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Vorurteil und Genozid. Ideologische Prämissen des Völkermords, hg. v. Benz, Wolfgang. Böhlau, Wien 2010. 295 S. Besprochen von Gerhard Köbler. IT

Vorurteil und Genozid. Ideologische Prämissen des Völkermords, hg. v. Benz, Wolfgang. Böhlau, Wien 2010. 295 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Dass der Mensch des Menschen Wolf ist, weiß der Mensch schon seit langer Zeit. Dass Völker kommen und gehen, ist wohl auch seit dem immer deutlicher sichtbaren, zumindest relativen Erfolg des Experiments Mensch nachweisbar. Der Tatbestand Völkermord in der Rechtsgeschichte ist aber doch erst eine Errungenschaft des 20. Jahrhunderts, jedenfalls etikettiert der Herausgeber in seiner Einleitung das 20. Jahrhundert als Jahrhundert des Völkermords.

 

Das von Friedrich Gehart angestrebte und mit großem Einsatz verwirklichte Buch ist im Auftrag des Sir Peter Ustinov-Instituts entstanden. Nach der kurzen Einleitung des Herausgebers vereinigt es elf Beiträge ausgewiesener Sachkenner. Sie betreffen die Herero in Deutsch-Südwestafrika (Jürgen Zimmerer), die Armenier in der Türkei (Annette Schaefgen), den organisierten Hungertod (Holodor) in der sowjetischen Ukraine, (Svetlana Burmistr), die Endlösung der Judenfrage (Bernward Dörner), die Sinti und Roma (Peter Widmann), die Vertreibung der Deutschen aus Ost-Mitteleuropa (Wolfgang Benz), das Pol-Pot-Regime in Kambodscha (Angelika Königseder), den Zerfall Jugoslawiens (Holm Sundhaussen), die Eliminierung der Tutsi in Ruanda (Dominik J. Schaller) und die Frage nach Völkermord oder Bürgerkrieg in Darfur (Juliane Wetzel). Am Ende stellt Yehuda Bauer Holocaust und Genozid heute einander gegenüber.

 

Gemeinsame Ursache der in allen Fällen in zahllosen grausamsten Einzelheiten sichtbaren Unmenschlichkeit, die angesichts der modernen technischen Möglichkeiten auch vor Millionen von Opfern nicht mehr zurückschreckt ist das Vorurteil, das sich zu Feindbildern verdichtet und in Massengewalt mündet. Wird aber Vorurteil jemals durch Völkermord ausschließendes Urteil verhindert werden können? Nach Yehuda Bauer wird in der dialektischen Spannung zwischen der Präzedenzlosigkeit des Holocaust als Paradigma des Völkermordes im Allgemeinen und der unverzichtbaren Notwendigkeit des Vergleichs mit anderen Genoziden die Erforschung des Holocaust ein entscheidender, vielleicht sogar der wichtigste Weg, um möglicherweise und hoffentlich einen Wiederholungsfall abzumildern oder izu beenden - möge ihn die weitere Menschheitsgeschichte in Kenntnis aller Ausführungen des Werkes bestätigen.

 

Innsbruck                                                                               Gerhard Köbler