Holtmann, Karen, Die Saefkow-Jacob-Bästlein-Gruppe vor dem Volksgerichtshof. Die Hochverratsverfahren gegen die Frauen und Männer der Berliner Widerstandsorganisation 1944-1945 (= Sammlung Schöningh zur Geschichte und Gegenwart). Schöningh, Paderborn 2010. 450 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
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Die Arbeit ist die von Cornelia Rauh betreute und kritisch begleitete, von der Stiftung 20. Juli 1944 aus Mitteln der Beauftragten für Kultur und Medien der Bundesregierung geförderte, im Wintersemester 2008/2009 von der philosophischen Fakultät der Universität Hannover angenommene Dissertation der Verfasserin. Sie verfolgt erstmals ein Strafverfahren gegen eine Widerstandsgruppe gegen die nationalsozialistische Herrschaft im Deutschen Reich von dem ersten Verhör durch die geheime Staatspolizei bis zum Ende. Besonderer Wert wird dabei von der Verfasserin auf die Bedeutung der Frauen gelegt.
Gegenstand der Untersuchung ist die von Anton Saefkow, Franz Jacob und Bernhard Bästlein geleitete kommunistische Widerstandsgruppe, der sich 1943 und 1944 mehr als 500 Menschen verbanden, von denen Ursel Hochmuth im Jahre 1998 425 Mitglieder namentlich zusammengestellt hat, darunter 103 Frauen. Gegen 186 Männer und 37 Frauen erhob die Reichsanwaltschaft Anklage wegen Vorbereitung zum Hochverrat oder Beihilfe hierzu. 71 Angeklagte wurden .zum Tode verurteilt, darunter 3 Frauen.
Nach einer kurzen Einleitung beschreibt die Verfasserin zunächst die Gruppe einschließlich der besonderen Geschlechterrollen, schildert dann die Hochverratsprozesse (politische Strafverfolgung im Nationalsozialismus, Ermittlungsverfahren, Anklageverfahren, Hauptverhandlungen samt „Urteilsschriften“, Selbstdarstellungen der Angeschuldigten und rechtsanwaltliche Verteidigung), geht danach auf die Selbstbilder der überlebenden Angehörigen ein und endet mit einer Schlussdiskussion. Im Ergebnis sieht sie das auffällige Ausgrenzen des Handelns von Frauen aus dem politischen Widers |
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Holzschuh, Ingrid, Wiener Stadtplanung im Nationalsozialismus von 1938 bis 1942. Das Neugestaltungsprojekt von Architekt Hanns Dustmann. Böhlau, Wien 2011. 122 S., Abb. Besprochen von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen Holzschuh, Ingrid, Wiener Stadtplanung im Nationalsozialismus von 1938 bis 1942. Das Neugestaltungsprojekt von Architekt Hanns Dustmann. Böhlau, Wien 2011. 122 S., Abb. Besprochen von Gerhard Köbler.
Revolutionäre ändern die Welt gerne mit Macht nach ihren eigenen Vorstellungen. Ein bekanntes Beispiel hierfür ist der französische Revolutionskalender, nach dem bereits am 15. Juli 1789 und damit am ersten Tag nach Erstürmung der Bastille von revolutionären Zeitungen das Jahr eins der Freiheit ausgerufen wurde und infolge einer Entscheidung des Nationalkonvents am 24. November 1793 rückwirkend ab 22. September 1792 der zweite republikanische Kalender mit neuer Zählung der Jahre, Monate und Tage in Kraft trat. Ähnlich setzte sich der Nationalsozialismus für zahlreiche einschneidende Veränderungen ein.
Hierzu sind auch die Planungen für Führerstädte und Gauhauptstädte unter der nationalsozialistischen Herrschaft zu zählen. Unmittelbar nach dem Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich unter Reichskanzler Adolf Hitler begann dementsprechend die Arbeit an einer Neugestaltung der Stadt. In diesem Zusammenhang wurde im Herbst 1940 der Berliner Architekt Hanns Dustmann zum neuen Baureferenten Wiens bestimmt.
Mit diesen Vorgängen befasst sich die vorliegende, als Diplomarbeit seit Herbst 2007 entstandene Untersuchung der nach Tätigkeiten als Bautechnikerin im Bereich Planung und Projektleitung in verschiedenen Architekturbüros Wiens und dem Studium der Kunstgeschichte an der Universität Wien mit einer Dissertation über Otto Strohmayr (1900-1945), Salzburger Projekte und Bauten im Nationalsozialismus promovierten Autorin. Gegliedert ist die neue Quellen aufschließende, mit zahlreichen Abbildungen versehene Studie nach einer Einleitung in neun Abschnitte von städtebaulichen Vorbildern aus dem Altreich über den Machtkampf in der Wiener Stadtplanung, Hanns Dustmann, das Projekt 11.41, das Wiener Gauforum, die Wiener Gauhalle und das Gau |
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Hopfer, Ines, Geraubte Identität. Die gewaltsame „Eindeutschung“ von polnischen Kindern in der NS-Zeit. Böhlau, Wien 2010. 304 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen Hopfer, Ines, Geraubte Identität. Die gewaltsame „Eindeutschung“ von polnischen Kindern in der NS-Zeit. Böhlau, Wien 2010. 305 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Die Arbeit ist - nicht ohne Weiteres erkennbar - die 2006 in Graz angenommene Dissertation der auf der Seite 305 sympathisch strahlenden Historikerin mit dem Forschungsschwerpunkt Eindeutschung von Kindern und Jugendlichen in der Zeit des Nationalsozialismus. Das vorliegende Buch konzentriert das Interesse auf Polen, das sich dafür mit einer Ehrenmedaille eines Vereins bedankt hat. Gegliedert ist die vor allem auch auf Gesprächen mit Überlebenden beruhende Untersuchung nach einer kurzen Einleitung in acht Kapitel.
Dabei schildert die Verfasserin zunächst Ideologie, Rahmenbedingungen und Durchführung der Eindeutschung von Kindern aus Polen und schließt daran die Betrachtung der Stationen der Eindeutschung (Einmarsch deutscher Truppen, rassische Examina und gesundheitliche Überprüfung, gewaltsame Trennung von den Angehörigen, Übergangsheime, Assimilierungsheime, Überstellung in deutsche Heimschulen, deutsche Heimschule in Niederalteich) aus der Sicht der Kinder, der einzudeutschenden Kinder in der Ostmark (Vermittlung nach Salzburg) und des Kinderheims Alpenland in Oberweis an. Weitere Kapitel betreffen die unterschiedlich aufgenommene Repatriierung nach Kriegsende und die Vergangenheitsbewältigung und dehnen den Untersuchungsgegenstand in kürzerer Fassung auf Rumänien, Böhmen und Mähren, Oberkrain, Untersteiermark, Kroatien und die besetzten Ostgebiete aus.
In ihren abschließenden Betrachtungen weist die Verfasserin besonders daraufhin, dass Heinrich Himmler seine Jagd auf gutrassiges Menschenmaterial beispielsweise bereits in einer Rede am 8. November 1938 eröffnete. Die von den damit verbundenen rechtswidrigen Maßnahmen erfasste Zahl von polnischen Mädchen und Buben ist nicht genau bekannt, lässt sich aber auf vielleicht 20000 schätzen. Die Erinnerungen der noch Le |
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Jakab, Éva, Risikomanagement beim Weinkauf. - Periculum und Praxis im imperium Romanum (= Münchener Beiträge zur Papyrusforschung und antiken Rechtsgeschichte 99). Beck, München 2009. VII, 284 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
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Die Verfasserin will mit ihrer Untersuchung die wichtige Frage der Gefahrtragung bei einem Kauf im römischen Recht mit Hilfe einer abweichenden Quellenauswahl selbständig überprüfen. Zu diesem Zweck wertet sie Vertragsurkunden, Formulare, Vertragsklauseln, Geschäftsbriefe und Abrechungen vertieft aus. Dementsprechend werden griechische Dokumente aus dem römischen Ägypten den lateinischen Zeugnissen aus Italien zur Seite gestellt.
