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Die Quellen sprechen lassen. Der Kriminalprozess gegen Joseph Süß Oppenheimer 1737/38. hg. v. Emberger, Gudrun/Kretzschmar, Robert, 2. Aufl.. Kohlhammer, Stuttgart 2012. 135 S., 46 Abb., 2 CD-ROM. Besprochen von Harald Maihold.

Die Quellen sprechen lassen. Der Kriminalprozess gegen Joseph Süß Oppenheimer 1737/38. hg. v. Emberger, Gudrun/Kretzschmar, Robert, 2. Aufl.. Kohlhammer, Stuttgart 2012. 135 S., 46 Abb., 2 CD-ROM

 

Kein anderer Name aus der württembergischen Landesgeschichte ist wohl bekannter als derjenige des Joseph Süss Oppenheimer, genannt Jud Süss, der als Hoffaktor, Finanz- und Wirtschaftsberater am Hofe Herzog Karl Alexanders Karriere machte und nach dessen Tod am 12. März 1737 in einem aufsehenerregenden Schauprozess zum Tode verurteilt wurde. Bekannt geworden ist die Geschichte vornehmlich durch ihre literarische und filmische Verarbeitung, angefangen von tendenziösen zeitgenössischen Flugblättern bis hin zu Veit Harlans Propaganda-Film aus dem Jahre 1940. Die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Oppenheimer hinkt dieser Popularisierung des Stoffes hinterher. Die im Landesarchiv Baden-Württemberg gesammelten Quellen waren bisher nur ansatzweise bekannt.

 

Die vorliegende Publikation, bereits 2009 in erster Auflage erschienen, will die Quellen zum Prozess gegen Oppenheimer zum Sprechen bringen. In seinem einleitenden Beitrag macht der Präsident des Landesarchivs Baden-Württemberg Robert Kretschmar auf die Diskrepanz zwischen dem tradierten literarischen Mythos und der historischen Forschung mit dem Aktenbestand aufmerksam. Bei der historischen Forschung sei zu berücksichtigen, dass die Akten nicht objektiv, sondern mit dem Ziel entstanden seien, eine Verurteilung Oppenheimers zu rechtfertigen. In einem zweiten Beitrag korrigiert Joachim Brüser Fehlvorstellungen über die Rolle, die Oppenheimer in der Politik Herzog Karl Alexanders gespielt habe. Oppenheimer erscheine oft als der eigentliche Monarch bzw. der zweite Mann im Staat. In Wahrheit sei jedoch Karl Alexander nicht der schwache, verführte Herrscher gewesen, sondern habe in seiner Wirtschafts- und Finanzpolitik an seine Erfahrungen in Serbien angeknüpft. Oppenheimers Rolle sei lediglich die eines Beraters in einigen abgegrenzten Politikfeldern gewesen. Der zentrale Beitrag Gudrun Embergers, der auch als Hörbuch auf den beiliegenden CDs enthalten ist, bringt auf sehr anschauliche und unmittelbare Weise die Quellen selbst zum Sprechen, indem die einzelnen Stationen des Lebens und Sterbens Oppenheimers, von seinem Wohnhaus und seinem Wirken in der Residenz in Ludwigsburg, über seine Haft auf den Festungen Hohenneuffen und Hohenasperg bis hin zu seiner Hinrichtung in Stuttgart anhand ausgewählter, sehr unterschiedlicher Archivquellen nachgezeichnet werden. Die Verteidigungsschrift für Oppenheimer, die das Archiv 2011 erworben hat (Vorwort S. 5), kommt leider noch nicht zu Wort.

 

Der Schauprozess gegen Oppenheimer erscheint im Lichte dieser Quellen als ein Justizmord. Dem Schutz durch einen katholischen Herzog entzogen, wurde der Hofjude Oppenheimer von den protestantischen Landständen zum Sündenbock gemacht, dem die absolutistische Politik des Herzogs zugeschrieben wurde. „Dass Süß gehenkt werden und seine Leiche zum Schutz vor Entwendung in einen eisernen Käfig gehängt werden sollte, darüber waren sich die Richter einig. Auf welches todeswürdige Verbrechen sich dieses Urteil gründen sollte, war schon schwieriger festzulegen. ... Im veröffentlichten Todesurteil ist schlicht von an Herren und Land verübten verdammlichen Mißhandlungen die Rede.“ (S. 80).

 

Schließlich enthält das Buch noch den Katalog zur Wanderausstellung „Beschlagnahmte Briefschaften“ von 2007 sowie zahlreiche Abbildungen; weiterführende Literaturhinweise und ein Orts- und Personenregister runden das Buch ab. Bei der Auswahl der Texte ließen sich Wiederholungen nicht ganz vermeiden. Insgesamt ist eine anschauliche und beeindruckende Veröffentlichung entstanden, die eine wichtige Lücke schließt und zu weiteren Forschungen anregt.

 

Regensburg                                                                            Harald Maihold