealisierten) kanonischen und common law Verwandtschaftsstrukturen vorgestellt. Kapitel 3 hebt die Dominanz des kanonischen Verwandtschaftsrechts als Denkmodell im spätmittelalterlichen England hervor. Kapitel 4 behandelt die praktische Anwendung der Vorschriften durch die Rechtsgelehrten und Kapitel 5 die Einstellung der Bevölkerung zu den Vorschriften auf der Grundlage von 59 Kirchenrechtsfällen aus dem 13. bis 15. Jahrhundert und 130 Common Law Fällen aus dem 13. Jahrhundert. Im Schlusskapitel werden die Ergebnisse zusammengefasst. Zudem werden in vier Anhängen Raymón de Penyafortes Quia tractare intendimus, die historische Einleitung zu Sciendum est und die Common Law Adaptionen der Kirchenrechtstraktate Quibus modis und Triplex est abgedruckt, wobei es sich dabei nicht um Editionen im herkömmlichen Sinne handelt, sondern um „critical transcriptions, based on manuscripts that are good enough to allow an adequate rendering“, wobei allerdings nicht erläutert wird, welche Auswahlkriterien zugrunde gelegt wurden. Eine Bibliographie und ein Index runden dieses Erstlingswerk ab.
London Susanne Jenks
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Wornien, Sebastian, Das Verhältnis von materiellem und formellem Strafrecht während des Nationalsozialismus (= Rechtsgeschichtliche Studien 36) Kovač, Hamburg 2010. LVIII, 159 S. Besprochen von Gerhard Köbler. IT |
Ganzen Eintrag anzeigen Wornien, Sebastian, Das Verhältnis von materiellem und formellem Strafrecht während des Nationalsozialismus (= Rechtsgeschichtliche Studien 36) Kovač, Hamburg 2010. LVIII, 159 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Die Arbeit beruht auf einer von Heiner Lück in Halle-Wittenberg angeregten und betreuten Schwerpunktbereichsarbeit des Wintersemesters 2008/2009 des in Berlin 1979 geborenen Verfassers. Sie befasst sich mit dem Verhältnis von materiellem und formellem Strafrecht der Jahre zwischen 1933 und 1945, greift aber weiter zurück und auch weiter aus. Man wird sie für eine Schwerpunktbereichsarbeit als erheblich überdurchschnittlich einstufen dürfen.
Ihre Grundlage ist bereits ein sehr umfangreiches Literaturverzeichnis. Gegliedert ist sie außer in eine thematische Einführung über die heutige Literatur, die Aufgaben und Ziele des Strafverfahrensrechts, das Strafrecht als Indikator der Staatsverfassung, den Nationalsozialismus und die eigenen Ziele in eine Übersicht über den Sachgegenstand in der Zeit der Weimarer Republik, in der Zeit des Nationalsozialismus und in Deutschland in der Nachkriegszeit. Am Ende beschäftigt sich der Verfasser selbständig mit den übergreifenden Zusammenhängen.