Diesen Plan unterbreitete sie der Alexander von Humboldt-Stiftung, die ihr daraufhin ein Stipendium für ein dreisemestriges Studium in München gewährte. Das in verschiedenen Vorträgen vorgestellte Ergebnis ihrer Bemühungen legt sie nun gedruckt vor. Es gliedert sich in drei Kapitel, die Weinbau und Weinbereitung in der Antike, Vermarktung des Weines und Risikomanagement beim Weinkauf betreffen.
Insgesamt sieht die Verfasserin die Gefahrtragung beim Kauf mit der allgemeinen Literatur als ein im römischen Recht sehr umstrittenes Problem an. Deswegen konzentriert sie sich nach einem Vorschlag Rabels auf einen einzigen Kauftyp. Dabei gelangt sie in sorgfältiger Abwägung letztlich zu der Erkenntnis, dass die in ihrer ansprechenden Arbeit neu interpretierten typischen Nebenabreden des Weinkaufs über degustatio und mensura je nach Vereinbarungsmodell kasuistisch erklärt werden müssen.
Innsbruck Gerhard Köbler
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Jesse, Eckhard, Systemwechsel in Deutschland. 1918/19 - 1933 - 1945/49 - 1989/90, 2. Aufl. Böhlau, Köln 2011. 280 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
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Der in Wurzen 1948 als Sohn eines Volksschulrektors geborene, 1958 mit seinen Eltern die Deutsche Demokratische Republik verlassende, nach einer Verwaltungslehre und dem Erlangen des Abiturs auf dem zweiten Bildungsweg als Stipendiat der Friedrich-Ebert-Stiftung von 1971 bis 1976 Politikwissenschaft und Geschichte an der Freien Universität Berlin studierende Verfasser wurde 1982 auf Grund einer Dissertation über die Gestaltung des Wahlrechts in der Bundesrepublik Deutschland promoviert. Dem folgte 1989 die Habilitation über Streitbare Demokratie in der Bundesrepublik. Seit 1993 ist der Verfasser Professor für politische Systeme, politische Institutionen an der Technischen Universität Chemnitz.
Selbst der professionelle Politikwissenschaftler stellt fest, dass der führende Vertreter seines Faches 1987 keinerlei Anzeichen für eine Systemkrise in den kommunistischen Staaten ausgemacht habe. Das Ende 1990 kam so überraschend wie umfassend, wobei zwar die fehlende Legitimität des Systems bekannt war, die mangelnde Stabilität dagegen nicht. Ein solcher Vorgang muss das Interesse des Politikwissenschaftlers gewissermaßen von selbst herausfordern.
Dementsprechend befasst sich der Autor des in kurzer Zeit zum zweiten Mal aufgelegten Werkes zunächst mit der Systemwechselforschung als solcher und danach mit den bekannten vier deutschen Systemwechseln, wobei er stets Rahmenbedingungen und Ursachen, Verlauf und Phasen sowie Ergebnisse und Folgen sorgfältig ermittelt und eingängig darstellt. Danach wendet er sich dem Vergleich der Systemwechsel zu und fügt drei bekannten Systemvergleichen einen neuen Systemvergleich (Vereinigtes Deutschland als neue oder erweiterte Republik?) hinzu und gelangt schließlich zur Erkenntnis, dass historische Gesetzmäßigkeiten nicht bestehen und Geschichte offen i |
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Jocus regit actum. Nicht-Festschrift für Franz Beyerle mit einer Einleitung von F. U. Riosus, Teil I-V. Hlidarendi-Verlag Moos en Hofen 2011. 622 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen KöblerJocusregitactum20111230 Nr. 14125 ZIER 1 (2011) 00. IT
Jocus regit actum. Nicht-Festschrift für Franz Beyerle mit einer Einleitung von F. U. Riosus, Teil I-V. Hlidarendi-Verlag Moos en Hofen 2011. 622 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Franz Beyerle wurde als Sohn eines Rechtsanwalts in Konstanz am 30. Januar 1885 geboren. Dem vierjährigen Besuch einer Klosterschule in der Steiermark folgten im Alter von 20 Jahren die Hinwendung zum germanischen Heidentum, 1913 die Ablehnungen in Berlin, Breslau und Freiburg umkehrende Habilitation in Jena und nacheinander Professuren in Jena, Basel, Greifswald, Frankfurt am Main, Leipzig und Freiburg im Breisgau. Zahllosen Studierenden wurde der national gesinnte Lautenschläger und Liedersänger Borneo alias Rusticulus zum begeisternden Lehrer.
Als ihm seine Schüler, Freunde und Kollegen unter Führung Hans Thiemes zu seinem 60. Geburtstag eine Festschrift widmeten, ließ das dramatische Kriegsgeschehen kaum mehr als einzelne Spuren zu. In der Folge lehnte der Jubilar zwar eine Festschrift vehement ab, freute sich aber dennoch über insgesamt fünf Nichtfestschriften zu seinem 70., 75., 80., 85. und 90. Geburtstag, die in ihren wenigen vervielfältigten Exemplaren bislang nur wenigen Eingeweihten zugänglich waren. Umso verdienstvoller ist es, dass der weltberühmte, wenn auch in Google und dem Karlsruher Virtuellen Katalog bisher nur unter einem Pseudonym geführte F. U. Riosus im Hlidarendi-Verlag Moos en Hafen der Gemeinde germanistischer Rechtshistoriker, Linkshistoriker und Wirtshausnamenforscher zwischen Kap Horn und Kap Arkona die rund 100 juristischen Geistesblitze zu Ehren Franz Beyerles nun einer interessierten Öffentlichkeit allgemein zugänglich macht.
Autoren dieser ideenreichen Einfallsschau sind in alphabetischer Reihenfolge Johannes Bärmann, der Neffe Konrad Beyerle, Hermann Blaese, Gustav Boehmer, Eberhard Friedrich Bruck, Albert Bruckner, Willi Brundert, Ru |
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Judaism, Christianity and Islam in the Course of History, hg. v. Gall, Lothar/Willoweit, Dietmar (= Schriften des Historischen Kollegs 82). Oldenbourg, München 2010. X, 469 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
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Nach dem kurzen Vorwort der beiden bekannten Verfasser ist spätestens seit dem 11. September 2001, dass das Thema Religion als politischer Faktor auch im 21. Jahrhundert eine zentrale Rolle spielt. Im Gegensatz hierzu entnehmen sie der anschließenden Debatte, dass es vielfach an Wissen und dabei auch an geschichtlichen Kenntnissen fehlt, um die Ereignisse verständig einzuordnen und zu begreifen. Aus diesem Grunde hat sich das Historische Kolleg in Zusammenwirken mit der bayerischen Akademie der Wissenschaften die Aufgabe gestellt, das oft als reine Konfliktgeschichte gesehene Verhältnis zwischen Judentum, Christentum und Islam wissenschaftlich zu beschreiben, um damit die aktuelle Diskussion um eine fundierte historische Perspektive zu erweitern.
Zu diesem Zweck fand in München zwischen dem 16. und 18. März 2009 eine vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderte Konferenz statt, die an ein Kolloquium über Heilige Kriege aus dem Jahr 2007 anknüpfen konnte. Teilnehmer waren Historiker, Islamwissenschaftler, Juristen, Theologen und Erziehungswissenschaftler aus den Vereinigten Staaten von Amerika, Israel, Großbritannien, Frankreich, der Schweiz und Deutschland. In wohl 32 Referaten (davon 8 in englischer Sprache) wurden dabei Austausch und Konflikte zwischen den drei großen monotheistischen Weltreligionen von der Antike bis zur Gegenwart betrachtet.
Nach einem umfassenden Blick Friedrich Wilhelm Grafs auf den einen Gott in vielerlei Gestalt folgen insgesamt acht Sektionen. Sie befassen sich jeweils an Hand einer Einführung mit den Themen Religionsgelehrsamkeit, Europa und die islamische Welt, gesellschaftliche Integration und Bewahrung der Identität, Kultur, Bildung, Fremdwahrnehmung, Rechtsverständnis (Israel |
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Kershaw, Ian, Das Ende. Kampf bis in den Untergang, NS-Deutschland 1944/45. Aus dem Englischen von Binder, Klaus/Leineweber, Bernd/Pfeiffer, Martin. Deutsche Verlags-Anstalt, München 2011. 704 S., zahlr. Abb. und Kart. Besprochen von Martin Moll. |
Ganzen Eintrag anzeigen Kershaw, Ian, Das Ende. Kampf bis in den Untergang, NS-Deutschland 1944/45. Aus dem Englischen von Binder, Klaus/Leineweber, Bernd/Pfeiffer, Martin. Deutsche Verlags-Anstalt, München 2011. 704 S., zahlr. Abb. und Kart. Besprochen von Martin Moll.
