Russlandheimkehrer. Die sowjetische Kriegsgefangenschaft im Gedächtnis der Deutschen, hg. v. Scherstjanoi, Elke (= Schriftenreihe der Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte Sondernummer). Oldenbourg, München 2012. VI, 264 S., zahlr. Abb. Besprochen von Gerhard Köbler. |
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Im Krieg wird der Mensch zum erklärten Feind des anderen Menschen. Zwar ist der Tod des anderen Menschen nicht das unbedingte und alleinige Ziel des einen, weil es in erster Linie um Sieg oder Niederlage geht, doch ist der Tod des anderen bei dem Kampf um den Sieg kein Hindernis, sondern vor allem eine Erleichterung im unerbittlichen Ringen. Bei Aufgabe des Kampfes durch Ergebung oder Überwältigung ist der Gegner immer noch Feind, dessen Leben eigentlich erst die neuzeitliche Humanität einigermaßen sichert.
Am 23. August 1939 schlossen Adolf Hitler für das Deutsche Reich und Josef Stalin für die Sowjetunion einen Nichtangriffsvertrag, wobei sie in einem geheimen Zusatzprotokoll eine Abgrenzung der beiderseitigen Interessensphären in Osteuropa vereinbarten. Am 1. September 1939 marschierten deutsche Truppen in Polen ein, am 17. September sowjetische Truppen und am 22. Juni 1941 ließ Adolf Hitler, der 1925 die Vernichtung des Bolschewismus zu einem Hauptziel des Nationalsozialismus erklärt hatte, trotz des Nichtangriffspakts im von Anfang an aussichtslosen Unternehmen Barbarossa die Sowjetunion angreifen. Damit begann ein unbarmherziges Töten auf beiden Seiten, das durch Kriegsgefangenschaft nur bedingt abgemildert wurde und dem auf deutscher Seite weltweit insgesamt 5,3 Millionen Soldaten zum Opfer fielen.
Die zwischen 1976 und 1980 an der staatlichen Kubaner Universität Krasnodar in der Sowjetunion in Geschichte ausgebildete, als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Zeitgeschichte in Berlin tätige, durch Publikationen etwa zur Geschichte der sowjetischen Kontrollkommission in Deutschland, zu Briefen von Rotarmisten aus Deutschland oder zur Agrarpolit |
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Leppin, Volker, Geschichte des mittelalterlichen Christentums (= Neue theologische Grundrisse). Mohr (Siebeck) 2012. XV, 459 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
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Das evangelische Christentum beginnt mit der Reformation am Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit. Deswegen stellt sich die Frage der Beziehung des evangelischen Christentums zur vorreformatorischen Zeit. Die Herausgeber der neuen theologischen Grundrisse sehen das evangelische Christentum nicht nur als evangelisch, sondern auch und vor allem als Christentum und haben deshalb dem Mittelalter einen eigenen Band eingeräumt und den in Helmstedt 1966 geborenen, in Marburg, Jerusalem und Heidelberg in Theologie und Germanistik ausgebildeten, mit einer Dissertation über das Theologieverständnis Wilhelms von Ockham 1994 promovierten, 1997 habilitierten und über Jena (2000) 2010 nach Tübingen berufenen Kirchenhistoriker Volker Leppin damit betraut.
Gegliedert ist das während eines Jahrzehnts allmählich gereifte Werk nach einer Übersicht über die wichtigsten Quellensammlungen für das Studium des Mittelalters und einer Einleitung über die Periodisierung und die Methodik in fünf chronologisch geordnete Kapitel. Sie betreffen die Genese der christlichen Gesellschaft des lateinischen Mittelalters (ca. 500-700), die Verfestigung christlicher Lebensformen zwischen Diesseits und Jenseits (ca. 750-1050), christliche Einheit und ihre Strittigkeit (1050-1215), (leicht überlappend) reale Kirche und ideale Kirche (ca. 1200-1335) und Polaritäten im späten Mittelalter (ca. 1300-1500). Jedes Kapitel der die herkömmliche Dreiteilung des Mittelalters in eine differenziertere religionsgeschichtliche Fünfteilung umwandelnden Darstellung ist in drei bis fünf der insgesamt 20 Paragraphen unterteilt.
Der Verfasser beginnt mit der Konstituierung einer neuen Geographie (Völkerwanderung und Ethnogenese, das römische Reich, das Vordringen des Islam) und endet mit der Sozialgestalt der Kirche zwischen k |
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Die Quellen sprechen lassen. Der Kriminalprozess gegen Joseph Süß Oppenheimer 1737/38. hg. v. Emberger, Gudrun/Kretzschmar, Robert, 2. Aufl.. Kohlhammer, Stuttgart 2012. 135 S., 46 Abb., 2 CD-ROM. Besprochen von Harald Maihold. |
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Kein anderer Name aus der württembergischen Landesgeschichte ist wohl bekannter als derjenige des Joseph Süss Oppenheimer, genannt Jud Süss, der als Hoffaktor, Finanz- und Wirtschaftsberater am Hofe Herzog Karl Alexanders Karriere machte und nach dessen Tod am 12. März 1737 in einem aufsehenerregenden Schauprozess zum Tode verurteilt wurde. Bekannt geworden ist die Geschichte vornehmlich durch ihre literarische und filmische Verarbeitung, angefangen von tendenziösen zeitgenössischen Flugblättern bis hin zu Veit Harlans Propaganda-Film aus dem Jahre 1940. Die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Oppenheimer hinkt dieser Popularisierung des Stoffes hinterher. Die im Landesarchiv Baden-Württemberg gesammelten Quellen waren bisher nur ansatzweise bekannt.
Die vorliegende Publikation, bereits 2009 in erster Auflage erschienen, will die Quellen zum Prozess gegen Oppenheimer zum Sprechen bringen. In seinem einleitenden Beitrag macht der Präsident des Landesarchivs Baden-Württemberg Robert Kretschmar auf die Diskrepanz zwischen dem tradierten literarischen Mythos und der historischen Forschung mit dem Aktenbestand aufmerksam. Bei der historischen Forschung sei zu berücksichtigen, dass die Akten nicht objektiv, sondern mit dem Ziel entstanden seien, eine Verurteilung Oppenheimers zu rechtfertigen. In einem zweiten Beitrag korrigiert Joachim Brüser Fehlvorstellungen über die Rolle, die Oppenheimer in der Politik Herzog Karl Alexanders gespielt habe. Oppenheimer erscheine oft als der eigentliche Monarch bzw. der zweite Mann im Staat. In Wahrheit sei jedoch Karl Alexander nicht der schwache, verführte Herrscher gewesen, sondern habe in seiner Wirtschafts- und Finanzpolitik an seine Erfahrungen in Serbien angeknüpft. Oppenheimers Rolle sei lediglich |
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Schneider, Georg S., Alois Mertes (1921-1985). Das außenpolitische Denken und Handeln eines christlichen Demokraten (= Forschungen und Quellen zur Zeitgeschichte 61). Droste, Münster 2012. 571 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
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Die Arbeit ist die von Klaus Hildeband betreute, im Dezember 2009 von der philosophischen Fakultät der Universität Bonn angenommene Dissertation des 1977 geborenen, in Bonn und Paris in mittlerer und neuerer Geschichte, politischer Wissenschaft und öffentlichem Recht ausgebildeten, seit Anfang 2010 in der Hauptabteilung Begabtenförderung und Kultur der Konrad-Adenauer-Stiftung in Sankt Augustin tätigen Verfassers. Alois Mertes war um 1980 einer der bekanntesten katholischen deutschen Außenpolitiker. Sein Denken und Wirken ist Gegenstand der vorliegenden, ansprechend ausgestatteten, eine Lücke schließenden Arbeit.
Gegliedert ist sie nach einer kurzen Einleitung über Vorgehensweise, Forschungsstand und Quellenlage chronologisch in vier Abschnitte. Sie betreffen die Anfänge bis 1952, den Diplomaten bis 1971 und den Außenpolitiker bis 1985 Dem kurzen Abschied folgt noch eine zusammenfassende Schlussbetrachtung.
Ausgangspunkt der sorgfältigen überzeugenden Betrachtung ist der umfangreiche Nachlass des in Gerolstein am 29. Oktober 1921 geborenen, nach dem Abitur in Prüm 1940 eingezogenen, nach der Kriegsgefangenschaft Rechtswissenschaft, Geschichte und Romanistik in Bonn und Paris studierenden und 1951 über Frankreichs Stellungnahme zur deutschen Revolution 1848 in der Geschichtswissenschaft promovierten Mertes. 1952 trat Mertes in den diplomatischen Dienst der Bundesrepublik Deutschland ein, in dem er unter Anderem das Referat Europäische Sicherheit und regionale Abrüstung übernahm. 1972 wurde er in den Deutschen Bundestag gewählt und gestaltete ab 1982 bis zu seinem frühen Tod am 16. Juni 1985 zumindest für einige Jahre als Staatsminister unter dem ihm früh bekannten Helmut Kohl bedeutsame Felder der deut |
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Eichmann in Jerusalem - 50 Years After. An Interdisciplinary Approach, hg. v. Ambos, Kai/Pereira Coutinho, Luis/Palma, Naria Fernanda u. a. (= Studies in International and European Criminal Law and Procedure 14). Duncker& Humblot, Berlin 2012. 199 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
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Der in Solingen am 19. März 1906 geborene, ohne beruflichen Abschluss gebliebene, 1927 in die Frontkämpfervereinigung Deutsch-Österreichs, im April 1932 in die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei Österreichs und die SS eingetretene, durch Bekanntschaft mit Ernst Kaltenbrunner zum Leiter des für die Organisation der Vertreibung und Deportation der Juden zuständigen Referats des Reichssicherheitshauptamts in Berlin aufgestiegene Adolf Eichmann war mitverantwortlich für die Ermordung von etwa sechs Millionen Juden in Europa. Nach dem zweiten Weltkrieg konnte er unter verschiedenen falschen Namen überleben und 1950 mit Hilfe des Pfarrers von Sterzing und des österreichischen Bischofs Alois Hudal im Vatikan über Italien als Riccardo Klement nach Argentinien auswandern. 1957 wurde Fritz Bauer von dem mit ihm befreundeten Lothar Hermann aus Buenos Aires auf die Sachlage aufmerksam gemacht, am 11. Mai 1960 Eichmann von Fahndern Israels ergriffen und am 22. Mai 1960 heimlich in einem Flugzeug der Fluggesellschaft El Al nach Israel gebracht, wo er am 31. Mai 1962 nach einem Todesurteil hingerichtet wurde.
Die in Linden am 14. Oktober geborene Hannah Arendt emigrierte wegen der Entrechtung und Verfolgung jüdischer Menschen 1933 aus dem Deutschen Reich, das sie 1937 ausbürgerte. Nach dem zweiten Weltkrieg wies sie besonders darauf hin, dass das Deutsche Reich durch unmenschliche Verbrechen das moralische Gefüge vernichtet habe. 1961 nahm sie als Reporterin der Zeitung The New Yorker am Prozess gegen Adolf Eichmann Teil und verfasste einen bewegenden Bericht von der Banalität des Bösen mit dem Titel Eichmann in Jerusalem.
Fünfzig Jahre später fa |
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Blickle, Peter, Unruhen in der ständischen Gesellschaft 1300-1800 (= Enzyklopädie deutscher Geschichte 1), 3. Aufl. Oldenbourg, München 2012. VIII, 179 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
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Der Stand gehört zu dem starken Verb stehen, stand, gestanden und ist damit die Stelle, an der ein Mensch in der Gesellschaft steht. Die vor der mit der französischen Revolution des Jahres 1789 einsetzenden formalen Egalisierung aller Menschen bestehende europäische Gesellschaft ist durch die Einteilung in unterschiedliche Stände gekennzeichnet. Sie ist stationär und nicht dynamisch, sie will Ruhe bewahren und muss deswegen Unruhe vermeiden, so dass Unruhe in ihr immer nur die Ausnahme von ihrem Grundsatz sein kann, weshalb Unruhen in der ständischen Gesellschaft eigentlich ein Widerspruch in sich sein sollten oder könnten.
Peter Blickle hat diesen Gegensatz schöpferisch aufgegriffen und im Jahre 1988 als Band 1 einer Enzyklopädie deutscher Geschichte behandelt. Gedanklich legte er nach seinem Vorwort die Überlegung zu Grunde, dass entsprechend den seinerzeitigen Forschungsfeldern und Diskussionsschwerpunkten der Gegenstandsbereich soziale Konflikte nicht nur für das 19. und 20. Jahrhundert zu thematisieren sei, sondern auch für die vorrevolutionäre Periode der deutschen Geschichte aufgegriffen werden müsse. Deswegen versuchte er erstmals, Unruhen auf dem Lande und in der Stadt sowie in Spätmittelalter und Frühneuzeit darzustellen, auf dabei erkennbare Gemeinsamkeiten hinzuweisen und damit Unruhe als geradezu wesentlich für die ständische Gesellschaft zu erfassen.
Zwei Jahrzehnte später konnte er mit Genugtuung feststellen, dass Unruhe seit seiner Ersterscheinung bemerkenswert an Interesse gewonnen habe. Die dabei erzielten Erkenntnisgewinne ließen sich synthetisch aber nur mittels einer großangelegten Monographie sinnvoll bearbeiten, so dass sie in eine zweite Auflage des Bandes nur unter 5. Unruhen-Forschung zwischen 1988 und 2008 - Vom Re |
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Denzel, Markus A., Der Nürnberger Banco Publico, seine Kaufleute und ihr Zahlungsverkehr (1621-1827) (= Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte Beiheft 217). Steiner, Stuttgart 2012. 341 S., Kart. Besprochen von Gerhard Köbler. |
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Der in Nürnberg 1967 geborene Verfasser erwarb mit einer von Jürgen Schneider betreuten Arbeit über den kurialen Zahlungsverkehr im 13. und 14. Jahrhundert auf der Grundlage der Servitien- und Annatenzahlungen aus dem Bistum Bamberg an der Universität Bamberg 1991 das Diplom in Geschichte und wurde 1993/1994 mit einer Dissertation über den europäischen Zahlungsverkehr vom 14. bis zum 17. Jahrhundert promoviert. Nach der Promotion wechselte er als Assistent zu Karl Heinrich Kaufhold nach Göttingen, wo er 1997 habilitiert wurde. Seit 2002 ist er Inhaber des Lehrstuhls für Sozialgeschichte und Wirtschaftsgeschichte am historischen Seminar der Universität Leipzig und durch weitere Untersuchungen zum Zahlungsverkehr hervorgetreten, so dass er für das vorliegende Werk bestens ausgewiesen ist.
Der in Nürnberg 1621 gegründete Banco Publico ist mit gleichen Einrichtungen in Venedig, Amsterdam und Hamburg eine der (vier) öffentlichen Girobanken in Europa für den bargeldlosen Zahlungsverkehr. Er hatte zwar langfristig den geringsten Erfolg, hinterließ aber umfangreiche Quellen. Da sie noch nicht hinreichend ausgewertet sind, legt der Verfasser eine neue, weiterführende Untersuchung vor.
