Fünfzig (50) Jahre Institut für osteuropäisches Recht der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, hg. v. Trunk, Alexander (= Kieler Schriften für Ostrecht 1). Eul, Lohmar 2011. VII, 148 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen Fünfzig (50) Jahre Institut für osteuropäisches Recht der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, hg. v. Trunk, Alexander (= Kieler Schriften für Ostrecht 1). Eul, Lohmar 2011. VII, 148 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Im letzten Jahrhundert haben sich die Verhältnisse der Menschen zunehmend verdichtet. Deswegen ist wie von selbst die Zahl der rechtlichen Regeln erheblich gewachsen. Bessere Kommunikationsmöglichkeiten haben zu einem gewaltigen Anstieg des Wissens geführt, weshalb es nahezu selbverständlich geworden ist, über die Kenntnisse des eigenen Rechtes hinaus auch fremdes Recht zu sammeln und zu bearbeiten, so dass die Rechtsvergleichung sich zu einem eigenen, wenn auch nicht unbedingt im Mittelpunkt des juristischen Interesses stehenden Gegenstand entwickelt hat.
Das Interesse für das besondere osteuropäische Recht geht dabei darauf zurück, dass man im so genannten kalten Krieg über den in etwa östlich der Elbe sitzenden politischen Gegner mehr wissen wollte. Der im russischen Zarenreich 1915 geborene, in Estland ausgebildete, im zweiten Weltkrieg nach Deutschland gelangte und aus einer Tätigkeit im Außenministerium der Bundesrepublik Deutschland in Hamburg habilitierte Boris Meissner, der aktiv an vielen Verhandlungen der deutschen Bundesregierung mit der Sowjetunion mitwirkte, nahm dies bei seiner Berufung an die Universität Kiel 1959 zum Anlass, die Einrichtung eines Seminars für Recht, Geschichte und Politik Osteuropas vorzuschlagen. Da er damit Erfolg hatte, konnte im Jahre 2009 das daraus entstandene Institut für osteuropäisches Recht sein fünfzigjähriges Bestehen feiern.
Einige der bei dieser Gelegenheit am 12./13. Juni 2009 vorgetragene Referate vereinigt der vorliegende Band mit anderen Studien zu einer schlanken, mit dokumentarischen Zeugnissen veranschaulichten Einheit. Davon schildern sieben Beiträge die Geschichte des Instituts von den Anfangsjahren bis zu den heutigen Perspektiven, während fünf weite |
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Staatsanwaltschaftsrecht (1934-1982). Quellen zu den Reformprojekten (Organisation - Innerer Dienstbetrieb - Ermittlungsverfahren - Verhältnis der Staatsanwaltschaft zur Polizei) und zur Anordnung über Organisation und Dienstbetrieb der Staatsanwaltschaft (OrgStA), eingeleitet und hg. v. Schubert, Werner (= Rechtshistorische Reihe 440). Peter Lang Edition, Frankfurt am Main 2013. 611 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
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Der auch die ausführende Staatsgewalt gegenüber der unabhängig werdenden Gerichtsbarkeit stärkende Staatsanwalt erscheint nach einer längeren Entwicklung in Frankreich nach den Revolutionsjahren 1808 in einer modernen Form, die 1810 in den von Frankreich eingenommenen Teilen des ehemaligen Heiligen römischen Reiches links des Rheines übernommen wird. Dem folgen Baden 1831/1832, Hannover 1841, Württemberg 1843, Preußen 1846 und schließlich 1877/1879 das kurz zuvor geschaffene Deutsche Reich in seiner Gesamtheit. Seitdem ist der Staatsanwalt als vom Richter getrennter Vertreter des Staates in der Strafanklage selbverständlich, wenn auch seine Rechtsstellung seit dieser Zeit immer wieder diskutiert wurde.
Mit der Geschichte der Staatsanwaltschaft in der Mitte des 20. Jahrhunderts befasst sich Werner Schubert als hervorragender Sachkenner in seiner neuesten wichtigen Quellenedition. Ihr stellt er eine klare Einleitung voraus. Sie bietet einen beeindruckenden Überblick über den Inhalt und die Quellen der Edition, über die Staatsanwaltschaft im 19. Jahrhundert bis in die 70er Jahre des 20. Jahrhunderts und als besonders wichtig erfasste sechs Themen (Anordnung über Organisation und Dienstbetrieb der Staatsanwaltschaft, Bericht des Unterausschusses Organisation der Staatsanwaltschaft, Referentenentwurf eines Gesetzes zur Änderung des Rechts der Staatsanwaltschaft vom 2. 12. 1976, Leitsätze der von der Justiz[-] und Innenministerkonferenz eingesetzten gemeinsamen Kommission zum Verhältnis von Staatsanwaltschaft und Polizei 197 |
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NMT. Die Nürnberger Militärtribunale zwischen Geschichte, Gerechtigkeit und Rechtsschöpfung, hg. v. Priemel, Kim Christian/Stiller, Alexa. Hamburger Edition, Hamburg, 2013. 928 S. Besprochen von Werner Augustinovic. |
Ganzen Eintrag anzeigen NMT. Die Nürnberger Militärtribunale zwischen Geschichte, Gerechtigkeit und Rechtsschöpfung, hg. v. Priemel, Kim Christian/Stiller, Alexa. Hamburger Edition, Hamburg, 2013. 928 S. Besprochen von Werner Augustinovic.
Die Publikation, die es zu würdigen gilt, ist eine gewichtige, und dies nicht nur ob ihres beträchtlichen Umfangs von mehr als 900 Druckseiten. Denn bis in die Gegenwart konzentrierte sich das allgemeine Interesse an Nürnberg vorwiegend auf das interalliierte Strafverfahren gegen die 24 prominenten, als „Hauptkriegsverbrecher“ angeklagten Exponenten des nationalsozialistischen Regimes, auf den sogenannten „Nürnberger Prozess“, der im Zeitraum vom November 1945 bis Oktober 1946 im Justizpalast als International Military Tribunal (IMT) abgewickelt wurde. Die zwölf in der Folge bis 1949 unter US-amerikanischer Federführung am selben Ort gegen eine breite Palette weiterer Vertreter des Systems verhandelten Nuernberg Military Tribunals (NMT) haben, summarisch als „Nürnberger Nachfolgeprozesse“ tituliert und abqualifiziert, hingegen weit weniger Beachtung erfahren. Sehr zu Unrecht, wie die beiden als Herausgeber firmierenden Geschichtswissenschaftler, der an der Humboldt-Universität Berlin forschende Kim Christian Priemel und die an der Universität Bern tätige Alexa Stiller, befinden: Hebe sich doch trotz bestimmter, nicht zu übersehender Kontinuitäten „die spätere Prozessserie von ihrem Vorgänger durch eigene Rechtsgrundlagen, vielfach neues Personal, andere inhaltliche und analytisch differenziertere Schwerpunkte sowie den veränderten politischen Kontext des frühen Kalten Krieges ab“, sodass man „eine bruchlose Linie vom IMT zu den NMT […] vergebens (sucht)“ (S. 9). Es sei daher hoch an der Zeit, diese Verfahren unter dem Label der NMT endlich aus dem übermächtigen Schatten des IMT zu rücken und den ihnen gebührenden, eigenständigen Raum unter geschichtlichen wie rechtlichen Gesichtspunkten abzustecken.
Um den Nutzwert zu o |
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Constitutionalising the EU Judicial System. Essays in Honour of Pernilla Lindh, hg. v. Cardonnel, Pascal/Rosas, Allan/Wahl, Nils. Hart Publishing, Oxford 2012. IX, 487 S. |
Ganzen Eintrag anzeigen Constitutionalising the EU Judicial System. Essays in Honour of Pernilla Lindh, hg. v. Cardonnel, Pascal/Rosas, Allan/Wahl, Nils. Hart Publishing, Oxford 2012. IX, 487 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Die Geschichte des Menschen verläuft nicht nur nach festen Regeln, weshalb die Zukunft auch kaum vorhersehbar ist. Nach dem zweiten Weltkrieg hat die Angst vor einer Neuauflage mörderischer Auseinandersetzungen sechs europäische Staaten in eine gegenseitige Kontrollgemeinschaft geführt. Dabei waren weder der Vorgang noch das Ergebnis demokratisch oder konstitutionell, weswegen die daraus allmählich erwachsene Europäische Union weder ein demokratischer Staat ist noch eine verfassungsgemäße Gerichtsbarkeit hat.
Dessenungeachtet haben sich alle Richter der Gerichtsbarkeit der europäischen Gemeinschaften wie der Europäischen Union um das Recht in Europa und damit auch in der gesamten übrigen Welt sehr verdient gemacht. Zu ihnen zählt auch die 1945 geborene Pernilla Lindh, die für Schweden lange Jahre die europäische Gerichtsbarkeit wahrnahm. Ausgebildet in Lund kam sie 1981 an den Hofrat Schwedens und wurde nach der Wahrnehmung verschiedener anderer führender Aufgaben nach dem Beitritt Schwedens zu den europäischen Gemeinschaften bzw. der europäischen Gemeinschaft in die europäische Gerichtsbarkeit berufen.
Die in Würdigung ihrer herausragenden Verdienste und in Anerkennung ihrer vielfältigen Leistungen von den Herausgebern vorgelegte Festschrift enthält auf der Suche nach Verfassungsmäßigkeit insgesamt 29 Studien. Sie betreffen das europäische Gerichtssystem, die Unionsbürgerschaft, die Grundrechte und besondere Prinzipien und werden von Vassilios Skouris mit weiterführenden Überlegungen über den ständigen Wandel des Gerichtshofs eröffnet. Eine Übersicht über die behandelten Fälle am Eingang und ein Index der angesprochenen Gegenstände am Ende erschließen die vielfältigen Ergebnisse des gehaltvollen, mit einem Foto Pernilla Lind |
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Höbelt, Lothar, Böhmen. Eine Geschichte. Karolinger Verlag. Wien 2012. 216 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
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Böhmen ist das nach den keltischen Boiern benannte Gebiet (latinisiert Boiohaemum) östlich des Bayerischen Waldes, in das seit dem 6. Jahrhundert Slawen eindringen, die seit 800 christianisiert werden. Der von Eike von Repgow (1221-1224) zu den Kurfürsten des deutschen Reiches gezählte, aber als nichtdeutsch doch nicht zut Königswahl zugelassene König von Böhmen wird nach dem Aussterben der Babenberger auf Grund der Heirat der 30 Jahre älteren Erbtochter 1251 mit Zustimmung der Stände Herzog von Österreich, verliert aber Leben und Land 1278 in der Schlacht von Dürnkrut auf dem Marchfeld. 1526 ernennt der Adel Böhmens Ferdinand I. von Österreich auf Grund von Erbansprüchen zum König und erst 1918 löst sich am Ende des ersten Weltkriegs das Kronland Böhmen, wie seit 1848 gefordert, in der Tschechoslowakei von dem Verlierer Österreich.
Der in Wien 1956 geborene Verfasser studierte ab 1974 in seiner Geburtsstandt Geschichte, Wirtschaftsgeschichte und Anglistik und wurde 1981 mit seinen von Heinrich Lutz betreuten Studien zu den Voraussetzungen der britischen Appeasementpolitik 1937-1939 sub auspiciis praesidentis promoviert. Nach dem Tode Heinrich Lutzs (1986) habilitierte er sich als Assistent Wolfdieter Bihls 1991 mit der die deutschfreiheitlichen Parteien Altösterreichs zwischen 1882 und 1918 behandelnden Schrift Kornblume und Kaiseradler für neuere und neueste Geschichte. Seitdem wirkt er als außerordentlicher Professor - mit älteren Bezügen zur Freiheitlichen Partei Österreichs - an der Universität Wien.
In seiner kurzen umfassenden Geschichte Böhmens verbindet er die Erkenntnisse der deutschsprachigen Forschung mit den Ergebnissen der tschechischen Geschichtswissenschaft. Die Darlegung erfolgt knapp, klar und selbständig. Den Grund für die bedingungslose ethnische Säuberung am Ende des zweiten Weltkriegs sieht der |
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Bosse, Heinrich, Bildungsrevolution 1770-1830, hg. mit einem Gespräch v. Ghanbari, Nacim. Universitätsverlag Winter, Heidelberg 2012. 396 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
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Dass viele Lebewesen ihr Leben nicht nur mit Instinkten meistern, sondern oft auch Erfahrung nutzen können und nutzen, liegt auf der Hand. Ebenso wenig lässt sich angesichts der gesamten Entwicklungsgeschichte bezweifeln, dass der ausschließliche Erwerb von Wissen durch eigene Erfahrung mehr Zeit und Aufwand erfordert als die Vermittlung von Wissen durch bereits Wissende, seien es nur Ältere, seien es auch Routiniertere. Das schließt freilich eine Gegenmeinung nicht grundsätzlich aus.
Mit ihr hat sich der 1937 in Riga in Lettland geborene, in Germanistik, Geschichte und Anglistik in Göttingen, Exeter/England und Berlin ausgebildete, nach Tätigkeiten in Finnland und Kanada bis 2002 in Freiburg im Breisgau als akademischer Rat wirkende Verfasser zeitlebens befasst. Ihn hat vor allem die Frage interessiert, warum gegen 1800 das eigene Lernen besonders ansprechend erscheint. Seine diesbezüglichen einzelnen Untersuchungen hat die von 1999 bis 2004 in Konstanz und Hannover Germanistik, Geschichte und Philosophie studierende, seit 2009 in Siegen wirkende Nacim Ghanbari in einem Sammelband zusammengestellt.
Danach ist das eigene Lernen an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert deswegen für Schüler interessant, weil bei Beseitigung der ständischen Schranken eigene Schulung sozialen Aufstieg eröffnet und der selbst bestimmte und damit lebenslang selbst lernende Forscher dadurch zum sozialen Leitbild werden kann. Allerdings ist dieser lernenden Freiheit kein durchschlagender Erfolg beschieden. Nach dem Verfasser sind es vor allem Staatsbedienstete in Ministerien, Universitäten und Schulen, die nicht nur aus altruistischen Motiven, sondern auch zur Gewinnung und Sicherung vin Macht über andere Menschen das Lernen im Zuge der Verstaatlichung des Bildungswesens strikt r |
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Jureit, Ulrike, Das Ordnen von Räumen. Territorium und Lebensraum im 19. und 20. Jahrhundert. Hamburger Edition, Hamburg 2012. 445 S., Abb. Besprochen von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen Jureit, Ulrike, Das Ordnen von Räumen. Territorium und Lebensraum im 19. und 20. Jahrhundert. Hamburger Edition, Hamburg 2012. 445 S., Abb. Besprochen von Gerhard Köbler.
Der Raum ist wie die Zeit eine vorgegebene Dimension, die der Mensch in seiner Geschichte als selbverständlich angenommen und im Rahmen seiner Möglichkeiten genutzt hat. Dementsprechend hat er immer wieder Raum - auch zu Lasten anderer - in Besitz genommen und gegen andere Menschen verteidigt, wie etwa die Bildung von Reichen bereits im Altertum erkennbar bezeugt. Das darüber hinaus gehende Ordnen von Räumen wird demgegenüber erst in neuerer Zeit deutlicher sichtbar, weshalb von einer planerischen Ordnung des Raumes durch den Staat im Sinne einer Raumordnung auch erst seit dem Beginn des 20. Jahrhunderts gesprochen wird.