Der 1943 geborene, seit seiner Erhebung in den Ritterstand durch Königin Elisabeth II. nunmehrige Sir Ian Kershaw gehört – weit über sein Heimatland Großbritannien hinaus – zu den führenden Historikern der Erforschung der NS-Zeit. Es nimmt nicht Wunder, dass seine Hauptwerke – vor allem eine zweibändige Hitler-Biographie und „Wendepunkte. Schlüsselentscheidungen im Zweiten Weltkrieg“ – zügig übersetzt werden. So verhält es sich auch mit seiner jüngsten Monographie „The End. Hitler’s Germany 1944-45“, dessen deutsche Ausgabe noch im Jahr des Erscheinens des englischen Originals herauskam.
Kershaws Ausgangspunkt, ja der rote Faden des Buches, ist die naheliegende Frage, wie es möglich war, dass Millionen Deutsche, Soldaten wie Zivilisten, den von Hitler entfesselten Weltkrieg selbst in aussichtsloser Lage fortsetzten, bis – buchstäblich – die Sowjets vor dem Berliner „Führerbunker“ standen und Deutschland bis auf kleine Reste von den Alliierten besetzt war. Warum gab es, fragt Kershaw, nach dem gescheiterten Putsch vom 20. Juli 1944 keinen weiteren Versuch, das Regime von innen heraus zu stürzen und den Krieg zu beenden, obwohl sich im Frühjahr 1945 – wie jedermann unschwer erkennen konnte und tatsächlich auch erkannte – die militärische Lage gegenüber dem Sommer des Vorjahres drastisch verschlechtert hatte? In vergleichender Perspektive wundert man sich zudem über das widerspruchslose Weiterkämpfen der Wehrmacht, wenn man bedenkt, dass die Militärelite des Kaiserreiches im Herbst 1918 ihren Monarchen in einer weit weniger tristen Situation zu Abdankung und Hinnahme der Niederlage gezwungen hatte, bevor noch Truppen der Entente deutschen Boden betraten.
Alle diese Fragen sind weder n |
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König, Gerd, Fiasko eines Bruderbundes. Erinnerungen des letzten DDR-Botschafters in Moskau, hg. v. Fehlberg, Karl-Heinz/Schünemann, Manfred (= Edition Ost). Verlag Das neue Berlin, Berlin 2011. 464 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen König, Gerd, Fiasko eines Bruderbundes. Erinnerungen des letzten DDR-Botschafters in Moskau, hg. v. Fehlberg, Karl-Heinz/Schünemann, Manfred (= Edition Ost). Verlag Das neue Berlin, Berlin 2011. 464 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Gerd König wurde in Klettwitz am 24. Juni 1930 als Sohn eines Bergmanns geboren, nach der Volksschule (1937-1944) und der Oberschule (1944/1945) zum Chemielaboranten ausgebildet und war daneben Funktionär der Freien Deutschen Jugend. Von 1949 bis 1952 besuchte er eine Arbeiter- und Bauern-Fakultät, trat der SED bei, studierte 1952/1953 an der Deutschen Akademie für Staats- und Rechtswissenschaft in Potsdam, von 1952 bis 1959 als einer der ersten am Moskauer Staatlichen Institut für Internationale Beziehungen mit dem Abschluss Diplom-Staatswissenschaftler und trat danach in den diplomatischen Dienst der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik ein. Hier stieg er bis 1987 zum (letzten) Botschafter seines Staates in der Sowjetunion auf und wirkte von Dezember 1989 bis Februar 1990 auch als Mitglied des Parteivorstands der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands bzw. der Partei des demokratischen Sozialismus.
Danach endete seine öffentliche Wirksamkeit und Biographie. Im Stillen widmete er sich seinen Erinnerungen, die er jedoch bis zu seinem Tod in Prieros am 27. November 2009 nicht mehr fertigstellen konnte. Deswegen mussten die Herausgeber für ihn eintreten.
Die Erinnerungen sehen die Reformpolitik Michail Gorbatschows als verhängnisvoll an. Im November 1989 habe die Sowjetunion leider ihre eigenen Interessen über die Interessen der Deutschen Demokratischen Republik gestellt. Das bedauert der Verfasser, der bis zuletzt eine Beseitigung des Sozialismus, noch dazu auf einem friedlichen und gewaltfreien Weg, für absolut unmöglich ansah, seine tatsächlichen Erlebnisse in dieser dramatischen Zeit aber weitgehend für sich behält.
Innsbruck |
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Lamprecht, Rolf, Ich gehe bis nach Karlsruhe. Eine Geschichte des Bundesverfassungsgerichts. DVA, München 2011. 352 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen Lamprecht, Rolf, Ich gehe bis nach Karlsruhe. Eine Geschichte des Bundesverfassungsgerichts. DVA, München 2011. 352 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Rolf Lamprecht wurde in Berlin 1930 geboren, studierte von 1949 bis 1953 an der Deutschen Hochschule für Politik in Berlin mit dem Schwerpunkt Verfassungspolitik und Verfassungsrecht. Danach war er Justizreporter bei dem Tagesspiegel in Berlin, (1961) Ressortleiter Rechtspolitik bei der Berliner Morgenpost, Redaktionsdirektor bei DM in Stuttgart und von 1968 bis 1998 Korrespondent des Spiegels bei dem Bundesgerichtshof und dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe. In dieser Eigenschaft berichtete er über alle bedeutenden Verfahren vor diesen obersten Gerichtshöfen, schrieb für die Neue Juristische Wochenschrift, die Zeitschrift für Rechtspolitik und die Deutsche Richterzeitung und wurde 1992 an der philosophischen Fakultät der Universität Hamburg über das Thema abweichende Meinungen und ihre Bedeutung für die Rechtskultur promoviert.
Das am 7. September 1951 errichtete Bundesverfassungsgericht hat seit seiner Gründung unbestreitbar allmählich die Spitzenstellung der Gerichtsbarkeit in Deutschland für sich errungen. Zu den Gerichtshöfen der Europäischen Union und des Europarats hat es seine wohl doch untergeordnete Stellung bisher vielleicht noch etwas in der Schwebe halten können. Bis 2001 hat es 132000 Verfahren bearbeitet, davon etwa 127000 Verfassungsbeschwerden.
Rolf Lamprecht hat über Recht und Richter bereits zahlreiche Werke vorgelegt. Das vorliegende, nach dem Amtszeiten von neun Präsidenten in neun Kapitel eingeteilte Werk behandelt an Hand zahlreicher Verfahren in ungefährer chronologischer Gliederung veranschaulicht durch Richterskizzen den vertrauten und geschätzten Gegenstand in freundlich-kriitischem journalistischem Blick. Im Mittelpunkt steht die vielfältige Auseinandersetzung um die angemessenen Inhalte und Grenzen der Freiheit, deren Suche und Findung der Ve |
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Laudenklos, Frank, Die Autonomie des Rechts im Nationalsozialismus. Diss. jur. Frankfurt am Main 2009. 117 Bl. Besprochen von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen Laudenklos, Frank, Die Autonomie des Rechts im Nationalsozialismus. Diss. jur. Frankfurt am Main 2009. 117 Bl. Besprochen von Gerhard Köbler.
Der in Frankfurt 1967 geborene Verfasser der schlanken Arbeit ließ sich von 1987 bis 1989 bei der Bayerischen Hypotheken- und Wechselbank zum Bankkaufmann ausbilden. Wohl unmittelbar nach dem anschließenden Studium von Rechtswissenschaft und Philosophie in Frankfurt am Main und Wien wurde er von 1995 bis 1999 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für bürgerliches Recht und neuere Rechtsgeschichte bei Joachim Rückert, 2000 Rechtsanwalt bei Freshfields Bruckhaus Deringer. Seine 2003 auf Grund der vorliegenden, merkwürdigerweise im Flattersatz und anscheinend außerhalb des Buchhandels veröffentlichten und erst 2010 zur Kenntnis der Karlsruher Juristischen Bibliographie gelangten Dissertation erfolgte Promotion lässt einen Betreuer höchstens über das Literaturverzeichnis erahnen.