In ihr stellt er nach einer klaren und kurzen Einleitung über den Forschungsstand, die sehr reichen Quellen und deren methodische Herausforderung einen Überblick über die im westlichen Mittelmeerraum entstandenen öffentlichen Banken in Europa (Aragón, Genua, Venedig, Amsterdam, Hamburg, Leipzig, Wien und Berlin) vor. Danach schildert er an Hand ausgesuchter Quellen Entstehung, Funktionsweise, Geschäftstätigkeit, (christliche Nürnberger und jüdische umländische) Kaufleute und Konkurrenten (Brandenburg-Ansbach-Bay |
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Utz Tremp, Kathrin, Fiat littera ad dictamen sapientum. Notare, Lombarden und Juden in Freiburg im Üchtland (14. Jahrhundert). Nomos, Baden-Baden 2012. XI, 381 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen Utz Tremp, Kathrin, Fiat littera ad dictamen sapientum. Notare, Lombarden und Juden in Freiburg im Üchtland (14. Jahrhundert). Nomos, Baden-Baden 2012. XI, 381 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Die Verfasserin schloss ihr Studium der mittelalterlichen und modernen Geschichte sowie der germanistischen Mediävistik an den Universitäten Bern, München und Freiburg im Üchtland 1982 auf Grund einer Untersuchung über das Kollegiatstift Sankt Vinzenz in Bern (von 1484/1485-1528) mit dem Doktorat in mittelalterlicher Geschichte ab. Von 1990 bis 1995 wirkte sie als Oberassistentin in Lausanne, wo sie nach umfangreichen Studien über Waldenser, Wiedergänger, Hexen und Rebellen im Jahre 2000 habilitiert wurde. Seit 1999 ist sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Staatsarchiv Freiburg tätig, wo sie die Dokumente des Mittelalters und der frühen Neuzeit betreut.
Ausgangspunkt des vorliegenden neuen Werkes ist der Umstand, dass die Westschweiz im Mittelalter eine historische Quelle hervorgebracht hat, die es in dieser Form in der Deutschschweiz nicht gibt, nämlich das von Italien und Savoyen aus eingedrungene Register des öffentlichen Notariats, das im Wallis am Ende des 13. Jahrhunderts, in Freiburg in der Mitte des 14. Jahrhunderts, im Waadtland wenige Jahre danach und in Genf am Ende des 14. Jahrhunderts einsetzt. Obwohl ihre überwiegenden Zahl verloren gegangen sein dürfte, sind fast 800 derartige Quellen noch überliefert.
Davon untersucht die Verfasserin drei Freiburger Beispiele näher. Es handelt sich um das Registrum Lombardorum aus der Mitte des 14. Jahrhunderts (Staatsarchiv Freiburg, NR 9/1), das erste Notariatsregister des Heinrich Nonans von Schwarzenburg (Staatsarchiv Freiburg NR 20) und das zweite Notariatsregister desselben Autors (Staatsarchiv Freiburg, NR 1009), wobei Fru Utz Tremp jeweils genau auf die Anatomie des Registers, die Typologie der Instrumente, die Kunden und die notariellen Anweisungen und Ausfertigungen ei |
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Kuhli, Milan, Carl Gottlieb Svarez und das Verhältnis von Herrschaft und Recht im aufgeklärten Absolutismus (= Studien zur europäischen Rechtsgeschichte 272). Klostermann, Frankfurt am Main. 2012. XI, 303 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen Kuhli, Milan, Carl Gottlieb Svarez und das Verhältnis von Herrschaft und Recht im aufgeklärten Absolutismus (= Studien zur europäischen Rechtsgeschichte 272). Klostermann, Frankfurt am Main. 2012. XI, 303 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Carl Gottlieb Svarez wurde in Schweidnitz am 27. Februar 1746 als Sohn des Advokaten und Ratsherrn Gottfried Svarez’, der aus nicht mehr aufklärbaren Beweggründen den hergebrachten Familiennamen Schwartz in Suarez beziehungsweise Svarez umformte, geboren. Nach dem 1762 aufgenommenen Rechtsstudium in Frankfurt an der Oder (Johann Samuel Friedrich Böhmer, Joachim Georg Darjes) trat er 1765 in Breslau bei der Oberamtsregierung in den Staatsdienst ein, in dem er einen ungebrochenen Aufstieg erfuhr. 1780 wechselte er mit dem Großkanzler Carmer nach Berlin, wo er unter steter Berücksichtigung des heimischen Rechtes das Allgemeine Landrecht Preußens vorbereitete, aber wenige Jahre nach dessen Inkraftsetzung bereits am 14. Mai 1798 verstarb.
Der nach dem Vorwort als Sohn eines Pfarrers und einer Oberstudienrätin geborene Verfasser wurde in Frankfurt am Main im Jahre 2008 auf Grund seiner rechtswissenschaftlichen Dissertation über das Völkerstrafgesetzbuch und das Verbot der Strafbegründung durch Gewohnheitsrecht promoviert. Die vorliegende, von Lothar Gall betreute Arbeit wurde im Wintersemester 2010/2011 vom Fachbereich Philosophie und Geschichtswissenschaften der Universität Frankfurt angenommen. In ihr setzt sich der damit multidisziplinär ausgewiesene Verfasser zum Ziel, Svarez’ Reflexionen zum Verhältnis von Herrschaft und Recht näher zu analysieren.
Zu diesem Zweck untersucht er nach einer kurzen Darstellung der Person und des Werdegangs veröffentlichte und unveröffentlichte Schriften Svarez’ und überprüft die praktische Umsetzung der darin enthaltenen Überlegungen im Allgemeinen Gesetzbuch für die preußischen Staaten von 1791 und in dem 1794 auf dessen Grundlage in Kraft getretenen Allgemei |
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Verfassungsrechtsprechung, hg. v. Menzel, Jörg/Müller-Terpitz, Ralf, 2. Aufl. Mohr (Siebeck), Tübingen 2011. XII, 947 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen Verfassungsrechtsprechung, hg. v. Menzel, Jörg/Müller-Terpitz, Ralf, 2. Aufl. Mohr (Siebeck), Tübingen 2011. XII, 947 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Im Jahre 2000 nahmen Assistenten und Mitarbeiter der Universität Bonn das Erscheinen des hundertsten Bandes der Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Deutschlands zum Anlass, eine Sammlung von hundert Entscheidungen dieses Gerichts zu veröffentlichen. Leitende Vorstellung war dabei der Satz des früheren Richters am Supreme Court der Vereinigten Staaten von Amerika Charles H. Hughes, dass the constitution is what the judges say it is. Diese Radizierung der Verfassung auf die Aussprüche der Verfassungsrichter haben die Bearbeiter sehr zu Recht auf die Machtfülle des Bundesverfassungsgerichts Deutschlands übertragen.
Zum sechzigsten Geburtstag dieses Gerichts im Herbst 2011 haben die Herausgeber unterstützt von 22 inzwischen vielfach an anderen Orten und in anderen Stellungen tätigen Kollegen den gewichtigen Band neu veröffentlicht. Erweitert ist er (etwas gewollt wirkend) angesichts des Vorliegens von 127 offiziellen Entscheidungsbänden inzwischen um 27 neuere Entscheidungen. Ziel ist es gleichwohl unverändert, der Bedeutung der Verfassungsrechtsprechung für das deutsche Staatsleben und Rechtsleben in konkreten Bezügen nachzugehen.
An den Anfang stellt Jörg Menzel als Bonner Privatdozent, der im Übrigen 14 Entscheidungen selbst bearbeitet hat, einführende Überlegungen zu 60 Jahren Verfassungsgerichtsbarkeit, zum Bundesverfassungsgericht und zur grundlegenden Bedeutung seiner Rechtsprechung. Danach beginnt das Werk mit der in der verwendeten Entscheidungssammlung in Band 1, 208 veröffentlichten Entscheidung (SSW I) über die Zulässigkeit von Sperrklauseln, Wahlgleichheit und Wahlsystem, Mehrheitswahl und Verhältniswahl und Stellung von politischen Parteien im Verfassungsprozess, wobei im Übrigen die leichtere Erkennbarkeit des Entscheidungsdatums an allen Stellen nicht v |
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Haberlah-Pohl; Annett, Münchberg. Der Altlandkreis (Historischer Atlas von Bayern, Teil Franken Reihe I, Band 39), München 2011. LXX, 534 S., 3 Skizzen, 6 Abb., 2 Kartenbeilagen. Besprochen von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen Haberlah-Pohl; Annett, Münchberg. Der Altlandkreis (Historischer Atlas von Bayern, Teil Franken Reihe I, Band 39), München 2011. LXX, 534 S., 3 Skizzen, 6 Abb., 2 Kartenbeilagen. Besprochen von Gerhard Köbler.
Da der Mensch unentrinnbar in die Geschichte eingebunden ist, ist auch ein historischer Atlas eine wissenschaftsgeschichtliche Notwendigkeit. Die Grundlage für einen besonderen historischen Atlas von Bayern wurde bereits 1906 durch Gründung eines eigenen Vereins zur Herausgabe gelegt, an dessen Stelle 1948 nach seiner Auflösung die ihn seit 1927 unterstützende Kommission für bayerische Landesgeschichte trat. Die auf bis um 1800 gültige ältere Landgerichtsbezirke bzw. auf bis 1972 bestehende Landkreise ausgerichtete Gliederung der Reihe 1 der Veröffentlichungen war (2010) für mindestens 112 Einheiten (61 in Altbayern, 34 in Franken, 17 in Schwaben) bereits verwirklicht und befindet sich für noch höchstens 35 Einheiten bis zu einem geplanten Abschluss im Jahre 2030 in der Entstehung.
Münchberg ist mit fast 11000 Einwohnern die größte Stadt des jetzigen Landkreises Hof. Der vorliegende, den Altlandkreis Münchberg betreffende Band ist nach seinem Vorwort weitgehend identisch mit der von Wolfgang Wüst betreuten, im Sommer 2008 von der philosophischen Fakultät und (dem) Fachbereich Theologie der Universität Erlangen-Nürnberg angenommenen Dissertation der Verfasserin, auf welche die Kommission für bayerische Landesgeschichte im Vorübergehen kurz aufmerksam machte. 2009 fügte die Verfasserin einen dritten Teil über die Behördengliederung bis zum Ende des 20. Jahrhunderts an.
Im ersten Teil ihrer sorgfältigen Untersuchung behandelt die Verfasserin die Herrschaftskräfte und Herrschaftsformen vom Spätmittelalter bis zum Ende des alten Reiches, wobei als Herrschaftsträger der Bischof von Würzburg, das Hochstift Bamberg, die Klöster Sparneck, Himmelkron, Langheim, Waldsassen, Hof und Speinshart, die Markgrafen von Schweinfurt, die |
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Schack, Haimo/Ackmann, Hans-Peter, Das Bürgerliche Recht in 100 Leitentscheidungen. Mohr (Siebeck), Tübingen 2011. XV, 632 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen Schack, Haimo/Ackmann, Hans-Peter, Das Bürgerliche Recht in 100 Leitentscheidungen. Mohr (Siebeck), Tübingen 2011. XV, 632 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Scire leges non est verba eorum tenere sed vim ac potestatem (lat.). Die Gesetze zu kennen, heißt nicht, ihre Worte behalten, sondern ihre Macht und ihr Vermögen. Dies hat bereits der etwa zwischen 70 und 140 nach Christi Geburt lebende römische Rechtskundige Celsus in einer durch die Digesten Justinians überlieferten Rechtsregel zum Ausdruck gebracht.
Was freilich vis und potestas der lex jeweils sind, ist nicht immer leicht zu erkennen. Am ehesten gelingt dies den erfahrenen Rechtskundigen, zu denen in der Gegenwart die Richter der führenden Gerichte zählen, selbst wenn sie ihre Erkenntnis nicht in erster Linie durch ihre Vernünftigkeit, sondern vor allem mittels des ihnen anvertrauten Amtes durchsetzen können und wohl auch wollen. Die dabei erlangten Fähigkeiten sind das Ziel jedes neu sich in den Dienst des Rechtes stellenden Anfängers, weshalb nicht nur im angelsächsischen Recht das Wissen um leading cases unabdingbar ist, sondern auch in der deutschen Ausbildung die grundlegenden Entscheidungen der Bundesgerichte vielfache Einsichten vermitteln können und sollen.
Im Jahre 1989 haben die beiden 1952 bzw. 1954 geborenen, in Berkeley in Kalifornien fortgebildeten, zuletzt in Kiel und Köln tätigen Verfasser ihr Werk unter dem Titel Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Bürgerlichen Recht als Arbeitsmaterial zur Begleitung von Vorlesungen, als Hilfe für die Vorbereitung auf Klausuren in Übungen und als Dienstleistung für die Examensvorbereitung im Verlag Beck erstmals vorgelegt und sich dabei das amerikanische Lernen am Casebook bewusst zum Vorbild gegenüber den gelegentlichen blutleeren Beispielsfällen vieler deutscher Lehrbücher genommen. Nach der fünften Auflage des Jahres 2004 haben sie den Verlag und 15 Fälle gewechselt. Möge den Studierenden das sorgfältige Lerne |
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Bauer, Jörg-Christof, Der Beitrag der FDP-Fraktion im Parlamentarischen Rat zur Ausarbeitung des Grundgesetzes (= Rechtsgeschichtliche Studien 56). Kovač, Hamburg 2013. 295 S. Besprochen von Werner Schubert. |
Ganzen Eintrag anzeigen Bauer, Jörg-Christof, Der Beitrag der FDP-Fraktion im Parlamentarischen Rat zur Ausarbeitung des Grundgesetzes (= Rechtsgeschichtliche Studien 56). Kovač, Hamburg 2013. 295 S. Besprochen von Werner Schubert.