Dabei stellt er fest, dass 1933 keine Zäsur bedeutet, sondern dass das nationalsozialistische materielle und formelle Strafrecht einer strukturellen Kontinuität folgen. Dementsprechend ermittelt er, dass die nationalsozialistische Perversion des Strafrechts durch die in der Weimarer Zeit misslungenen humanen spezialpräventiven Strafrechtsreformen, durch die „Effektivierungs- und Einsparungsnovellen“ im Strafprozess und in der Gerichtsverfassung und durch die sondergerichtliche Justizpolitik im Bereich der politischen Straftaten begünstigt bzw. ermöglicht wurde. Dementsprechend empfiehlt er abschließend als Lernstrategie, den politischen Grundwert der Legalität zu erkennen, den Tendenzen zur Aushöhlung der Gesetzlichkeit im Strafrecht entge |
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Wunderlich, Steffen, Das Protokollbuch von Mathias Alber. Zur Praxis des Reichskammergerichts im frühen 16. Jahrhundert, in zwei Bänden (= Quellen und Foirschungen zur höchsten Gerichtsbarkeit im alten Reich 58). Böhlau, Köln 2011. 1469 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen Wunderlich, Steffen, Das Protokollbuch von Mathias Alber. Zur Praxis des Reichskammergerichts im frühen 16. Jahrhundert, in zwei Bänden (= Quellen und Forschungen zur höchsten Gerichtsbarkeit im alten Reich 58). Böhlau, Köln 2011. 1469 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Das Werk ist die von Gero Dolezalek betreute, im Wintersemester 2009/2010 an der Juristenfakultät Leipzig angenommene Dissertation des am Lehrstuhl des Doktorvaters tätigen Verfassers. Sie besticht allein schon durch ihr besonderes Gewicht der beiden insgesamt fast 1500 Seiten umfassenden Bände. Freilich beginnt auf Seite 295 eine Edition, die zusammen mit Verzeichnissen insgesamt etwa vier Fünftel des Ausdrucks ausmacht. Selbst wenn man diese ungewöhnlichen Umstände berücksichtigt, bleibt die Leistung des Verfassers aber in jedem Fall durchaus anerkennenswert.
Nach einem umfangreichen Literaturverzeichnis geht der Verfasser in seiner Einleitung wie im Übrigen auch in seiner gesondert veröffentlichten Studie über die Begründung von Urteilen am Reichskammergericht davon aus, dass während der gesamten, 300 Jahre dauernden Rechtsprechung des Reichskammergerichts die Urteile den Prozessparteien und der Öffentlichkeit nur im Tenor bekannt gegeben wurden, weil das Gericht als Autorität nicht in Frage gestellt werden sollte. Da die Urteile (wie ausgefüht!) schweigen, sich der heutige Historiker aber dadurch um Erkenntnismöglichkeiten gebracht sieht, sucht er nach zusätzlichen Quellen. Bis weit in das 17. Jahrhundert hinein fehlen aber die dafür besonders geeigneten offiziellen, gerichtsintern geführten Protokollbände.
In dieser Lage trifft es sich gut, dass es privat von Assessoren geführte Protokollbücher gibt. Trotz wohl vieler Verluste sind solche Protokollbücher der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts von Matthias Alber (1532-1535), Viglius von Aytta (1535-1537), Nicolaus Everhardus sen. (1535-1542) und Mattheus Neser (1536-1544, 1548-1554) sowie aus späterer Zei |
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Wunderlich, Steffen, Über die Begründung von Urteilen am Reichskammergericht im frühen 16. Jahrhundert (= Gesellschaft für Reichskammergerichtsforschung 38). Gesellschaft für Reichskammergerichtsforschung e. V., Wetzlar 2010. 44 S. Besprochen von Gerhard Köbler. IT |
Ganzen Eintrag anzeigen Wunderlich, Steffen, Über die Begründung von Urteilen am Reichskammergericht im frühen 16. Jahrhundert (= Gesellschaft für Reichskammergerichtsforschung 38). Gesellschaft für Reichskammergerichtsforschung e. V., Wetzlar 2010. 44 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Das mit der Titelseite des in Innsbruck aufbewahrten Protokollbuchs Mathias Albers geschmückte Heft bietet die ergänzte und erweiterte Fassung des Vortrags des mit dem Max-Planck-Institut für europäische Rechtsgeschichte verbundenen Verfassers im Stadthaus am Dom zu Wetzlar vom 11. März 2010. Es behandelt eine interessante prozessrechtsgeschichtliche Frage vor allem an Hand zweier einzelner Fälle hauptsächlich an Hand der Protokollbücher von Assessoren. Dabei geht es um den Fall des Klosters Fulda gegen die Riedesel und den Fall des Haimeran Zenger gegen Justina Sintzenhoverin.