Der Verfasser gliedert seine Untersuchung der interessanten Thematik in insgesamt vier Abschnitte. In seiner Einleitung äußert er sich zur Forschung über juristische Methodik im Nationalsozialismus und zur spezifischen Funktion juristischer Argumentation im Nationalsozialismus. Danach befasst er sich auf der Basis der grundlegenden Festlegung, dass altes Recht unter der nationalsozialistischen Herrschaft fortgelten soll, mit der rechtspraktischen Problematik im Gefüge von Normativismus, Dezisionismus und juristischem Positivismus und betont ansprechend das schwierige Verhältnis zwischen der Autorität des Führers und der Freiheit der Auslegung.
Der dritte Teil betrifft unter dem Stichwort Krieg von ungeheuerer Wirklichkeit und Gegenwart semantische Justierungen an der Grenze zwischen Recht und Politik, wobei der Verfasser auf die Ungleichzeitigkeit begrifflicher und methodischer Modernisierung hinweist. Für die Rechtsfindung des 20. Jahrhunderts lässt er Formierungen (1934), Spannung zwischen Dynamik und Kon |
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Laux, Stephan, Gravamen und Geleit. Juden im Ständestaat der frühen Neuzeit (15.-18. Jahrhundert (= Forschungen zur Geschichte der Juden, Abteilung A Abhandlungen 21). Hahnsche Buchhandlung, Hannover 2010. X, 430 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen Laux, Stephan, Gravamen und Geleit. Juden im Ständestaat der frühen Neuzeit (15.-18. Jahrhundert (= Forschungen zur Geschichte der Juden, Abteilung A Abhandlungen 21). Hahnsche Buchhandlung, Hannover 2010. X, 430 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Das Buch beruht auf der im April 2008 bei der philosophischen Fakultät der Universität Düsseldorf eingereichten, von Gudrun Gersman, Achim Landwehr und Hansgeorg Molitor begutachteten, leicht überarbeiteten Habilitationsschrift des Verfassers. Es betrifft vor allem die Bedingungen jüdischen Lebens in der Vormoderne und die Beschaffenheit frühneuzeitlicher Herrschaft sowie die Verfolgung antijüdischer Normen. Es gliedert sich außer in Einleitung in Ergebnis in vier Abschnitte über die Vertreibung der Juden und ihre Folgen (1400-1600), Wiederaufnahme und Normierung des Judenschutzes, Juden und soziale Wirksamkeit der Stände und Auseinadersetzungen um die Juden auf den Landtagen.
Überzeugend geht der Verfasser davon aus, dass die Historiographie der jüdischen Geschichte in der frühen Neuzeit noch immer stark im Rückstand ist. Deswegen ist vielfach noch Grundlagenforschung zu leisten. Die dafür erforderliche Quellengrundlage ist wegen des Fehlens geschlossener Pertinenzbestände so schwierig, dass die Verbindung und Auswertung unterschiedlichster Überlieferungen erforderlich ist.
Ausgangspunkt des Verfasser ist es, dass um 1750 schätzungsweise 60000 bis 70000 Juden im Heiligen römischen Reich gelebt haben sollen. Über Bleiben oder vor allem seit etwa 1390 verstärktes Weichen von Juden entschieden an sich im Rahmen des so genannten Judenregals die vorrangig fiskalpolitisch interessierten Fürsten oder reichsstädtischen Magistrate. Demgegenüber kann der Verfasser auf breiter Literaturgrundlage mittels verschiedener Fallstudien (rheinische und westfälische Unterherrschaften, ostfriesische Herrlichkeiten, Brandenburg-Preußen, Jülich-Berg, Kurmainz, Kurköln, Kurtrier, Hessen-Kassel, Württembe |
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Lawo, Mathias, Studien zu Hugo von Flavigny (= MGH Schriften 61). Hahnsche Buchhandlung, Hannover 2010. XX, 436 S., 10 Abb. Besprochen von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen Lawo, Mathias, Studien zu Hugo von Flavigny (= MGH Schriften 61). Hahnsche Buchhandlung, Hannover 2010. XX, 436 S., 10 Abb. Besprochen von Gerhard Köbler.
Die Arbeit ist die in ersten Gesprächen im Frühherbst 1989 begonnene, von Rudolf Schieffer betreute, 2003 von der Universität Bonn angenommene Dissertation des als wissenschaftlicher Mitarbeiter bei den Monumenta Germaniae Historica an der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften tätigen Verfassers. Sie gliedert sich in drei Abschnitte. Dabei beginnt der Autor in sorgfältiger Auswertung aller ihm greifbaren Nachrichten mit dem Mönch, Abt, Schreiber und Schriftsteller Hugo, der zwischen dem 22. November 1064 und dem 22. November 1065 geboren, schon als Kind in das Vitonus-Kloster in Verdun gekommen und vielleicht am 22. November 1096 (bis 1099) Abt von Flavigny geworden ist, dessen Spur sich aber nach 1114 verliert.
Danach behandelt er die beiden Handschriften Phillipps 1870 und 1814, die als ein einheitlicher Codex 1642 in Flavigny verkauft wurden und über das Pariser Collège der Jesuiten, Gerard Meerman und Thomas Phillipps auf Grund eines Verkaufsangebots von 1886 an die königliche Bibliothek in Berlin gelangt sind. Ihr Inhalt besteht im Wesntlichen aus drei Teilen, darunter vor allem die von Christi Geburt bis 1102 reichende, die lothringische Geschichte ausführlich schildernde Chronik Hugos. Der Verfasser sieht sie mit guten Gründen als Autograph(en) an, deren Text bisher nicht klar genug von einzelnen Nachträgen getrennt wurde.
Im dritten Teil vertieft der Verfasser die bisherige Kenntnis der Quellen der Chronik. Haupttextquellen sind vor allem Chronicon Luxoviense, Vitae Sanctini, Liber pontificalis, Beda, Chronica maiora, Fredegarchronik, Vita Pulchronii, Gregor von Tours, Historiarum libri X, mindestens zehn weitere erzählende Texte sowie mindestens acht nichterzählende Quellen, Nachtragsquellen mindestens ein Dutzend andere Texte. Seine überzeugende L |
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MacGregor, Neil, Eine Geschichte der Welt in 100 Objekten. Beck, München 2011. 816 S., 159 Abb., 4 Kart. Besprochen von Werner Augustinovic. |
Ganzen Eintrag anzeigen MacGregor, Neil, Eine Geschichte der Welt in 100 Objekten. Beck, München 2011. 816 S., 159 Abb., 4 Kart. Besprochen von Werner Augustinovic.
Seit 1753 versammelt das British Museum in London Objekte aus allen Winkeln der Erde; 2010 wurden 100 davon ausgewählt und im Rahmen eines Hörfunkprojekts über BBC Radio 4 vorgestellt, verbunden mit der Möglichkeit für die Zuhörer, Bilder des Beschriebenen bei Bedarf über eine Website abzurufen. Die wöchentlich mit fünf Beiträgen aufwartende Sendung wurde ein großer Erfolg, der in Form des vorliegenden, nun ins Deutsche übersetzten Bandes eine dauerhafte Materialisierung erfahren soll.
Es ist insbesondere das Anliegen seines Herausgebers, Neil MacGregor, 1946 in Glasgow geborener Kunsthistoriker und einst Musterschüler des (später als Meisterspion für die Sowjetunion enttarnten) Anthony Blunt, 15 Jahre Direktor der National Gallery und seit 2002 Leiter des British Museum, Geschichte zu erzählen, „die nicht einen bestimmten Teil der Menschheit über Gebühr privilegiert, […] denn nur ein Teil der Welt kannte Texte, während der Großteil der Welt die meiste Zeit über ‚schriftlos‘ war“. Artefakte aller Art böten daher eine gute Möglichkeit, diese Asymmetrie auszugleichen, fehlende Zugänge zu öffnen und über klug herangetragene Fragen und Intuition neues Wissen (oder zumindest neue Perspektiven) zu generieren. Dabei liefere die Biographie der Dinge, also ihr Weg durch Raum und Zeit, zusätzliche Erkenntnisse: „Sie berichten von ganzen Gesellschaften und komplexen Prozessen, weniger von einzelnen Ereignissen, und sie erzählen von der Welt, für die sie angefertigt wurden, ebenso wie von späteren Zeiten, in denen sie verändert oder an andere Orte gebracht wurden und mitunter Bedeutungen entwickelten, die ihre ursprünglichen Produzenten keineswegs im Sinn hatten.“ (S. 13f.)