Während der Einfluss der CDU/CSU und der Sozialdemokratie auf das Grundgesetz bereits monographisch oder quellenmäßig erschlossen ist (vgl. S. 14, Fn. 13), fehlt es bislang an einer umfassenden Darstellung darüber, inwieweit die FDP-Fraktion im Parlamentarischen Rat auf die Entstehung des Grundgesetzes Einfluss genommen hat. Es ist deshalb zu begrüßen, dass sich Bauer dieser Thematik in seiner Dissertation von 2012 angenommen hat. Ziel der Arbeit von Bauer war es darzustellen, „auf welchen Gebieten die Liberalen ihre Vorstellungen zum Tragen bringen konnten, wo sie mit ihren Konzepten scheiterten oder wo sie zum Mittler zwischen den großen Fraktionen von SPD und CDU/CSU wurden“ (S. 18). Keine Stellung nimmt Bauer „zu den weltanschaulichen und politischen Auseinandersetzungen, die im Grundgesetz ihren Niederschlag gefunden haben“. Es gehe nicht darum, „Entscheidungen im Parlamentarischen Rat als richtig oder falsch einzuordnen, und es ist auch nicht intendiert, die Arbeit einzelner Abgeordneter im Sinne einer Leistungsbemessung positiv oder negativ hervorzuheben“. Ein Urteil darüber bleibe einer „wertenden Geschichtsschreibung überlassen“ (S. 19f.). Grundlage der Arbeit sind neben den gedruckten Quellen zum Parlamentarischen Rat auch die Unterlagen der FDP-Fraktion im Parlamentarischen Rat und die Nachlässe von Dehler, Reif und Becker (Archiv des Liberalismus der Friedrich-Naumann-Stiftung, Gummersbach). Die FDP wurde erst am 11./12.12.1948 in Heppenheim als liberale westdeutsche Gesamtpartei begründet, über deren programmatische Ausrichtung nähere Ausführungen fehlen. Die aus den Ländern entsandten Abgeordneten der dort vertretenen FDP, LDP und DVP konstituierten sich im Parlamentarischen Rat als Fraktion, der angehörten: Theodor He |
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Biographisches Handbuch des deutschen auswärtigen Dienstes 1871-1945, hg. v. Auswärtigen Amt - historischen Dienst, Band 4 S, bearb. v. Isphording, Bernd/Keiper, Gerhard, Kröger, Martin. Schöningh, Paderborn 2012. XIV, 413 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen Biographisches Handbuch des deutschen auswärtigen Dienstes 1871-1945, hg. v. Auswärtigen Amt - historischen Dienst, Band 4 S, bearb. v. Isphording, Bernd/Keiper, Gerhard, Kröger, Martin. Schöningh, Paderborn 2012. XIV, 413 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Mit der Gründung des (zweiten) Deutschen Reiches zum 1. Januar 1871 trat dieser neue Staat an Stelle seiner vorangehenden unterschiedlichen Teile in die Weltgemeinschaft aller Staaten ein. Dies hatte gewissermaßen von selbst Beziehungen zu den anderen Völkerrechtssubjekten zur Folge, die je nach der örtlichen oder politischen Nähe oder Ferne unterschiedlich dicht waren. In jedem Fall war eine neue staatliche Behörde erforderlich, selbst wenn sie sich auf Erfahrungen und Bedienstete der Vorgänger stützen konnte.
Als dieser Staat am 30. Januar 1933 unter die Zuständigkeit des neuen Reichskanzlers Adolf Hitler gelangte, wurde auch der auswärtige Dienst seinen Zugriffsmöglichkeiten unterstellt. Die dabei eintretenden äußeren wie inneren Wandlungen sind seit einiger Zeit in die allgemeinere öffentliche Aufmerksamkeit gelangt. Deswegen wird seit mehr als einem Jahrzehnt das vorliegende Werk erarbeitet, dessen erste drei Bände 2000, 2005 und 2008 erschienen.
Dem folgt nun der mit Hermann Sabath beginnende und mit Julius Szczesny schließende und damit den gesamten Buchstaben S (darunter etwa Friedrich Werner Graf von der Schulenburg, Friedrich Sieburg, Johannes Spörl und Gustav Stresemann) umfassende Band. Seine Anlage wurde im Vergleich zu den Vorgängerbänden so wenig geändert, dass der Inhalt nach dem Inhaltsverzeichnis auf das Verzeichnis der Abkürzungen, den Abbildungsnachweis und die schätzungsweise 400, grundsätzlich mit einem veranschulichenden Lichtbild versehenen Biographien beschränkt bleiben konnte. Auch wenn die meisten der Angehörigen des auswärtigen Dienstes zwischen 1871 und 1945 der Gegenwart kaum bekannt sind, wird doch auch durch diesen Band des verdienstlichen |
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Jakobi, Claudia, Die vieldeutige Betriebsgemeinschaft. Ihre Funktion im Arbeitsrecht der Weimarer Republik und der NS-Zeit (= Rechtsgeschichtliche Studien 55). Kovač, Hamburg 2013. XXXIII, 252 S. Besprochen von Werner Schubert. |
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Die „Betriebsgemeinschaft“ als „Wertbegriff“ (Axel Görlitz [Hrsg.], Handlexikon zur Rechtswissenschaft, 1974, S. 47) und als ausfüllungsbedürftiges Organisationsprinzip hat erstmals im Arbeitsrecht der Weimarer Zeit, ausgehend von einer Entscheidung des Reichsgerichts vom 6. 2. 1923 (RGZ 106, 272, 275f.) größere Beachtung gefunden. Ziel der Arbeit Claudia Jakobis ist es, die „Betriebsgemeinschaft“ während der Weimarer Zeit und der NS-Zeit und ihre Funktion im Arbeitsrecht darzustellen. Zu analysieren war nach Jakobi das „Bestehen von Aufgaben in Form von Rechten und Pflichten sowohl der Betriebsleitung als auch der Beschäftigten“. Insoweit galt es, „mögliche Konsequenzen bei Verstößen gegen diese Pflichten darzustellen“. Da auch das Vorhandensein von Gremien der Betriebsgemeinschaft ihr Gepräge geben, liegt ein Schwerpunkt der Arbeit in der Darstellung „der im Betrieb vorhandenen Organe, ihres Verhältnisses zur Betriebsleitung und den Beschäftigten sowie der einzelnen Funktionen“ (S. 2). Im zweiten Teil ihrer Arbeit geht Jakobi den Ursprüngen des Betriebsgemeinschaftsgedankens im Werk von Otto von Gierke, Ferdinand Tönnies und in den Gesetzen bis 1919 nach (S. 5-16). Im Abschnitt: „Der Betriebsgemeinschaftsgedanke in der Weimarer Republik“ (S. 17-88) behandelt Jakobi den Räteartikel 165 der Weimarer Reichsverfassung und die Betriebsgemeinschaft im Betriebsrätegesetz von 1920 in Abschnitten über die Personen im Betrieb, die Betriebsvertretungen , die Betriebsversammlungen, das Arbeitsziel, über die Rechte und Pflichten der Betriebsgemeinschaftsmitglieder sowie des Arbeitnehmers sowie die Rechte und Pflichten des Betriebsrats und des Arbeiter- und Angestelltenrats.
Auch wenn in der Weimarer Zeit am schuldr |
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Braun, Bernd, Die Weimarer Reichskanzler - zwölf Lebensläufe in Bildern (= Photodokumente zur Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien 7). Droste, Düsseldorf 2011. 503 S. Besprochen von Karsten Ruppert. |
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Für Bernd Braun war der Antrieb zur Herausgabe dieses Fotobandes über die Weimarer Reichskanzler der Wunsch, eine Art historische Wiedergutmachung zu leisten. Denn er beklagt eingangs, dass diese heute fast ganz vergessen seien. Damit aber geschehe ihnen Unrecht, da sie sich bemüht und nicht weniger geleistet hätten als die Kanzler anderer Epochen der deutschen Geschichte. Ihr Schicksal sei es gewesen, dass Wirtschaft, Parteiensystem und Verfassung ihnen ihre Arbeit so erschwert hätten, dass allen nur kurze Regierungszeiten beschieden gewesen seien und letztlich die Republik, für die sie sich einsetzten, gescheitert sei.
Einleitend wird der Versuch einer kollektiven Lebensbeschreibungen der 12 Kanzler unternommen, der einige interessante Einsichten vermittelt. Die meisten hätten sich nicht nach dem Amt gedrängt, sondern es mehr aus Pflicht übernommen; erschwert worden sei es ihnen auch dadurch, dass die wenigsten anders als in der Bundesrepublik zum Zeitpunkt des Amtsantritts weder Parteivorsitzende noch Fraktionsvorsitzende gewesen seien. Sozial seien sie dem Bürgertum und Kleinbürgertum zuzurechnen - bis auf den Uradligen von Papen und den relativen Neuadligen (18. Jahrhundert) von Schleicher. Von den Sozialdemokraten abgesehen, hatten alle eine akademische Karriere oder die Offizierslaufbahn durchschritten. Bemerkenswert, dass das Durchschnittsalter aller Kanzler geringer war als das ihrer Vorgänger und Nachfolger und dass nur die Reichsländer Preußen und Baden Kanzler gestellt haben. Die christlichen Konfessionen waren in etwa gleichmäßig vertreten; die Sozialdemokraten bezeichneten sich aber durchgehend als “Dissidenten”.
So interessant diese Ausführungen sind, so wenig erhellend sind die eingefügten |
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Preuß, Hugo, Gesammelte Schriften, Band 5 Kommunalwissenschaft und Kommunalpolitik, hg. v. Müller, Christoph (= Preuß, Hugo, Gesammelte Schriften im Auftrag der Hugo-Preuß-Gesellschaft e. V., hg. v. Lehnert, Detlef/Müller Christoph, Band 5). Mohr (Siebeck), Tübingen 2012. X, 885 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
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Hugo Preuß wurde in Berlin am 28. Oktober 1860 als Sohn eines wohlhabenden jüdischen Kaufmanns geboren. Nach dem Rechtsstudium in Berlin und Heidelberg und der Habilitation an der Universität Berlin im Jahre 1889 wurde er Privatgelehrter und Politiker und 1906 Professor an der Handelshochschule in Berlin. Besondere Bedeutung erlangte er als einer der führenden Köpfe bei der Gründung der Deutschen Demokratischen Partei (DDP) dadurch, dass ihn nach dem Ende der Monarchie 1918 der die Geschäfte des Reichskanzlers ausführende Vorsitzende der Sozialdemokratischen Partei (Friedrich Ebert) als Vorsitzender des Rates der Volksbeauftragten im Februar 1919 zum Innenminister des Deutschen Reiches berief und ihn mit dem Entwurf einer Verfassung beauftragte, aus dem dann die (Weimarer) Reichsverfassung des Deutschen Reiches (in der Form der Weimarer Republik) hervorging.
Da das Verfassungswerk von Weimar an vielen Widersprüchen und Blockaden zerbrach, fand Hugo Preuß im öffentlichen Bewusstsein nicht den Platz, den er verdient, seine Schriften wurden sogar gut sieben Jahre nach seinem Tod (in Berlin am 9. Oktober 1925) als undeutsch am 10. Mai 1933 verbrannt. Diese fehlende Anerkennung nahm eine Gruppe Interessierter zum Anlass, das gesamte Werk Hugo Preuß’ zunächst nur gestützt auf Mitgliedsbeiträge der im Jahre 2000 gegründeten Hugo-Preuß-Gesellschaft und Spenden der Allgemeinheit in würdiger Form zur Verfügung zu stellen. Diese Edition, von der Band 1 Politik und Gesellschaft im Kaiserreich hg. v. Albertin, Lothar, Band 2 Öffentliches Recht und Rechtsphilosophie im Kaiserreich, hg. v. Schefold, Dian, Band 3 Die Verfassung der Weimare |
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Brandes, Detlev, „Umvolkung, Umsiedlung, rassische Bestandsaufnahme“ - NS-„Volkstumspolitik“ in den böhmischen Ländern (= Veröffentlichungen des Collegium Carolinum 125). Oldenbourg, München 2012. VI, 309 S. Besprochen von Werner Augustinovic. |
Ganzen Eintrag anzeigen Brandes, Detlev, „Umvolkung, Umsiedlung, rassische Bestandsaufnahme“ - NS-„Volkstumspolitik“ in den böhmischen Ländern (= Veröffentlichungen des Collegium Carolinum 125). Oldenbourg, München 2012. VI, 309 S., Tab. Kart. Besprochen von Werner Augustinovic.
Mit seinem (ehedem nicht publizierten) Erlass vom 7. Oktober 1939 beauftragte Adolf Hitler unmittelbar nach Abschluss des Polenfeldzuges den Reichsführer-SS Heinrich Himmler mit der „Festigung deutschen Volkstums“ und übertrug ihm damit „1. Die Zurückführung der für die endgültige Heimkehr in das Reich in Betracht kommenden Reichs- und Volksdeutschen im Ausland, 2. die Ausschaltung des schädigenden Einflusses von solchen volksfremden Bevölkerungsteilen, die eine Gefahr für das Reich und die deutsche Volksgemeinschaft bedeuten, 3. die Gestaltung neuer deutscher Siedlungsgebiete durch Umsiedlung, im besonderen durch Seßhaftmachung der aus dem Ausland heimkehrenden Reichs- und Volksdeutschen“ (zit. nach: Moll, „Führer-Erlasse“ 1939-1945“, Dok. 12, S. 101). Dieser Verwaltungsakt offenbart das ernsthafte Bestreben der nationalsozialistischen Ideologen, eine auf dem Rassebegriff aufbauende, langfristige Absicherung der deutschen Hegemonie zu etablieren; die Umsetzung in Form konkreter Maßnahmen wurde pragmatisch den jeweiligen Erfordernissen angepasst, mit dem Hauptziel, die Substanz des deutschen „Volkskörpers“ zu mehren und diesen in die Lage zu versetzen, den ihm zugewiesenen Herrschaftsaufgaben auch in Zukunft gerecht zu werden.
Im Gegensatz zur Situation in Polen, das kriegerisch niedergerungen werden musste, konnte sich das Deutsche Reich der Tschechoslowakei 1938/1939 mittels massiven diplomatischen Drucks bereits in Friedenszeiten bemächtigen. Im Ergebnis zeigt sich hier wie dort eine ähnliche Verwaltungsstruktur: Den „eingegliederten Ostgebieten“ des deutsch besetzten Polen kann in der zerschlagenen Tschechei der „Reichsgau Sudetenland“, dem „Generalgouvernement“ das „Reichspro |
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Hugo, Ludolf, Vom Missbrauch der Appellation, eingeleitet und hg. v. Oestmann, Peter, übersetzt v. Hugo, Bernd-Lothar von (= Quellen und Forschungen zur höchsten Gerichtsbarkeit im alten Reich 62). Böhlau, Köln 2012. X, 221 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen Hugo, Ludolf, Vom Missbrauch der Appellation, eingeleitet und hg. v. Oestmann, Peter, übersetzt v. Hugo, Bernd-Lothar von (= Quellen und Forschungen zur höchsten Gerichtsbarkeit im alten Reich 62). Böhlau, Köln 2012. X, 221 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
In Wolfenbüttel erschien im Jahre 1662 im Umfang von 175 Seiten das Werk Ludolphi Hugonis de abusu appellationum tollendo et Camera Imperiali immenso earum cumulo levanda consultatio. Sein Verfasser wurde als Sohn des braunschweig-lüneburgischen Amtmanns Statius Hugo in Rehburg vermutlich im Mai 1632 geboren, begann 1649 ein Studium an der Universität Helmstedt (auch bei Hermann Conring), wechselte nach drei Jahren nach Leiden und wurde nach einem nicht genauer festlegbaren Aufenthalt am Reichskammergericht in Speyer (1659?) 1661 in Helmstedt promoviert. !663 wurde er Hofrat in Mecklenburg, trat 1665 in die Dienste Hannovers und stieg dort 1677 zum Vizekanzler und Leiter der Justizkanzlei auf, in welchem Amte er bis zu seinem Tode im Sommer 1704 verblieb.
