Zweihundert (200) Jahre Badisches Landrecht von 1809/1810, hg. v. Hattenhauer, Christian/Schroeder, Klaus-Peter (= Rechtshistorische Reihe 415). Lang, Frankfurt am Main 2011. VIII, 300 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Zweihundert (200) Jahre Badisches Landrecht von 1809/1810, hg. v. Hattenhauer, Christian/Schroeder, Klaus-Peter (= Rechtshistorische Reihe 415). Lang, Frankfurt am Main 2011. VIII, 300 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Baden im deutschen Südwesten ist zwar 1951/1952 in der größeren politischen Einheit Baden-Württemberg aufgegangen, hat aber noch heute einen besonderen Rang in der deutschen Landesgeschichte. Begründet ist dieser nicht nur durch die enge Verbindung des Landes mit dem Liberalismus, sondern auch dadurch, dass in Baden insgesamt drei Landrechte geschaffen wurden. Am 2. Januar 1588 erließ Markgraf Philipp II. vor allem nach dem Vorbild Württembergs ein erstes Landrecht, dem 1654 ein seit 1604 vorbereitetes, für 1619 geplantes, 1622 gedrucktes zweites Landrecht folgte, das zum 1. Januar 1810 durch eine deutsche Übersetzung des Code Napoléon Frankreichs mit (270) Zusätzen und Handelsgesetzen abgelöst wurde.
Dieses dritte badische Landrecht zählt über seine nahe Verwandtschaft mit dem Code Napléon zu den großen naturrechtlichen Kodifikationen Europas, die spätestens mit dem Allgemeinen Landrecht Preußens von 1794 einsetzen und über den Code civil Frankreichs von 1804 und das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch Österreichs von 1811/1812 bis zu den Bürgerlichen Gesetzbüchern Sachsens und des zweiten deutschen Reiches sowie der Schweiz führen. Wegen seiner großen Bedeutung hielten das Institut für geschichtliche Rechtswissenschaft der Universität Heidelberg und die Heidelberger rechtshistorische Gesellschaft vom 23. bis 26. September 2009 ein Jubiläumssymposium ab. Die wissenschaftlichen Ergebnisse dieses in den Räumen und im Garten des Internationalen Wissenschaftsforums am Fuße des Heidelberger Schlosses festlich zelebrierten Geburtstages liegen nunmehr dankenswerterweise der gesamten wissenschaftlichen Öffentlichkeit vor.
Insgesamt enthält der Band fünfzehn eindrucksvolle Untersuchungen, für die Adolf Laufs im Festvortrag in der alten Aula der Universität Heidelberg über das Großherzogtum Baden und sein Bürgerliches Gesetzbuch den Rahmen absteckt. Reinhard Mußgnug beschreibt die badische Ämterjustiz als Achillesferse des vielgerühmten badischen Rechtsstaats. Christian Würtz skizziert das spannende Leben Johann Niklas Friedrich Brauers (1754-1813), der sich als Schöpfer des badischen Landrechts um das Werk besonders verdient gemacht hat.
Hans Hattenhauer greift die Beziehungen Thibauts zum badischen Landrecht auf, während Rudolf Meyer-Pritzl über die Entstehung des allgemeinen Vertragsbegriffs in Art. 1101 römisches Recht und Code civil verbindet. Werner Schubert ordnet das badische Landrecht vorbildlich in die gesamteuropäische Rezeption des Code Napoléon während der napoleonischen Zeit ein. Umgekehrt fragt Jürgen Brand von der Gewerbeverfassung her danach, was am badischen Landrecht wirklich badisch ist.
Christian Hattenhauer vergleicht unter dem Stichwort Modifications-Retorte das Programm des Code civil mit dem badischen Landrecht. Louis Pahlow erörtert den besonderen Schutz des geistigen Eigentums durch das badische Landrecht. Pirmin Spieß prüft, ob eine nach französischem Recht begründete Grunddienstbarkeit auch ohne Grundbucheintrag Bestand haben kann.
Klaus-Peter Schroeder widmet sich Karl Salomo Zachariae von Lingenthal (1761-1843) als Lehrer des französischen Rechts an der Universität Heidelberg, während Bernd Kannowski das badische Landrecht in der Rechtsprechung des Reichsgerichts am Ende des 19. Jahrhunderts verfolgt. Andreas Deutsch vergleicht unter Einbeziehung der Schätze des Deutschen Rechtswörterbuchs die Rechtssprache des badischen Landrechts mit anderen deutschen Fassungen des Code civil. Am Ende geht Martin Cramer auf das Verhältnis des Verlages C. F. Müller zum badischen Landrecht ein, während Herbert Schempf in Anmerkungen zu Napoleons musikalischer Präsenz den Gesetzgeber als Heldentenor zu fassen versucht.
Insgesamt ist dem Werk und seinen Schöpfern damit anlässlich des 200. Geburtstages ein würdiges Präsent bereitet. Zugleich ist aber auch die weitere Auseinandersetzung eröffnet und in den Grundlinien abgesteckt. Möge der verdienstvolle, leider nicht mit einem Register versehene Band dazu beitragen, dass sich die dadurch geweckten Hoffnungen rasch verwirklichen.
Innsbruck Gerhard Köbler