Tatsächlich ist die Bandbreite des so Vorgestellten groß: Aus den verschiedensten Materialien gefertigt, reicht sie, chronol |
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Maddicott, John Robert, The origins of the English parliament, 924-1327. Oxford University Press 2010. XV, 526 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen Maddicott, John Robert, The origins of the English parliament, 924-1327. Oxford University Press 2010. XV, 526 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
In der Entwicklungsgeschichte des Parlaments nimmt England eine hervorragende Stellung ein, obwohl das Vereinigte Königreich noch in der Gegenwart einer formellen Verfassung entbehrt. Oberhaus und Unterhaus haben sich lange vor vielen andernorts ihnen folgenden Einrichtungen entwickelt. Von daher sind die Anfänge des englischen Parlaments für die gesamte universale Verfassungsgeschichte von besonderem Interesse.
Auf die diesbezügliche Neuerscheinung des von 1967 bis 1969 an der Universität Manchester und von 1969 bis 2006 am Exeter College in Oxford tätigen Historikers hat den Herausgeber unverzüglich ein besonderer Sachkenner der englischen Geschichte aufmerksam gemacht. Leider konnte der Verlag kein Rezensionsexemplar zur Verfügung stellen, deswegen muss der Herausgeber wenigstens in einigen Zeilen auf das interessante und wichtige Werk hinweisen, dem aus den letzten hundert Jahren nichts Gleichwertiges zur Seite steht.
Gegliedert ist die überzeugende, stattliche und einnehmend ausgestaltete Monographie, der viele bedeutende Schriften des Verfassers zur mittelalterlichen Geschichte Englands vorhergehen, in insgesamt sieben Abschnitte. Auf die Witan des englischen Volkes zwischen 924 und 1066 folgen English Council, Feudal Counsel (1066.1189), Making of the Community of the Realm (1189-1227), First Age of Parliamentary Politics (1227-1258), die Reform zwischen 1258 und 1272, die Erweiterung auf die Gesamtheit (1271-1327). Am Ende stellt der Verfasser in einer Zusammenfassung die Besonderheiten des englischen Parlamentes sachkundig zusammen und bereichert sein Werk um eine Liste der Versammlungen zwischen 1235 und 1257, eine ausführliche Bibliographie und einen wichtigen Index.
Innsbruck Gerhard Köbler
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Mangold, Anna Katharina, Gemeinschaftsrecht und deutsches Recht. Die Europäisierung der deutschen Rechtsordnung in historisch-empirischer Sicht (= Jus Internationale et Europaeum 55). Mohr (Siebeck), Tübingen 2011. XXII, 586 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen Mangold, Anna Katharina, Gemeinschaftsrecht und deutsches Recht. Die Europäisierung der deutschen Rechtsordnung in historisch-empirischer Sicht (= Jus Internationale et Europaeum 55). Mohr (Siebeck), Tübingen 2011. XXII, 586 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Obgleich die natürliche Aggressivität des Menschen zwischenmenschliche Konflikte mit großer Wahrscheinlichkeit niemals vollständig ausschließen lassen wird, verständigten sich wichtige Gegner des zweiten Weltkrieges nach seinem Ende auf die Kooperation als Alternative zur Konfrontation. Aus diesen Überlegungen entstand 1951/1952 die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl. Ihr folgte bis zur Gegenwart das Erfolgsmodell einer Europäischen Union mit derzeit 27 Mitgliedstaaten, das eine Europäisierung des Rechts mit sich brachte.
Mit diesem weltgeschichtlich bedeutsamen Vorgang befasst sich die von Rainer Wahl im Rahmen eines Projekts zur Erforschung der Geschichte des bundesrepublikanischen öffentlichen Rechts betreute, 2009 in Freiburg im Breisgau angenommene Dissertation der 1977 geborenen, 2010 zum LL. M. an der Universität Cambridge graduierten, seit 2011 als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Staatswissenschaft und Rechtsphilosophie in Freiburg tätigen Verfasserin. Sie behandelt ein am ehesten mit der Rezeption des gelehrten Rechtes in Europa vergleichbares, im Detail davon freilich auch deutlich verschiedenes Geschehen in beeindruckender Art und Weise. Sie schließt damit eine seit langem bestehende, große Lücke.
Gegliedert ist die auf einem umfangreichen Literaturverzeichnis ruhende, durch Register ansprechend aufgeschlossene Untersuchung in insgesamt sechs Teile. Nach einer kurzen Einführung in Erkenntnisinteresse, Methodologie und Europäisierung als Begriff betrachtet die mutige Verfasserin die Grundlagen der Europäisierung mit dem Europäischen Gerichtshof als Motor der Europäisierung und pragmatischer political player, das Verhältnis zwischen Re |
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Manuscripta germanica. Deutschsprachige Handschriften des Mittelalters in Bibliotheken und Archiven Osteuropas, hg. v. Breith, Astrid/Glaßner, Christine/Klein, Klaus/Schubert, Martin/Wolf, Jürgen (= Zeitschrift für deutsches Altertum Beiheft 15). S. Hirzel Verlag, Stuttgart 2012. 249 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
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Manuskripte sind Unikate und haben als solche jeweils individuelle Geschichten. An sich gehörten sie am ehesten an den Ort ihrer Geburt, weil sie ihm von Anfang an verbunden sind und dort die größte Aufmerksamkeit zu erwarten haben. Auf Grund des menschlichen Rechts an einzelnen Sachen ist dieser Zustand aber vielfach weder erwünscht noch herstellbar, so dass als zweitbeste Möglichkeit eine vollständige Verzeichnung der jeweiligen tatsächlichen Aufbewahrungsorte anzustreben ist, die angesichts der digitalen technischen Möglichkeiten der Gegenwart mit einer weltweit kostenfreien Wiedergabe im Internet kombiniert sein sollte.
Einen interessanten Schritt in diese Richtung bildet der vorliegende Band. In seiner Einleitung beschreiben die Herausgeberinnen allgemeinverständlich die Probleme und Desiderate, deren Fernziel für den Kulturraum Europa eine vollständige Erfassung und Erschließung des kulturellen Erbes in Mitteleuropa und Osteuropa ist. Zu ihrer Sichtung luden die Arbeitsstelle „Deutsche Texte des Mittelalters“ der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften und das Masaryk-Institut der Akademie der Wissenschaften der Tschechischen Republik zu einer vom 3. bis 6. März 2010 in den Räumen der tschechischen Akademie in Prag abgehaltenen Tagung Altgermanisten, Archivare, Bibliothekare, Historiker und Handschriftenexperten aus Estland, Lettland, Litauen, Deutschland, Österreich, Polen, Rumänien, der Slowakei, Tschechien und Ungarn ein, die ehemals Teil der historischen Sprachgebiete Ostmitteldeutsch und Mittelniederdeutsch waren oder in denen deutschsprachige mittelalterliche Handschriften verwahrt wurden oder w |
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Marquardt, Bernd, Universalgeschichte des Staates - von der vorstaatlichen Gesellschaft zum Staat der Industriegesellschaft (= Der europäische Sonderweg 3). Lit, Berlin 2009. XXX, 751 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen Marquardt, Bernd, Universalgeschichte des Staates - von der vorstaatlichen Gesellschaft zum Staat der Industriegesellschaft (= Der europäische Sonderweg 3). Lit, Berlin 2009. XXX, 751 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Bernd Marquardt (*1966) wurde in Sankt Gallen mit der 1999 veröffentlichten Dissertation über das römisch-deutsche Reich als segmentäres Verfassungssystem (1348-1806/48) promoviert, mit der er eine neue Verfassungstheorie auf der Grundlage der lokalen Herrschaften versuchte. Danach legte er seit seiner Habilitation (2003) eine Reihe gewichtiger Werke über Umwelt und Recht in Mitteleuropa - Von den großen Rodungen des Hochmittelalters bis in das 21. Jahrhundert (2003), die „Europäische Union“ des vorindustriellen Zeitalters (2005), und die alte Eidgenossenschaft und das Heilige Römische Reich (1350-1798) vor. Da er seit 2006 als Professor für Verfassungsrecht, Staatslehre, Politikwissenschaft und Rechtsgeschichte an der rechts-, politik- und sozialwissenschaftlichen Fakultät der Nationaluniversität Kolumbiens in Bogotá wirkt, stehen diesen Darstellungen gleichgewichtig Werke in spanischer Sprache und über Hispano-Amerika von 2008 und 2009 zur Seite.