Die 1964 geborene, in Geschichte ausgebildete, 1997 mit einer Dissertation über Erinnerungsmuster im Rahmen lebensgeschichtlicher Interviews mit Überlebenden der Konzentrationslager und Vernichtungslager promovierte und seit 2000 als wissenschaftliche Mitarbeiterin am historischen Seminar der Universität Hamburg tätige Verfasserin greift in ihrer vorliegenden Untersuchung über dieses engere Verständnis aber deutlich hinaus. Ihr geht es um die Vorstellung, dass Überlegungen zu Territorialität politisches Handeln maßgeblich beeinflussen können. Im Mittelpunkt steht dabei die Zeit zwischen dem zweiten deutschen Kaiserreich und dem Ende des zweiten Weltkriegs.
Dementsprechend beginnt die Verfasserin in ihrer eindrucksvollen Arbeit mit der Kolonialpolitik, die von leeren Räumen in Afrika ausgeht, aber die Vorbevölkerung nur unterwerfen und nicht auch vereinheitlichen will. Danach sieht sie das Verhalten der Siegermächte des ersten Weltkriegs, die entgegen der Volksabstimmung vom 20. März 1921 den wirtschaftlich wertvolleren Teil Oberschlesiens an Polen gaben, als besonders bedeutsam für die Entwicklung von Raumkonzepten eines deutschen Lebensra |
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Baum, Gerhart, Meine Wut ist jung. Bilanz eines politischen Lebens im Gespräch mit Matthias Franck. Kösel-Verlag, München 2012. 159 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen Baum, Gerhart, Meine Wut ist jung. Bilanz eines politischen Lebens im Gespräch mit Matthias Franck. Kösel-Verlag, München 2012. 159 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Obwohl sich die Dimension Zeit von ihrem Anfang an bis zur Gegenwart allem Anschein nach nicht wesentlich verändert hat, wandelt sich doch das Verhältnis des Menschen zu ihr seit der jüngsten Vergangenheit sichtlich. Mit Hilfe der Elektrizität ist die weltweite Übermittlung von Gedanken eine Selbverständlichkeit geworden. Meinungsmacher und Meinungsforscher ermitteln zwar noch nicht sekündlich, aber doch bereits wöchentlich die Akzeptanz der Vertreter der Politik in der Öffentlichkeit, so dass die lange Dauer zur Ausnahme und der rasche Wechsel zur kaum noch vermeidbaren Regel wird.
Gerhart Baum wurde in Dresden 1932 als Sohn eines später in sowjetischer Kriegsgefangenschaft verstorbenen Rechtsanwalts, dessen Vater ebenfalls bereits als Rechtsanwalt gewirkt hatte, geboren und floh nach der Bombardierung Dresdens mit seiner Mutter zunächst an den Tegernsee, von wo aus die Familie nach Köln zog. Dort wurde er nach dem Studium der Rechtswissenschaft 1961 Rechtsanwalt und von 1962 bis 1972 Mitglied der Geschäftsführung der Bundesvereinigung der deutschen Arbeitgeberverbände. Seit 1954 Mitglied der Freien Demokratischen Partei wurde er nach dem Einzug in den Bundestag Deutschlands über die Landesliste Nordrhein-Westfalen 1972 parlamentarischer Staatssekretär bei dem Bundesminister des Inneren und 1978 Bundesminister des Inneren, trat aber 1982 mit dem Wechsel der FDP von der sozialliberalen Koalition zur konservativ-liberalen Koalition von seinem Amt zurück und wurde zunächst für die Vereinten Nationen und danach wieder als Rechtsanwalt tätig.
Aus Anlass seines 80. Geburtstags zieht der sich als leidenschaftlicher Sozialliberaler verstehende Verfasser im Gespräch eine politische Bilanz. Sie plädiert einigermaßen allgemein für ein rundum liberales Lebensgefühl, das |
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Lutz, Martin, Carl von Siemens 1829-1906. Ein Leben zwischen Familie und Weltfirma. Beck, München 2013. 415 S., 119 Abb., ein Stammbaum. Besprochen von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen Lutz, Martin, Carl von Siemens 1829-1906. Ein Leben zwischen Familie und Weltfirma. Beck, München 2013. 415 S., 119 Abb., ein Stammbaum. Besprochen von Gerhard Köbler.
Im Jahre 1384 wird in Goslar die Familie Siemens erstmals erwähnt. Ihr entstammte der in Mecklenburg das Gut Menzendorf pachtende Christian Ferdinand Siemens (1787-1840), dem insgesamt 14 Kinder geboren wurden, darunter 1829 Carl Siemens. Seit 1847 war Carl in der neu gegründeten kleinen Telegraphenbauanstalt Siemens & Halske tätig und wirkte zunächst in Paris, London und dann vor allem in Russland an deren Welterfolg mit. Da er die Aufzeichnung eigener Lebenserinnerungen aus persönlichen Gründen ablehnte, entdeckt ihn eigentlich erst das vorliegende Werk für jedermann neu.
Geschaffen ist es von dem in Stuttgart 1977 geborenen, in Konstanz seit 1998 in Geschichte und Politikwissenschaft ausgebildeten, danach an der Professur für Wirtschafts- und Sozialgeschichte in Heidelberg tätigen Verfasser. Bereits seine Magisterarbeit im Fach Geschichte war insofern auf diese Thematik in weiterem Sinn ausgerichtet, als sie sich mit dem Verhältnis von Siemens und der Sowjetunion nach dem ersten Weltkrieg befasste. Aus ihr erwuchs die zwischen 2004 und 2009 erarbeitete mit summa cum laude bewertete geschichtswissenschaftliche Dissertation Siemens im Sowjetgeschäft.
Der von dort aus vorgenommene geschichtliche Rückgriff erweist Carl Siemens bereits mit 23 Jahren als wagemutigen, erfolgreichen Organisator, der in Frankreich für das Unternehmen Siemens & Halske die erste Beteiligungsgesellschaft außerhalb des deutschen Sprachraums gründete. Nach der Errichtung einer 9000 Kilometer langen Telegrafenlinie in Russland und der Beteiligung an der indoeuropäischen Telegrafenlinie von London nach Kalkutta leitete er 1874/1875 die Verlegung des ersten Siemenstransatlantikkabels von England nach Nordamerika. Nicht zuletzt aus 3697 erhaltenen Briefen zwischen dem in Russland ge |
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Eike von Repgow, Sachsenspiegel. Die Dresdner Bilderhandschrift Mscr. Dresd. M 32. Aufsätze und Untersuchungen, im Auftrag der sächsischen Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden hg. v. Lück, Heiner. Akademische Druck- und Verlagsanstalt, Graz 2011. 254 S., zahlr. Ill. Besprochen von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen Eike von Repgow, Sachsenspiegel. Die Dresdner Bilderhandschrift Mscr. Dresd. M 32. Aufsätze und Untersuchungen, im Auftrag der sächsischen Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden hg. v. Lück, Heiner. Akademische Druck- und Verlagsanstalt, Graz 2011. 254 S., zahlr. Ill. Besprochen von Gerhard Köbler.
Eike von Repgow, von dessen Leben und Denken nur wenig bekannt ist, hat sich zwischen 1215 und 1235 oder zwischen 1221 und 1224 um das einheimische Recht dadurch hervorragend verdient gemacht, dass er das Gewohnheitsrecht des Landes Sachsen aus seinem Wissen für seine Mitwelt schriftlich festhielt und dabei nach einer wohl überwiegend verlorenen lateinischen Fassung in einem weitgehend neuartigen Ansatz in das Mittelniederdeutsche übertrug. Danach wurde der Text vielfach durch Abschreiben verbreitet. Dabei entstanden vielleicht nach dem Vorbild einer bebilderten Willehalmhandschrift seit dem späteren 13. Jahrhunderts auch möglicherweise einst sieben prächtige Bilderhandschriften, von denen noch vier zumindest fragmentarisch erhalten sind.
Da ihre Kenntnis in der gebildeten vermögenden Gesellschaft der jüngeren Vergangenheit auf großes Interesse stieß, wurden sie auch Gegenstand kommerzieller Bemühungen Berechtigter und ihrer technischen Unterstützer. Karl von Amira legte 1902 die vielleicht zwischen 1342 und 1363 um Meißen entstandene Dresdener Bilderhandschrift vor, Wolfgang Koschorreck 1970 die Heidelberger Handschrift, Ruth Schmidt-Wiegand 1995 die Oldenburger Handschrift und 1998 die Wolfenbütteler Handschrift. Da seit 1902 die technischen Darstellungsmöglichkeiten sich erheblich verbesserten, wurde 2002 mit einer Neuausgabe der Dresdener Handschrift begonnen und 2010 die Heidelberger Handschrift neu ediert. Dem dabei von den Unternehmern aus wirtschaftlichen Überlegungen in das Auge gefassten Preis sollte dabei jeweils eine angemessene Ausstattung entsprechen.
Dementsprechend bot der Verlag zu dem 2002 |
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Russlandheimkehrer. Die sowjetischen Kriegsgefangenschaft im Gedächtnis der Deutschen, hg. v. Scherstjanoi, Elke (= Schriftenreihe der Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte Sondernummer). Oldenbourg, München 2012. VI, 264 S., zahlr. Abb. Besprochen von Werner Augustinovic. |
Ganzen Eintrag anzeigen Russlandheimkehrer. Die sowjetischen Kriegsgefangenschaft im Gedächtnis der Deutschen, hg. v. Scherstjanoi, Elke (= Schriftenreihe der Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte Sondernummer). Oldenbourg, München 2012. VI, 264 S., zahlr. Abb. Besprochen von Werner Augustinovic.
Während etwa eine Million deutscher Soldaten des Zweiten Weltkriegs die Kriegsgefangenschaft in der Sowjetunion nicht überlebte, kehrten bis 1956 weitere zwei Millionen der sogenannten „Plennis“ in ihre bis 1989/1990 geteilte Heimat zurück. Was sie vorwiegend „in ihren Köpfen und Herzen“ aus der Ferne mitbrachten, floss in die jeweiligen öffentlichen Gefangenschaftsdiskurse ein und speist „bis hinein in unsere Tage unser kommunikatives Gedächtnis von Kriegs- und Nachkriegszeit“ (S. 1). 2008 beschäftigte sich ein Kolloquium der Berliner Abteilung des Instituts für Zeitgeschichte und des Deutschen Historischen Museums unter dem Titel „Deutsche Kriegsgefangene in sowjetischen Lagern. Bilder - Sprache - Gedenken“ näher mit diesem Thema; überarbeitete Fassungen der dort präsentierten Referate, komplettiert durch ergänzende Studien, füllen den vorliegenden Sammelband mit insgesamt 13 Beiträgen.
Beim Aufschlagen des Buches fällt sofort die außergewöhnlich große Zahl an aussagekräftigen Schwarzweiß-Illustrationen ins Auge, welche die Texte begleiten: Fotografien, darunter auch einige der wenigen vorhandenen, sehr seltenen Originalaufnahmen aus der Lagerwelt, Skizzen, Karikaturen und Zeichnungen sowie Plakate. Sie sind materieller Ausdruck jenes weiten Bildbegriffes, der den inhaltlichen Zusammenhang herstellt: „Alle Beiträge gemeinsam präsentieren ein in der Summe buntes Spektrum historischer ‚Bild‘-Analysen. […] Bilder im hier angewandten Verständnis sind Konstrukte aus menschlich verarbeiteten Eindrücken aller Art: aus visuellen, akustischen, ‚an der eigenen Haut‘ erfahrenen Eindrücken ebenso wie aus vermitteltem (weitererzähltem, vorgezeigtem) Wissen, kurz: es geht um e |
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Pirker, Peter, Subversion deutscher Herrschaft. Der britische Kriegsgeheimdienst SOE und Österreich (= Zeitgeschichte im Kontext 6). V&R unipress, Göttingen 2012. 583 S., 40 Abb. Besprochen von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen Pirker, Peter, Subversion deutscher Herrschaft. Der britische Kriegsgeheimdienst SOE und Österreich (= Zeitgeschichte im Kontext 6). V&R unipress, Göttingen 2012. 583 S., 40 Abb. Besprochen von Gerhard Köbler.
Das vorliegende Buch beruht auf der von Oliver Rathkolb betreuten, am Institut für Zeitgeschichte der Universität Wien verfassten und im Oktober 2009 an der historisch-kulturwissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien verteidigten Dissertation des seit 2000 in Politikwissenschaft und Geschichte an der Universität Wien ausgebildeten Verfassers, der seitdem auch als Journalist für die Austria Presse Agentur und das ORF Radio 1 wirkte. Die dafür erforderlichen Forschungen konnten zum großen Teil im Rahmen eines Projekts des Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung durchgeführt werden. Das Ergebnis ist nach dem kurzen Vorwort des Erstgutachters eine zeithistorische Spitzenleistung.
Gegliedert ist der gewichtige Band in drei Teile. Sie betreffen Politik und Subversion, das Dritte Reich und das Nachspiel im frühen kalten Krieg sowie in der Erinnerung. In seinem zusammenfassenden Resümee sieht der Verfasser die von ihm ausführlich, detailliert,anschaulich und spannend analysierte Intervention als durchaus ambivalent.
Im Mittelpunkt steht die bisher unzureichend bekannte verdeckte Kriegsführung des auf Brechung der deutschen Vorherrschaft in Mitteleuropa abzielenden Geheimdiensts Special Operations Executive Großbritanniens unter Verwendung österreichischer Exilanten (wie etwa Gregor Sebha), geflüchteter Soldaten der deutschen Wehrmacht und verschiedener, vor allem slowenischer Partisanen. Da die österreichische Gesellschaft sich mit dem alle Bereiche kontrollierenden Apparat der nationalsozialistischen Herrschaft eng verbunden fühlte bzw. keine Bereitschaft zum Widerstand leistete, blieben die Geheimdienstaktionen allerdings ohne wesentliche Folgen. Selbst die mitwirkenden Exilanten wie Stefan Wirlandner |
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Hehl, Christoph von, Adolf Süsterhenn (1905-1974). Verfassungsvater, Weltanschauungspolitiker, Föderalist (= Forschungen und Quellen zur Zeitgeschichte 62). Droste, Düsseldorf 2012. 679 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen Hehl, Christoph von, Adolf Süsterhenn (1905-1974). Verfassungsvater, Weltanschauungspolitiker, Föderalist (= Forschungen und Quellen zur Zeitgeschichte 62). Droste, Düsseldorf 2012. 679 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Die Untersuchung ist die überarbeitete und leicht gekürzte Fassung der von Volker Kronenberg angeregten und betreuten, im Sommersemester 2011 von der philosophischen Fakultät der Universität Bonn angenommene Dissertation des 1980 geborenen, als Bankkaufmann und anschließend im Studium der politischen Wissenschaft, neueren Geschichte und mittelalterlichen Geschichte an der Universität Bonn ausgebildeten und seit Februar 2011 als Referent in der Abteilung Berufsorientierung/Berufsförderung der Begabtenförderung der Konrad-Adenauer-Stiftung tätigen Verfassers. Sie gliedert sich nach einer Einleitung in elf Abschnitte. Sie betreffen Herkunft, Verhalten im Dritten Reich, Mitwirken am Wiederaufbau 1945, Mitarbeit an der Verfassung für Rheinland-Pfalz, Tätigkeit als Staatsminister 1946-1951, den Weg zu einem Weststaat, das Wirken im Parlamentarischen Rat, die Tätigkeit am Landes- bzw. Oberverwaltungsgericht (1951-1961), das Mandat im deutschen Bundestag (1961-1969) sowie in einer Schlussbetrachtung Politik als angewandte Moral.