Der Verfasser stellt überzeugend fest, dass am Reichskammergericht Urteile rational begründet wurden, wobei die Assessoren, die bereits nach 1530 (fast) alle rechtsgelehrt waren, die betroffenen Fragen in Auslegung und Anwendung des geltenden Rechtes beurteilten. Dabei wurden frühere Entscheidungen berücksichtigt. Für sie nimmt der Verfasser an, dass bereits früh Urteilsregister bestanden, in welche die Entscheidungen und abweichende Voten eingetragen wurden, die aber für die Zeit vor 1684 verloren sind.
Die Begründungen wurden freilich den streitenden Parteien nicht mitgeteilt. Damit sollte vermieden werden, dass Parteien und Vollstreckungsbehörden die Richtigkeit der Entscheidung in Zweifel ziehen konnten. Aus diesem Grunde lehnte das Reichskammergericht nach Ansicht des Verfassers sogar eine von Mathias Alber ausgearbeitete Lösung ab und entschied sich für eine Entscheidung, die für alle Seiten ohne Bekanntgabe der Gründe nachvollziehbarer und annehmbarer erschien, obwohl sie nach Einschätzung des Verfassers weniger gerecht war.
Innsbruck |
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Zaunstöck, Holger, Das Milieu des Verdachts. Akademische Freiheit, Politikgestaltung und die Mergenz der Denunziation in Universitätsstädten des 18. Jahrhunderts (= Hallische Beiträge zur Geschichte des Mittelalters und der frühen Neuzeit 5). Akademie, Berlin 2010. 410 S. Besprochen von Gerhard Köbler. IT |
Ganzen Eintrag anzeigen Zaunstöck, Holger, Das Milieu des Verdachts. Akademische Freiheit, Politikgestaltung und die Mergenz der Denunziation in Universitätsstädten des 18. Jahrhunderts (= Hallische Beiträge zur Geschichte des Mittelalters und der frühen Neuzeit 5). Akademie, Berlin 2010. 410 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Das zwischen 2002 und 2007 am Institut für Geschichte der Universität Halle-Wittenberg entstandene Werk ist die von Monika Neugebauer-Wölk betreute, 2008 von der philosophischen Fakultät I der Universität Halle-Wittenberg angenommene Habilitationsschrift des 1998 mit einer Untersuchung über die mitteldeutschen Aufklärungsgesellschaften im 18. Jahrhundert promovierten Verfassers. Sie geht davon aus, dass auch wenn es bereits vor 1989 ein geschichtswissenschaftliches Interesse am Denunziationsverhalten gegeben habe, doch allgemein die Wende in der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik mit dem neuen Blick auf den bis dahin in der Geschichte einmalig ausgedehnten und die gesamte Gesellschaft durchdringenden und durchsetzenden Apparat der Staatssicherheit als entscheidender Impuls für die Untersuchung von Denunziationen angesehen werde. Demgegenüber darf freilich nicht übersehen werden, dass auch während der nationalsozialistischen Herrschaft die Denunziation von beachtlicher praktischer Bedeutung war.
Seinen eigenen Untersuchungsgegenstand gliedert der Verfasser nach einer ausführlichen Einleitung über das Forschungsprofil und die Quellen in fünf Sachkapitel. Dabei beginnt er mit dem Muster der Denunziation in den Duelldelikten um 1700 in Leipzig, Wittenberg, Jena, Halle, Rostock, Helmstedt, Göttingen und Erlangen. Dem folgen die Eroberung der Universitätsstadt mit Studentenorden, Landsmannschaften und neuen Edikten nach 1740, die Emergenz der Denunziation im Konfliktfeld arkaner Studentengesellschaften nach 1760, das Überwechseln der Denunziation in weitere Bereich als Implikation des Medienzeitalters nach 1780 und schließlich die |
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Zayas, Alfred de, Völkermord als Staatsgeheimnis. Vom Wissen über die „Endlösung der Judenfrage“ im Dritten Reich. Olzog, München 2011. 204 S. Besprochen von Martin Moll. |
Ganzen Eintrag anzeigen Zayas, Alfred de, Völkermord als Staatsgeheimnis. Vom Wissen über die „Endlösung der Judenfrage“ im Dritten Reich. Olzog, München 2011. 204 S. Besprochen von Martin Moll.