Die Anregung zu einer Universalgeschichte des Staates geht auf den Vorschlag des Sankt Galler Historikers Rolf Peter Sieferle zurück, der im Jahre 2005 an den Verfasser mit dem Anliegen herangetreten war, für die universalhistorische Forschungsreihe „Der Europäische Sonderweg“ einen Band über die Entwicklung des modernen Staates zu schreiben. Unter Zeitdruck kam der Verfasser dieser Bitte 2006 mit dem Titel Staatsbildung - Geschichte einer Dreifachrevolution nach. Dem folgte in doppeltem Umfang 2007 eine spanischsprachige Fassung mit dem Titel Historia Universal del Estado, so dass der Verfasser das vorliegende Werk als eine völlig neu bearbeitete und erweiterte dritte Ausgabe der Öffentlichkeit darrreichen kann, welche insbesondere die berücksichtigte Literatur substanziell |
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Meder, Stephan, Rechtsgeschichte, 4. Aufl. (= UTB 2299). Böhlau, Wien 2011. 509 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen Meder, Stephan, Rechtsgeschichte, 4. Aufl. (= UTB 2299). Böhlau, Wien 2011. 509 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Stephan Meder, in Nürnberg 1956 geboren, nach dem Studium von Rechtswissenschaft, Philosophie und Geschichte in Erlangen, Frankfurt am Main und Berlin (FU) 1988 mit einer Dissertation über Schadensersatz als Enttäuschungsverarbeitung in Frankfurt am Main promoviert und 1992 mit einer Habilitationsschrift über Schuld, Zufall und Risiko habilitiert, 1995 nach Frankfurt an der Oder und 1998 nach Hannover berufen, hat seine Rechtsgeschichte 2002 in erster Auflage vorgelegt. Er ist für sie dem Vorschlag einer Einheit gefolgt und hat die Frage, wo anzufangen sei, mit dem Weg vom römischen Recht zum europäischen ius commune beantwortet. Überzeugend stellt er am jeweiligen Ende der bisherigen Geschichte die Frage nach dem heutigen Stand.
Gegliedert ist das 2005 in zweiter Auflage, 2008 in dritter Auflage und nunmehr in vierter Auflage vorgelegte Werk in insgesamt 21 Kapitel, die für die neue Auflage überarbeitet und inhaltlich ergänzt wurden. Leitender Gedanke war es dabei, dem „Transfer“ politischer, kultureller, wissenschaftlicher und rechtlicher Erzeugnisse mehr Aufmerksamkeit zu widmen als zuvor. Im Einzelnen betrachtet der Verfasser sorgfältig und anschaulich das altrömische Recht, Mündlichkeit und Schriftlichkeit in der römischen Rechtskultur, den Prinzipat, die römische Spätzeit bis zu den justinianischen Kodifikationen, germanische Rechte zwischen Antike und Frühmittelalter (u. a. das durch die Germaniades Tacitus vermittelte Germanenbild), die mittelalterliche Kirche und das kanonische Recht, Rechtsbildungen im deutschen Mittelalter, die Rezeption des römischen Rechts in Bologna und die Entstehung der Universitäten, juristische Humanisten, Feudalrecht und Stadtrecht (statt herkömmlich Landrecht und Lehnrecht und Landrecht und Stadtrecht), die Rezeption des römischen Rechts in Deutschland, die Naturrechtsschule, einzelne |
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Meerhoff, Jasmin, „Read me!“ Eine Kultur- und Mediengeschichte der Bedienungsanleitung (= Masse und Medium 9). Transcript Verlag, Bielefeld 2011. 148 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen Meerhoff, Jasmin, „Read me!“ Eine Kultur- und Mediengeschichte der Bedienungsanleitung (= Masse und Medium 9). Transcript Verlag, Bielefeld 2011. 148 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Die Verfasserin der als Kultur- und Mediengeschichte der Bedienungsanleitung titulierten modernen Studie ist Medien- und Kulturwissenschaftlerin an der Bauhaus-Universität Weimar. Nach Allgemeinen Hinweisen vor der Lektüre wie „Das Buch nicht in Wasser tauchen oder in Flammen halten! erklärt sie neben einem Warndreieck: Erwarten sie unter Mediengeschichte nicht die Erzählung einer chronologischen Abfolge vom gedruckten Buch über Videotutorials zu digitalen hypertextuellen Handbüchern. Darin kann sie der interessierte Leser am ende vollständig bestätigen.
Innsbruck Gerhard Köbler
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Michail Gorbatschow und die deutsche Frage. Sowjetische Dokumente 1986-1991, hg. v. Galkin, Aleksandr/Tschernajew, Anatolij, aus dem Russischen übertragen von Glaubitz, Joachim, deutsche Ausgabe hg. v. Altrichter, Helmut/Möller, Horst/Zarusky, Jürgen, kommentiert v. Hilger, Andreas. Sowjetische Dokumente 1986-1991 (= Quellen und Darstellungen zur Zeitgeschichte 83). Oldenbourg, München 2011. XXXV, 646 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
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Am 11. März 1985 wurde der in Priwolnoje im Nordkaukasus am 2. März 1931 als Sohn eines Bauern geborene, seit 1952 der Kommunistischen Partei der Sowjetunion angehörige, in Moskau in Rechtswissenschaft und später auch in Agrarwirtschaft ausgebildete, in 30 Jahren immer höher in die Parteihierarchie aufgestiegene Michail Gorbatschow zum Generalsekretär des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei der Sowjetunion gewählt. In vollständiger Abkehr von der Politik aller seiner Vorgänger versuchte er in neuartiger Weise Offenheit (glasnost) und Umbau (perestroika) in der Sowjetunion und leitete das Ende der bisherigen Konfrontation zwischen Kommunismus und Kapitalismus mit dem Ziel friedlicher Koexistenz ein. Die dadurch in der Sowjetunion entstandene innere Unruhe erzwang seinen Rücktritt am 25. Dezember 1991.
In der kurzen Zeit zwischen 1985 und 1991 änderte er die Welt zu allgemeinem Vorteil. Der seit dem Zweiten Weltkrieg allmählich geschaffene Eiserne Vorhang zwischen Ost und West verschwand. Deutschland verdankt vor allem seinem Einverständnis den Beitritt der Deutschen Demokratischen Republik zur Bundesrepublik Deutschland zum 3. Oktober 1990.
Die diese dramatischen Vorgänge bezeugenden Dokumente sind von höchstem Interesse. Es ist daher außerordentlich verdienstvoll, dass ihre in Russland durch die beiden russischen Herausgeber, zu denen der ehemalige Berater Gorbatschows für internationale Angelegenheiten zählt, den Weg in die deutsche Sprache gefunden haben. Enthalten sind im Einzelnen |
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Molling, Herlinde, So planten wir die Feuernacht. Edition Raetia, Bozen2011. 340 S., Abb. Besprochen von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen Molling, Herlinde, So planten wir die Feuernacht. Edition Raetia, Bozen 2011. 340 S., Abb. Besprochen von Gerhard Köbler.
Herlinde Molling, in Innsbruck 1935 geboren, wirkte von 1957 bis 1981 als Stukkaturbildhauerin an der Restaurierung zahlreicher Baudenkmäler in Tirol mit. Daneben beteiligte sie sich mehr als zehn Jahre am Widerstand Südtirols gegen Italien, indem sie Flugblätter verteilte, Mauern mit Parolen beschrieb, Rundfunktexte verfasste und vor allem Sprengstoff über die Grenze brachte. Nach Angaben des Südtiroler Schützendbunds war sie wahrscheinlich die einzige Frau, die selbst Strommasten sprengte.