Adolf Philipp Alexander Süsterhenn wurde in Köln am 31. Mai1905 in einer ursprünglich aus Burgen an der Untermosel stammenden Familie als Enkel eines Schuhmachermeisters und Sohn eines kaufmännischen Angestellten geboren und mit seinem jüngeren Bruder in durchaus kirchlichem Geist erzogen. Da ihn das juristische Denken sowie die Möglichkeit, für die Gerechtigkeit eintreten zu können, reizten, studierte er Rechtswissenschaft in Freiburg im Breisgau und Köln und bestand die erste Staatsprüfung 1927 mit voll befriedigend, wurde 1928 bei Godehard Ebers mit einer 52seitigen staatskirchenrechtlichen Untersuchung über das Konkordat Polens von 1925 mit gut promoviert und legte 1931 die zweite juristische Sta |
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Yamanaka, Keiichi, Geschichte und Gegenwart der japanischen Strafrechtswissenschaft (= Strafrechtswissenschaft und Strafrechtspolitik 26). De Gruyter, Berlin 2012. XI, 433 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen Yamanaka, Keiichi, Geschichte und Gegenwart der japanischen Strafrechtswissenschaft (= Strafrechtswissenschaft und Strafrechtspolitik 26). De Gruyter, Berlin 2012. XI, 433 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Keiichi Yamanaka begann nach seinem kurzen Vorwort sein Studium der Rechtswissenschaft in Osaka im Jahre 1966. Vierzehn Jahre später kam er erstmals als Stipendiat der Alexander von Humboldt Stiftung nach Deutschland und zwar zu Claus Roxin nach München. Seit dieser Zeit bemüht er sich intensiv und mit großem Erfolg um den Gedankenaustausch zwischen japanischer Strafrechtswissenschaft und deutscher Strafrechtswissenschaft.
Das vorliegende Werk bietet in diesem Sinne eine Zwischenbilanz seiner vielfältigen Tätigkeit, die umgehend das Interesse eines Sachkenners erweckte, aber infolge Ausbleibens eines Rezensionsexemplars leider auf einen kurzen Hinweis des Herausgebers beschränkt bleiben muss. Insgesamt haben 23, vor allem aus Vorträgen in Deutschland entstandene Studien Aufnahme in das aufschlussreiche Sammelwerk gefunden. Sie beginnen mit der Entwicklung der Strafrechtsdogmatik in Japan 100 Jahre nach Inkrafttreten des geltenden Strafgesetzbuchs, behandeln außer der allgemeinen Dogmengeschichte aktuelle Probleme der japanischen Strafrechtsdogmatik, die Lehre von der objektiven Zurechnung, Aufgaben und Tendenzen der japanischen Strafrechtswissenschaft sowie Kriminalitätstendenzen und Justizreform in Japan und enden mit einer instruktiven Beschreibung der neuen Law School japanischer Art.
Im Kern geht es bei dieser Ausbildungsreform um die Schaffung von Juristen als Ärzten im Sozialleben, wobei grundsätzlich nur die Absolventen einer nach dem Vorbild der Vereinigten Staaten von Amerika - hauptsächlich an (74 von 93) juristischen, etwa jährlich 45000 Absolventen erzeugenden Fakultäten - eingerichteten, aber abgewandelten Law School nach meist zwei Jahren zum Staatsexamen zugelassen sind, das nach außeruniversitärer intensiv |
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Schüler, Katja, Der Betreuungsunterhalt nach der Erosion des Altersphasenmodells. Eine Untersuchung zu den historischen und familiensoziologischen Grundlagen sowie der rechtlichen Entwicklung der Unterhaltsansprüche für die Kinder betreuenden Elternteile (= Nomos Universitätsschriften Recht 773). Nomos, Baden-Baden 2012. 244 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen Schüler, Katja, Der Betreuungsunterhalt nach der Erosion des Altersphasenmodells. Eine Untersuchung zu den historischen und familiensoziologischen Grundlagen sowie der rechtlichen Entwicklung der Unterhaltsansprüche für die Kinder betreuenden Elternteile (= Nomos Universitätsschriften Recht 773). Nomos, Baden-Baden 2012. 244 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Die Arbeit ist die von Peter Derleder betreute, im Wintersemester 2011/2012 vom Fachbereich Rechtswissenschaft der Universität Bremen angenommene Dissertation der (am!) 1981 in Lahti geborenen, an den beiden Berliner Universitäten und der Hamline University in Minnesota ausgebildeten, seit 2009 als Rechtsanwältin in Berlin tätigen Verfasserin. Sie betrifft ein praktisch bedeutsames Problem der jüngeren Rechtsenwicklung. Im Mittelpunkt steht dabei die Entwicklung zwischen dem Inkrafttreten des ersten Eherechtsreformgesetzes vom Jahre 1977 (14. Juni 1976) und dessen Aufgabe durch das Unterhaltsänderungsgesetz des Jahres 2007.
Ausgangspunkt ist die bisher unstreitige Verpflichtung der Eltern eines Kindes dieses zuz unterhalten. Streitig ist lediglich, wie diese Last unter ihnen so verteilt wird, dass das Ergebnis des Einzelfalls allgemein akzeptiert werden kann. Einerseits darf der Unterhaltsverpflichtete nicht übermäßig belastet werden, andererseits darf der Unterhaltsberechtigte nicht übermäßig begünstigt werden.
Die Verfasserin gliedert ihre Untersuchung nach einer kurzen Einleitung in sieben Kapitel. Sie betreffen Wandel und Kontinuität der Ehe, Familie und Kindheit aus soziologischer Sicht im Familienrecht, die Entwicklung des Zusammenlebens in Ehe, Familie und nichtehelicher Partnerschaft, das gesetzliche Konzept des Unterhaltsrechts seit 1976, die Entwicklung des Altersphasenmodells in Lehre und höchstrichterlicher Rechtsprechung, die rechtliche Entwicklung des Unterhaltsanspruchs der Mutter eines nichtehelichen Kindes gegen den Kindesvater seit Schaffung des Bürger |
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Gesichter der Demokratie. Porträts zur deutschen Zeitgeschichte, hg. v. Hein, Bastian/Kittel, Manfred/Möller, Horst. Oldenbourg, München 2012. VIII, 378 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen Gesichter der Demokratie. Porträts zur deutschen Zeitgeschichte, hg. v. Hein, Bastian/Kittel, Manfred/Möller, Horst. Oldenbourg, München 2012. VIII, 378 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Udo Wengst wurde in Remsfeld 1947 geboren und nach dem Studium von Politikwissenschaft, Geschichte und Soziologie an den Universitäten Bonn, Köln und Tübingen 1973 in Tübingen mit einer Dissertation über Graf Brockdorff-Rantzau und die außenpolitischen Anfänge der Weimarer Republik promoviert. Im Institut für Zeitgeschichte in München stieg er bis zum stellvertretenden Direktor auf. Besondere Verdienste erwarb er sich durch eine Untersuchung über die Geschichte der Verfassungsorgane der Bundesrepublik Deutschland in ihren Anfangsjahren (1984), eine politische Biographie Thomas Dehlers (1997) und die Herausgabe mehrerer Bände der Quellen zur Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien.
Seinen 65. Geburtstag nahmen die teils als wissenschaftliche Mitarbeiter, teils als Direktor früher am Institut für Zeitgeschichte tätigen Herausgeber zum Anlass für die Veröffentlichung des vorliegenden Sammelbands. Er will zeigen, dass Deutschland nicht nur Kontinuitätsprobleme hatte, sondern bei der Einrichtung und Sicherung der zweiten deutschen Republik auch auf - allerdings lange minoritäre und gefährdete - positive Traditionen zurückgreifen konnte. Zu diesem Zweck werden 21 Studien von Georg Schreiber bis zum langen deutschen Weg deutscher Frauen zur Kanzlerin zusammengestellt.
Da die Demokratie wie manches Andere viele Gesichter haben kann, legen die Herausgeber in ihrer kurzen Einleitung den roten Faden dar, der ihr vielfältiges Bündel zu Ehren des Jubilars irgendwie zusammenhält. Eingebunden sind etwa Theodor Heuss, Karl Barth, Friedrich Bauereisen, Konrad Frühwald, Julius Leber, Udo Rukser, Albert Theile, Walther Kühn, Hermann Louis Brill, Sepp Herberger, Franz L. Neumann, Theodor Eschenburg, Hannah Arendt, Susanne Miller, Werner Ma |
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Paye, Claudie, „Der französischen Sprache mächtig“. Kommunikation im Spannungsfeld von Sprachen und Kulturen im Königreich Westphalen (1807-1813) (= Pariser Historische Studien100). Oldenbourg, München 2013. 599 S., Ill. Besprochen von Werner Schubert. |
Ganzen Eintrag anzeigen Paye, Claudie, „Der französischen Sprache mächtig“. Kommunikation im Spannungsfeld von Sprachen und Kulturen im Königreich Westphalen (1807-1813) (= Pariser Historische Studien100). Oldenbourg, München 2013. 599 S., Ill. Besprochen von Werner Schubert.
Das vorliegende Werk – eine unter Rainer Hudemann (Universität Saarbrücken) und Etienne François (Berlin) entstandene Dissertation befasst sich erstmals in umfassender Weise mit der Sprachenpolitik des Königreichs Westphalen und deren Praxis. Das Werk versteht sich als eine kultur- und sozialgeschichtliche Untersuchung unter Berücksichtigung alltagsgeschichtlicher Aspekte und der politischen Dimension der Thematik (S. 29, 39, 53). In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die sozialhistorische Behandlung von Sprachenfragen in Verbindung mit der Kommunikations- und Mediengeschichte noch ein relativ junges Forschungsgebiet darstellt (S. 29ff.). In Teil A ihres Werkes untersucht Paye die offizielle Sprach- und Schulpolitik und in Teil B die Sprach- und die Kommunikationspraxis, die beide den umfangreicheren Teil der Arbeit ausmachen (S. 49-350), während sie in Teil C (S. 353-499) das „Sprachbewusstsein der Westphalen im Allgemeinen, die Reflexionen der Zeitgenossen über die Sprachen und das Verhältnis der Sprachen zueinander“ behandelt (S. 353). Zwei nicht in der Druckfassung der Dissertation enthaltene Kapitel über das „westphälische Postwesen, die Briefkultur und den Stellenwert der Soldatenbriefe in der westphälischen Gesellschaft“ sowie über das „Medium ‚Gerücht’“ (S. 15) sind als open-access-Veröffentlichung zugänglich. Nach einem nicht veröffentlichten Dekret des Königs Jérôme Bonaparte sollte die französische Sprache benutzt werden in den „conseils d’Etat et privé, à la trésorerie, dans les bureaux des quatre ministères et dans ceux des conseillers d’Etat chargés de la Direction de quelques parties de l’administration publique“ (S. 62), während die deutsche Sprache – anders als |
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Fünfzig (50) Jahre Sozialhilfe. Eine Festschrift, hg. v. Fahlbusch, Jonathan I. Eigenverlag des deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge e. V., Berlin 2012. 299 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen Fünfzig (50) Jahre Sozialhilfe. Eine Festschrift, hg. v. Fahlbusch, Jonathan I. Eigenverlag des deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge e. V., Berlin 2012. 299 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Das Leben des Menschen lässt sich nicht allein durch seinen eigenen Willen gestalten, sondern ist von vielen einzelnen Umständen in vielfältiger Weise abhängig. Dementsprechend kann es von Erfolg und Vermögen geprägt sein, aber auch von Leid und Armut. Zwar ist der Mensch als solcher grundsätzlich im Wesentlichen Egoist, doch haben ihn seine Fähigkeiten auch zu weiteren Einsichten in seinen Beziehungen zu den Mitmenschen geführt.
Vermutlich geht die mitmenschliche Unterstützung grundsätzlich von familiären Verbindungen aus, in deren Rahmen die elterliche Sorge stets eine gewisse verhältnismäßige Bedeutung hatte. Hieran haben sich Einrichtungen wie Kirche oder Staat in späterer Zeit allmählich angeschlossen. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ist daraus unter dem politischen Druck der Wahlerfolge sozialistischer Parteien eine Sozialgesetzgebung entstanden, die schließlich dazu geführt hat, dass die Reichsgrundsätze über Voraussetzung, Art und Maß der öffentlicher Fürsorge vom 4. Dezember 1924 in einem besonderen Bundessozialhilfegesetz vom 30. Juni 1961 zum 1. Juni 1962 rechtsstaatlicher verankert wurden.
An diese wichtige Veränderung erinnert zu Recht das vorliegende Werk, das insgesamt 16 Beiträge zu einer ansprechenden Einheit vereinigt. Davon behandeln vor allem die Referate des grundlegenden Abschnittes Theorie und Geschichte der Sozialhilfe unter besonderer Berücksichtigung der quantitativen Entwicklung, während andere Beiträge stärkeres Gewicht auf die Dogmatik oder auf die Hilfen zum Lebensunterhalt und in den Lebenslagen legen. Hilfreich für die Vermittlung der vielfältigen Ergebnisse des von einem Referenten des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialen herausgegebenen Bandes hätte außer dem Verzeich |
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Niedersächsisches Klosterbuch - Verzeichnis der Klöster, Stifte, Kommenden und Beginenhäuser in Niedersachsen und Bremen von den Anfängen bis 1810, hg. v. Dolle, Josef unter Mitarbeit von Knochenhauer, Dennis (= Veröffentlichungen des Instituts für historische Landesforschung der Universität Göttingen Band 56). Teil 1 Abbingwehr bis Gandersheim, Teil 2 Gartow bis Mariental, Teil 3 Marienthal bis Zeven, Teil 4 Literatur und Register. Verlag für Regionalgeschichte, Bielefeld 2012. LXVII, 460, 461-1031, 1033-1 |
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Als das jüngste und bislang umfangreichste der gerade in den letzten Jahrzehnten wieder verstärkt vorangetriebenen deutschen Klosterbücher liegt nun das Verzeichnis für die heutigen Bundesländer Niedersachsen und Bremen vor. Das voluminöse Werk besteht aus drei Bänden, die durch einen vierten mit kumulativer Bibliographie, einem Verzeichnis der über 130 Beiträgerinnen und Beiträger sowie einem ausführlichen Register ergänzt werden. Insgesamt sind 365 Kapitel, Stifte, Klöster, Konvente und andere geistliche Gemeinschaften, einschließlich religiöser Laienkommunitäten, von den Anfängen der Christianisierung bis auf das Jahr 1810 aufgenommen worden, darunter auch Randfälle von geplanten, aber nicht realisierten oder von nur sehr kurzlebigen Institutionen. Damit geht die Erfassung der norddeutschen Klosterlandschaften zügig voran. Das komplementäre Klosterbuch für Hamburg und Schleswig und Holstein ist zwar noch im Entstehen begriffen, das Erscheinen des Mecklenburgischen war aber sogar noch für 2012 angekündigt und sollte also bald geschehen.