Die Entstehungsgeschichte der vorliegenden Ausgabe beruht nach dem Vorwort des Herausgebers auf einem günstigen Zufall. Am Rande eines sommerlichen Gartenfests bei Albrecht Cordes anlässlich der Emeritierung Joachim Rückerts im Jahre 2010 sprach ihn Michael Stolleis auf eine kurz zuvor erhaltene Übersetzung an, die ein alter Bekannter aus Studientagen zu dem lateinischen Werk eines entfernten Verwandten angefertigt hatte. In intensiver Zusammenarbeit zwischen dem in seiner aktiven Zeit als Rechtsanwalt im Steuerrecht und im Eigentumsrecht der neuen Bundesländer wirkenden Übersetzer und dem mit dem Reichskammergericht bestens vertrauten Herausgeber entstand danach die in einer Zeit schwindender Lateinkenntnisse den Zugang zur Geschichte erleichternde, so eng wie möglich an die Vorlage angelehnte neuhochdeutsche Übertragung des spätestens 1662 fertig gestellten, inzwischen auch digitalisiert greifbaren Werkes (http://gateway-baye |
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Lilla, Joachim, Der Vorläufige Reichswirtschaftsrat 1920 bis 1933/34. Zusammensetzung -Dokumentation - Biographien, unter Einschluss des Wirtschaftsbeirats des Reichspräsidenten 1931 und des Generalrats der Wirtschaft 1933 (= Handbücher zur Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien 17). Droste, Düsseldorf 2012. 579 S. Besprochen von Werner Schubert. |
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Der Vorläufige Reichswirtschaftsrat wurde aufgrund Art. 165 der Weimarer Verfassung durch eine vom Reichsrat und vom volkswirtschaftlichen Ausschuss der Weimarer Nationalversammlung gebilligte Verordnung vom 4. 5. 1920 begründet. Er umfasste 326 Mitglieder (Vertreter der Wirtschaft, des Handels, der Banken sowie des Versicherungswesens, des Verkehrs, der Verbraucherwirtschaft sowie der Beamtenschaft und je 12 vom Reichsrat und von der Reichsregierung entsandte Personen) und hatte als „Vertreter der wirtschaftlichen Interessen des ganzen Volkes“ „sozialpolitische und wirtschaftspolitische Gesetzentwürfe von grundlegender Bedeutung“ zu begutachten und zu wirtschaftlichen und sozialpolitischen Fragen Stellung zu nehmen (vgl. Art. 5, 11, 12 der Verordnung vom 4. 5. 1920). Im vorliegenden Band behandelt Lilla in einer breiten Einleitung (S. 11-135) die Vorläufer des Vorläufigen Reichswirtschaftsrats (u. a. preußischer Volkswirtschaftsrat), die Vorgeschichte und Entstehung der genannten Verordnung vom 4. 5. 1920, die zur Installierung des Vorläufigen Reichswirtschaftsrats führte, die Mitglieder und Gremien des Vorläufigen Reichswirtschaftsrats sowie die parlamentarischen Verhandlungen zum Gesetz über den (endgültigen) Reichswirtschaftsrat, das nach langwierigen und schwierigen Beratungen – Hauptproblem war die Zusammensetzung des Reichswirtschaftsrats – vom Reichstag wegen Fehlens der verfassungsändernden Zweidrittelmehrheit am 14. 7. 1930 abgelehnt wurde. Der Vorläufige Reichswirtschaftsrat wurde durch Gesetz vom 23. 3. 1934 aufgehoben. S. 127ff. weist Lilla auf vergleichbare Gremie |
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Fried, Johannes, Canossa. Entlarvung einer Legende. Eine Streitschrift. Akademie Verlag, Berlin 2012. 181 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
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Wissen ist gespeicherte Erfahrung, so dass auch geschichtliches Wissen gespeicherte Erfahrung über vergangenes Geschehen ist. Je mehr Menschen im langen Lauf der Geschichte von der Richtigkeit des Wissens überzeugt sind, desto schwieriger wird einerseits eine Widerlegung und umso glanzvoller ist der Ruhm bei unerwartetem Gelingen. Der gordischen Knoten und das Ei des Kolumbus sind vielleicht die allgemein bekanntesten Beispiele dafür.
Da auch der Gang nach Canossa im deutschen Denken sprichwörtlich geworden ist, lässt sich der besondere Reiz einer völlig neuen Sicht des bekannten und wichtigen Vorgangs für jeden bedeutenden mediävistischen Historiker leicht verstehen. Johannes Fried hat sich ihm nach vielen Jahren eindringlichen, vielfältige neue Erkenntnisse zu Tage fördernden Forschungslebens nicht entzogen. Als Ergebnis seiner Aufmerksamkeit versprechenden Entlarvung einer Legende stellt er in wenigen Worten fest, dass mit Canossa der Papst die Ehre des Königs und der König die Ehre des Papstes förderte und dieser wechselseitige Schutz der Ehre den Frieden förderte.
Der Weg dorthin erfolgt über die Notwendigkeit des kritischen Umgangs mit Erinnerung, die Kritik der erinnerungsunkritischen, Legenden fortschreibenden Kritik, der Prüfung der Vertrauenswürdigkeit der Geschichtsschreiber Lampert von Hersfeld, Bruno und Berthold. Auf dieser Grundlage zeichnet der Verfasser nach Betrachtungen über deformierte Erinnerungen im kollektiven Forschungsgedächtnis, Irritationen der Forschung durch stets und überall mögliche tendenziöse Geschichtsschreibung und den schweigenden König eine eigenständige Rekonstruktion mit einem Pakt von Canossa mit dem umfassenden Ziel der Ehre im Mittelpunkt. Nur die Zukunft kann weisen, ob sich der interessante, auch durch eine hilfreiche tabellarische Übersicht g |
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Neue Wege in ein neues Europa. Die deutsch-französischen Beziehungen nach dem Ende des kalten Krieges, hg. v. Koopmann, Martin/Schild, Joachim/Stark, Hans (= Genshagener Schriften - Europa politisch denken 1). Nomos, Baden-Baden 2012. 217 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
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Der 50. Jahrestag der Unterzeichnung des Elysée-Vertrags am 22. Januar 1963 ist ein geeigneter Anlass, über das Verhältnis zwischen Deutschland und Frankreich in Europa nachzudenken. In diesem Zusammenhang vermissten einige Interessierte eine Bilanz der Beziehungen zwischen den deutschen Staaten seit 1990, welche die Gesamtdarstellung Gilbert Zieburas bis in die Gegenwart ansatzweise fortsetzen könnte. Aus dieser Erkenntnis ist der vorliegende Sammelband erwachsen, der durch das Comité d’études des relations franco-allemandes (cerfa) finanziert wurde.
Er enthält nach einer einbindenden Einleitung Hans Starks insgesamt elf Beiträge deutscher und französischer Verfasser in deutscher Sprache. Sie beginnen mit einer gelungenen Betrachtung Joachim Schilds über Frankreich, Deutschland und die institutionelle Entwicklung der Europäischen Union seit 1990. Danach werden etwa Widerstände gegen den europäischen Einigungsprozess in beiden Ländern, die Beziehungen im Verhältnis zur Europäischen Währungsunion, zur Globalisierung, zur Erweiterungspolitik, zur Verteidigung, zu Wirtschaft und Industrie, zur Energiepolitik oder zur Kultur untersucht.
Am Ende fragen sich Mit Martin Koopmann und Joachim Schild zwei der Herausgeber, ob nach dem Ende des kalten Krieges eine neue Ära begonnen hat. Dabei überwiegt die Einsicht, dass auch unter den veränderten Bedingungen die gemeinschaftliche Verantwortung beider Staaten für die Zukunft Europas fortbesteht. Das schließt Übereinstimmung in verschiedenen Punkten ebenso ein wie gegenläufige Zielsetzungen an anderen Stellen, weil das Handeln von Staaten ebenso wie das Verhalten Einzelner stets auch von den individuellen Interessen ab |
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Rohner, Gabriela, Die Wirksamkeit von Volksinitiativen im Bund 1848-2010 (= Schriften zur Demokratieforschung 4). Schulthess, Zürich 2012. XX, 392 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen Rohner, Gabriela, Die Wirksamkeit von Volksinitiativen im Bund 1848-2010 (= Schriften zur Demokratieforschung 4). Schulthess, Zürich 2012. XX, 392 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Seit seinem Beginn ist es dem Menschen möglich, über andere Menschen Macht oder Herrschaft auszuüben, woraus sich im Laufe der Geschichte die verschiedensten gesellschaftlich-politischen Gestaltungsmöglichkeiten zwischen Diktatur und Anarchie ergaben. Seit der französischen Revolution des Jahres 1789 haben sich die bereits früher in Ansätzen vertretenen Gedanken der Freiheit und Gleichheit zumindest theoretisch weithin durchgesetzt, so dass die Herrschaftsformen meist am Gedanken der Demokratie gemessen werden. Eine offene Frage ist dabei angesichts der Vielzahl der Menschen und der Größe ihrer politischen Einheiten das Verhältnis zwischen mittelbarer und unmittelbarer Beteiligung an der Ausübung der Macht.
Mit einem sehr interessanten Teil dieses Themenbereichs befasst sich die von Andreas Auer ermutigte und betreute, im Zentrum für Demokratie Aarau geschaffene Dissertation der als Juristin erfahrenen Verfasserin. Sie untersucht alle 264 Volksinitiativen, die zwischen 1848 und dem Ende des Jahres 2010 zu Stande gekommen und erledigt worden sind, auf ihr Ergebnis. Dabei gliedert sie ihre gründliche, eine Lücke schließende Arbeit klar in vier Kapitel über Grundlagen, Wirksamkeit, formalen und materialen Erfolg sowie Erfolg unter anderen Gesichtspunkten mit insgesamt 21 Unterabschnitten vom Stand der Forschung bis zur Aktivierungswirkung.
Am Ende kann sie zusammenfassend feststellen, dass in den betrachteten 162 Jahren 47 Prozent aller Volksinitiativen erfolgreich und damit 53 Prozent erfolglos waren (darunter zwei erfolglose Initiativen auf Totalrevision der Bundesverfassung)., wobei nur 18 Initiativen formell angenommen wurden, aber praktisch alle Initiativen Wirkungen hatten, selbst wenn diese nur in einer öffentlichen Auseinandersetzung oder de |
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Brüggemann, Johannes A. J., Entwicklung und Wandel des Sexualstrafrechts in der Geschichte unseres StGB. Die Reform der Sexualdelikte einst und jetzt. Nomos, Baden-Baden 2012. 636 S. Besprochen von Werner Schubert. |
Ganzen Eintrag anzeigen Brüggemann, Johannes A. J., Entwicklung und Wandel des Sexualstrafrechts in der Geschichte unseres StGB. Die Reform der Sexualdelikte einst und jetzt. Nomos, Baden-Baden 2012. 636 S. Besprochen von Werner Schubert.
Mit dem vorliegenden Werk soll aufgezeigt werden, „in welche Richtung sich das Sexualstrafrecht bislang entwickelt hat und in welche Richtung es derzeit geht“. Dabei werden unter Einbeziehung des Wertewandels im Sexualstrafrecht auch die Einflüsse untersucht, „die zu diesen Entwicklungen geführt und die Reform der Sexualdelikte maßgeblich beeinflusst haben“ (S. 26). Durch die Betrachtung der Reformen „unter Berücksichtigung der konkret auslösenden Umstände sowie des jeweiligen Zeitgeistes“ soll ein „Gesamtbild von der Entwicklung des historischen und gegenwärtigen Sexualstrafrechts“ gegeben werden. Berücksichtigt werden alle Delikte, die im 13. Abschnitt des Besonderen Teils des Strafgesetzbuchs geregelt sind. Mitbehandelt werden auch § 361 Nr. 6 StGB und die Nachfolgebestimmungen in den §§ 184 e und 184 f StGB sowie der Tatbestand des Menschenhandels (§ 232 StGB). Nicht berücksichtigt werden die pönalisierten Handlungen, die lediglich auf einer sexuellen Motivation beruhen (S. 28). Im ersten Kapitel gibt Brüggemann einen Überblick über die Entwicklungen des Sexualstrafrechts „vor dem Hintergrund einer sich wandelnden Gesellschaft“ (S. 30-121). Nach einem Abschnitt über die Konzeption der Sittlichkeitsdelikte werden behandelt unter den jeweils relevanten Perspektiven (gesellschaftlicher Blickwinkel, strafrechtliche Entwicklung, Reformprojekte, Judikatur) das Kaiserreich, die Weimarer Republik, die NS-Zeit, die Zeit der frühen Bundesrepublik bis zur Reform von 1973 sowie die weitere Entwicklung bis zur Gegenwart.
Es folgen zum Teil sehr ausführliche Kapitel zu den Tatbeständen über Prostitution sowie Förderung und Ausbeutung sexueller Handlungen Dritter (Kuppelei, Prostitution, Zuhälterei, Menschenhande |
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Nörr, Knut Wolfgang, Romanisch-kanonisches Prozessrecht. Erkenntnisverfahren erster Instanz in civilibus. Springer, Heidelberg 2012. XVII, 241 S. Besprochen von Roland Kleinhenz. |
Ganzen Eintrag anzeigen Nörr, Knut Wolfgang, Romanisch-kanonisches Prozessrecht. Erkenntnisverfahren erster Instanz in civilibus. Springer, Heidelberg 2012. XVII, 241 S. Besprochen von Roland Kleinhenz.
Kaum jemand hätte berufener sein können, die hier zu besprechende Monografie zu schreiben als der emeritierte Ordinarius für römisches Recht, neuere Privatrechtsgeschichte, Kirchenrecht und bürgerliches Recht an der Universität Tübingen, der sich bereits durch mehrere Einzelstudien auf diesem Gebiet international einen Namen gemacht hat. Hatte zuletzt Wiesław Litewski 1999 eine umfangreiche moderne Darstellung des römisch-kanonischen Zivilprozesses für den Zeitraum von der Mitte des 11. Jahrhunderts bis etwa 1234 vorgelegt (W. Litewski, Der römisch-kanonische Zivilprozeß nach den älteren ordines iudiciarii. Wydawnictwo Uniwersytetu Jagiellońskiego (Jagiellonian University Press), 2 Halbbde., Krakau 1999; vgl. hierzu die Besprechung von G. Wesener in ZRG GA 121 (2004), S. 679-684), führt Nörr nun die Rechtsgeschichte dieses Prozessverfahrens, teilweise zeitüberschneidend, von der Mitte des 12. Jahrhunderts bis zum Anfang des 16. Jahrhunderts fort. Allerdings wird, anders als bei Litewski, nur das Erkenntnisverfahren der ersten Instanz behandelt, also nicht das, insbesondere aus der Sicht des Prozesspraktikers, nicht minder interessante Appellationsverfahren (die „Berufung“ in der modernen Terminologie). Lediglich hie und da werden im Text Möglichkeiten der Appellation gegen diverse Entscheidungen der ersten Instanz erwähnt. Geografisch ist die Darstellung auf Rechtsentwicklungen in Deutschland und Italien beschränkt. Jedoch drang die Rezeption römischen Prozessrechts und seine Verbindung mit Grundsätzen kanonischen Prozessrechts zu einem einheitlichen prozessualen ius commune in ganz Westeuropa vor und beeinflusste auch dort in unterschiedlich starkem Umfang die Prozessrechtsentwicklung (s. jüngst etwa für Spanien: Ingo Fleisch, Rechtsstreit und Schriftkult |
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Halle im Licht und Schatten Magdeburgs. Eine Rechtsmetropole im Mittelalter, hg. v. Lück, Heiner (= Forschungen zur hallischen Stadtgeschichte 19). Mitteldeutscher Verlag, Halle 2012. 218 S., 25 Abb. Besprochen von Ulrich-Dieter Oppitz. |
Ganzen Eintrag anzeigen Halle im Licht und Schatten Magdeburgs. Eine Rechtsmetropole im Mittelalter, hg. v. Lück, Heiner (= Forschungen zur hallischen Stadtgeschichte 19). Mitteldeutscher Verlag, Halle 2012. 218 S., 25 Abb. Besprochen von Ulrich-Dieter Oppitz.
