Weber, Thomas, Die Ordnung der Rechtsberatung in Deutschland nach 1945. Vom Rechtsberatungsmissbrauchsgesetz zum Rechtsdienstleistungsgesetz (= Beiträge zur Rechtsgeschichte des 20. Jahrhunderts 64). Mohr (Siebeck), Tübingen 2010. XX, 405 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Weber, Thomas, Die Ordnung der Rechtsberatung in Deutschland nach 1945. Vom Rechtsberatungsmissbrauchsgesetz zum Rechtsdienstleistungsgesetz (= Beiträge zur Rechtsgeschichte des 20. Jahrhunderts 64). Mohr (Siebeck), Tübingen 2010. XX, 405 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Die Arbeit ist die von Florian Mächtel angeregte, von Diethelm Klippel betreute, im Wintersemester 2009/2010 von der rechts- und wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Bayreuth angenommene, zu klaren Einsichten gelangende Dissertation des 1978 geborenen, seit 2006 als Rechtsanwalt und seit 2009 als Richter der Verwaltungsgerichtsbarkeit in Bayern tätigen Verfassers. Sie knüpft an die von Werner Schubert in ZRG GA 126 (2009) besprochene Untersuchung Simone Rückers (Rechtsberatung. Das Rechtsberatungswesen von 1919-1945 und die Entstehung des Rechtsberatungsmissbrauchsgesetzes von 1935 [= Beiträge zur Rechtsgeschichte des 20. Jahrhunderts 54], 2007) an. Dabei untersucht der Verfasser vor allem die Frage, ob das Vorläufergesetz des Jahres 1935 tatsächlich nach 1945 in ganz Deutschland uneingeschränkt in Geltung war, welche inhaltlichen Änderungen der Gesetzgeber im Einzelnen vornahm und was jeweils die Gründe dafür waren, untersucht aber auch Auslegung und Anwendung des Rechtsberatungsmissbrauchsgesetzes bzw. nach Umbenennung von 1962 des Rechtsberatungsgesetzes.
Gegliedert ist das Werk in eine kurze Einleitung, neun Kapitel und eine Zusammenfassung der Ergebnisse. Dabei weist der Verfasser besonders darauf hin, dass das von der Reichsregierung 1935 auf Grund des Ermächtigungsgesetzes beschlossene Rechtsberatungsmissbrauchsgesetz die bestehende Gewerbefreiheit auf dem Gebiet der Rechtsbesorgung aufhob und ein weitreichendes präventives Verbot mit Erlaubnisvorbehalt einführte. Ausgenommen von der Erlaubnispflicht wurden vor allem Rechtsanwälte.
Im Einzelnen betrachtet der Verfasser die „Entnazifizierung“ des Rechtsberatungsmissbrauchsgesetzes nach 1945, die Fortgeltung nach Inkrafttreten des Grundgesetzes, die Novellierungen von 1949 bis 2008, die Auslegung bis 1958, die Auslegung bis 1997, die Auslegung unter dem Einfluss der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts seit 1997, die Diskussion über die gesetzliche Neuordnung der Rechtsberatung und Rechtsbesorgung, die Entstehung des Rechtsdienstleistungsgesetzes im Jahre 2008 auf Grund einer Koalitionsvereinbarung von 2002 und das Verhältnis zwischen Rechtsberatungsgesetz und Rechtsdienstleistungsgesetz sehr sorgfältig und detailliert. Dabei kann er darauf hinweisen, dass man nach 1945 erstaunlicherweise (?) nicht zum Rechtszustand vor 1935 zurückkehrte, sondern das Gesetz - bis auf wenige dem Wortlaut nach klar rassistische und deshalb aufgehobene Vorschriften - weiter anwendete und trotz zahlreicher Novellierungen den Inhalt im Wesentlichen unverändert beibehielt. Ebenso fiel ihm zu Recht auf, dass die Regelungen des Rechtsberatungsmissbrauchsgesetzes/Rechtsberatungsgesetzes im Kern auch 2008 durch das Rechtsdienstleistungsgesetz fortgeführt wurden und die amtliche, anscheinend nicht wirklich offene Gesetzesbegründung zum Rechtsdienstleistungsgesetz viele der Formulierungen nutzte, die Rechtsprechung und Literatur zur Auslegung des Rechtsberatungsgesetzes entwickelt hatten, obwohl gerade zu Beginn des Gesetzgebungsverfahrens im Bundesministerium der Justiz radikale Reformvorschläge bestanden, welche die wichtigsten Betroffenen jedoch erfolgreich zu verhindern wussten, so dass die entscheidende Einschränkung dem Jahr 1935 vorbehalten blieb.
Innsbruck Gerhard Köbler