Die – quellenmäßig sicherlich schwierig zu beantwortende – Frage, was die deutsche Bevölkerung während des Zweiten Weltkrieges über den unter strikter Geheimhaltung ausgeführten, millionenfachen Mord an den europäischen Juden erfahren konnte, tatsächlich erfuhr wie sie auf die durchgesickerten Informationen reagierte, hat die Historiker seit langem beschäftigt. In den letzten Jahren haben hierzu Peter Longerich, Frank Bajohr, Dieter Pohl und Bernward Dörner quellengesättigte Untersuchungen vorgelegt, die bei Nuancen im Einzelnen zu dem Ergebnis kamen, die „Endlösung der Judenfrage“ sei mehr oder minder ein offenes Geheimnis gewesen.
Der emeritierte amerikanische Völkerrechtler Alfred de Zayas, Ende der 1970er Jahre durch eine Arbeit zur Wehrmacht-Untersuchungsstelle für alliierte Völkerrechtsverletzungen bekannt geworden, bezieht nun eine explizite Gegenposition und verwirft in Bausch und Bogen die von ihm allerdings kaum wirklich rezipierten, seiner These entgegenstehenden Ergebnisse der Forschung. Soweit sein mit rund 150 Seiten Text zwar schmales, aber durch zahlreiche Wiederholungen, eine sprunghafte Gedankenfolge und unzählige Exkurse in endlosen Fußnoten gekennzeichnetes Büchlein überhaupt einen roten Faden erkennen lässt, so ist es die vom Regime über das Verbrechen verhängte Geheimhaltung, vor allem ein diesbezüglicher „Grundlegender Befehl“ Hitlers vom Januar 1940, der freilich lange vor Ingangsetzung des Völkermordes erlassen wurde. Mit dem Nachweis der naheliegenden Intentionen des Regimes ist noch nichts darüber ausgesagt, ob die angestrebte Geheimhaltung tatsächlich gelang; bei der viel kleiner dimensionierten „Euthanasie“ waren unbestrittenermaßen weite Bevölkerungskreise rasch im Bilde.
Darüber hinaus rekurriert der Autor erneut auf seine Be |
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Zehnpfennig, Barbara, Adolf Hitler - Mein Kampf. Weltanschauung und Programm. Studienkommentar (= UTB 3469). W. Fink, München 2011. 280 S. Besprochen von Martin Moll. |
Ganzen Eintrag anzeigen Zehnpfennig, Barbara, Adolf Hitler: Mein Kampf. Weltanschauung und Programm. Studienkommentar (= UTB 3469). W. Fink, München 2011. 280 S. Besprochen von Martin Moll.
Vor einigen Jahren hat Othmar Plöckingers monumentale Studie „Geschichte eines Buches“ Entstehung und Rezeption von Adolf Hitlers „Mein Kampf“ minutiös rekonstruiert. Während die seit langem geforderte, neuerdings vom Münchener Institut für Zeitgeschichte endlich konkret vorbereitete, kommentierte Neuausgabe des Werkes bisher teils an inhaltlichen Bedenken, teils an ungeklärten urheberrechtlichen Fragen gescheitert ist, liegt mit Barbara Zehnpfennigs Studienkommentar nunmehr eine übersichtliche, knappe Synthese der wesentlichen Gedankengänge und Argumente Hitlers vor. Diese mit vielen Zitaten angereicherte Arbeit dürfte die eigene Lektüre des in Bibliotheken und auf dem grauen Markt leicht erhältlichen „Mein Kampf“ weitgehend entbehrlich machen – ganz zu schweigen davon, dass Zehnpfennig im Gegensatz zu Hitler in einer modernen, prägnanten und verständlichen Sprache schreibt. Die Autorin lässt aber keinen Zweifel daran, dass die wieder und wieder aufgestellte Behauptung, der „Kampf“ sei unleserlich, da eine krude Mixtur pseudowissenschaftlicher Theorien und Ideen, die der Verfasser wahllos aufgelesen habe, vermutlich Hitlers Schreibstil wiedergibt, nicht jedoch die frappante Geschlossenheit und die Binnenlogik seines Gedankengebäudes.