Zum ‚Tag der hallischen Stadtgeschichte’ veranstaltete der Verein für hallische Stadtgeschichte e. V. am 4. und 5. November 2011 verschiedene Vorträge, die in erfreulich kurzem Abstand zu der Tagung vorgelegt werden. Die Autorinnen und Autoren sind als Historiker, Germanisten und Juristen ausgewiesene Kenner der mittelalterlichen Geschichte und viele arbeiten speziell zur Geschichte des Magdeburger Rechts.
Einleitend gibt Heiner Lück eine Einführung zur Wirkung des Magdeburger Schöffenstuhls (S. 9-36). Er äußert Zweifel an dem Begriff der aus dem 19. Jahrhundert tradierten „Stadtrechtsfamilie“ mit einem „Oberhof“ und regt an Gerhard Dilchers Begriff der „stadtrechtlichen Verbindungen“ zu nutzen. Unter Vorstellung der verschiedenen Rechtsquellen, die Magdeburger Recht als Grundlage haben, macht er darauf aufmerksam, dass sich in der Ukraine noch bis um 1840/1842 Spuren Magdeburger Rechts erhalten haben. Die Entwicklung des Leipziger Schöffenstuhls und der Sprüche der Hallenser Schöffen in ihrer Bedeutung für das Halle-Neumarkter Recht wertet Lück als eine Verselbständigung gegenüber der Dominanz der Magdeburger Schöffen. Magdeburg, Halle und Leipzig, in dieser Reihenfolge, betrachtet er als in einem hierarchischen Verhältnis zueinander stehend. Stephan Dusil entwickelt Forschungsstand, Fragen und Perspektiven des hallischen Stadtrechts (S. 37-60). Er hält ausführliche Forschungen für nötig, um die juristischen Grundlagen der spätmittelalterlichen Lebenswelt zwischen Magdeburg und Kiew aufzuhellen. Gerade die Frage, ob statt „Stadtrechtsfamilien“ eher regionale Rechtsfamilien prägend waren, erscheinen ihm beachtenswert. Henning Steinführer betrachtet den Leipziger Rechtsbrief (S. 61-71), den er unter E |
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Kershaw, Ian, Das Ende. Kampf bis in den Untergang, NS-Deutschland 1944/45. Aus dem Englischen von Binder, Klaus/Leineweber, Bernd/Pfeiffer, Martin. Deutsche Verlags-Anstalt, München 2011. 704 S., zahlr. Abb. und Kart. Besprochen von Steffen Schlinker. |
Ganzen Eintrag anzeigen Kershaw, Ian, Das Ende. Kampf bis in den Untergang, NS-Deutschland 1944/45. Aus dem Englischen von Binder, Klaus/Leineweber, Bernd/Pfeiffer, Martin. Deutsche Verlags-Anstalt, München 2011. 704 S., zahlr. Abb. und Kart. Besprochen von Steffen Schlinker.
Eine Beschäftigung mit dem Nationalsozialismus drängt immer wieder zu der Frage nach den Mechanismen der Herrschaft und den prägenden Mentalitäten. Das gilt für den Beginn der nationalsozialistischen Herrschaft im Jahr 1933 ebenso wie für deren Ende im Jahr 1945. Ian Kershaw, der als einer der besten Kenner dieser Zeit gelten darf, hat nun erstmals Antworten auf die Frage erarbeitet, welche Gründe die Fortsetzung eines aussichtslosen Krieges und die Fortdauer von Hitlers Herrschaft ermöglichten, bis das Deutsche Reich (fast) vollständig besetzt und seine Städte sowie seine Infrastruktur (weitgehend) zerstört waren. Warum – so fragt Kershaw – wurden gegen jede Vernunft nicht vor dem Mai 1945 Kapitulationsverhandlungen geführt, wieso kam es nicht zur Revolte der Streitkräfte, zum Aufstand der Zivilbevölkerung oder zum Putsch einer Führungsschicht, um einen früheren Friedensschluss herbeizuführen. Der deutsche Titel des Buchs „Das Ende. Kampf bis in den Untergang NS-Deutschland 1944/45“ bezeichnet daher besser als der englische Originaltitel „The End. Hitler’s Germany, 1944-45“ das Ziel, auf welches das Land durch Hitlers selbstzerstörerische Befehle zusteuerte: auf einen Untergang, der in weitem Ausmaß mit der militärisch nicht mehr begründbaren Vernichtung von Menschenleben und wirtschaftlichen Ressourcen einherging (S. 11, 23f.).
Die von Kershaw gewählte Fragestellung bedingt, dass die Kriegsereignisse, innenpolitischen Verhältnisse sowie Stimmungsbilder allein aus deutscher Sicht beschrieben werden. Im Einzelnen berücksichtigt Kershaw die militärische Lage und die Situation der Kriegswirtschaft, aber auch die Strukturveränderungen im Innern des Reichs sowie die Situation der Zivilbev |
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Fuhrer, Armin/Haß, Norman, Eine Freundschaft für Europa. Der lange Weg zum Élysée-Vertrag. Olzog, München 2013. 320 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen Fuhrer, Armin/Haß, Norman, Eine Freundschaft für Europa. Der lange Weg zum Élysée-Vertrag. Olzog, München 2013. 320 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Vermutlich waren Romanen, Kelten und Germanen als Abkömmlinge der Indogermanen einst Brüder, auch wenn sie auf ihren Wanderungen nach Europa unterschiedliche Vorbevölkerungen in sich aufnahmen. Danach aber unterwarf der römische Cäsar die Kelten und brachte ihnen seine Sprache, sein Recht und vieles andere mehr. Als die Kraft der Römer aus nicht wirklich bekannten Gründen nachließ, eroberten die Franken das romanische Gallien und beherrschen den Westen und die Mitte Europas in einem zunächst einheitlichen Reich, das wegen seiner Größe und wohl auch seiner Zweisprachigkeit bald nach dem Tode Karls des Großen in Deutschland und Frankreich zerfiel.
Danach wurden die früheren Brüder allmählich zu erbitterten Feinden. In vielen Kriegen rangen sie um Herrschaft und Land und schufen damit vielfachen Tod und endlose Not. Dabei hätte schon die Aufklärung zu der Einsicht führen müssen, dass der Friede dem menschlichen Glück besser dient als jeder noch so bedeutende Sieg mit militärischen Mitteln, der immer mit der Niederlage des jeweils anderen Gegners verbunden ist.
In dieser Erkenntnis schlossen sich Deutschland, Frankreich, Italien, die Niederlande, Belgien und Luxemburg zwecks Verhinderung weiterer kriegerischer Auseinandersetzungen nach dem zweiten Weltkrieg zur Montanunion, zur europäischen Atomgemeinschaft und zur europäischen Wirtschaftsgemeinschaft zusammen und in diesem Geist kam es am 22. Januar 1963 auch zu dem von Konrad Adenauer und Charles de Gaulle unterzeichneten Èlysee-Vertrag. De beiden 1963 bzw. 1977 geborenen, geisteswissenschaftlich ausgebildeten, vielseitig interessierten Verfasser zeichnen das Werden dieser späten Freundschaft fünfzig Jahre nach ihrer Besiegelung in zehn Kapiteln gut lesbar nach. Über den Briand-Plan zwischen den beiden Weltkriegen, französische |
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Carsten, Ernst S./Rautenberg, Erardo C., Die Geschichte der Staatsanwaltschaft in Deutschland bis zur Gegenwart. Ein Beitrag zur Beseitigung ihrer Weisungsabhängigkeit von der Regierung im Strafverfahren., 2. Aufl. Nomos, Baden-Baden 2012. 569 S. Besprochen von Werner Schubert. |
Ganzen Eintrag anzeigen Carsten, Ernst S./Rautenberg, Erardo C., Die Geschichte der Staatsanwaltschaft in Deutschland bis zur Gegenwart. Ein Beitrag zur Beseitigung ihrer Weisungsabhängigkeit von der Regierung im Strafverfahren., 2. Aufl. Nomos, Baden-Baden 2012. 569 S. Besprochen von Werner Schubert.
Die 1932 erschienene Dissertation von Ernst (Sigismund) Carsten: „Die Geschichte der Staatsanwaltschaft in Deutschland bis zur Gegenwart. Ein Beitrag zur Reform des Strafprozesses“ gehört, wie zwei Nachdrucke aus den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts zeigen, noch immer zu den Standardwerken der strafrechtshistorischen Literatur. Carsten (1907-1984) war, nachdem ihm wegen seiner jüdischen Abstammung die Ablegung des zweiten juristischen Staatsexamens verwehrt war (S. 13), mit seinen Eltern und Geschwistern 1936 in die USA emigriert, wo er ab 1942 Übersetzungsanalytiker (Translator-Analyst) für das Amt für Feindvermögensverwaltung und später Kartellabteilung des Departments of Justice tätig war. Das vorliegende Werk stellt in seinem ersten Teil eine Überarbeitung des Textes von 1932 durch Rautenberg (seit 1996 Generalstaatsanwalt des Landes Brandenburg) dar, wobei dieser bemüht war, „die inhaltlichen Eingriffe so gering wie möglich zu halten“ (S. 11). Nicht übernommen wurde der Schlussabschnitt über die Staatsanwaltschaft in den „außerdeutschen Ländern“ (Carsten, S. 119ff.). Abgeschlossen wird der Abschnitt über die Staatsanwaltschaft in der Weimarer Republik durch ein neues Kapitel über die Notverordnungspraxis dieser Zeit und der Rolle der Justiz im politischen Verfahren (S. 157ff., 162ff.).
Bei der Bearbeitung des Textes von Carsten hat Rautenberg die seit 1932 erschienene umfangreiche Literatur zur Geschichte der Staatsanwaltschaft in vollem Umfang berücksichtigt. Insbesondere bringt die Neubearbeitung eine breite Darstellung der französischen Staatsanwaltschaft bis 1801 im Anschluss an die umfangreiche Darstellung von Susanne Wulff-Kuckelsberg (Procureurs – |
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Hormayr, Gisela, „Ich sterbe stolz und aufrecht“. Tiroler SozialistInnen und KommunistInnen im Widerstand gegen Hitler (= Studien zu Geschichte und Politik 15). StudienVerlag, Innsbruck 2012. 350 S., Abb. Besprochen von Gerhard Köbler. |
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Das Leben jedes einzelnen Menschen verläuft im Wechsel von Freud und Leid, die teils von ihm selbst, teils aber auch von den Mitmenschen und außermenschlichen Umständen bestimmt werden. Der in Braunau 1889 geborene Adolf Hitler entwickelte ohne wirklich sicher nachweisbare Gründe den Willen zur bedingungslosen Durchsetzung seiner nationalsozialistischen Politikvorstellungen. Wer sich ihm offen in den Weg stellte, musste damit rechnen, von dem Räderwerk der ihm folgenden Maschinerie erbarmungslos vernichtet zu werden.
Die sich mit einem Tiroler Ausschnitt dieser politischen Auseinandersetzung befassende Arbeit ist die am Institut für Zeitgeschichte der Universität Innsbruck geschaffene Dissertation der als Lehrerin an einer Berufsbildenden Höheren Schule tätigen Autorin, die derzeit im Auftrag Tirols an einem Projekt zur Erforschung auch des katholisch-konservativen Widerstands arbeitet. Die Untersuchung gliedert sich in insgesamt acht Abschnitte. Nach einem Überblick über die gesamte Widerstandsforschung betrachtet die Verfasserin die Strafjustiz unter dem Hakenkreuz am Fall des Franz Josef Mair, die Tiroler und Tirolerinnen vor dem Volksgerichtshof, die revolutionären Sozialisten und Sozialistinnen in Wörgl, den Einzelnen als Staatsfeind am Beispiel Josef Axingers, den kommunistischen Widerstand im Unterland, die Eisenbahner als Hochburg der österreichischen Sozialdemokratie im Widerstand und das Ende des organisierten kommunistischen Widerstands in Schwaz.
Insgesamt erfasst sie nach einer am Ende ihrer überzeugenden Leistung angefügten Liste von dem 1944 vom Volksgerichtshof zum Tode verurteilten Josef Axinger aus Axams bis zu dem 1943 vom Oberlandesgericht freigesprochenen Alois Zorn aus A |
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Borgstedt, Angela, Badische Anwaltschaft und sozioprofessionelles Milieu in Monarchie, Republik und totalitärer Diktatur 1865-1945 (= Schriftenreihe des rechtshistorischen Museums Karlsruhe 25). Verlag der Gesellschaft für kulturhistorische Dokumentation, Karlsruhe 2012. 416 S. Besprochen von Werner Schubert. |
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Die Mannheimer sozialgeschichtlich angelegte Habilitationsschrift Angela Borgstedts befasst sich mit der Entwicklung der Anwaltsprofession in Baden seit Erlass der badischen Rechtsanwaltsordnung von 1864 bis 1945. Die Arbeit verbindet drei methodische Ansätze: Professionalisierung, historische Biographik (prosopographische Methode) und sozialmoralisches Milieu (S. 2ff.). Borgstedt untersucht die Professionalität unter dem Aspekt der „Kollegialität und Solidarität, des Verhaltens im sozioprofessionellen Milieu“. Dabei ist von Interesse die „soziale Homogenität resp. Heterogenität innerhalb der Profession, die im Hinblick auf das Herkunftsmilieu mit dem Verweis auf bildungsbürgerliches Herkommen nur unzureichend konturiert“ sei (S. 14). Der Studie zugrunde liegen in erster Linie 700 personenbezogene Akten, die z. T. auch das Entnazifizierungsverfahren betreffen, von Rechtsanwälten der Landgerichtsbezirke Karlsruhe und Freiburg im Breisgau. Damit sollen exemplarisch die Karlsruher und Freiburger Verhältnisse erschlossen werden. Der Quellenbestand zur bedeutsamen Mannheimer Anwaltschaft, die Hannes Siegrist, Advokat, Bürger und Staat. Sozialgeschichte der Rechtsanwälte in Deutschland, Italien und der Schweiz, 1996, herangezogen hat, wurde nicht mehr detailliert ausgewertet. Wie Borgstedt klarstellt, soll die vorliegende Monographie „keine Geschichte der Anwaltschaft in Baden“ bringen und auch nicht den Anspruch erheben, die Professionsgeschichte im Zeitraum 1864 bis 1945 „lückenlos und chronologisch abzubilden“ (S. 16).