Für das vorliegende Klosterbuch konnte auf Vorarbeiten Hermann Hoogewegs (Verzeichnis der Stifter und Klöster Niedersachsens vor der Reformation, 1908) und Gerhard Streichs (Klöster, Stifte und Kommenden in Niedersachsen vor der Reformation, 1986) zurückgegriffen werden, gerade für die nachreformatorische Zeit fehlte es aber an umfassenderen Vorarbe |
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Fischer, Anne-Kathrin, Die verhinderte Ehe. Das impedimentum criminis im protestantischen Eherecht der Wittenberger Reformation (= Schriften zum Familien- und Erbrecht 6). Nomos, Baden-Baden 2012. 123 S. Besprochen von Hiram Kümper. |
Ganzen Eintrag anzeigen Fischer, Anne-Kathrin, Die verhinderte Ehe. Das impedimentum criminis im protestantischen Eherecht der Wittenberger Reformation (= Schriften zum Familien- und Erbrecht 6). Nomos, Baden-Baden 2012. 123 S. Besprochen von Hiram Kümper.
Mit der vorliegenden Arbeit ist die Verfasserin im Wintersemester 2011/2012 an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Jena promoviert worden. Sie hat sich darin vorgenommen, die Rolle des Ehehindernis des Verbrechens (impendiumentum criminis) für das protestantische Eherecht im Umfeld der Wittenberger Reformatoren des 16. Jahrhunderts zu untersuchen.
Genauerhin betrachtet Fischer allerdings nur zwei Teilbereiche dieses crimen, nämlich den Ehebruch und den Gattenmord. „Teilweise wurden auch Tatbestände des Inzests (incestus) und der Entführung (raputs) zu diesem Ehehindernis [des impedimentum criminis, HK] gezählt. Sie sind aber nicht Gegenstand der Untersuchung“ (S. 15). Warum eigentlich nicht? Die Begründung bleibt die Verfasserin schuldig. Während eine Aussparung beim Inzest wegen der nahen Verwandtschaftsgrade, die selbst schon ein Ehehindernis darstellten, noch einigermaßen nachvollziehbar ist, leuchtet sie beim raptus umso weniger ein – denn genau diese Frage, ob der raptor die rapta später heiraten dürfe, bewegt die Gemüter ja sehr und über einen langen Zeitraum hinweg; sowohl unter Theologen als auch unter Juristen. Viele unter ihnen argumentieren eher für das soziale Befriedungspotential einer solchen Verbindung unter gewissen Umständen. Und aus den überreichen Eheklagen, nicht nur vor mittelalterlichen Gerichten, sondern auch vor protestantischen Konsistorien stechen doch gerade immer wieder Fälle hervor, in denen man versucht, die sozialen Konsequenzen von Entführung und Vergewaltigung durch eine Ehe zwischen Klägerin und Beklagten einzudämmen. Das Problem ist also allem Anschein nach viel alltagspraktischer verankert als etwa die von der Verfasserin behandelte Frage nach dem Gat |
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Scheuermann, Ulrich, Flurnamensammlung und Flurnamenforschung in Niedersachsen (= Göttinger Forschungen zur Landesgeschichte 20). Verlag für Regionalgeschichte, Gütersloh 2011. 500 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen Scheuermann, Ulrich, Flurnamensammlung und Flurnamenforschung in Niedersachsen (= Göttinger Forschungen zur Landesgeschichte 20). Verlag für Regionalgeschichte, Gütersloh 2011. 500 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Mit Hilfe der Namen kann der Mensch sich mit seinen Mitmenschen über seine örtliche Umwelt verständigen, so dass die Bezeichnungen von Örtlichkeiten weltweit zu frühen Bestandteilen aller Sprachen geworden sein dürften. Sie haben spätestens in der frühen Neuzeit auch das Interesse der Sprachwissenschaft gefunden. Dementsprechend sind, worauf das kurze Vorwort des Verfassers bereits in seinem Eingang hinweist, für verschiedene deutsche Bundesländer oder Regionen Übersichten über den Stand der Sammlung und Erforschung der Namen der Geländeteile wie etwa der Berge, Täler, Wälder und Felder geschaffen worden, wie dies beispielsweise Christmann 1958 für die Pfalz, Hartig 1968 oder Losch 2003 für Thüringen unternommen haben.
Für das erst nach dem Ende des zweiten Weltkriegs geschaffene Bundesland Niedersachsen fehlte trotz des Schriftguts des Instituts für historische Landesforschung der Universität Göttingen bisher ein entsprechender Überblick. Diese Lücke schließt der 1937 geborene Verfasser, der von 1969 bis 2002 Mitarbeiter der Arbeitsstelle Niedersächsisches Wörterbuch in Göttingen war. Er hatte bereits in seiner philosophischen Dissertation im Jahre 1968 mit den Flurnamen des westlichen und südlichen Kreises Rotenburg (Wümme) einen wertvollen Baustein für ein niedersächsischen Flurnamenbuch erarbeitet und sich darüber hinaus 1995 in einer eigenen Studie mit der Flurnamenforschung allgemein befasst.
Das auf dieser Grundlage entstandene vorliegende Werk handelt nicht von den Flurnamen und ihrer Bedeutung selbst, sondern von Zielen, Mitteln und Wegen der Bemühungen um eine solide Materialsammlung. Zu diesem Zweck beschreibt der Verfasser nach einer kurzen Einführung in chronologisch-sachlicher Gliederung Flurnamensa |
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Jouannet, Emmanuelle, The Liberal-Welfarist Law of Nations. A History of International Law, übersetzt v. Sutcliffe, Christopher. Cambridge University Press, Cambridge 2012. VIII, 318 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
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Mit der Verdichtung der menschlichen Zivilisation in nahezu allen Bereichen rücken die Völker immer näher zu einander. Dies hat eine erhöhte Bedeutung der zwischen ihnen und bei ihnen geltenden Grundsätze und Regeln zur Folge. Dementsprechend hat sich auch die Entwicklung des Völkerrechts im Laufe der Geschichte erheblich beschleunigt.
Die 1962 geborene Verfasserin ist Professorin der École de droit de la Sorbonne. Sie ist nach Studien der Rechtswissenschaft und der politischen Philosophie in Paris durch verschiedene Arbeiten auf den Bereichen der Menschenrechte, der Rechtsgeschichte und der Rechtsphilosophie hervorgetreten, zu denen etwa die 1998 veröffentlichte Studie über Emer de Vattel et l’émergence doctrinale du droit international classique gehört. Ihr 2011 erschienenes Werk über le droit international libéral-providence - une histoire du droit international hat sogar die Aufmerksamkeit der anglophonen Welt erregt.
Gegliedert ist es insgesamt in drei Teile. Sie betreffen das moderne Völkerrecht, das die Verfasserin auf die Grundsätze der Freiheit, Gleichheit und Sicherheit gründet, das klassische internationale Recht, das die Verfasserin mit Vattel zu verbinden weiß, und das gegenwärtige internationale Recht, in dem die allgemeine Wohlfahrt besondere Bedeutung hat. Im Ergebnis sieht sie ansprechend das internationale Recht aber weder als ganz wohlfahrtsstaatlich noch als ganz freiheitlich an, sondern betont als seine vorzügliche Stärke seine Verbindung beider Zielsetzungen, ohne dass sich damit für alle Zeiten sicher sagen lässt, welche Aussichten und Gefahren damit im Ergebnis verknüpft sein werden.
Innsbruck Gerhard Köbler
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Ehlers, Joachim, Die Entstehung des Deutschen Reiches (= Enzyklopädie deutscher Geschichte 31), 4. Aufl. Oldenbourg, München 2012. VIII, 169 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen Ehlers, Joachim, Die Entstehung des Deutschen Reiches (= Enzyklopädie deutscher Geschichte 31), 4. Aufl. Oldenbourg, München 2012. VIII, 169 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Wie der Verfasser im bewahrten Vorwort der 2010 erschienenen dritten Auflage seines erfolgreichen Werkes hervorhebt, haben auf der Suche nach der Herkunft viele Generationen nach der Entstehung des deutschen Reiches gefragt und dabei nähere Umstände beschreiben und den Zeitpunkt frühester Vollendung festlegen wollen. Diese Suche setzt er überzeugend auch in der Gegenwart fort. Deutsche Geschichte sei freilich komplex und bis heute von teilweise gegenläufigen Traditionen sehr hohen Alters geprägt, so dass sie sich nicht auf einfache Bilder mit scharfen Umrissen reduzieren lasse.
Erster Ausgangspunkt des in Leipzig 1936 geborenen Sachkenners der deutschen Geschichte des Mittelalters war dabei 1966 die Wehrverfassung der Stadt Hamburg im 17. und 18. Jahrhundert. Schon wenige Jahre danach erfolgte aber mit Hugo von St. Viktor und Frankreich im Mittelalter die Hinwendung zum mittleren Zeitraum der abendländischen Geschichte. 1994 legte er die erste Auflage des vorliegenden Werkes vor, bei der seine Ehefrau dafür sorgte, dass der Zwang zur Konzentration den Text nicht in das Unverständliche trieb.
Im enzyklopädischen Überblick behandelt der enzyklopädische Teilband historisches Bewusstsein und historische Realität, Reich und Nation, die Auflösung der karolingischen Ordnung Europas, die Integration des Reiches in einer ostfränkischen Reichseinheit, König, Adel und Klerus, Geschichte und Tradition, Volksnamen und Reichsbezeichnung, Sprache und Literatur sowie das Reich in Europa. Dem werden Grundprobleme und Tendenzen der Forschung in engen Parallelen zu Seite gestellt und wird der Fortgang der Forschung in einem Nachtrag zur dritten Auflage des Jahres 2010 erfasst. Insgesamt ist damit das von 152 Seiten auf 169 Seiten gewachsene Werk erneut auf einen aktuelle |
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Macke, Peter. Suum cuique. Jedem das Seine. Friedrich der Große zu Fragen des Rechts und der Rechtspflege. Nomos, Baden-Baden 2012. 29 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen Macke, Peter. Suum cuique. Jedem das Seine. Friedrich der Große zu Fragen des Rechts und der Rechtspflege. Nomos, Baden-Baden 2012. 29 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Kurz und gut sind Eigenschaften, die der Mensch in seiner langen Geschichte zu schätzen gelernt hat. Wie im Wort in der angelsächsischen Sprache so stützen sie im Recht die weltweiten Erfolge der römischen Jurisprudenz. Schon Cato soll nach der nachchristlichen Überlieferung des Gellius im zweiten Jahrhundert vor Christi Geburt die einprägsame Regel geschaffen haben, dass jedem das Seine gebühre und damit Gerechtigkeit geschaffen werde.
Der sich ihrer in der Gegenwart bedienende Verfasser wird in seiner schlanken Erinnerung an den 300. Geburtstag Friedrichs II. von Preußen am 24. Januar 2012 nicht erkennbar präsentiert. Er dürfte aber bereits 1966 durch eine Kölner rechtswissenschaftliche Dissertation über das Rechts- und Staatsdenken des Johannes Oldendorp hervorgetreten und später der Brandenburger Rechtspflege eng verbunden gewesen sein. Sein Anliegen ist es, dem König angesichts seines Eintretens für das aufklärerische und beispielgebende epochale Gesetzeswerk Gerechtigkeit widerfahren zu lassen.
Nach einer kurzen Einleitung gliedert der Verfasser seinen Festvortrag in die Ausgangslage mit Flickenteppich, Regelungsfreiheit und Rechtstradition der Stadt Brandenburg an der Havel, die Betrachtung des dortigen Schöppenstuhls und die Einordnung des preußischen Allgemeinen Landrechts. Bei ihm hebt er ansprechend das freiheitliche Menschenbild, die Ächtung der Sklaverei in der noch ständischen Gesellschaft, den Vorrang des Gewissens, den Schutz des sozial Schwächeren, die Förderung von Bildung und das Verhältnis zu Gewaltenteilung und Presse hervor. Dort wo jeder jedem das gibt oder belässt, was jedem gebührt, wird jeder zufrieden sein können, auch wenn dieses hehre Ideal angesichts des individuellen Egoismus bis zur Gegenwart noch nicht vollständig in die Wirk |
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Hermand, Jost, Verlorene Illusionen. Eine Geschichte des deutschen Nationalismus. Böhlau, Wien 2012. 390 S., Abb. Besprochen von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen KöblerHermandverloreneillusionen20130319 Nr. 14557 ZIER 3 (2013) 00. IT
Hermand, Jost, Verlorene Illusionen. Eine Geschichte des deutschen Nationalismus. Böhlau, Wien 2012. 390 S., Abb. Besprochen von Gerhard Köbler.
Nationalismus ist das in der Mitte des 18. Jahrhunderts vom Gedankengut der studentischen Landsmannschaften und der Romantik ausgehende Denken in Nationen. Es führt in Europa im 19. Jahrhundert zu nationalen, im Kulturellen beginnenden und danach politisierten Gegensätzen. Diese entladen sich im ersten Weltkrieg und nach Adolf Hitlers Verschmelzung des Nationalismus mit dem Sozialismus zum Nationaslsozialismus im zweiten Weltkrieg auf verhängnisvolle Weise.
Der in Kassel 1930 geborene Verfasser wurde im Alter von zehn Jahren in einem nationalsozialistischen Programm der Kinderlandverschickung nach Polen gebracht. Nach dem zweiten Weltkrieg studierte er in Marburg ab 1950 Literatur, Philosophie, Geschichte und Kunstgeschichte, wurde 1955 mit einer Dissertation über die literarische Formenwelt des Biedermeiers promoviert und wechselte zu Richard Hamann an die Humboldt-Universität in Berlin, die er aber wenig später mit seinem Lehrer verlassen musste. Seit 1958 in den Vereinigten Staaten von Amerika lebend und als Professor für neuere deutsche Literatur und deutsche Kulturgeschichte der University of Wisconsin-Madison wirkend, hat er zahlreiche Werke etwa über Jugendstil, den deutschen Vormärz oder die deutsche Kulturgeschichte insgesamt vorgelegt.