Zehnpfennig folgt im Großem dem Aufbau und der Gliederung von Hitlers zuerst 1925/26 in zwei Teilbänden publizierten Werk, sie fasst jedoch mitunter mehrere bei Hitler getrennte Kapitel zusammen. Sieht man von den autobiographischen Passagen ab, behandeln die zwei Teilbände Hitlers Weltanschauung sowie Programmatik und Strategie seiner Partei. Auf die hinreichend bekannten ideologischen Grundlagen ist hier nicht näher einzugehen; hervorgehoben sei nur das Urteil der Autorin, wonach die NS-Weltanschauung quasi spiegelbildlich zum Marxismus |
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Zeitgeschichte ausstellen in Österreich. Museen - Gedenkstätten - Ausstelllungen, hg. v. Rupnow, Dirk/Uhl, Heidemarie. Böhlau, Wien 2011. 472 S. Besprochen von Gerhard Köbler. ITt |
Ganzen Eintrag anzeigen Zeitgeschichte ausstellen in Österreich. Museen - Gedenkstätten - Ausstelllungen, hg. v. Rupnow, Dirk/Uhl, Heidemarie. Böhlau, Wien 2011. 472 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Die Geschichte wird in jedem Augenblick länger und fordert zu Recht auch für die Verlängerung die gebührende Aufmerksamkeit. Deswegen wird seit mehr als zehn Jahren über die Schaffung eines eigenen historischen Museums für die Geschichte des 20. Jahrhunderts kontrovers diskutiert. Diese Überlegungen haben bei den in Innsbruck und Wien tätigen Herausgebern den Gedanken eines Überblicks über die bereits für die Zeitgeschichte bestehenden Museen, Gedenkstätten und Ausstellungen Österreichs erweckt, der im vorliegenden Werk unter dem Buchcover einer Schneekugel Wien 4 mit Stephansdom, Gloriette im Schlosspark Schönbrunn, Riesenrad im Prater und dem Donauturm auch in einigermaßen kurzer Zeit verwirklicht werden konnte.
Zwischen der einführenden Einleitung und der zusammenfassenden Betrachtung der Diskussionen, Konzente und Projekte für die Frage einer Nation ohne Museum erstatten unterschiedliche Bearbeiter Bericht über die ihnen besonders vertrauten Gegenstände. Erfasst werden das heeresgeschichtliche Museum in Wien, (die unendliche Geschichte von) Karl Renners Museum der Ersten und Zweiten Republik, die Ausstellungen in den Konzentrationslagergedenkstätten Mauthausen, Gusen und Melk, das Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes mit seinen Ausstellungen, die österreichische Gedenkstätte im staatlichen Museum Auschwitz-Birkenau, das Technische Museum Wien, die österreichischen jüdischen Museen an unterschiedlichen Orten, die Wehrmachtsausstellung, die Milleniums-Länderausstellung 1996 die Jubiläumsausstellung 2008 über Republikgeschichte im Parlament, die österreichischen Landesmuseen, das Zeitgeschichte-Museum mit Gedenkstollen in Ebensee, das denkwürdige Dr. Engelbert Dollfuß-Museum in Texingtal in Niederösterreich sowie Identität und Zeitgeschichte |
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Zieliński, Lech, Ideologie und Lexikographie. Die Ideologisierung des Wörterbuchs der deutschen Gegenwartssprache von Ruth Klappenbach und Wolfgang Steinitz (= Danziger Beiträge zur Germanistik 31). Lang, Frankfurt am Main 2010. 178 S., 18 Tab., 8 Graf. Besprochen von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen KöblerZielińskiideologieundlexikographie20111010 Nr. 13861 ZRG GA 129 (2012) 81 IT
Zieliński, Lech, Ideologie und Lexikographie. Die Ideologisierung des Wörterbuchs der deutschen Gegenwartssprache von Ruth Klappenbach und Wolfgang Steinitz (= Danziger Beiträge zur Germanistik 31). Lang, Frankfurt am Main 2010. 178 S., 18 Tab., 8 Graf. Besprochen von Gerhard Köbler.
