Weiglin, David Christopher, Richard Martin Honig (1890-1981) - Leben und Frühwerk eines deutschen Juristen jüdischer Herkunft. Zugleich ein Beitrag zur Entwicklung der modernen Lehre von der objektiven Zurechnung (= Studien zum Strafrecht 49). Nomos, Baden-Baden 2011. 201 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Weiglin, David Christopher, Richard Martin Honig (1890-1981) - Leben und Frühwerk eines deutschen Juristen jüdischer Herkunft. Zugleich ein Beitrag zur Entwicklung der modernen Lehre von der objektiven Zurechnung (= Studien zum Strafrecht 49). Nomos, Baden-Baden 2011. 201 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Die Arbeit ist die von Urs Kindhäuser betreute, im Sommersemester 2010 von der juristischen Fakultät der Universität Bonn angenommenes Dissertation des Verfassers. Sie ist nicht zuletzt angeregt durch zwei kürzlich veröffentlichte Studien des Betreuers, die Honigs Gedanken zu neuem Leben erwecken wollen. Da Honig unter den heutigen Juristen eher unbekannt ist, hält es der Verfasser überzeugend für an der Zeit, ihn und sein Werk in einer Monographie zu würdigen, wobei es allerdings nach den Worten des Verfassers die immense wissenschaftliche Bandbreite Honigs vom Strafrecht bis zum Kirchenrecht nahezu unmöglich macht, das Gesamtwerk in einer einzigen Schrift mit der notwendigen Sorgfalt zu behandeln, so dass er sich auf die Habilitationsschrift über die Einwilligung des Verletzten (1919) und einen Beitrag in der Festgabe für Reinhard von Frank (1860-1934, nach eigener Einschätzung anfangs demokratisch, liberal und politisch links, nach der Revolution mit ihren vaterlandslosen Untertönen stark nach rechts geschoben) über Kausalität und objektive Zurechnung (1930) beschränkt.
Der in Gnesen am 3. Januar als Sohn eines jüdischen Justizrats und Notars geborene, kurz nach der Geburt die Mutter verlierende, 1909 am humanistischen Gymnasium seiner Heimatstadt das Abiturzeugnis erwerbende, 1910 in München das Studium der Rechtswissenschaft aufnehmende, zu einem nicht genannten Zeitpunkt nach Breslau wechselnde Honig bestand am 5. Juli 1913 die erste „juristische Prüfung beim Oberlandesgericht Breslau“ und wurde am 12. März 1914 bei Philipp Allfeld In Erlangen mit einer Untersuchung über den ungleichartigen Rückfall als einen allgemeinen Strafschärfungsgrund promoviert. Bei Ausbruch des ersten Weltkriegs trat er als Freiwilliger in das Heer ein und konvertierte zur Vorbereitung einer akademischen Laufbahn zur evangelischen Konfession, wurde aber noch 1914 auf Grund eines schweren Mittelohrleidens als daueruntauglich entlassen. Nach der Heirat einer Tochter Eduard Heilfrons in Berlin wechselte er im Frühjahr 1917 nach Göttingen, wo er unter Betreuung durch Robert von Hippel am 7. November 1919 habilitiert wurde.
Am 2. November 1925 wurde er am Ort zum außerordentlichen Professor ernannt, am 31. August 1931 zum ordentlichen Professor. Bereits am 25. April 1933 ordnete das Kultusministerium in Berlin jedoch seine sofortige Beurlaubung an, der am 2. September 1933 die Versetzung in den Ruhestand folgte, wobei ein Anspruch auf das Ruhegehalt versagt wurde. Wegen des Glückes eines Rufes nach Istanbul im Unglück konnte die Familie am 29. September 1933 in die Türkei und im Oktober 1939 an die University of Georgia wechseln, doch sicherten die dortigen Beschäftigungen kaum die nackte leibliche Existenz, bis Honig mit Wirkung zum 1. April 1953 die Rechtsstellung eines emieritierten ordentlichen Professors an der Universität Göttingen im Wege der Wiedergutmachung zugesprochen wurde, Nach dem Tode seiner Frau kehrte Honig 1974 nach Göttingen zurück, wo er am 25. Februar 1981 im Alter von 91 Jahren starb.
Die zwanzigseitige Skizze eines schweren, durch den Nationalsozialismus gebrochenen Lebens bildet den äußeren Rahmen für die abstrakte Einordnung Honigs in das dogmatische Strafrechtsdenkens zu Beginn des 20. Jahrhunderts, die Betrachtung und Würdigung der Habilitationsschrift und des als locus classicus eingestuften Beitrags in der Festgabe Frank, an welche die weitere Entwicklung der Zurechnungslehre angeschlossen wird. Dabei gelingt es dem Verfasser, Honig, dessen Foto den Band zusätzlich hätte zieren können, als eigenständigen Denker zu erweisen, dessen Erkenntnisse die adäquate Fruchtbarmachung für die heutige Lehre verdienen. Trotz kleiner Schwächen wie etwa die Vermengung von Kohler und Köhler bietet der Verfasser insgesamt eine ansprechende Leistung, die das leidvolle Leben Honigs überzeugend in die Strafrechtsgeschichte des 20. Jahrhunderts einflicht.
Innsbruck Gerhard Köbler