Seine Geschichte des deutschen Nationalismus führt nach einem kurzen Vorwort rasch vom Mittelalter bis zum Beginn des 18. Jahrhunderts. Danach werden ausführlicher Rationalismus, Pietismus, Liberalismus, die Auswirkungen der französischen Revolution, Napoleon, Metternich, das Paulskirchenparlament, Bismarcks Reichsnation, der Kriegsnationalismus von 1913 bis 1918, die Weimarer Republik, das rassistisch begründete Herrschaftskonzept der Nazifaschisten, |
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Zeyringer, Klaus/Gollner, Helmut, Eine Literaturgeschichte. Österreich seit 1650. StudienVerlag, Innsbruck 2012. 840 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen Zeyringer, Klaus/Gollner, Helmut, Eine Literaturgeschichte. Österreich seit 1650. StudienVerlag, Innsbruck 2012. 840 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Die Verfasser beginnen ihr kurzes Vorwort des gewichtigen Bandes mit der aus einem Jahrhundert der Diskussion erlangten Gewissheit, dass die historisch-gesellschaftliche und daher geistig-kulturelle Entwicklung in Österreich anders verlief als in Deutschland. Dementsprechend sei österreichische Literatur mit den Epochenschemata deutscher Geistesgeschichte in ihrer Eigenart kaum zu erfassen, das es keine authentische idealistische Klassik, keine Vorklassik der rationalen oder emotionalen Ich-Emanzipation, keine Romantik, keinen authentischen gesellschaftspolitischen Materialismus, keinen Naturalismus und so weiter gegeben habe und die deutschen Kategorien Franz Grillparzer nicht einordnen, die Bedeutung des Wiener Vorstadttheaters nicht anerkennen und den Nobelpreis für Elfriede Jelenik nicht verstehen konnten. Demgegenüber sei das Spezifische österreichischer Literatur aus dem historischen, gesellschaftlichen und kulturellen Kontext zu erklären, was auch, so hoffen die Autoren, davor schütze, österreichische Literatur als bloße Abweichung von der deutschen Literatur beschrieben zu bekommen.
Klaus Zeyringer wurde in Graz 1953 geboren, nach dem dortigen Studium der Germanistik, Romanistik und Philosophie auf Grund einer Dissertation über Sprach- und Situationskomik bei Karl Valentin 1980 promoviert und nach seiner Habilitation über österreichische Literatur der achtziger Jahre (1993) an die Université Catholique de l’Ouest in Angers berufen. 1999 legte er sein Werk über österreichische Literatur seit 1945 vor, das 2008 in dritter Auflage erschien. Helmut Gollner ist nach einem kurzen Verlagshinweis als freier Publizist und Literaturkritiker sowie als Universitätslektor an zahlreichen, vor allem ausländischen Universitäten tätig.
In wechselnder Verflechtung behandeln die beiden |
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Interessen um Eichmann. Israelische Justiz, deutsche Strafverfolgung und alte Kameradschaften, hg. v. Renz, Werner (= Wissenschaftliche Reihe des Fritz Bauer Instituts Band 20). Campus, Frankfurt am Main 2012. 332 S. Besprochen von Werner Augustinovic. |
Ganzen Eintrag anzeigen Interessen um Eichmann. Israelische Justiz, deutsche Strafverfolgung und alte Kameradschaften, hg. v. Renz, Werner (= Wissenschaftliche Reihe des Fritz Bauer Instituts Band 20). Campus, Frankfurt am Main 2012. 332 S. Besprochen von Werner Augustinovic.
Es gehört zu jenen Eigentümlichkeiten, für die sich nicht wirklich eine griffige Erklärung finden lässt, dass der seinerzeit weltweit Aufsehen erregende Jerusalemer Prozess von 1961 gegen den Organisator der nationalsozialistischen Judenvernichtung, den in seinem südamerikanischen Versteck vom israelischen Geheimdienst aufgespürten, ergriffenen und in einer spektakulären Aktion zwecks Aburteilung nach Israel verbrachten, ehemaligen SS-Obersturmbannführer und Judenreferenten im Berliner Reichssicherheitshauptamt (RSHA), Adolf Eichmann, bis heute nicht in wissenschaftlich befriedigender Weise monografisch behandelt worden ist. Einen Eindruck davon, welche Gesichtspunkte in eine derartige Darstellung einfließen könnten und sollten, gibt der vorliegende Sammelband, in dem der Germanist und Philosoph Werner Renz, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fritz Bauer Institut in Frankfurt am Main, die anlässlich einer Tagung des Instituts zum 50. Jahrestag des Eichmann-Prozesses im April 2011 eingebrachten Studien weiterer dreier männlicher und acht weiblicher Autoren unterschiedlicher Fachgebiete der breiten Öffentlichkeit zugänglich macht. Renz hat neben seinem Vorwort, in dem er das Wesentliche der jeweiligen Beiträge in wenigen treffenden Sätzen zusammenfasst, zu diesem Band auch eine kurze einführende Darstellung des justiziellen Umgangs mit NS-Tätern in der Bundesrepublik Deutschland schwergewichtsmäßig der fünfziger und sechziger Jahre und des den Eichmann-Prozess charakterisierenden Kontextes beigesteuert, wodurch auch der sperrig anmutende Titel „Interessen um Eichmann“ seine erste verständliche Definition erfährt: Imagefragen und diplomatisches Kalkül prägten nicht unwesentlich Rahmen und Inhalt d |
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Principles of European Law. Study Group on a European Civil Code. Mandate Contracts (PEL MC), prepared by Loos, Marco B. M./Bueno Diaz, Odavia, with advice from the Advisory Council and the Drafting Committee approved by the Co-ordinating Group. Sellier european law publishers, München 2013. XXXIV, 549 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen Principles of European Law. Study Group on a European Civil Code. Mandate Contracts (PEL MC), prepared by Loos, Marco B. M./Bueno Diaz, Odavia, with advice from the Advisory Council and the Drafting Committee approved by the Co-ordinating Group. Sellier european law publishers, München 2013. XXXIV, 549 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Die Zukunft eines einheitlichen Privatrechts innerhalb der Europäischen Union oder zumindest mehrerer Mitgliedstaaten ist nach wie vor ziemlich ungewiss. Wie bei nahezu allen menschlichen Vorhaben gibt es dabei Betrachter, die sich über jedes noch so kleine Hindernis klammheimlich freuen. Demgegenüber setzen sich andere unverdrossen mit aller Kraft für ein weiteres Vorwärtskommen auf einem schwierigen Weg zu einem einheitlichen Ziel ein.
Wie Christian von Bar im kurzen Vorwort des vorliegenden gewichtigen Bandes darlegt, baut die Study Group on a European Civil Code seit 1999 auf der Commission on European Contract Law auf, die im Jahre 2000 Principles of European Contract Law, Parts I and II combined and revised, und im Jahre 2003 Principles of European Contract Law Part III veröffentlicht hat. Sie setzt im Wege persönlicher Initiativen die Europäisierung des Privatrechts mit vergleichbaren Methoden fort. Sie hat auf der Grundlage hilfreicher Forschungsförderungsmittel aber den Vorteil von Arbeitsgruppen jüngerer Forscher unter der Leitung eines älteren leitenden Gruppenmitglieds.
Dementsprechend nennt der Eingang neben dem auch im Buchtitel herausgehobenen Working Team fünf Mitglieder des Advisory Council on Mandate Contracts, 28 National Reporters, ähnlich viele Mitglieder der Co-ordinating Group und weitere Mitglieder der Study Group’s Advisory Councils, während Marco Loos die Vorgansweise auf einer Seite kurz und bündig beschreibt. Es folgt der Text der in sieben Abschnitte untergliederten 32 Artikel in neun verschiedenen Sprachen (englisch, niederländisch, finnisch, , französisch, deuts |
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Crime and Punishment in the Middle Ages and Early Modern Age. Mental-Historical Investigations of Basic Human Problems and Social Responses, hg. v. Classen, Albrecht/Scarborough, Connie (= Fundamentals of Medieval and Early Modern Culture 11). De Gruyter, Berlin 2012. VIII, 602 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen Crime and Punishment in the Middle Ages and Early Modern Age. Mental-Historical Investigations of Basic Human Problems and Social Responses, hg. v. Classen, Albrecht/Scarborough, Connie (= Fundamentals of Medieval and Early Modern Culture 11). De Gruyter, Berlin 2012. VIII, 602 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
2005 erschien bei De Gruyter in Berlin der von Albrecht Classen herausgegebene Band Childhood in the Middle Ages and the Renaissance im Umfang von 451 Seiten mit Illustrationen, bibliographischen Hinweisen und einem Index. Dem folgte 2007 als erster Band einer wenig später vereinbarten Reihe Classens Monographie mit dem Titel The Power of a Woman’s Voice in Medieval and Early modern Literature. Seitdem konnten auf Grund einer zwischen Heiko Hartmann und Albrecht Classen verabredeten Zusammenarbeit zehn weitere Sammelwerke vorgelegt werden.
Ihr Herausgeber wurde nahe Bad Hersfeld in Nordhessen 1956 geboren und in Marburg, Erlangen, Millersville, Oxford, Salamanca, Urbino sowie in Charlottesville in Virginia zu weit gespannten Interessen ausgebildet. 1986 wurde er an der Universität of Virginia promoviert. Seitdem hat er, als Professor and Undergraduate Advisor an der Universität of Arizona tätig, mehr als 50 Bücher oder mehr als 70 Lehrbücher, Editionen, Übersetzungen und Textbücher sowie sechs eigene Gedichtbände vorgelegt.
Vorrangiges Ziel der Reihe ist die Verknüpfung von Textanalyse und Kulturgeschichte. Hierzu werden nach einer kurzen Einführung der Herausgeber im vorliegenden Band 23 Kapitel unterschiedlicher Verfasser zu einer formalen Einheit verbunden, die ganz vielfältige Aspekte behandeln. Ein Beispiel hierfür bietet etwa Classen mit seiner Erörterung von Verbrechen und Gewalt im Mittelalter an Hand des Reinhard Fuchs und des Meier Helmbrecht, auf deren Grundlage bei anhaltendem verlegerischem Einsatz und Erfolg die vormoderne Welt in ihren gesellschaftlichen, wirtschaftlichen, rechtlichen und ethisch-sittl |
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Tiefenbach, Heinrich, Altsächsisches Handwörterbuch. De Gruyter, Berlin 2010. LV, 599 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen Tiefenbach, Heinrich, Altsächsisches Handwörterbuch. De Gruyter, Berlin 2010. LV, 599 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Heinrich Tiefenbach wurde 1944 geboren, 1973 mit Studien zu Wörtern volkssprachiger Herkunft in karolingischen Königsurkunden promoviert, 1983 mit Untersuchungen zur Nordgrenze des Althochdeutschen an niederrheinischen Personennamen des neunten bis elften Jahrhunderts (in Xanten, Essen und Köln) bei Rudolf Schützeichel in Münster habilitiert und später nach Regensburg berufen. Zu seinen sieben Monographien gehören noch althochdeutsche Aratorglossen der Handschriften Paris lat. 8318, Gotha Membr. II 115 (1977), eine dritte nachtragende und berichtigende Auflage Johan Hendrik Gallées altsächsischer Grammatik (1993), ein lateinisch-deutscher Index zum Florianer Psalter (2000), gesammelte Schriften zu altsächsischen und althochdeutschen Namen (von Mimigernaford nach Reganespurg), hg. v. Greule, A./Riecke, J., und das vorliegende altsächsische Handwörterbuch (a concise old Saxon Dictionary) der altsächsischen Denkmäler von den Anfängen im 9. Jahrhundert bis zum Ende des 12. Jahrhunderts unter Berücksichtigung lateinischer Urkunden bis 1100.
Nach dem Rückentext ist der Wortschatz aus den Anfängen der niederdeutschen Sprache, der Periode des Altsächsischen, bisher nicht in einem modernen Lexikon erfasst, so dass ihn das vorliegende Wörterbuch (erstmalig?) vollständig, grammatisch erschlossen, mit Stellennachweisen und mit Bedeutungsangaben in deutscher und englischer Sprache bietet. Die handschriftlichen Quellen sind mit Bibliotheksort und Editionen nachgewiesen. Ein rückläufig geordnetes Stichwörterverzeichnis und ein Index der lateinischen Vorlagewörter runden das Werk ab.
Dass der Verfasser in seinen bibliographischen Hinweisen keine Vollständigkeit anstrebt, sondern nur Werke anführt, die nach seinen Angaben für die Ausarbeitung des vorliegenden Wörterbuchs besonders wichtig waren und die weitere Auskünfte li |
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Nuzzo, Luigi, Origini di una Scienza. Diritto internazionale e colonialismo nel XIX secolo (= Studien zur europäischen Rechtsgeschichte - Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für europäische Rechtsgeschichte Frankfurt am Main 274). Klostermann, Frankfurt am Main 2012. IX, 329 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen Nuzzo, Luigi, Origini di una Scienza. Diritto internazionale e colonialismo nel XIX secolo (= Studien zur europäischen Rechtsgeschichte - Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für europäische Rechtsgeschichte Frankfurt am Main 274). Klostermann, Frankfurt am Main 2012. IX, 329 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Der Verfasser ist professore associato für mittelalterliche und neuzeitliche Rechtsgeschichte der Universität Salent. Sein wissenschaftlicher Ausgangspunkt ist Pavia, von wo aus er in Siena unter der Betreuung durch Piano Mortari und Aldo Mazzacane promoviert wurde, Seit 1997 ist er dem Max-Planck-Institut für europäische Rechtsgeschichte in Frankfurt am Main in enger und weiterführender Weise sehr verbunden.
Literarisch erstmals besonders hervorgetreten ist er dort durch eine im Jahre 2004 vorgelegte Bibliographie der Werke Karl Josef Anton Mittermaiers, der zwischen 1809 und 1867 nahezu 1000 größere und kleinere Werke schuf und sich unter Verwendung der Vergleichung des einheimischen Rechtes mit ausländischem Recht erfolgreich für ein modernes liberales Strafverfahrensrecht einsetzte.. Diese außerordentlich gründliche, wenn auch letztlich wohl nicht ganz vollständige Sammlung war ein Nebenerzeugnis eines auf die erreichbare Korrespondenz Mittermaiers gerichteten umfassenderen Vorhabens. Von hier aus gab Nuzzo 2011 zusammen mit Miloš Vec einen wichtigen Sammelband über Constructing international law heraus.
Im vorliegenden Werk kann er seine Erkenntnisse über die Entstehung des Kolonialrechts im 19. Jahrhundert in voller Breite und Tiefe darlegen. Dafür bildet er vier Kapitel, die von einem gemeinsamen christlichen Recht vor allem Englands und Deutschlands in Abgrenzung zur Türkei und China ausgehen. Auf dieser Grundlage erörtert er ausführlich die in Italien entwickelte Doktrin in der gemeineuropäischen Debatte und bezieht dabei den nordafrikanischen Raum eindrucksvoll ein, so dass er im Ergebnis die Rechtsges |
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Vincent, Nicholas, Magna Carta – A Very Short Introduction. Oxford University Press, Oxford 2012. X, 136 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
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Magna Charta (F.) (libertatum) (lat. große Urkunde [der Freiheiten]) ist die seit 1531 nachweisbare Bezeichnung einer älteren Vorläufern folgenden, lateinischen, noch in vier Ausfertigungen überlieferten und auch noch geltenden Urkunde des englischen, durch die Niederlage von Bouvines geschwächten Königs Johann I. Ohneland (Lackland, 1199-1216) vom 15.–19. 6. 1215 für 25 Barone (und den Erzbischof von Canterbury) (mit einer Präambel und 63 Titeln). Danach ist die Erhebung von Steuern an die Bewilligung der Großen gebunden (Grundlage des Parlamentarismus). Barone wollen nicht mehr vor dem auch mit Ministerialen besetzten königlichen Gericht Recht nehmen (lat. iudicium [N.] parium).