Im ersten Hauptteil geht Borgstedt der Selbstorganisation der Anwaltschaft unter der Überschrift „Berufsständisch |
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Nachschlagewerk des Reichsgerichts - Gesetzgebung des Deutschen Reichs, hg. v. Schubert, Werner/Glöckner, Hans Peter. Band 7 Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung, Gesetz betreffend die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften, Gesetze zum Binnenschifffahrts-, Verkehrs-, Wechsel- und Steuerrecht (= Nachschlagewerk des Reichsgerichts - Gesetzgebung des Deutschen Reichs 7). Lang, Frankfurt am Main 2012. 612 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
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In der Reihe Nachschlagewerk des Reichsgerichts - Gesetzgebung des Deutschen Reichs sind, worauf am Ende des stattlichen Bandes nutzerfreundlich besonders hingewiesen wird, bereits erschienen: ein vierbändiger Zyklus zum Strafrecht, ein zehnbändiger Zyklus zum Bürgerlichen Gesetzbuch und ein Sonderband zum preußischen Landrecht, die im Keip Verlag veröffentlicht wurden. Dem folgten seit 2005 sechs Bände, von denen zwei die Kaiserzeit betreffen, einer die Weimarer Zeit und ein weiterer die nationalsozialistische Zeit. Hieran schlossen sich seit 2009 zwei Bände über das Handelsgesetzbuch an.
Von hier aus geht der vorliegend Band ziemlich folgerichtig auf kleinere Gesetze über, die in einem weiteren Sinn das Handelsrecht bzw. Gesellschaftsrecht betreffen. Nach der kurzen und klaren Einleitung der Herausgeber erschließt das neue Werk das Gesellschaftsrecht der Gesellschaft mit beschränkter Haftung und der Genossenschaften sowie das Verkehrsrecht (Eisenbahnrecht, das primär im Handelsgesetzbuch geregelt war, Eisenbahnverkehrsordnung, Berner Frachtüber[ein]kommen, Post- und Telegrafenrecht, Binnenschifffahrtsrecht), die Wechselordnung in der Fassung von 1869/1908 und das Reichssteuerrecht. Davon verlor das Stempelsteuerrecht nach dem ersten Weltkrieg auf Grund der Einführung der Umsatzsteuer sehr an Bedeutung, wobei im Übrigen ohnehin nach 1919 der Reichsfinanzhof für die Entscheidung steuerrechtlicher Streitigkeiten zuständig war.
Als Vorlage dienten die Bände 30, 31, 33 und 46 des in der Bibliothek des Bundesgerichtshofs untergebrachten Nachschl |
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Loebert, Sönke/Meiburg, Okko/Riis, Thomas, Die Entstehung der Verfassungen der dänischen Monarchie (1848-1849) (= Kieler Werkstücke, Reihe A Beiträge zur Schleswig-holsteinischen und skandinavischen Geschichte, Band 32). Lang, Frankfurt am Main 2012. 313 S. Besprochen von Werner Schubert. |
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Unter dem 15. 9. 1848 wurde das Staatsgrundgesetz für die Herzogtümer Schleswig und Holstein, am 5. 6. 1849 das dänische Grundlov (Staatsgrundgesetz) erlassen. Nachfolger des am 20. 1. 1848 verstorbenen Königs Christian VIII. war Friedrich VII., der die dänische Verfassungssache weiterführte und die Einberufung einer Versammlung aus den Herzogtümern und aus Dänemark zur Erörterung der Verfassungsfrage beabsichtigte. Wohl in diesem Zusammenhang hatte der Staatsminister Karl von Moltke (1798-1866) den „Entwurf einer Verfassungs-Urkunde für das Königreich Dänemark und die Herzogthümer Schleswig und Holstein“ ausgearbeitet oder ausarbeiten lassen, der jedoch nach der schleswig-holsteinischen Erhebung nicht weiter verfolgt wurde. Der Entwurf, von dem noch keine Reinschrift vorlag, hat Riis im Kopenhagener Reichsarchiv 2004 aufgefunden und zusammen mit Horst Dippel 2008 in: „Constitutional documents of Denmark, Norway and Sweden 1809-1849“, München 2003, S. 33ff., herausgegeben. Mit dem vorliegenden Buch wird der in deutscher Sprache abgefasste Entwurf von Anfang 1848 von Loebert mit einem kritischen Apparat wiedergegeben. Zusätzlich bringt der Band das Staatsgrundgesetz für die Herzogtümer vom 15. 8. 1848, das Grundgesetz für das Herzogtum Lauenburg vom 14. 5. 1849 und das dänische Staatsgrundgesetz von 1849 (in dänischer und deutscher Fassung).
Der Quellenteil wird eingeleitet durch Abhandlungen von Riis: „Vom Absolutismus zur konstitutionellen Monarchie in Dänemark und in den Herzogtümern: März 1848 bis Juni 1848“ (S. 11-32) und von Okko Meiburg (S. 29-100) über die Verfassungsfrage der dänischen Monarchie in den 1840er Jahren. Riis bringt eine knappe |
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Zieren, York, Das Schiedsverfahrensrecht der ZPO (1877-1933) unter Berücksichtigung der Genfer Übereinkommen von 1923 und 1927 sowie der Rechtsprechung des Reichsgerichts (= Rechtshistorische Reihe 441). Lang, Frankfurt am Main 2013. 321 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
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Das Verfahrensrecht steht zwar schon an der Spitze des römischen Zwölftafelgesetzes von 451/450 v. Chr., doch dürfte ihm bereits eine formlose Vermittlung und Entscheidung eines Streites zweier durch einen oder mehrere Dritte vorangegangen sein und dürfte einem gerichtlichen Entscheidungsverfahren stets auch eine außergerichtliche Lösung durch Dritte zur Seite gestanden haben. Wegen der selbst bei ihr immer möglichen Streitfragen hat sie der jüngere Gesetzgeber in seine gesetzliche Regelung der staatlichen Streitentscheidung mehr oder weniger lose an nachgeordneter Stelle einbezogen. Ihre Verwendung steht allgemein frei, aber einige Grundsätze müssen auch im Rahmen der Freiheit beachtet werden.
Für die an die Zivilprozessordnung des deutschen Reiches von 1877 anschließende Zeit unterzieht die von Werner Schubert erfolgreich betreute, 2012 von der rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Kiel angenommene Dissertation des in Kiel ausgebildeten, seit 2009 als Rechtsanwalt tätigen Verfassers diesen Gegenstand einer genaueren Betrachtung. Sie gliedert sich nach einer Einleitung über Zielsetzung, Arbeitsthesen, Untersuchungsgegenstand und Darstellungsmethode in vier Abschnitte. Nach einem geschichtlichen Überblick über die Entstehung des Schiedsgerichtswesens verfolgt der Verfasser die Entwicklung von 1877 bis 1945 mit einem Schwerpunkt auf den Jahren zwischen 1898 und 1933, geht danach auf die Rechtsprechung des Reichsgerichts in etwa 50 Entscheidungen ein und schließt am Ende trotz des engeren Titels einen Überblick über die Entwicklung nach 1945 an.
Ausgangspunkt der auch „ausgewählte Rechtsprechungen des Reichsgerichts“ und einiger anderer Gerichte s |
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Berlin 1933-1945. Stadt und Gesellschaft im Nationalsozialismus, hg. v. Wildt, Michael/Kreutzmüller, Christoph. Siedler, München 2013. 496 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
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Adolf Hitler begann sein Leben im idyllischen österreichischen Braunau 1889 und beendete es in hoffnungsloser Lage mit gerade 56 Jahren in Berlin, wo ihm im Alter von 43 am 30. Januar 1933 die politische Macht über das Deutsche Reich in die Hände gefallen war. Zwar war der Ort nicht die Hauptstadt seiner nationalsozialistischen Bewegung, aber notwendigerweise das Zentrum seiner totalitären Diktatur. Deswegen ist eine Geschichte Berlins während seiner Herrschaft ein wichtiges historisches Thema, das die als Professor für deutsche Geschichte des 20. Jahrhunderts bzw. als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Zeitgeschichte an der Humboldt-Universität zu Berlin tätigen Herausgeber zur 80. Wiederkehr der Bestellung des Parteivorsitzenden der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei zum Reichskanzler für ein breiteres Publikum in griffiger Gestalt vorlegen.
Gegliedert ist es in chronologisch-systematischer Verschränkung in insgesamt acht Abschnitte, die nach einer kurzen Einführung über Stadt und Gesellschaft im Nationalsozialismus mit der Machtübernahme beginnen, für die Oliver Reschke und Michael Wild den Aufstieg der Partei in Berlin detailliert schildern und Daniel Siemens die Prügelpropaganda der Sturmabteilung im „Kampf um Berlin“ beschreibt. Auf dieser zeitlichen Grundlage behandeln die Herausgeber teils selbst, teils durch andere ausgewiesene Autoren nacheinander Herrschaft mit Verfassung und Verwaltung, Wirtschaft einschließlich der Arbeiter und Arbeiterorganisationen sowie der Zwangsarbeit, Gesellschaft mit den Schwerpunkten Erfahrungshorizonte Jugendlicher, Protestantismus, Wohnungswirtschaft und Bauwirtschaft, Widerstand und Blick aus dem Exil und Kultur (Städtebau, Medien, Wissenschaft, Propaganda). Übergreifend werden im Anschluss |
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Sagemann, Mirka, Krankenfürsorge für das Gesinde. Eine Untersuchung zum Landrechtsentwurf Pufendorfs und zur Arbeiterschutzgesetzgebung bis 1900. Nomos, Baden-Baden 2012. 194 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen Sagemann, Mirka, Krankenfürsorge für das Gesinde. Eine Untersuchung zum Landrechtsentwurf Pufendorfs und zur Arbeiterschutzgesetzgebung bis 1900. Nomos, Baden-Baden 2012. 194 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts trat dem sich mehr und mehr durchsetzenden Liberalismus mit allen seinen Vorteilen und Nachteilen als Ausgleichsgedanke der Sozialismus gegenüber. Er fand ziemlich rasch so viele Anhänger, dass ihn Otto von Bismarck 1878 durch Gesetz zu verbieten versuchte, obgleich Gedanken so flüchtig und beweglich sind, dass sie sich nirgends und nie wirklich durch eine rechtliche Maßnahme verbieten lassen. Dementsprechend entschied sich Otto von Bismarck in später Einsicht der Vergeblichkeit einer Feindschaft gegenüber Arbeitern, Proletariern und Sozialisten zu deren Umarmung durch die Sozialversicherung mit all ihren in der Anfangszeit nicht für wahrscheinlich gehaltenen Folgeproblemen.
Mit einem Teilbereich dieser sehr interessanten Thematik befasst sich die vorliegende, von Gottfried Schiemann fürsorglich betreute, im Jahre 2012 von der juristischen Fakultät der Universität Tübingen angenommene Dissertation der 1983 geborenen, zeitweise als wissenschaftliche Hilfskraft an der Universität Tübingen und nach dem zweiten juristischen Staatsexamen als Rechtsanwältin tätigen Verfasserin. Sie greift dabei historisch erfreulich weit zurück, indem sie von dem Entwurf eines hannoverschen Landrechts ausgeht, den Friedrich Esaias Philipp von Pufendorf wahrscheinlich zwischen 1770 und 1772 erstellte. Dementsprechend behandelt nach einer Einleitung der zweite Teil der Untersuchung den Entwurf und seinen Verfasser und der dritte Teil den Titel 63, §§ 27-30, während Teil 4 eine vergleichende Untersuchung innerhalb der hannoverschen Rechtsentwicklung vornimmt und Teil 5 eine Bewertung im Vergleich der gesamten deutschen Rechtsentwicklung des 18. und 19. Jahrhundert bis zum Bürgerlichen Gesetzbuch von 1896 durchf |
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Scheib, Karl Ulrich, Justiz unterm Hakenkreuz. Strafjustiz im Nationalsozialismus bei der Staatsanwaltschaft Ulm und den Gerichten im Landgerichtsbezirk Ulm.Verlag Klemm + Oelschlägel, Ulm 2012. 275 S., 2 Abb., zahlr. Tab. Besprochen von Ulrich-Dieter Oppitz. |
Ganzen Eintrag anzeigen Scheib, Karl Ulrich, Justiz unterm Hakenkreuz. Strafjustiz im Nationalsozialismus bei der Staatsanwaltschaft Ulm und den Gerichten im Landgerichtsbezirk Ulm.Verlag Klemm + Oelschlägel, Ulm 2012. 275 S., 2 Abb., zahlr. Tab. Besprochen von Ulrich-Dieter Oppitz.
Die mit der Bestnote „summa cum laude“ gewürdigte Marburger juristische Dissertation verfasste der 1941 in Ulm geborene Oberstaatsanwalt im Ruhestand nach einer zehnjährigen Vorbereitungszeit. Der Verfasser stellt seiner Arbeit eine Darstellung der Quellenlage voran. In einer Gliederung schildert er die Einflussnahme im Dritten Reich auf die Justiz. Hierbei werden Maßnahmen der Lenkung der Justiz und ihre Umsetzung in der Alltagspraxis dargestellt. Im folgenden Abschnitt über die Staatsanwaltschaft ist ein Schwerpunkt auf die Verstöße gegen Heimtückevorschriften gelegt. Nach den gerichtlichen Entscheidungen, gegliedert in die Abschnitte ‚Unerlaubter Umgang mit Kriegsgefangenen’, ‚KriegswirtschaftsVO und VerbrauchsregelungsstrafVO’, ‚VolksschädlingsVO’, ‚Gefährliche Gewohnheitsverbrecher (§ 20a StGB)’, ‚Kriegssonderstrafrechtsverfahren’, ‚Jüdische Mitbürger vor der Ulmer Justiz’, ‚Verfahren gegen Pfarrer und Bibelforscher’ und ‚Verfolgung von Homosexuellen’, wird die Frage ‚Politischer Druck auf Gerichte ?’ gestellt. Nach den Straftaten, die in der nationalsozialistischen Zeit besonderes Interesse gefunden hatten, wird die Rechtsprechung zu den ‚klassischen Delikten’ dargestellt. Im Abschnitt über ‚Strafjuristen in Ulm’, einschließlich ihrer Tätigkeit nach dem Mai 1945, sind einzelne ‚furchtlose Juristen’ –im Widerstand- und ‚furchtbare Juristen’ („Speerspitze der Partei“) porträtiert. Der Zusammenfassung folgt als Schluss das Literaturverzeichnis.
Leider lässt die Arbeit keine Umschreibung des Untersuchungsgebietes erkennen. Die räumliche Entwicklung des Landgerichtsbezirks Ulm und der Bezirke seiner Amtsgerichte sind nicht beschrieben. Im Untersuchungszeitraum gab es Amtsgeric |
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Dilich, Wilhelm, Synopsis descriptionis totius Hassiae. Gesamtbeschreibung von ganz Hessen, hg. v. Rener, Monika/Lange, Klaus mit einem einleitenden Beitrag von Gräf, Holger, T. Historische Kommission von Hessen, Marburg 2012. XLII, 190 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
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Zu den besonders kostbaren Beständen des Staatsarchivs Marburg zählt ein unscheinbarer, nur fünf Millimeter starker Folioband mit der Signatur H 58. Er enthält auf 38 dünnen Papierblättern das 1591 geschaffene Werk Dilich, Synopsis descriptionis totius Hassiae. Es ist wegen seines großen Wertes im Original für Benutzer gesperrt, kann aber in Reproduktionen und Digitalisaten benutzt werden. Dazu kommt nunmehr die vorliegende, elegante, ebenfalls großformatige, deutlich dickere Druckwiedergabe der beiden in Marburg sowie in der hessischen Erwachsenbildung tätigen Herausgeber.