Zusammen mit ihrem Ehemann, dem akademischen Bildhauer Klaudius Molling, Sohn des damaligen Landtagspräsidenten Alois Molling, war sie dem Befreiungsausschuss Südtirol eng verbunden. Unbehelligt von der Polizei fuhr sie vielfach mit gefährlicher Fracht von Innsbruck nach Bozen und zurück. Heimlich ließ sie sich im Sprengen ausbilden.
Als Autorin ist sie seit 2004 hervorgetreten mit einer Innsbrucker Weihnachtsgeschichte, einer Beschreibung des Stifters Johann von Sieberer und einem Werk über die Zirler Goaßer. In ihrer neuesten Veröffentlichung wertet sie neben ihren persönlichen Erfahrungen der damaligen Jahre einen ihr 1964 übergebenen Koffer mit Protokollen, Skizzen und Gesprächsnotizen des Befreiungsausschusses Südtirol aus. Dadurch ist nach vielen Jahren, in denen damalige Straftaten verjährten, jedermann ein detaillierter Einblick in die in 37 von angestrebten 100 Fällen das Ziel erreichende Bozener Sprengungsaktion vom 11./12. Juli 1961 und ihre Ursachen und Wirkungen möglich, für die es freilich streitig ist, ob durch sie die Verbesserung der Lage Südtirols innerhalb Italiens gefördert oder nur nicht verhindert wurde.
Innsbruck Gerhard Köbler
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Müller, Heribert, Frankreich, Burgund und das Reich im späten Mittelalter. Ausgewählte Aufsätze, hg. v. Annas, Gabriele/Gorzolla, Peter/Kleinert, Christian/Nowak, Jessica (= Spätmittelalter, Humanismus, Reformation 56). Mohr (Siebeck), Tübingen 2011. XV, 519 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen Müller, Heribert, Frankreich, Burgund und das Reich im späten Mittelalter. Ausgewählte Aufsätze, hg. v. Annas, Gabriele/Gorzolla, Peter/Kleinert, Christian/Nowak, Jessica (= Spätmittelalter, Humanismus, Reformation 56). Mohr (Siebeck), Tübingen 2011. XV, 519 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Heribert Müller (*1946 in Köln) studierte nach Abitur und Wehrdienst ab 1967 Geschichte, Germanistik, Philosophie und Pädagogik in Köln, wo er 1976 mit der Dissertation Heribert, Kanzler Ottos III. und Erzbischof von Köln promoviert und während einer Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter bei der bayerischen Akademie der Wissenschaften 1986 habilitiert wurde. Ab 1987 lehrte er mittelalterliche Geschichte in Frankfurt am Main, ab 1994 in Köln und ab 1998 wieder in Frankfurt am Main. Anlässlich der Vollendung seines 65. Lebensjahrs schied er aus dem aktiven Dienst der Universität aus, was seine Frankfurter Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen zum Anlass der Veröffentlichung des vorliegenden, mit einem Porträtfoto geschmückten Sammelbands nahmen.
Statt einer herkömmlichen Festschrift gibt er ausgewählte Aufsätze wieder. Trotz der damit verbundenen Auswahlschwierigkeiten ist es den Herausgebern erfreulicherweise gelungen, wichtige Kerninteressen des Verfassers sichtbar zu machen. Dementsprechend sind fünf Unterabschnitte gebildet, die das Vorwort einfühlsam vorstellt.
Der Band wird eröffnet durch die Studie L’érudition gallicane et le concile de Bâle (Baluze, Mabillon, Daguesseau, Iselin, Bignon). Er endet mit der Frage, warum nicht einmal die Herzöge von Burgund das Königtum erlangen konnten. Insgesamt werden die besonderen Beziehungen zwischen Frankreich, Burgund und dem Heiligen römischen Reich im späten Mittelalter des 15. Jahrhunderts in vielfältiger Weise erkundet und die dabei gewonnenen Ergebnisse multilingual der interessierten Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt, wobei bibliographische Hinweise, ein Schriftenverzeichnis mit 15 |
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Müller, Rolf-Dieter, Der Feind steht im Osten. Hitlers geheime Pläne für einen Krieg gegen die Sowjetunion im Jahre 1939. Ch. Links Verlag, Berlin 2011. 294 S., 9 Kart., 22 Abb. Besprochen von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen Müller, Rolf-Dieter, Der Feind steht im Osten. Hitlers geheime Pläne für einen Krieg gegen die Sowjetunion im Jahre 1939. Ch. Links Verlag, Berlin 2011. 294 S., 9 Kart., 22 Abb. Besprochen von Gerhard Köbler.
Am 22. Juni 1941 überfielen die Wehrmacht des Deutschen Reiches und ihre Verbündeten die Sowjetunion trotz eines im August 1939 abgeschlossenen Nichtangriffspakts. Der Überfall erfolgte ohne zwingenden Anlass. Deswegen fragt der Verfasser, ob Adolf Hitler einen Stufenplan hatte, der nach der inneren Festigung der nationalsozialistischen Herrschaft und der militärischen Aufrüstung nacheinander die Gewinnung Österreichs, der Tschechoslowakei und Polens sowie die Niederwerfung Frankreichs vorsah, um den Rücken frei für die Eroberung der Sowjetunion zu haben, welche die Grundlage für den Kampf um die Weltvorherrschaft bilden sollte.
Rolf-Dieter Müller (Braunschweig 1948) ging nach dem Studium der Geschichte, Politikwissenschaft und Pädagogik in Braunschweig und Mainz als wissenschaftlicher Mitarbeiter an das seinerzeit in Freiburg im Breisgau befindliche Militärgeschichtliche Forschungsamt. 1981 legte er in Mainz eine Dissertation über die Bedeutung der Sowjetunion für die deutsche Wirtschafts- und Rüstungspolitik zwischen den beiden Weltkriegen vor und 1999 habilitierte er sich mit einer Untersuchung über Albert Speer und die deutsche Rüstungspolitik im Zweiten Weltkrieg. Er ist wissenschaftlicher Direktor des militärgeschichtlichen Forschungsamts und durch seine bisherigen Arbeiten für den Forschungsgegenstand bestens ausgewiesen.
Seine auf neue Quellen und neue Ansätze gegründete, gut lesbare, weitere Arbeiten nicht ausschließende Untersuchung gliedert sich in fünf Sachkapitel. Sie behandeln das Verhältnis Deutschlands zu seinen Nachbarn im Osten, die Frage eines Interventionskriegs, die Wende im deutsch-polnischen Verhältnis, die Vorbereitung auf den Ostkrieg mit entscheidender Weichenstellung im Mai 1939 und den verh |
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Müßig, Ulrike, Recht und Justizhoheit. Der gesetzliche Richter im historischen Vergleich von der Kanonistik bis zur Europäischen Menschenrechtskonvention, unter besonderer Berücksichtigung der Rechtsentwicklung in Deutschland, England und Frankreich, 2. Aufl. Duncker & Humblot, Berlin 2009. IV, 630 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen Müßig, Ulrike, Recht und Justizhoheit. Der gesetzliche Richter im historischen Vergleich von der Kanonistik bis zur Europäischen Menschenrechtskonvention, unter besonderer Berücksichtigung der Rechtsentwicklung in Deutschland, England und Frankreich, 2. Aufl. Duncker & Humblot, Berlin 2009. IV, 630 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Ulrike Müßig (*1968 Würzburg [Ulrike Seif]) wurde nach dem Studium der Rechtswissenschaft in Würzburg und Cambridge sowie als Gast in Paris und Hamburg 1995 mit der Dissertation über den Bestandsschutz besitzloser Mobiliarsicherheiten im deutschen und englischen Recht promoviert. Als Stipendiatin wurde sie mit der im Wintersemester 1999/2000 von der juristischen Fakultät der Universität Würzburg angenommenen Habilitationsschrift (Seif, Ulrike) Recht und Justizhoheit - Historische Grundlagen des gesetzlichen Richters in Deutschland, England und Frankreich, habilitiert, die im Jahre 2003 im Umfang von 598 Seiten erschien. Umgehend wurde sie nach Passau berufen.