Nicholas Vincent ist Professor der University of East Anglia für mittelalterliche Geschichte. Über Oxford, Cambridge, Paris und Canterbury nach Norwich gekommen, hat er eine Reihe von Werken zur englischen und europäischen Geschichte des 12. und 13. Jahrhunderts vorgelegt. Das vorliegende kleine Buch verdankt seine Entstehung einer Einladung im Zuge eines Verkaufs eines Exemplars des Dokuments in New York im Jahre 2007.
Der Verfasser baut seine sehr kurze Einführung in die rund 4000 Wörter umfassende Magna Carta auf den gesammelten Erkenntnissen seiner Vorgänger auf, kann ihnen aber doch auch neue Einsichten hinzufügen. Er verfolgt die grundlegende, auf S. 105 auch (nicht sehr aussagekräftig) abgebildete Urkunde in sechs Kapiteln von den goldenen Tagen des guten König Edward über das angevinische Königtum, König Johann und den Weg nach Runnymede bis zu den Nachwirkungen sorgfältig und eindrucksvoll. Im Anhang wird im Anschluss an Holt (1992) eine neuenglische Übersetzung mitgeteilt, die zusammen mit den bibliographischen Hinweisen und einem ausführlichen Index dem Leser die eigenständige Vertiefung ermöglicht |
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Gelebtes Recht. 29 Juristenporträts, hg. v. Strejcek, Gerhard, mit 20 Porträtzeichungen v. Klepalski, Ulli. Österreichische Verlagsgesellschaft C. & E. Dworak/Stämpfli, Wien/Bern 2012. X, 358 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
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Der Herausgeber wurde 1963 geboren, studierte in Wien Rechtswissenschaft, spondierte 1986, promovierte nach einer zwischenzeitlichen Tätigkeit als Vertragsassistent an der Wirtschaftsuniversität Wien 1989, wurde 1991 dem Verfassungsgerichtshof dienstzugeteilt und 2000 in den Fächern Verfassungsrecht und Verwaltungsrecht sowie allgemeine Staatslehre habilitiert und zum außerordentlichen Professor ernannt. Auf diesem ihn zur Leitung des Zentrums der Glücksspielforschung bei der Universität Wien führenden Weg gewann er die Überzeugung, dass in der Welt des Rechtes zu leben und tätig zu sein mehr bedeutet als Urteile zu fällen oder juristische Abhandlungen zu verfassen. Aus diesem Grund vereinte er 29 Porträts ihm bemerkenswert erscheinender Persönlichkeiten, die in ihrer Summe einen Begriff von der Vielfalt des Juristenberufs vermitteln sollen und können.
In alphabetischer Ordnung beginnt das mit 20 Brustbildern auf dem Umschlag geschmückte Werk mit dem Zyniker und Staatsrechtler Edmund Bernatzik (1854-1919). Es endet mit dem „radical angehauchten“ Rechtsanwalt Sigismund Wolf-Eppinger (1850-1912). Eingeschlossen werden Sibylle Bolla-Kotek, Martha Stephanie Braun/Browne, Karl Braunias, Max Eugen Burckhard (auch als Schriftsteller), Dino Buzzati-Traverso, Eugen Ehrlich, Friedrich Elbogen, Ingeborg Gampl, Gustav Harpner, Robert Hecht, Theodor Herzl, E. T. A. Hoffmann, Isidor Ingwer, Georg Jellinek, Emilie Kempin, Franz Klein, Bruno Kreisky, Heinrich Lammasch, Friedrich Lehne, Charlotte Leitmaier, Adolf Julius Merkl, Carl Ornstein, Josef Redlich, Rudolf Sieghart, Marguerite A. Sieghart, Joseph Unger und der als Dichter besser als als Richter bekannte Anton Wildgans.
Nach dem Vorwort wird der Leser der vo |
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Nörr, Knut Wolfgang, Romanisch-kanonisches Prozessrecht. Erkenntnisverfahren erster Instanz in civilibus. Springer, Heidelberg 2012. XVII, 241 S. Besprochen von Tilman Repgen. |
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Kaum jemand hätte berufener sein können, die hier zu besprechende Monografie zu schreiben als der emeritierte Ordinarius für römisches Recht, neuere Privatrechtsgeschichte, Kirchenrecht und bürgerliches Recht an der Universität Tübingen, der sich bereits durch mehrere Einzelstudien auf diesem Gebiet international einen Namen gemacht hat. Hatte zuletzt Wiesław Litewski 1999 eine umfangreiche moderne Darstellung des römisch-kanonischen Zivilprozesses für den Zeitraum von der Mitte des 11. Jahrhunderts bis etwa 1234 vorgelegt (W. Litewski, Der römisch-kanonische Zivilprozeß nach den älteren ordines iudiciarii. Wydawnictwo Uniwersytetu Jagiellońskiego (Jagiellonian University Press), 2 Halbbde., Krakau 1999; vgl. hierzu die Besprechung von G. Wesener in ZRG GA 121 (2004), S. 679-684), führt Nörr nun die Rechtsgeschichte dieses Prozessverfahrens, teilweise zeitüberschneidend, von der Mitte des 12. Jahrhunderts bis zum Anfang des 16. Jahrhunderts fort. Allerdings wird, anders als bei Litewski, nur das Erkenntnisverfahren der ersten Instanz behandelt, also nicht das, insbesondere aus der Sicht des Prozesspraktikers, nicht minder interessante Appellationsverfahren (die „Berufung“ in der modernen Terminologie). Lediglich hie und da werden im Text Möglichkeiten der Appellation gegen diverse Entscheidungen der ersten Instanz erwähnt. Geografisch ist die Darstellung auf Rechtsentwicklungen in Deutschland und Italien beschränkt. Jedoch drang die Rezeption römischen Prozessrechts und seine Verbindung mit Grundsätzen kanonischen Prozessrechts zu einem einheitlichen prozessualen ius commune in ganz Westeuropa vor und beeinflusste auch dort in unterschiedlich starkem Umfang die Prozessrechtsentwicklung (s. jüngst etwa für Spanien: Ingo Fleisch, Rechtsstreit und Schriftkult |
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Gerechtigkeit im gesellschaftlichen Diskurs des späteren Mittelalters, hg. v. Schulte, Petra/Annas, Gabriele/Rothmann, Michael. Duncker & Humblot, Berlin 2012. 293 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
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Gerechtigkeit ist ein erstrebenswertes Ideal im menschlichen Leben, das bereits im Altertum als solches erkannt und erörtert wurde. Trotz aller Bemühungen hat sie sich in der Wirklichkeit nicht in jeglicher Hinsicht sichern lassen, weil die Vorstellungen der Beteiligten im Einzelfall meist zu unterschiedlich ist. Was dem Einen größtmögliches Recht sein kann, kann der Andere als größtmögliches Unrecht einordnen.
Die Herausgeber fassen in ihrem kurzen Vorwort die damit verbundenen vielfältigen Fragen in das kurze lateinische suum cuique, mit dem eine Kölner Brauerei ihr Bier seinerzeit mit dem Bild des Albertus-Magnus-Denkmals vor dem Hauptgebäude der Universität pries. Besser hätten sie nach ihrer eigenen Ansicht auch für ihren Workshop nicht werben können, der am 31. März und am 1. April 2005 im alten Senatssaal stattfand. Seine insgesamt elf dem Lehrer Eberhard Isenmann (Ulm 1944) gewidmeten Referate stellt der schlichte Sammelband nunmehr der Allgemeinheit nach einigen Jahren zur Verfügung.
Nach einer kurzen Einleitung der Herausgeber behandelt dabei etwa Petra Schulte die Leitidee gerechter Herrschaft bei Karl dem Kühnen, Ulrich Meier die linke und die rechte Waagschale der Justiz an Hand der Rezeption der aristotelischen Lehre der Teilgerechtigkeiten bei Albertus Magnus und Ambrogio Lorenzetti oder Krijn Pausters die Gerechtigkeit als Strukturelement katechetischer Texte des 15. Jahrhunderts. Andere Untersuchungen erörtern die Gnadenjustiz, die italienischen Kommunen, die Pastoralliteratur, das Gleichheitsdenken, Schriften der Reichsreform, die Praxis des kaiserlichen Kammergerichts im Spiegel Nürnberger Gesandtschaftsberichte des 15. Jahrhunderts oder Rechtsprechung und Körpermetapher im Trajan/Herkinbald-Teppich des Ber |
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Stieldorf, Andrea, Marken und Markgrafen. Studien zur Grenzsicherung durch die fränkisch-deutschen Herrscher (= Monumenta Germaniae Schriften 64). Verlag Hahnsche Buchhandlung, Hannover 2012. CX, 623 S. Besprochen von Christof Paulus. |
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Die Bonner Habilitationsschrift, abgeschlossen 2007/2008, untersucht die Geschichte der Begriffe marca und marchio vom 8. Jahrhundert bis zur Herrschaftszeit Kaiser Friedrich Barbarossas und kommt hierbei zum zentralen Urteil, dass sich weder aus erstgenannter Raumbezeichnung noch aus dem Titel sichere Aussagen über die „Politik“ der Zentralgewalt ableiten lassen. Im ersten Teil ihrer Arbeit zeichnet Stieldorf die Entwicklung von marca/marchia nach, was bis zum späten 11. Jahrhundert in der Regel eine Randzone des Reichs kennzeichnete, terminologisch changierend zwischen den Begriffen „Grenze“ und „Gebiet“, und sich ab dem späten 11. Jahrhundert in Richtung „Markgrafschaft“ ausdifferenzierte. Der Begriff taucht erstmals um 800 als Bezeichnung für die Reichsperipherie(n) auf. Im 10. Jahrhundert ist dann ein Rückgang der Belege zu bemerken. Ab etwa 980 nimmt die Dichte der marca-Nennungen in den Diplomata, den „Privaturkunden“ sowie in der Geschichtsschreibung zu. Grundsätzlich ist eine unterschiedliche Begriffsentwicklung in den verschiedenen Zonen des Reichs anzunehmen. Im zweiten Großkapitel wird der marchio-Titel untersucht, welcher bis zum 11. Jahrhundert in der Regel mit grenzsichernden Aufgaben verbunden war, danach sich allmählich zu einem Rangtitel bzw. zu einer institutionalisierten Adelsbezeichnung wandelte und verfestigte. Um 800 tritt der marchio zunächst in vasallitischem Status in den Randzonen des Reiches auf, darauf entwickelte sich der Begriff zu einem mit den Reichsrandzonen verbundenen Funktionstitel. In salischer Zeit nimmt die Tendenz zu, den „Markgrafen“ zwischen dem „Grafen“ und dem „Herzog“ zu verorten. Doch ist gerade in der Frühzeit eine fehlende titulatorische Verfestigung auffallend. |
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Eine Grenze in Bewegung – Öffentliche und private Justiz im Handels- und Seerecht. Une frontière mouvante – Justice privée et justice publique en matières commerciales et maritimes, hg. v. Cordes, Albrecht/Dauchy, Serge unter Mitarbeit von Karg, Andreas/Auer, Anika. Oldenbourg, München 2013. XI, 366 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen Eine Grenze in Bewegung – Öffentliche und private Justiz im Handels- und Seerecht. Une frontière mouvante – Justice privée et justice publique en matières commerciales et maritimes, hg. v. Cordes, Albrecht/Dauchy, Serge unter Mitarbeit von Karg, Andreas/Auer, Anika. Oldenbourg, München 2013. XI, 366 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Bereits Griechen und Römer maßen der sie eingrenzenden See und dem über sie möglichen Handel erhebliche praktische Bedeutung zu, stellten sie aber nicht in die Mitte des Rechtes. Dementsprechend erlangten Handel und See nicht die ihnen eigentlich für das Leben zumindest der führenden Gesellschaftsschichten zukommende Bedeutung innerhalb des römisches Rechtes. Diesen verdienten Rang erreichten beide eigentlich erst im Laufe der Neuzeit, in der das Handelsrecht einschließlich des Seerechts zu einem eigenen Rechtsgebiet innerhalb des umfassenderen Privatrechts wurden, das zumindest in einzelnen Staaten in eigenen Kodifikationen geregelt wurde.
Dessen ungeachtet verdienen Handel und See die ungeteilte Aufmerksamkeit auch des Rechtshistorikers. Innerhalb der Rechtsgeschichte haben sich ihnen vor allem die Germanisten gewidmet, die freilich von den geistigen Errungenschaften der Romanisten im Bereich des allgemeinen Privatrechts stets wichtige Anregungen erhalten haben. Von daher ist es nur folgerichtig, dass die Herausgeber ihr Interesse auf den wichtigen Gegenstand konzentriert und ihm eine eigene gemeinsame Tagung des Centre d’Histoire Judiciaire und des Historischen Kollegs gewidmet haben, die am 1. und 2. Mai in Roscoff/Bretagne abgehalten wurde.
Insgesamt umfasst der daraus hervorgegangene, von den Herausgebern überzeugend eingeleitete Band sechzehn ertragreiche Einzelstudien. Sie betreffen etwa die Parlamentsarchive des !3. Jahrhunderts, das mittelalterliche England, hansische Privilegien, die Gdańsk Issue, die Handelsgesellschaft Brentano vor dem Reichskammergericht, Formen der Konflik |
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Kickler, Hilke, Die Geschichte des Schutzes geographischer Herkunftsangaben in Deutschland. Vom zweiten deutschen Kaiserreich bis zum Markengesetz 1995 (= Geistiges Eigentum und Wettbewerbsrecht 66). Mohr (Siebeck) 2012. XXII, 498 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen Kickler, Hilke, Die Geschichte des Schutzes geographischer Herkunftsangaben in Deutschland. Vom zweiten deutschen Kaiserreich bis zum Markengesetz 1995 (= Geistiges Eigentum und Wettbewerbsrecht 66). Mohr (Siebeck) 2012. XXII, 498 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Auf der Erde sind nicht alle Güter völlig gleichmäßig verteilt, weshalb bereits die Menschen nicht an allen Orten gleichzeitig entstanden sind, sondern von besonders günstigen Bedingungen an einem Ort ausgehend allmählich auch nahezu alle anderen weniger vorteilhaften Gebiete besiedelt haben. Dementsprechend haben auch die von ihnen hergestellten Erzeugnisse im Laufe der Geschichte eine unterschiedliche Wertschätzung erfahren, die im Zuge der Verbesserung der Infrastruktur vor allem seit dem 19. Jahrhundert immer größere wirtschaftliche Bedeutung erlangt hat. Zu deren rechtlicher Absicherung wurde im deutschen Reich zum 1. Oktober 1894 das Gesetz zum Schutze der Warenbezeichnungen geschaffen, das auf den geographischen Ursprung von Waren hinweisende geographische Herkunftsangaben schützen sollte.