Der Verfasser wurde wohl in Wabern 1571/1572 als Sohn des 1615 gestorbenen Pfarrers Heinrich Scheffer (oder Schaeffer) genannt Dilich geboren und studierte nach dem Besuch der Gelehrtenschule in Kassel von 1589 bis 1590 an der Universität Wittenberg und anschließend in Marburg. Mit 20 Jahren legte er seine Synopsis descriptionis totius Hassiae dem Landgrafen Moritz vor, der ihn ab 1592 als Abreißer (Grafiker) in seine Dienste nahm. In diesem Rahmen schuf er als Geographus und Historicus historisch-topographische Werke vor allem zu Sachsen, Bremen, Ungarn und Hessen, wobei die ab 1607 begonnene kartographische Aufnahme der Landgrafschaft Hessen wegen eines Zerwürfnisses leider unvollendet blieb und Dilich nach einer Kerkerhaft 1625 an den Hof des Kurfürsten von Sachsen wechselte, an dem er fast bis zu seinem Tode im April 1650 wirkte.
Seine von den Herausgebern erstmals vollständig im Druck edierte, in die drei Bücher Oberhessen, Niederhessen und die Sitten und Bräuche der Hessen gegliederte Synopsis enthält in einem beschreibenden, chronikalischen Text 46 fein ausgeführte, wohl auf Grund |
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Brauneder, Wilhelm, Quellenbuch zur österreichischen Verfassungsgeschichte 1848-1955, Anhang Ältere Quellen. Manz 2012. VI, 138 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen Brauneder, Wilhelm, Quellenbuch zur österreichischen Verfassungsgeschichte 1848-1955, Anhang Ältere Quellen. Manz 2012. VI, 138 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Verfassung ist die Gestaltung und der dadurch entstandene Zustand einer Gegebenheit im Allgemeinen. Insofern hat nicht nur jeder einzelne Mensche eine im Einzelnen ständig wechselnde Verfassung, sondern auch eine Gesamtheit von Menschen oder ein aus ihr im Laufe der Zeit entstandener Staat. Dementsprechend gibt es eine Verfassungsgeschichte Österreichs seit seinen Anfängen, die sich nach allgemeiner wissenschaftlicher Einsicht in einen Abschnitt der bloßen materiellen Verfassung und (ab 1848) der zusätzlichen formellen Verfassung gliedern lässt.
Der bekannte und bedeutende Wiener Rechtshistoriker Wilhelm Brauneder hat sich seit seinen wissenschaftlichen Anfängen für die deutsche Rechtsgeschichte in ihrer gesamten Breite interessiert. In diesem offenen Rahmen hat er das erfolgreichste Lehrbuch zur Verfassungsgeschichte Österreichs geschrieben, das unter dem Titel Österreichische Verfassungsgeschichte im Jahre 2009 in elfter Auflage vorgelegt werden konnte, aber in der Gegenwart mit einer neuen Rechts- und Verfassungsgeschichte konkurrieren muss. Ein zugehöriges Quellenbuch lag lange Jahre als universitär vertriebenes Skriptum unterschiedlichen Lehrveranstaltungen zur österreichischen Verfassungsgeschichte zu Grunde und ist nach der universitären Emeritierung des Verfassers - in bearbeiteter, erweiterter und bis 1955 fortgeführter Form - auch als gedrucktes Buch greifbar, das dem grundlegenden Verständnis der Verfassungsentwicklung bis an die die Schwelle des geltenden Verfassungsrechts dienen soll.
Es umfasst im Anhang das privilegium minus (1156), das privilegium maius (1358), das pactum mutuae successionis (1703) und die pragmatische Sanktion (1713), die Annahme des österreichischen Kaisertitels (1804), das Ende des Heiligen römischen Reiches (1806), die Deutsche |
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Fischer, Sandra, Juristen in Westfalen im 19. Jahrhundert - Soziale Herkunft und Karrieren (= Ius vivens, B, 24). LIT, Münster 2012. XII, 171 S. Besprochen von Werner Schubert. |
Ganzen Eintrag anzeigen Fischer, Sandra, Juristen in Westfalen im 19. Jahrhundert - Soziale Herkunft und Karrieren (= Ius vivens, B, 24). LIT, Münster 2012. XII, 171 S. Besprochen von Werner Schubert.
Das Werk Sandra Fischers bringt eine „Kollektivbiographie“ der westfälischen Justizjuristen (Richter, Assessoren, Rechtsanwälte, Notare) der Geburtsjahrgänge von 1820 bis 1889. Unter einer Kollektivbiographie ist nach W. H. Schröder, Kollektive Biographien in der historischen Sozialforschung, S. 8, zu verstehen die „theoretisch und methodisch reflektierte, empirische, besonders auch quantitativ gestützte Erforschung eines historischen Personenkollektivs in seinem jeweiligen gesellschaftlichen Kontext anhand einer vergleichenden Analyse der individuellen Lebensläufe der Kollektivmitglieder“ (zitiert von Fischer, S. 1). Zu diesem Zweck hat Fischer rund 350 im Landesarchiv NRW Abt. Westfalen, von denen 201 Akten verwertbare Ergebnisse aufwiesen, eingesehen (113 Richter [davon 21 Gerichtspräsidenten und 7 OLG-Räte], Rechtsanwälte und Notare sowie Assessoren und Referendare). Bei der Auswertung der ermittelten Juristendaten liegt ein Schwerpunkt der Arbeit auf der Untersuchung „der sozialen Zusammensetzung der Gruppe der westfälischen Juristen, wobei als Merkmal der sozialen Herkunft der Vaterberuf dient“ (S. 2). Die Untersuchung umfasst als „Stichprobe“ (S. 8) rund ein Fünftel bis ein Viertel des westfälischen Justizpersonals; für Rechtsanwälte und Notare liegt der Anteil erheblich niedriger. Im Abschnitt über den „sozialgeschichtlichen Rahmen“ (S. 8ff.) befasst sich Fischer insbesondere mit der juristischen Ausbildung, der Justizreform von 1849/1851 sowie mit der Einführung der Freien Advokatur (Inkrafttreten der Rechtsanwaltsordnung von 1878). Die Datenauswertung bringt zunächst einen Abschnitt über die örtliche Herkunft der westfälischen Juristen und deren Schulbildung. Die weiteren Kapitel beschäftigen sich mit dem Universitätsstudium der westfälischen Juristen, den E |
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Möhring, Andreas, Richter im Nationalsozialismus. Personalentwicklung und Personalpolitik am OLG Naumburg 1933-1945 (= Hallesche Schriften zum Recht 30). Universitätsverlag, Halle an der Saale 2012. XXVIII. 292 S. Besprochen von Werner Schubert. |
Ganzen Eintrag anzeigen Möhring, Andreas, Richter im Nationalsozialismus. Personalentwicklung und Personalpolitik am OLG Naumburg 1933-1945 (= Hallesche Schriften zum Recht 30). Universitätsverlag, Halle an der Saale 2012. XXVIII. 292 S. Besprochen von Werner Schubert.
Darstellungen über die einzelnen Oberlandesgerichte während der NS-Zeit gehören noch immer zu den Seltenheiten der rechtshistorischen Literatur (vgl. hierzu die Monographie von Christof Schiller, Das Oberlandesgericht Karlsruhe im Dritten Reich, Berlin 1997). Es ist deshalb zu begrüßen, dass sich Möhring in seiner unter Heiner Lück an der Universität Halle-Wittenberg entstandenen Dissertation der Geschichte des Oberlandesgerichts Naumburg zwischen 1933 und 1945 angenommen hat. Ziel der Bearbeitung Möhrings war es darzustellen, „wie sich die Richterschaft am Oberlandesgericht Naumburg im ‚Dritten Reich’ zusammengesetzt hat, welches politische Profil sie besaß und wie sich die personelle Entwicklung“ bis 1945 vollzogen hat (S. 6). Weiterhin wurde untersucht, welche Veränderungen in der Besetzung des Oberlandesgerichts Naumburg es in diesem Zeitraum gegeben hat und wie insgesamt die Personalpolitik zu beurteilen ist. Die Quellenlage ist trotz der Kriegsverluste insgesamt zumindest hinsichtlich der Richter am Oberlandesgericht Naumburg nicht ungünstig, da die wenn auch verstreuten Quellen insgesamt „ein weitestgehend vollständiges Bild der Personalpolitik und personellen Entwicklung des Oberlandesgerichts zwischen 1933 und 1945 ergeben“ (S. 13). Nicht behandelt wird die Spruchtätigkeit des Oberlandesgerichts, da die Urteile nur vereinzelt überliefert sind und die dazugehörigen Verfahrensakten gänzlich fehlen.
Im ersten Abschnitt befasst sich Möhring mit der Geschichte des Oberlandesgerichtsbezirks zwischen 1813 und 1945 (S. 17-61). Mit dem Inkrafttreten des Gerichtsverfassungsgesetzes von 1877 wurden die Appellationsgerichte in Magdeburg, Halberstadt und Naumburg aufgelöst und das Oberlandesgeri |
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Müller, Matthias, Die SPD und die Vertriebenenverbände 1949-1977. Eintracht, Entfremdung, Zwietracht. Lit Verlag, Münster 2012. 603 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen Müller, Matthias, Die SPD und die Vertriebenenverbände 1949-1977. Eintracht, Entfremdung, Zwietracht. Lit Verlag, Münster 2012. 603 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Nach den Toten des zweiten Weltkriegs mussten wohl die Vertriebenen die größten Opfer für die überhebliche Verblendung Adolf Hitlers und seiner nationalsozialistischen Anhänger tragen. Sie verloren ihre Heimat und sannen in der Folge vor allem über mögliche Wege des Ausgleichs dieses gewichtigen Verlusts nach. Dass sich die dabei gesteckten Ziele nicht vollständig verwirklichen ließen, war vielen vermutlich von Anfang an klar, doch konnte allen die sich ergebende Wirklichkeit nur allmählich in der ablaufenden Zeit bewusst werden.
Das vorliegende Werk ist eine an der Universität Gießen im Jahre 2011 angenommene Dissertation. Sie befasst sich mit einem abgegrenzten interessanten Thema und schließt dabei eine bisher bestehende wissenschaftliche Lücke. Ansprechend geht sie auf das Grundproblem der Politik ein, dass auf der Suche nach Anhängern die Wahrheit von den politischen Führern vielfach lieber verschleiert als enthüllt wird.
Nach dem Ende des zweiten Weltkriegs stimmten die sich in Interessenverbänden sammelnden Vertriebenen und die Sozialdemokratische Partei Deutschlands, deren Mitglied Wenzel Jaksch eine führende Aufgabe in der Vertriebenenbewegung übernahm, in ihren Zielen weitgehend überein, so dass beide 1950 das von der damaligen Deutschen Demokratischen Republik mit Polen geschlossene Abkommen über die Oder-Neiße-Grenze ablehnten. Im Laufe der Jahre wechselte aber die Sozialdemokratische Partei Deutschlands in der Person einzelner Vertreter und später allgemein ihre politischen Ziele und veröffentlichte schließlich 1968 ihre Bereitschaft zur Respektierung der Oder-Neiße-Grenze, während die Vertriebenen weiter an ihren optimalen Vorstellungen festhielten. Diese schließlich mit dem Übertritt Herbert Hupkas zur Christlich Demokratischen Union endende, zum |
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Herzer, Martin, Auslandskorrespondenten und auswärtige Politik im Dritten Reich. Böhlau, Köln 2012. 306 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen Herzer, Martin, Auslandskorrespondenten und auswärtige Politik im Dritten Reich. Böhlau, Köln 2012. 306 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Die meisten Menschen wollen mehr scheinen, als sie wirklich sind. Die von Menschen gelenkten Staaten eifern ihnen in diesem Bemühen naheliegenderweise nach. Deswegen wollen die meisten Staaten die jeweils anderen Staaten besser kennen, als diese sich selbst darstellen, und gleichzeitig sich selbst besser darstellen, als sie wirklich sind.
In diesem Zusammenhang ist die Einrichtung des Auslandskorrespondenten entstanden. Auch das von Adolf Hitler geführte Deutsche Reich wollte sich nicht vollständig aus der Völkergemeinschaft ausschließen und ließ daher die über es in das Ausland berichtenden Korrespondenten anderer Staaten im Inland zu, wollte aber deren Ergebnisse sowohl überwachen wie auch mitgestalten. Mit diesem interessanten Politikbereich befasst sich die vorliegende Untersuchung des in einem Studium der Publizistik, Politikwissenschaft und Betriebslehre an der Universität Mainz ausgebildeten Verfassers. Sie beruht auf einer 2011 angefertigten Magisterarbeit und schließt eine bisher bestehende wissenschaftliche Lücke.
Auf der Grundlage von Akten und autobiographischen Zeugnissen zeichnet der Verfasser die ambivalente Situation nach. Dabei schildert er vor allem die verschiedenen Mittel, mit denen die mehreren zuständigen Stellen auf die Berichterstattung im Ausland Einfluss zu nehmen versuchten (gezielte Informationsvergabe, Einbestellung, Demarche, Nichtverlängerung der Aufenthaltsgenehmigung, Ausweisung). Insgesamt kommt er zu dem ansprechenden Ergebnis, dass der Versuch der Verbesserung der Außendarstellung des Deutschen Reiches im Ausland nicht wirklich erfolgreich war, weil sich die Korrespondenten nur begrenzt beeinflussen ließen und die Empfänger ihrer Nachrichten sich dem Einfluss der nationalsozialistischen Politik ziemlich folgenlos vollständig entziehen konnten, wenn sie |
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Birnbaum, Christoph, Die Pensionslüge. Warum der Staat seine Zusagen für Beamte nicht einhalten kann und warum uns das alle angeht. Deutscher Taschenbuch Verlag, München 2012. 250 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen Birnbaum, Christoph, Die Pensionslüge. Warum der Staat seine Zusagen für Beamte nicht einhalten kann und warum uns das alle angeht. Deutscher Taschenbuch Verlag, München 2012. 250 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Da ein Herrscher zur Beherrschung vieler zahlreiche Gehilfen benötigt, vergab der mittelalterliche König sein Land an viele Mannen. Als der Landesherr für seine Herrschaft über das Land eher Geisteskraft als Kriegermut benötigte, ersetzte er die Lehensmannen durch geschulte, besoldete und absetzbare Amtsträger. Mit der Übernahme ständig neuer Verwaltungsaufgaben erwuchs hieraus eine immer größere Zahl von mehr und mehr eigentlich unabsetzbar werdenden Beamten, deren Pension ohne gezielte Vorsorge der Staat aus seinem durch Steuern erlangten Haushalt bezahlte.
Der Verfasser des die hierdurch drohenden Gefahren behandelnden Taschenbuchs wirkte neun Jahre als Parlamentskorrespondent des Rheinischen Merkurs. Danach war er Redakteur des Handelsblatts und Senior Consultant des Instituts der deutschen Wirtschaft in Köln, ehe er freier Journalist für das Deutschlandradio, den Westdeutschen Rundfunk und andere Medien wurde. Seitdem ist er etwa durch eine Untersuchung von Feldpostbriefen aus dem Russlandfeldzug 1941 (2011) hervorgetreten.