Der Verfasser wurde nach dem Studium der Geschichte und Germanistik an der Universität Thorn (Toruń) 2001 in Danzig promoviert. Bei Erscheinen seines Werkes war er wissenschaftlicher Mitarbeiter des Instituts für Germanistik in Thorn, Leiter des Auslandsamts der Hochschule für Wirtschaft in Bydgoszcz, wissenschaftlicher Mitarbeiter des Instituts für Kulturwissenschaften und Philosophie und Gründer und Herausgeber des Jahrbuchs für Übersetzungswissenschaft. Mit seinem in der Deutschen Demokratischen Republik zwischen 1964 und 1977 verfassten Gegenstand hat er sich seit vielen Jahren nachhaltig beschäftigt, so dass er in seinem Literaturverzeichnis auf fast ein Dutzend weiterer einschlägiger Arbeiten hinweisen kann.
Er gliedert seine bedeutsame Untersuchung in Einführung, fünf Sachkapitel und eine Zusammenfassung. Dabei schildert er eingangs den Forschungsstand einschließlich seiner eigenen Beiträge und die von anderen und von ihm angewandten Forschungsmethoden. Danach wendet er sich den Mechanismen der Ideologisierung des Untersuchungsgegenstands nach Abschluss von drei Bänden zu, wobei er insbesondere den Gebrauch des Adjektivs sozialistisch und an späterer Stelle des Substantivs Sozialismus (sowie der Wörter marxistisch-leninistisch, Marxismus-Leninismus, reaktionär, imperialistisch, Klassengegensatz, Klassencharakter, Klassengesellschaft, Klassenfeind und Klassenkampf) vor und nach der Ideologisierung umfassend und sorgfältig betrachtet und dokumentiert.
Im Ergebnis stellt er überzeugend fest, dass im 1970 erschienenen vierten Ba |
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Ziemann, Sascha, Neukantianisches Strafrechtsdenken - die Philosophie des südwestdeutschen Neukantianismus und ihre Rezeption in der Strafrechtswissenschaft des frühen 20. Jahrhunderts (= Studien zur Rechtsphilosophie und Rechtstheorie 53). Nomos, Baden-Baden 2009. 177 S. Besprochen von Gerhard Köbler. IT |
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Die Arbeit ist die durch ein Seminarreferat über Max Ernst Mayers Schrift über Rechtsnormen und Kulturnormen von 1903 angestoßene, von Ulfrid Neumann betreute, von Cornelius Prittwitz und Wolfgang Naucke unterstützte, im Sommersemester 2008 vom Fachbereich Rechtswissenschaft der Universität Frankfurt am Main angenommene, geringfügig überarbeitete Dissertation des zeitweise bei Cornelius Prittwitz als Hilfskraft tätigen Verfassers. Er geht davon aus, dass der Neukantianismus wegen der Zugehörigkeit Gustav Radbruchs und Hans Kelsens für die Rechtsphilosophie von großer Bedeutung ist. Nicht näher beleuchtet war nach seiner Erfahrung demgenüber bisher die Auswirkung auf die Rechtsdogmatik, insbesondere die Strafrechtsdogmatik, so dass es dort noch eine Lücke zu schließen galt.