Mit diesem Gesetz und der anschließenden Weiterentwicklung befasst sich die 1982 geborene, in Bayreuth und Auckland/Neuseeland ausgebildete, nach der ersten juristischen Staatsprüfung (2007) als Stipendiatin des Graduiertenkollegs geistiges Eigentum und Gemeinfreiheit in Bayreuth wirkende Autorin in ihrer von Diethelm Klippel betreuten, im Wintersemester 2011/2012 von der rechts- und wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Bayreuth angenommenen Dissertation. Ihr geht es um die Frage, warum geographische Herkunftsangaben in den Gesetzen des gewerblichen Rechtsschutzes geschützt wurden, wie dieser Schutz ausgestaltet war und welche Probleme sich dabei für Rechtsprechung und Literatur ergaben. Hierfür gliedert sie zeitlich/sachlich nach einer Einleitung in die sieben Kapitel der (weitgehend fehlende) Schutz geographischer Bezeichnungen vor 1894, geographische Herkunft |
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Kejř, Jiří, Die mittelalterlichen Städte in den böhmischen Ländern. Gründung - Verfassung - Entwicklung (= Städteforschung, Reihe A Darstellungen 78). Böhlau, Köln 2010. XIII, 450 S. Besprochen von Ulrich-Dieter Oppitz. |
Ganzen Eintrag anzeigen Kejř, Jiří, Die mittelalterlichen Städte in den böhmischen Ländern. Gründung - Verfassung - Entwicklung (= Städteforschung, Reihe A Darstellungen 78). Böhlau, Köln 2010. XIII, 450 S. Besprochen von Ulrich-Dieter Oppitz.
Jiří Kejř, der Nestor der böhmischen Rechtsgeschichte und Städteforschung, legt in deutscher Übersetzung seine 1998 in Prag erschienene Studie zur Stadtverfassung vor. Václav Bok und seine verstorbene Gattin Hildegard Boková, Mittelalter-Germanisten der Universität Budweis, haben die Übersetzung sorgfältig und sachkundig betreut. Kejř hat sich den Vorarbeiten schon zu einer Zeit gewidmet, als es in seinem Lande nicht opportun war, nichtslawischen Wurzeln der Landesgeschichte nachzugehen. Andererseits hat er sich bei den Nachbarn im Westen nicht beliebt gemacht, weil er nichtdeutschen Einflüssen auf die Stadtentwicklung die ihnen zukommende Bedeutung gegeben hat. Gegenüber der sich in den 60er Jahren kräftig entwickelnden Mittelalterarchäologie wies Kejř unermüdlich darauf hin, dass diese Befunde nur bei einer sorgfältigen rechtshistorischen Begleitung die ihnen angemessene Stellung erhalten könnten.
Als Gebiet seiner Forschungen umschreibt er Böhmen, Mähren, Österreichisch Schlesien, Grafschaft Glatz und die Ober- und Niederlausitz, damit die Böhmischen Kronländer, ,Corona Bohemiae’.
Die in zehn Abschnitte gegliederte Untersuchung wird eingeleitet durch einen Überblick über den Forschungsgegenstand, die Stadt als Institution in der Zeit der Přemyslidenkönige. Ausführlich widmet sich der Verfasser der Terminologie zur Bezeichnung der verschiedenen Typen der Siedlungen und dann den verschiedenen Personenbezeichnungen. Interessant ist der Hinweis bei der Verwendung deutscher Bezeichnungen in Urkunden. Wenn der Aussteller keine entsprechende lateinische Bezeichnung finden konnte, beließ er es lieber bei der deutschsprachigen Bezeichnung. Ähnlich gingen die Aussteller vor, wenn |
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Pejko, Daniel, Gegen Minister und Parlament. Der Conseil d’État im Gesetzgebungsverfahren des zweiten französischen Kaiserreichs (1852-1870) (= Studien zur europäischen Rechtsgeschichte Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für europäische Rechtsgeschichte 276). Klostermann, Frankfurt am Main 2012. XVI, 386 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen Pejko, Daniel, Gegen Minister und Parlament. Der Conseil d’État im Gesetzgebungsverfahren des zweiten französischen Kaiserreichs (1852-1870) (= Studien zur europäischen Rechtsgeschichte Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für europäische Rechtsgeschichte 276). Klostermann, Frankfurt am Main 2012. XVI, 386 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Frankreich ist auf Grund seiner Größe, Nähe und Geschichte der wohl wichtigste außerdeutsche Partner Deutschlands in Europa. Von daher verdienen seine Wesensemerkmale die besondere Aufmerksamkeit der Deutschen. Wegen der grundsätzlichen Sprachbarriere wird dem freilich nicht immer genügend Rechnung getragen.
Von daher ist es besonders erfreulich, dass der in Frankfurt am Main und auch in Straßburg an der École Nationale d’Administration ausgebildete, inzwischen als Rechtsanwalt tätige Verfasser sich mit einer wichtigen französischen Verfassungseinrichtung in seiner von Michael Stolleis betreuten Dissertation befasst hat, an deren Anfang nach dem aus Kapstadt grüßenden Vorwort reine Neugier stand. In sorgfältiger Auseinandersetzung mit umfangreichem Quellenmaterial und Literatur ist daraus ein wertvolles Werk geworden. Es zeigt, dass eine zentrale Einrichtung des französischen Verfassungslebens, deren erste Anfänge im Grunde bis in das 13. Jahrundert zurückreichen, unter unterschiedlichen Einflüssen erheblichen Wandlungen unterworfen sein konnte.
Gegliedert ist die Untersuchung in insgesamt sechs Kapitel, die mit einem Rückblick auf die französischen Staatsräte im Gesetzgebungsverfahren ab 1799 beginnen. Auf dieser Grundlage betrachtet der Verfasser den Staatsrat als Instrument zur Bewältigung des immanenten verfassungsmäßigen Zielkonflikts im Kaiserreich von 1852, wobei er als Ausgangslage ein prestigeträchtiges Korps im Schnittpunkt von Spannungsverhältnissen annimmt, danach die Staatsratsmitglieder (Kaiser, Prinzen, Minister, Vizepräsidenten, Sektionspräsidenten, Räte, Maîtres de |
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Carius, Hendrikje, Recht durch Eigentum Frauen vor dem Jenaer Hofgericht (1648-1806) (= bibliothek altes reich 12). Oldenbourg, München 2012. 353 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen Carius, Hendrikje, Recht durch Eigentum. Frauen vor dem Jenaer Hofgericht (1648-1806) (= bibliothek altes reich 12). Oldenbourg, München 2012. 353 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Nach der gleich in der Einleitung von der Verfasserin angesprochenen allgemeinen Ansicht, gilt das frühneuzeitliche Rechtswesen als Paradigma dafür, der gesellschaftlichen Handhabung entsprechend ein für Frauen sozial, rechtlich und ökonomisch ungünstiges Geschlechterverhältnis zu bestätigen, umzusetzen oder zu konstruieren. Dies soll durch die vorliegende Untersuchung vorurteilsfrei überprüft werden. Dafür nimmt die im Vorwort besonders ihrer Tochter Johanna Sophie Luise dankende Autorin einen grundsätzlich neutralen Quellenbestand als überzeugenden Ausgangspunkt ihrer von Siegrid Westphal begleiteten und geförderten, im Rahmen der Nachwuchsgruppe Eigentums- und Besitzrechte von Frauen in der Rechtspraxis des alten Reiches entstandenen, im Herbst 2008 von der Universität Jena angenommenen Dissertation.
Ihre Studie gründet sich in erster Linie auf die Akten der Abteilung Weimar der im Hauptstaatsarchiv Weimar aufbewahrten Archivalien des für Sachsen-Weimar bzw. Sachsen-Weimar-Eisenach, Sachsen-Gotha(-Altenburg), Sachsen-Meiningen, Sachsen-Hildburghausen Sachsen-Coburg-Saalfeld und die Herrschaft Arnstadt zuständigen Jenaer Hofgerichts. Erfasst werden insgesamt 1050 Fälle. Davon weisen 275 Verfahren eine Beteiligung von Frauen als Klägerinnen oder Beklagte auf.
Gegliedert ist die Arbeit außer in die Einleitung über Eigentum, Frauen und Recht im Forschungskontext, Quellenbasis, Konzept, Vorgehensweise und Untersuchungsmethodik in zwei Abschnitte über Eigentum im Recht der frühen Neuzeit einerseits und Eigentumsrechte in der Rechtspraxis andererseits. Sorgfältig geht die Verfasserin dabei auf den Verhandlungsort einerseits und die Eigentums- und Besitzrechtskonflikte andererseits (Partizipation am Eigentumstransfer über Erbe, Schuldkonflikte, Konfli |
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Rieble, Volker, Das Wissenschaftsplagiat. Vom Versagen eines Systems. Klostermann, Frankfurt am Main 2010. 120 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen Rieble, Volker, Das Wissenschaftsplagiat. Vom Versagen eines Systems. Klostermann, Frankfurt am Main 2010. 120 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Zu den erfolgreichsten Lerntechniken des mit Vernunft begabten Menschen zählt auch die von Anfang an durchgeführte Übernahme fremden Wissens. Während sie in Antike und Mittelalter im Wesentlichen jedermann völlig frei stand, entwickelte sich in der Neuzeit die Vorstellung, dass die Übernahme fremden Wissens zumindest in der Wissenschaft der Allgemeinheit in besonderer Weise kund gemacht werden muss. Niemand darf fremde Gedanken als eigene Gedanken ausgeben, so dass jeder die Übernahme fremder Gedanken in ein eigenes Werk als Übernahme durch die Verwendung von Anführungszeichen und Herkunftshinweisen zu erkennen geben muss, will er nicht ein Plagiat herstellen.
Der in Karlsruhe 1961 geborene Verfasser wurde nach dem Studium der Rechtswissenschaft und er Volkswirtschaftslehre in Freiburg im Breisgau 1989 mit einer Dissertation über die Kontrolle des Ermessens der betriebsverfassungsrechtlichen Einigungsstelle promoviert und 1996 mit einer Schrift über Arbeitsmarkt und Wettbewerb - der Schutz von Vertrags- und Wettbewerbsfreiheit im Arbeitsrecht habilitiert. 1998 wurde er nach Mannheim berufen, 2004 an das von Arbeitgeberverbänden mittels der dafür gegründeten Stiftung für Arbeitsbeziehungen und Arbeitsrecht gegründete Zentrum für Arbeitsbeziehungen und Arbeitsrecht der Universität München. Sein vorliegendes schmales Werk behandelte das häufige, weithin totgeschwiegene Wissenschaftsplagiat, ohne dass der konkrete Ausgangspunkt des Erkenntnisinteresses augenfällig gemacht wird.
Gegliedert ist die eine alte Verfahrensweise aktuell und kritisch aufgreifende Untersuchung in die sechs Abschnitte rechtswissenschaftliche Plagiatsphänomenologie (Prüfungsmogeleien, Raubfische im Wissenschaftsteich, für die als Hecht Hans-Peter Schwintowski namentlich genannt wird, gewerbsmäßiges Plagiieren aus |
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Die Kabinettsprotokolle der Hannoverschen und der Niedersächsischen Landesregierung 1946-1951, hg. vom Niedersächsischen Landesarchiv und vom Göttinger Institut für Demokratieforschung, eingeleitet und bearb. v. Nentwig, Teresa, 2 Bände (= Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Niedersachsen und Bremen, Band 269). Verlag Hahnsche Buchhandlung, Hannover 2012. CII, 902, XXI, 903-1887 S. Besprochen von Werner Schubert. |
Ganzen Eintrag anzeigen Die Kabinettsprotokolle der Hannoverschen und der Niedersächsischen Landesregierung 1946-1951, hg. vom Niedersächsischen Landesarchiv und vom Göttinger Institut für Demokratieforschung, eingeleitet und bearb. v. Nentwig, Teresa, 2 Bände (= Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Niedersachsen und Bremen, Band 269). Verlag Hahnsche Buchhandlung, Hannover 2012. CII, 902, XXI, 903-1887 S. Besprochen von Werner Schubert.
Mit den Kabinettsprotokollen der Hannoverschen und Niedersächsischen Landesregierung bis 1951 liegt nunmehr für ein weiteres Bundesland – erschienen sind bereits Teile der Kabinettsprotokolle für Bayern, Baden, Württemberg-Hohenzollern, Hessen, Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen und Berlin – ein Quellenwerk vor, das auch für den an der Rechtsgeschichte des Landes Niedersachsen interessierten Rechtshistoriker von Wichtigkeit ist. Niedersachsen umfasst die Gebiete der ehemaligen preußischen Provinz Hannover sowie der ehemaligen Länder der Weimarer Republik Oldenburg, Braunschweig und Schaumburg-Lippe. Ministerpräsident des Landes war zwischen 1946 und 1951 Hinrich Wilhelm Kopf (SPD), der zunächst einer Allparteienregierung und anschließend einer Koalition (SPD/Zentrum) bis zu den Parlamentswahlen vom 6. 5. 1951 vorstand. Im Einzelnen behandelt Nentwig in der Einleitung in umfangreichen Abschnitten das Kabinett (S. XXXIIIff.), die Rahmenbedingungen des politischen Handelns (S. LIVff.; u. a. Aufgaben des Ministerpräsidenten und des Kabinetts, das Verhältnis zur britischen Militärregierung und die Mitwirkung im Bundesrat). Als Felder politischen Handelns werden – eher zu knapp – beschrieben (S. LXVIIIff.): Wiederaufbau und Neuaufbau, Flüchtlingsfragen, Demontage, niederländische Gebietsansprüche, Bodenreform, Personalpolitik, Entnazifizierung, Verfassungsberatungen, Gründung der Bundesrepublik Deutschland und Landesintegration. Es fehlt ein Abschnitt über den Wiederaufbau der Justiz, dessen personelle Seite sich aus den |
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Mehlich, Andreas, Der Verteidiger in den Strafprozessen gegen die Rote Armee Fraktion. Politische Justiz und politische Strafverteidigung im Lichte der Freiheit der Advokatur. Berliner Wissenschafts-Verlag, Berlin 2012. XXII, 352 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen Mehlich, Andreas, Der Verteidiger in den Strafprozessen gegen die Rote Armee Fraktion. Politische Justiz und politische Strafverteidigung im Lichte der Freiheit der Advokatur. Berliner Wissenschafts-Verlag, Berlin 2012. XXII, 352 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Die Rote Armee Fraktion war eine Vereinigung, die sich selbst als kommunistische, antiimperialistische Stadtguerilla im Kampf gegen den (aus ihrer Sicht) faschistischen deutschen Staat bezeichnete. Ihre bekanntesten Mitglieder waren der vielfältig unregelmäßig tätige Andreas Baader, die Journalistin Ulrike Meinhof und die ihren Mann Bernward Vesper für Andreas Baader verlassende Gudrun Ensslin, von denen Baader und Ennslin am 2. April 1968 mit Thorwald Proll und Horst Söhnlein Brände in zwei Kaufhäusern legten. Die Täter wurden von der Polizei ermittelt und zu je drei Jahren Zuchthaus verurteilt, setzten danach aber ihren Kampf in der ihnen möglichen Art fort.