Mahnend weist er nunmehr darauf hin, dass in weniger als 20 Jahren die meisten deutschen Bundesländer rund die Hälfte ihrer kaum mehr beliebig vermehrbaren Steuereinnahmen für Personalkosten und Ruhestandsbezüge ausgeben müssen werden. Die Lösung sieht er in einer baldigen Erhöhung des Pensionsalters der Beamten zunächst mit 67 und danach mit 70. Einem Staat, der die freiwillige Weiterarbeit Leistungsfähiger über die bisherigen Altersgrenzen hinaus administrativ wie judikativ verhindert oder durch Nichtanerkennung dienstlich entstandener Werbungskosten von Pensionären schädigt, wird es schwer fallen, diese Notwendigkeiten bis zum Einsturz seiner Lebenslügen in eine annehmbare Wirklichkeit |
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Kornat, Marek, Polen zwischen Hitler und Stalin. Studien zur polnischen Außenpolitik in der Zwischenkriegszeit. Aus dem Polnischen übersetzt v. Wiaderny, Bernard. be.bra Verlag, Berlin 2012. 303 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen Kornat, Marek, Polen zwischen Hitler und Stalin. Studien zur polnischen Außenpolitik in der Zwischenkriegszeit. Aus dem Polnischen übersetzt v. Wiaderny, Bernard. be.bra Verlag, Berlin 2012. 303 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Das gegen 960 erstmals sichtbare Polen war im Spätmittelalter unter Piasten und Jagiellonen ein bedeutsames ostmitteleuropäisches Königreich. Am Ende des 18. Jahrhundert wurde es in drei Teilungen zwischen Russland, Preußen und Österreich aufgeteilt. Aus dem auf Drängen Napoleons 1807 entstandenen Herzogtum Warschau kamen 1815 große Gebiete wieder an Preußen, während das Königreich Polen in Personalunion mit dem russischen Kaiserreich verbunden wurde, bis 1919 durch den Friedensvertrag von Versailles die Unabhängigkeit der Republik Polen bestätigt wurde.
Mit der schwierigen Stellung Polens zwischen dem Deutschen Reich und Russland befasst sich das vorliegende, für deutschsprachige Leser geschaffene Werk des in Polen bekannten Historikers. Im Mittelpunkt steht dabei die Frage, ob die polnische Politik sich gegenüber Adolf Hitler stets optimal verhalten hat. Hätte sich das Schicksal Polens verbessert, wenn die Regierung auf die Forderungen Hitlers nach einer Rückgliederung Danzigs in das Deutsche Reich und die Schaffung eines Transits eingegangen wäre?.
Der Verfasser verneint diese Frage und vertritt die Ansicht, dass Polen sich gegenüber Adolf Hitler richtig verhalten habe. Es habe keine Alternative zur zeitweisen Annäherung an das Deutsche Reich und zur Ablehnung der Forderungen des Jahres 1939 gegeben. Hierüber wird die wissenschaftliche Diskussion vermutlich mit dieser sehr interessanten und pointierten polnischen Untersuchung noch nicht wirklich beendet sein.
Innsbruck Gerhard Köbler
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Dokumente zur liechtensteinischen Geschichte zwischen 1928 und 1950, hg. v. Liechtensteinischen Landesarchiv, bearb. v. Frey, Stefan/Ospelt, Lukas. Chronos, Zürich 2011. 704 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen Dokumente zur liechtensteinischen Geschichte zwischen 1928 und 1950, hg. v. Liechtensteinischen Landesarchiv, bearb. v. Frey, Stefan/Ospelt, Lukas. Chronos, Zürich 2011. 704 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Im Universum ist Größe meist, wenn auch nicht immer, von Vorteil. Insofern hat es das zwischen der Schweiz und Österreich gelegene Fürstentum Liechtenstein, das sich seit 1699/1712 aus den (gekauften) Herrschaften Vaduz und Schellenberg innerhalb des Heiligen römischen Reiches entwickelte, 1806 mit dem Untergang des Reiches Souveränität gewann und von 1815 bis 1866 dem Deutschen Bund angehörte, mit seinen 160 Quadratkilometern und (1938 rund 10000 sowie heute) rund 30000 Einwohnern zumindest nicht leicht. Es muss seine natürlichen Nachteile durch künstliche Vorteile ausgleichen, was nicht unter allen politischen Bedingungen gleich gut gelingen kann.
Mit einem diesbezüglichen wichtigen Abschnitt der Landesgeschichte befasste sich seit 2001 eine unabhängige Kommission, welche die Ergebnisse ihrer Untersuchungen über die Landesgeschichte zwischen 1933 und 1945 nach zehnjähriger Arbeit der Öffentlichkeit vorlegen konnte. Sie hielt einen zusätzlichen Dokumentenband für erforderlich. Er steht nunmehr im vorliegenden Werk jedermann zur Verfügung.
Die Texte zeigen zum einen, dass Liechtenstein zwischen Hinwendung zu Adolf Hitlers Nationalsozialismus und Abwehr dieser Gefahr einen eigenen, sogar einen Putschversuch im Jahre 1939 überstehenden Weg finden musste und konnte. Sie legen zum anderen auch dar, dass und wie Liechtenstein durch seine Steuerpolitik zu Lasten seiner Nachbarn erhebliche Einnahmen erzielte, die ihrerseits ab 1938 für einige Jahre gefährdet wurden. Wenngleich die Dokumente und ihre Deutung nicht alle Bereiche mit wünschenswerter Offenheit erfassen, bieten sie insgesamt doch eine gute Grundlage für die Einschätzung Liechtensteins in einer schwierigen, in ihren Folgen erst allmählich vielleicht ausklingenden Ze |
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Dokumente zur Deutschlandpolitik. „Besondere Bemühungen“ der Bundesrepublik, hg. v. Bundesministerium des Inneren und Bundesarchiv. Band 1 1962 bis 1969. Häftlingsfreikauf, Familienzusammenführung, Agentenaustausch. Oldenbourg, München 2012. LXXX, 758 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen Dokumente zur Deutschlandpolitik. „Besondere Bemühungen“ der Bundesrepublik, hg. v. Bundesministerium des Inneren und Bundesarchiv. Band 1 1962 bis 1969. Häftlingsfreikauf, Familienzusammenführung, Agentenaustausch. Oldenbourg, München 2012. LXXX, 758 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
An die Teilung des Deutschen Reiches am Ende des zweiten Weltkriegs in vier Besatzungszonen schloss sich ziemlich rasch die getrennte Entwicklung eines sowjetisch beherrschten Ostens und eines angloamerikanisch-französisch beherrschten Westens an. In der Folge verließen viele Menschen die sozialistischere Deutsche Demokratische Republik und wechselten in die liberal-konservativere Bundesrepublik. Um aus östlicher Sicht die drohende Aggression des Westens bzw. aus westlicher Sicht die Flucht aus Zwang und Not in Freiheit und zumindest bescheidenen Wohlstand zu verhindern oder zumindest zu erschweren, errichtete die Deutsche Demokratische Republik entgegen früheren Verlautbarungen von der Nacht des 13. August 1961 an eine immer schwerer überwindbare Mauer zwischen West und Ost.
Seit 1962 verhandelten danach alle Bundesregierungen mit der Regierung der Deutschen Demokratischen Republik streng geheim über Häftlingsfreikauf, Familienzusammenführung und Agentenaustausch, jeweils klar getrennt vom allgemeinen innerdeutschen Handel. Die Bundesrepublik war „aus humanitären Gründen“ in „besonderen Bemühungen“ bereit, Geld für Gegenleistungen zu zahlen (z. B. 40000 Deutsche Mark bei langer Haftstrafe). Die Verhandlungen führten (unter erheblichen eigenen Einnahmen) die Rechtsanwälte Jürgen Stange in West-Berlin und Wolfgang Vogel in Ost-Berlin, während die Ausführung das Diakonische Werk der evangelischen Kirche übernahm.
Als einen Teil der amtlichen Dokumente veröffentlicht der vorliegende Band 442 Texte mit Kommentierungen. Sie zeigen insgesamt, dass bis 1969 5015 Menschen freigekauft, rund 2600 Familien zusammengeführt, 2694 Häftlinge in den Westen un |
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Baltensperger, Ernst, Der Schweizer Franken. Eine Erfolgsgeschichte. Verlag NZZ Libro, Zürich 2012. 320 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
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Die Prägung von Münzen wurde anfangs vielfach Interessierten überlassen, ehe Herrscher ein anschließend durch Privilegien meist selbst aufgeweichtes Herrschaftsrecht zur Münzprägung (z. B. Münzregal des deutschen Königs) durchsetzten. Dementsprechend war die Ausgabe von Münzen in der Schweiz eine Angelegenheit einzelner Orte, Städte, Abteien und Herrschaften, bis im Jahre 1798 mit der Gründung der Helvetischen Republik durch Frankreich eine einheitliche Währung des franc de Suisse oder Franken eingeführt wurde. 1803 fiel die Münzhoheit wieder an die Kantone zurück, doch wurde 1848 der neue Bundesstaat der Schweiz endgültig für die Währung zuständig.
Der in Zürich 1942 geborene Verfasser der vorliegenden Geschichte des Frankens promovierte nach dem 1965 mit dem Lizentiat abgeschlossenen Studium der Volkswirtschaftslehre (Nationalökonomie) in Zürich an der John Hopkins University 1969 mit einer Dissertation über Economies of Scale, Firm Size and Concentration in Banking. Ab 1968 lehrte er an der Ohio State University als Assistant Professor, Associate Professor und Full Professor, wechselte 1979 nach Heidelberg sowie 1982 nach Sankt Gallen und lehrte schließlich von 1984 bis 2007 in Bern. Zu seinen ausgewählten Schriften zählt auch ein 2005 vorgelegtes Werk über ein Weißbuch von 1995 und die während der folgenden zehn Jahre anschließende Reformdebatte.
Der in die praktische Wirtschaft und Bankpolitik vielfältig eingebundene Verfasser stellt die Entwicklung des 1850 neu eingerichteten Franken sehr gut verständlich auf breitem Hintergrund dar. Wichtige Schritte auf diesem Weg waren das Banknotengesetz von 1881, das die etwa 50 Banknoten ausgebenden Banken des Landes auf eine einheitliche Grundlage stellte, die Gründung der Schweizerischen Nationalbank (1907) und die Abwertung gegenüber dem Go |
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Ulrich Tenglers Laienspiegel. Ein Rechtsbuch zwischen Humanismus und Hexenwahn, hg. v. Deutsch, Andreas (= Akademiekonferenzen, Band 11). Winter, Heidelberg 2011. 539 S., 7 farbige Abb., 70 s/w Abb. Besprochen von Ulrich-Dieter Oppitz. |
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Im Jahre 2009 organisierte Andreas Deutsch, Leiter der Forschungsstelle „Deutsches Rechtswörterbuch“ bei der Heidelberger Akademie der Wissenschaften eine internationale Fachtagung zu Ulrich Tennglers (auch: Tengler) 1509 erstmals gedrucktem Werk „Laienspiegel“. Nach den Untersuchungen von Seitz (s. u.) sollte sich zukünftig die Namensform Tenngler durchsetzen, schade, dass der Herausgeber hier nicht konsequent vorgeht. Die 20 Vorträge dieser Tagung sind im vorliegenden Band in erfreulich kurzer Zeit im Druck vorgelegt worden. Der Inhalt der Beiträge wird durch viele Abbildungen aus den verschiedenen Druckausgaben und verwandten Werken anschaulich gemacht. Die Beiträge sind in zwei Komplexe gegliedert, die dann noch untergliedert wurden.
Die Einführung des Herausgebers stellt Ulrich Tenngler mit Einzelheiten zu seinem Leben vor und umreißt den Inhalt der folgenden Beiträge. Den Komplex „Ulrich Tengler, seine Zeit und seine Mitstreiter“ leitet Adolf Laufs mit einem Überblick zur Rezeption des römischen Rechts in Deutschland ein. Sie führte zu einer wachsenden Bedeutung der zuerst handschriftlich verbreiteten und dann gedruckten Spiegel-Literatur, die der praktischen Rezeption des wiederentdeckten justinianischen römischen Rechts am Ausgang des Mittelalters diente. Der um 1436 entstandene „Klagspiegel“ des Schwäbisch Haller Stadtschreibers Conrad Heyden kann als eine Anregung zu Tennglers Werk gelten. Beachtenswert in diesem Zusammenhang ist, dass gerade in Südwestdeutschland mit den (angrenzenden) Städten Straßburg und Basel diese Anregungen besonders aufgenommen wurden. Neben Tenngler aus Rottenacker bei Ehingen (Donau) sind auch Sebastian Brant aus Basel, der später in Straßburg wirkte, und der Pforz |
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Frühe Neuzeit in Deutschland 1520-1620. Literaturwissenschaftliches Verfasserlexikon, hg. v. Kühlmann, Wilhelm/Müller, Jan-Dirk/Schilling, Michael/Steiger, Johann Anselm/Vollhardt, Friedrich. Redaktion Kipf, Klaus J. Band 2 Clajus, Johannes-Gigas, Johannes. De Gruyter, Berlin 2012. XXVI S. 596 Sp. Besprochen von Gerhard Köbler. ZIER 3 (2013) 42 IT |
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Das Werk schließt an das von Rudolf Stammler begründete Verfasserlexikon der deutschen Literatur des Mittelalters an, das seit 1978 in zweiter Auflage von Kurt Ruh bzw. Burghart Wachinger herausgegeben und von Franz Josef Worstbrock mit Bänden zum deutschen Humanismus (1480 bis 1520) ergänzt wurde. Allerdings ist es enger begrenzt auf die Literaturwissenschaft, nachdem ursprünglich das gesamte Schrifttum des 16. Jahrhunderts unter Einschluss des theologischen, juristischen, philosophischen, naturkundlichen, medizinischen, enzyklopädischen und historiographischen Wissens der Zeit (mit Ausnahme der Urkunden) erfasst werden sollte. In Absprache mit der Deutschen Forschungsgemeinschaft, deren finanzielle Mitwirkung die Arbeit am Verfasserlexikon zur frühen Neuzeit ermöglicht, musste der Plan aber in der geforderten Weise beschränkt werden.
Sollte ursprünglich in etwa 900 Artikeln der Zeitraum zwischen der Reformation (1517) und dem Dreißigjährigen Krieg (1618-1648) das lterarische, wissenschaftliche und konfessionelle Netz im Heiligen Römischen Reich erfasst und mit der verstreuten Sonderforschung verknüpft werden, so werden trotz der verbleibenden Möglichkeit interdisziplinärer Bezüge Theologie, Jurisprudenz und Geschichte aus der Literatur ausgeschieden. Dementsprechend sinkt die Zahl der geplanten Einträge mit 500 auf fast die Hälfte. Die zeitliche Begrenzung für die angestrebte Überprüfung der vorhandenen Daten und der Gewinnung neuer Erkenntnisse aus den Quellen bleibt demgegeüber unverändert.
Gegliedert ist jeder Artikel in Lemma mit Kurzcharakteristik, kurze Lebensbeschreibung, geordneten Aufriss des Werkes |