Die aus dieser Überlegung erwachsene Studie gliedert er nach Darstellung von Untersuchungsgegenstand, Erkenntnisinteresse und Gang der Gedanken in zwei Teile. Zunächst behandelt er die Philosophie des südwestdeutschen Neukantianismus in ihren Grundlinien vor allem an Hand Wilhelm Windelbands, Heinrich Rickerts und Emil Lasks. Dabei ermittelt er als Methodenaspekt den Grundlegungscharakter der Erkenntnistheorie, als Kulturaspekt die Kultur als Vorgabe und Aufgebe des Philosophierens, als Legitimationsaspekt die Legitimationsfunkion der Wertphilosophie und schildert im Anschluss hieran das transzendentale Begründungsprogramm.
Der zweite Teil wendet sich dann der Rezeption des südwestdeutschen Neukantianismus in der Strafrechtswissenschaft des frühen 20. Jahrhunderts zu. Nach Darlegung des vorangehenden positivistischen Strafrechtsdenkens bei Karl Binding und |
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Zu Diensten Ihrer Majestät. Hofordnungen und Instruktionsbücher am frühneuzeitlichen Wiener Hof, hg. v. Wührer, Jakob/Scheutz, Martin (= Quelleneditionen des Instituts für österreichische Geschichtsforschung 6). Oldenbourg/Böhlau, München/Wien 2011. 1255 S., Abb. Besprochen von Gerhard Köbler. IT |
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Wie jede bedeutendere menschliche Organisation fand auch der Wiener kaiserliche Hof im Laufe der Zeit zu einer mehr oder weniger förmlichen Ordnung. Sie ist vor allem in vier im Haus-, Hof- und Staatsarchiv (Wien) aufbewahrten Amtsbüchern festgehalten, die größtenteils Dienstanweisungen (Instruktionen) für Funktionsträger des kaiserlichen Hofstaats enthalten und deswegen als Instruktionsbücher benannt wurden. Über ihre Geschichte war bisher wenig bekannt.
Deswegen befassen sich die Herausgeber zunächst ausführlich mit der Geschichte der von ihnen vorgelegten Texte. Sorgfältig legen sie im ersten Teil ihrer Editionsvorbemerkung dar, wie der Kaiser seinen Hof vor allem durch vier Hofordnungen des 16. Jahrhunderts ordnete. Danach bieten sie als Dienst an der Wissenschaft detaillierte editionstechnische Überlegungen zur Edition der Hofordnungen und ziehen am Ende eine überzeugende Bilanz.
Der insgesamt recht gewichtige Editionstext betrifft dann die Hofordnungen von 1527, 1529, 1527 und 1530 (S. 343-448) und die Instruktionsbücher 1 (1652-1714), 2 (1715-1753), 3 (1754-1789) und 4 (1792-1808). Umfangreiche Verzeichnisse und Register, in denen die Sache Recht anscheinend keines eigenen Platzes bedarf, schließen die Edition vorteilhaft auf. Wer immer sich mit dem frühneuzeitlichen kaiserlichen Hof in Wien befassen will, wird mit dieser Edition eine beispielhafte Textgrundlage haben, an deren Hand auch vertiefende Überlegungen zum Verhältnis von Sollen und Sein möglich sein werden.
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Innsbruck Gerhard Köbler
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Zweihundert (200) Jahre Badisches Landrecht von 1809/1810, hg. v. Hattenhauer, Christian/Schroeder, Klaus-Peter (= Rechtshistorische Reihe 415). Lang, Frankfurt am Main 2011. VIII, 300 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
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Baden im deutschen Südwesten ist zwar 1951/1952 in der größeren politischen Einheit Baden-Württemberg aufgegangen, hat aber noch heute einen besonderen Rang in der deutschen Landesgeschichte. Begründet ist dieser nicht nur durch die enge Verbindung des Landes mit dem Liberalismus, sondern auch dadurch, dass in Baden insgesamt drei Landrechte geschaffen wurden. Am 2. Januar 1588 erließ Markgraf Philipp II. vor allem nach dem Vorbild Württembergs ein erstes Landrecht, dem 1654 ein seit 1604 vorbereitetes, für 1619 geplantes, 1622 gedrucktes zweites Landrecht folgte, das zum 1. Januar 1810 durch eine deutsche Übersetzung des Code Napoléon Frankreichs mit (270) Zusätzen und Handelsgesetzen abgelöst wurde.