Die vorliegende, eines Registers entbehrende Arbeit ist die von Hinrich Rüping im Zusammenhang mit dem Buchprojekt Anwälte und ihre Geschichte (2011) angeregte und betreute, im Wintersemester 2011/2012 von der juristischen Fakultät der Universität Hannover angenommene Dissertation des Verfassers. Sie gliedert sich außer in die Einleitung über abstrakte Einführung, Sprachregelung, Methode und Quellenauswahl in sieben Abschnitte. Sie betreffen die Rechtsstellung und Bedeutung des Strafverteidigers im Allgemeinen, das Wesen und die Terminologie politischer Strafverteidigung in den Prozessen gegen die Rote Armee Fraktion, die Stellung des gegen den Willen der Mitglieder der Roten Armee Fraktion bestellten Pflichtverteidigers, die staatlichen Restriktionen gegenüber der Verteidigungstätigkeit, die methodischen Grundlagen des staatlichen Eingriffs und die Strafverteidigung von Mitgliedern der Roten Armee Fraktion in der politischen Justiz.
Im Ergebnis zeigt der Verfasser ansprechend, wie die Verteidiger sich im Rah |
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Ritz, Christian, Schreibtischtäter vor Gericht. Das Verfahren vor dem Münchner Landgericht wegen der Deportation der niederländischen Juden (1959-1967). Schöningh, Paderborn 2012. 257 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen Ritz, Christian, Schreibtischtäter vor Gericht. Das Verfahren vor dem Münchner Landgericht wegen der Deportation der niederländischen Juden (1959-1967). Schöningh, Paderborn 2012. 257 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Nach der Beendigung der nationalsozialistischen Herrschaft Adolf Hitlers im Deutschen Reich am Ende des zweiten Weltkriegs setzte sich die Überzeugung durch, dass millionenfaches Unrecht unmenschlichster Art begangen worden war. Täter waren dabei nicht nur wenige Einzelne, sondern sehr viele hatten in irgendeiner Weise an den verschiedensten Verbrechen mitgewirkt. Die Idee der Gerechtigkeit hätte eine allgemeine Rechenschaft erfordert, doch konnte sie aus den verschiedensten Gründen nicht wirklich umfassend durchgeführt werden, sondern blieb ein auch von Zufällen geprägtes Stückwerk.
Die vorliegende Untersuchung ist die an der Universität Marburg im Jahre 2011 angenommene Dissertation des 1964 geborenen, an der Universität Marburg und am Forschungs- und Dokumentationszentrum für Kriegsverbrecherprozesse der Universität als wissenschaftlicher Mitarbeiter tätigen Verfassers. Sie gliedert sich nach einer kurzen Einleitung über Forschungsstand, Fragestellungen, methodische Überlegungen, Aufbau und Quellen in fünf Abschnitte. Sie betreffen die Deportation der niederländischen Juden, die drei (im Eingang vollständig und auf dem Umschlag teilweise abgelichteten) Täter Wilhelm Harster (ehemaliger Befehlshaber der Sicherheitspolizei in Den Haag), Wilhelm Zoepf (Leiter des „Judenreferats“ in Den Haag) und Gertrud Slottke (dabei 3.1 ohne 3.2), Harsters Prozess in den Niederlanden, Wilhelm Harsters Nachkriegskarriere und am ausführlichsten das Verfahren gegen Zoepf u. a. vor dem Landgericht München II.
Am 24. Februar 1967 verurteilte das Schwurgericht am Landgericht München II wegen gemeinschaftlicher Beihilfe zum gemeinschaftlichen Mord (in 82854 Fällen) Wilhelm Harster zu fünfzehn, Wilhelm Zoepf zu neun und Gertrud Slo |
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Borgers, Tim, Das Oberappellationsgericht zu Lübeck und seine Rechtsprechung zum Aktienrecht. Eine Auswertung der Rechtsprechung unter Berücksichtigung der aktienrechtlichen Literatur des 19. Jahrhunderts. Kovač, Hamburg 2012. XXXIX, 281 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen Borgers, Tim, Das Oberappellationsgericht zu Lübeck und seine Rechtsprechung zum Aktienrecht. Eine Auswertung der Rechtsprechung unter Berücksichtigung der aktienrechtlichen Literatur des 19. Jahrhunderts. Kovač, Hamburg 2012. XXXIX, 281 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Das Oberappellationsgericht der vier Freien Städte des Deutschen Bundes (Bremen, Frankfurt am Main, Hamburg und Lübeck) wurde 1820 auf der Grundlage des Artikels 12 III der Deutschen Bundesakte von 1815 geschaffen, nach dem den vier freien Städten, weil sie auch zusammen nicht die an sich erforderliche Zahl von 300000 Betroffenen hatten, das besondere Recht zugestanden wurde, sich untereinander über die Errichtung eines gemeinsamen obersten Gerichts zu vereinigen. Auf einen Vorstoß Bremens wurde dieses Gericht nach Überwindung anfänglichen Widerstands Hamburgs und Lübecks in Lübeck zunächst in den Schüsselbuden 15, dann in dem früheren dreistöckigen Haus der Zirkelgesellschaft in der Königsstraße 21 eingerichtet. In Lübeck trat es an die Stelle des Oberhofs Lübeck.
Die Arbeit ist die von Peter Oestmann betreute, von der rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Münster angenommene Dissertation des am 29. November 2011 promovierten Verfassers. Sie gliedert sich in insgesamt sechs Abschnitte. Nach einer kurzen Einleitung stellt der Verfasser in gleicher Kürze die Geschichte des Oberappellationsgerichts und etwas ausführlicher die Geschichte des deutschen Aktienrechts dar. Das Hauptgewicht misst er zu Recht den Entscheidungen zur Aktiengesellschaft bei.
Dabei erörtert er nacheinander die Aktiengesellschaft als juristische Person, die Gründung, die Haftung, die Haftung der Aktionäre und Handelnden, die innere Verfassung, die Kapitalherabsetzung und Liquidation, Aktien und Aktienhandel sowie Sonstiges. Dabei gelangt er nach sorgfältiger Durchsicht zu der Erkenntnis, dass das Oberappellationsgericht keine grundlegenden Ideen über die Aktiengesellscha |
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Martinez, Jenny S., The Slave Trade and the Origins of International Human Rights Law. Oxford University Press, Oxford 2012. V, 254 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen Martinez, Jenny S., The Slave Trade and the Origins of International Human Rights Law. Oxford University Press, Oxford 2012. V, 254 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Die Sklaverei gehört zu den Schattenseiten des menschlichen Daseins, deren genauer geschichtlicher Ursprung ungewiss ist. Jedenfalls kannte bereits das Altertum Gesellschaften mit umfangreicher Sklavenhaltung. Zu ihnen gehörte auch schon ein ausgedehnter Sklavenhandel, selbst wenn anfangs die Betroffenen die dafür erforderlichen Wege wohl in erster Linie auf ihren eigenen Füßen zurücklegen mussten.
Die Verfasserin ist seit 2011 Warren Christopher Professor in Practice of International Law & Diplomacy an der Stanford Law School in Kalifornien. Sie erwarb den Bachelor of Arts 1993 in Geschichte 1993 an der Yale University (cum laude) und den juristischen Doktorgrad 1997 an der Harvard Law School (magna cum laude). Sie lehrt auf Grund vielfältiger praktischer Erfahrung vor allem internationales Recht, Menschenrechte, Verfassungsrecht und Zivilprozess.
Das vorliegende, auch auf frühere Einzelstudien zurückgreifende Werk gliedert sie in insgesamt acht Abschnitte. Nach einer kurzen Einführung behandelt sie dabei die Anfänge des Kampfes gegen den Sklavenhandel in Großbritannien, das Übergreifen des Gedankens auf die Vereinigten Staaten, die Bildung der Courts of Mixed Commission und weitere Schritte bis zum letztlichen Verbot des Sklavenhandels und schließt mit weiterführenden Überlegungen über die Zukunft der internationalen Menschenrechte und der dafür zuständigen und erforderlichen Gerichtshöfe ab. Zahlreiche Anmerkungen auf den Seiten 178-244 stützen die vielfältigen, Sklavenhandel und Menschenrechte überzeugend verbindenden Überlegungen umfangreich ab, ein Index von Abdy bis Yugoslavia schließt sie für den interessierten Leser hilfreich auf.
Innsbruck Gerhard Kö |
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Corpus Iuris Civilis V, Digesten 28-34, hg. v. Knütel, Rolf/Kupisch, Berthold/Rüfner, Thomas u. a. C. F. Müller, Heidelberg 2012. 704 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
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In Pleasantville bei New York gründeten Lila Acheson Wallace und DeWitt Wallace 1922 Reader’s Digest als eine Artikel anderer Zeitschriften sowie Buchauszüge und Bücher teilweise in gekürzter Form veröffentlichende Zeitschrift, die in gewandelter Form etwa neunzig Jahre später weltweit mit 16 Millionen Exemplaren rund 70 Millionen Leser erreicht. Damit griffen die Unternehmer einen Werktitel auf, der in der römischen Antike etwa bereits bei den Rechtskundigen Celsus, Iulianus, Marcellus oder Scaevola (2. Jh. n. Chr.) bezeugt ist. Überragende Bedeutung für das Recht erlangte er durch die zwischen 530 und 533 von dem oströmischen Kaiser Justinian veranlassten Digesten der Werke der vorangegangenen römischen iurisprudentes, die mit diesem Namen zum 16. bzw. 30. Dezember 533 zum Gesetz erhoben wurden.
In seinen 9142 bzw. 9950 Fragmenten aus mehr als 200 Werken (von insgesamt fast 2000 zu dieser Zeit noch vorhandenen rechtlichen Schriften) ist das Wissen der wichtigsten römischen Rechtskundigen aufgenommen. In ziemlich schmaler Überlieferung konnte das Altertum diesen Schatz an das Mittelalter weiterreichen. Von Bologna aus wurden seit dem 12. Jahrhundert die justinianischen Digesten zusammen mit Codex, Institutionen und späteren Novellen die wichtigste Grundlage für das weltweite Studium des römischen Rechtes bis in die Gegenwart.
In nicht leichtem Latein verfasst ist diese hervorragende Grundlage mit der allgemeinen Gefährdung des lateinischen Unterrichts in den modernen, dem Angloamerikanischen zuneigenden Schulen umfassend von Vergessenheit und Unverständnis bedroht. Deswegen haben führende Romanisten seit rund 25 Jahren den Versuch unternommen, dieses großartige Erbe durch die Übersetzung in das Neuhochdeutsche wenigstens für den deutschen Sprachraum zu siche |
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Herrmann, Ulrich, Vom HJ-Führer zur Weißen Rose. Hans Scholl vor dem Stuttgarter Sondergericht 1937/38. Mit einem Beitrag von Holler, Eckard über die Ulmer „Trabanten“ (= Materialien zur historischen Jugendforschung). Beltz Juventa, Weinheim 2012. 380 S., Ill. Besprochen von Ulrich-Dieter Oppitz. |
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70 Jahre nach der Hinrichtung der Geschwister Sophie und Hans Scholl und ihres Freundes Christoph Probst besteht noch immer ein intensives Interesse daran, das Leben und die persönliche Entwicklung der Widerstandskämpfer der „Weißen Rose“ aufzuklären. Ulrich Herrmann widmet sich nach seiner Zeit als Professor der Pädagogik dem bislang weitgehend unbeachtet gebliebenen Strafverfahren am Sondergericht für den Oberlandesgerichtsbezirk Stuttgart gegen Klaus Zwiauer, Christoph Keller, Ernst Reden und Hans Scholl. Die Arbeit ist gegliedert in einen beschreibenden Teil des Vorverfahrens und der Darstellung des Ganges der Ermittlungen (S. 13-37), einer Schilderung Eckhard Hollers zu Hans Scholl und den Ulmer „Trabanten“ (S. 38-67), der eigentlichen Strafverhandlung nebst ihrer Vorbereitung (S. 68-112) und der Würdigung der Bedeutung des Strafverfahrens für die persönliche Entwicklung Hans Scholls auf seinem Weg in die Gegnerschaft zum NS-Regime (S. 113-132). Hierfür steht der Text der Flugblätter der Weißen Rose III und IV. Der folgende Dokumentenanhang (S. 133-379) bringt in der Form der Chronologie der Ereignisse zahlreiche Vernehmungsprotokolle, Protokolle von Zeugenaussagen, die Anklageschrift und das Urteil. Durch die gewählte Art der Präsentation der Dokumente ist für jede wesentliche Aussage die Quelle leicht verfügbar.
Die Sondergerichte waren durch Verordnung der Reichsregierung vom 21. 3. 1933 jeweils für den Bezirk eines Oberlandesgerichts gebildet worden, um Verbrechen und Vergehen ahnden zu können, die sich gegen die „Regierung der nationalen Erhebung“ richteten. Eine wesentliche Zielgruppe neben der Arbeiterbewegung und den ehemaligen |
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Hartmann, Martina, Die Königin im frühen Mittelalter. Kohlhammer, Stuttgart 2009. XXIII, 245 S. Besprochen von Gudrun Pischke. |
Ganzen Eintrag anzeigen Hartmann, Martina, Die Königin im frühen Mittelalter. Kohlhammer, Stuttgart 2009. XXIII, 245 S. Besprochen von Gudrun Pischke.
Martina Hartmann befasst sich mit Aussagen und Berichten zu Königinnen im Zeitraum von der ausgehenden Völkerwanderung bis zum Ende des Frankenreiches: im Vandalenreich in Nordafrika (429/442-534), im Burgunderreich in Südfrankreich (455-534), im Thüringerreich in Nordostdeutschland (4./5. Jh. - 531), in den Reichen der Westgoten in Südfrankreich (418-507) und in Spanien (507-711/20), im Ostgotenreich (493-552) und im Langobardenreich (568-774) in Italien sowie im westeuropäischen Frankenreich, zunächst der Merowinger (5. Jh. - 751), dann der Karolinger (751-10. Jh.).
Die vorliegende Arbeit ist nach der Einleitung (I.) zum Forschungsstand zu frühmittelalterlichen Königinnen in zwei Teile gegliedert: Abschnitt II. „Die Königinnen in den einzelnen Reichen“ bietet in chronologischer Abfolge der Reiche Ereignisgeschichte unter besonderer Berücksichtigung von Königinnen und Prinzessinnen; Abschnitt III „Die Stellung und die Aufgaben der Königin“ nähert sich den Königinnen – auch unter Wiederaufgreifen von im ersten Teil angesprochenen Thematiken – mittels verschiedenen Fragestellungen. Aufgrund der Quellenlage befasst sie sich besonders mit den Königinnen der Langobarden, Merowinger und Karolinger, letztere, wie es heißt, „überproportional“ (S. 138). Zunächst sind es Herkunft und auswärtige Eheverbindungen, Ausstattung und Form der Eheschließung, Krönung, unterschiedliche Konfessionen der Ehepartner (Heiden, Arianer, Katholiken), Nachehen der Königinwitwe, ihrer Töchter und Schwestern und Trennung von der königlichen Ehefrau; dann wird nach Hofstaat, Ausstattung und Vermögen sowie den Klöstern karolingischer Königinnen gefragt und schließlich nach ihrem politischen Einfluss. Nach der hierbei zunächst vorangestellten Quellenproblematik geht es um Rahmenbedingungen, Regentschaften und Einflussnahmen, weiter um Klos |