Dieses dritte badische Landrecht zählt über seine nahe Verwandtschaft mit dem Code Napléon zu den großen naturrechtlichen Kodifikationen Europas, die spätestens mit dem Allgemeinen Landrecht Preußens von 1794 einsetzen und über den Code civil Frankreichs von 1804 und das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch Österreichs von 1811/1812 bis zu den Bürgerlichen Gesetzbüchern Sachsens und des zweiten deutschen Reiches sowie der Schweiz führen. Wegen seiner großen Bedeutung hielten das Institut für geschichtliche Rechtswissenschaft der Universität Heidelberg und die Heidelberger rechtshistorische Gesellschaft vom 23. bis 26. September 2009 ein Jubiläumssymposium ab. Die wissenschaftlichen Ergebnisse dieses in den Räumen und im Garten des Internationalen Wissenschaftsforums am Fuße des Heidelberger Schlosses festlich zelebrierten Geburtstages liegen nunmehr dankenswerterweise der gesamten wissenschaftlichen Öffentlichkeit vor.
Insgesamt enthält der Band fünfzehn eindrucksvolle Untersuchungen, für die Adolf Laufs im Festvor |
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Zwischen Wort und Bild. Wahrnehmungen und Bedeutungen im Mittelalter, hg. v. Bleumer, Hartmut/Goetz, Hans-Werner/Patzold, Steffen/Reudenbach, Bruno. Böhlau, Köln 2010. IV, 291 S. Besprochen von Gerhard Köbler. IT |
Ganzen Eintrag anzeigen Zwischen Wort und Bild. Wahrnehmungen und Bedeutungen im Mittelalter, hg. v. Bleumer, Hartmut/Goetz, Hans-Werner/Patzold, Steffen/Reudenbach, Bruno. Böhlau, Köln 2010. IV, 291 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Die Herausgeber eröffnen ihre kurze Einführung mit der Erkenntnis, dass in der Geschichtlichkeit der Geschichtsdarstellung die Mediävistik seit den 1990er Jahren mehr und mehr auch anthropologisch und kulturwissenschaftlich ausgerichtet ist, weil das Verhältnis zwischen geschichtlicher Überlieferung und vergangener Wirklichkeit stark perspektivisch gebrochen ist. Einen unmittelbaren Zugang zur Vergangenheit eröffnen weder Texte noch andere Hinterlassenschaften. Sie bieten vielmehr nur mehrfach gefilterte Darstellungen vergangener Wirklichkeit.
Der aus einem von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten interdisziplinären Forschungsprojekt zu Wahrnehmungs- und Deutungsmustern im europäischen Mittelalter hervorgegangene Sammelband möchte die in diesem Zusammenhang entstandenen Debatten interdisziplinär zusammenführen. Er möchte zugleich aber die jeweils fachspezifischen notwendigen Fragestellungen und Methoden nicht aufweichend beeinflussen. Zu diesem Zweck will er an drei exemplarischen Feldern der Historizität, Identität und Idealität erkunden, welche Erkenntnischancen die interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Wort und Bild für eine Geschichte mittelalterlicher Wahrnehmungen und Deutungen eröffnet.
Insgesamt umfasst er außer der Einführung und einer Zusammenfassung sieben Beiträge. Sie betreffen Körperteil-Reliquiare, Kreuzreliquien, den Gegensatz zwischen dem sichtbaren Geschöpf und dem unsichtbaren Heil, die Narrativität und Visualität im trojanischen Krieg Konrads von Würzburg, die Vorstellungen der Zeiten in der frühmittelalterlichen und hochmittelalterlichen Historiographie, Paulus Diaconus’ Liber de episcopis Mettensibus und die Fremden und Anderen in Brunos Sachsenkrieg. Auf dieser ansprechenden Gru |