Ihre Habilitationsschrift erwies sich als so überzeugend, dass sie im Jahre 2009 in zweiter Auflage erscheinen konnte. Dabei konnte der Text grundsätzlich unverändert bleiben. Da die verschiedenen Besprechungen auch französische und spanische Rezensionen einschließen und das neue Foreword die besondere Bedeutung für Großbritannien anzeigt, entschloss sich die Verfasserin zwecks Internationalisierung ihrer beeindruckenden Leistung zu einer englischen, französischen und spanischen Zusammenfassung. Darüber hinaus konnte die zweite Auflage weitere Erweiterungen und Vertiefungen erfahren.
Dementsprechend ist der britische Länderbericht im Anhang um die Verfassungsreformen durch den Constitutional Reform Act 2005 und die Auswirkungen auf den Aufbau der Gerichtsbarkeit (Supreme Court) ergänzt. Die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu Art. 6 I 1 EMRK ist, auch als Referenzrahmen für Art. 47 II der Charta der Grundre |
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Over galg en rad. Executieplaatsen in Drenthe, hg. v. Luning, Henk/Van der Sanden, Wijnand (= Erfgoed in Drenthe 2). Waanders/Drents Plateau, Zwolle/Assen 2010. 256 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen Over galg en rad. Executieplaatsen in Drenthe, hg. v. Luning, Henk/Van der Sanden, Wijnand (= Erfgoed in Drenthe 2). Waanders/Drents Plateau, Zwolle/Assen 2010. 256 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Das Umschlagbild des stattlichen Werkes bildet seine beiden namengebenden Gegenstände vor blaubleiernem, verhangenem Hintergrund ab. Am Galgen mit Leiter hängt ein ärmlicher Körper, auf einem gebrechlich wirkenden, aufgesteckten Rad wartet ein schwarzer Vogel. Der düstere Ausschnitt stammt aus Pieter Bruegels Kruisdraging von 1564.
Der zweite Band des Erbguts in Drenthe wurde durch finanzielle Unterstützung zahlreicher Gönner ermöglicht. Er behandelt die im Nordosten der Niederlande an der Grenze zu Deutschland gelegene Provinz zwischen Overijssel, Friesland, Groningen und Niedersachsen mit den Orten Assen, Emmen, Hoogeveen und Meppel. Er gliedert sich nach einem kurzen Vorwort in 9 Abschnitte insgesamt fünfer Verfasser.
Er betrifft Galgen, Moorleichen, Gottesurteile, Hinrichtungsstätten und vieles mehr von der römischen Zeit bis in die neueste Zeit. Besonderes Gewicht hat der Gerichtsplatz in Assen, auf dem 2004 zahlreiche frühneuzeitliche Funde gemacht werden konnten. Zahlreiche Abbildungen veranschaulichen jedermann gelungen viele Seiten vergangenen Rechts.
Innsbruck Gerhard Köbler
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Papsturkunden des frühen und hohen Mittelalters. Äußere Merkmale - Konservierung - Restaurierung, hg. v. Fees, Irmgard/Hedwig, Andreas/Roberg, Francesco. Eudora-Verlag, Leipzig 2011. 381 S., 136 Abbild. und Tab. Besprochen von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen Papsturkunden des frühen und hohen Mittelalters. Äußere Merkmale - Konservierung - Restaurierung, hg. v. Fees, Irmgard/Hedwig, Andreas/Roberg, Francesco. Eudora-Verlag, Leipzig 2011. 381 S., 136 Abbild. und Tab. Besprochen von Gerhard Köbler.
Am 11. und 12. April 2008 fand in Zusammenarbeit zwischen Andreas Hedwig, dem Direktor des Hessischen Staatsarchivs Marburg, und Irmgard Fees, früher Marburg, jetzt München eine Tagung über die äußeren Merkmale der frühmittelalterlichen und hochmittelalterlichen Papsturkunde in einem weiten Sinne statt. Dabei sollten nicht nur Format, Layout, Schriftart, Schriftanordnung, graphische Zeichen und Symbole behandelt werden, sondern auch die Methoden der passiven und aktiven Bestandserhaltung durch Archive und Restauratoren. Die 14 zugehörigen Beiträge stellt der Band der Allgemeinheit zur Verfügung.
In der Einleitung weist Andreas Hedwig nachdrücklich auf die gemeinsamen Anliegen und Herausforderungen der Archive und der Urkundenforschung hin. Irmgard Fees beschreibt demgegenüber die äußeren Merkmale von Papsturkunden in der Form hilfswissenschaftlicher Fragestellungen und stellt die diesbezüglichen neuen Erkenntnisse zusammenfassend vor. Danasch gliedert sich der Band in die beiden Teile Bestanderhaltung und neue Erkenntnisse zu den äußeren Merkmalen der Papsturkunden Im Einzelnen.
Für die Bestanderhaltung werden in sechs Beiträgen Urkundenrestaurierung bei Pergament, Urkunden im Landesarchiv Nordrhein-Westfalen (Abteilung Westfalen), Umlagerung von Urkundenbeständen, digitale Aufbereitung (Württembergisches Urkundenbuch Online, Marburger Lichtbildarchiv älterer Originalurkunden online) und Widergabe der äußeren Merkmale von Papsturkunden in Regestenwerken und Editionen erörtert. Ebenfalls sechs Studien befassen sich mit karolingerzeitlichen Originalurkunden, dem Papstnamen in der Intitulatio der Urkunden Leos IX., dem monogrammatischen Schlussgruß (bene valete), der Unterfertigung in de |
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Philipp von Schwaben. Beiträge der internationalen Tagung anlässlich seines 800. Todestages, Wien, 29. bis 30. Mai 2008, hg. v. Rzihacek, Andrea/Spreitzer, Renate (= Denkschriften der phil.-hist. Klasse 399 = Forschungen zur Geschichte des Mittelalters 19). Verlag der österreichischen Akademie der Wissenschaften, Wien 2010. 338 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen Philipp von Schwaben. Beiträge der internationalen Tagung anlässlich seines 800. Todestages, Wien, 29. bis 30. Mai 2008, hg. v. Rzihacek, Andrea/Spreitzer, Renate (= Denkschriften der phil.-hist. Klasse 399 = Forschungen zur Geschichte des Mittelalters 19). Verlag der österreichischen Akademie der Wissenschaften, Wien 2010. 338 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Innerhalb der aus schwierigen Anfängen mit Konrad III. 1138 zum deutschen Königtum europäischer Ausstrahlung aufgestiegenen Familie der Staufer stehen Glanz und Elend eng nebeneinander. Trotz vieler großer Erfolge Friedrichs I. endete das staufische Königtum nach dem frühen Tod Heinrichs VI. bereits mit Philipp von Schwaben nach nur 70 Jahren - zumindest zunächst. Wie seinem Bruder gewährte ihm das Geschick nur eine kurze Spanne des Glücks, da er in Bamberg am 21. Juni 1208 im Alter von nur 30 Jahren ermordet wurde.
Die 800. Wiederkehr dieser ersten Ermordung eines amtierenden deutschen Königs bildete den Grund für eine internationale Tagung des Instituts für Mittelalterforschung der österreichischen Akademie der Wissenschaften und des Instituts für österreichische Geschichtsforschung, deren 17 Beiträge der vorliegende großformatige Band der Öffentlichkeit zur Verfügung stellt. Gegliedert ist er nach einem kurzen Vorwort der Herausgeberinnen und einem Eröffnungsreferat Rudolf Schieffers in drei Teile. Sie betreffen den Königsmord vom 21. Juni 1208, Persönlichkeit - Regierung - Urkundenwesen sowie den deutschen Thronstreit zwischen dem Staufer Philipp von Schwaben und dem Welfen Otto IV. in den Jahren von 1198 bis 1208.
Dabei geht etwa Andreas Bihrer sorgfältig auf zeitgenössische Wahrnehmung, narrative Ausgestaltung und diskursive Instrumentalisierung der Ermordung Philipps von Schwaben ein. Andrea Rzihacek behandelt die Edition der Urkunden Philipps von Schwaben für die Diplomata-Reihe der Monumenta Germaniae Historica, mit der im März 2002 die Arbeitsgruppe Diploma |
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Plagemann, Gottfried, Von Allahs Gesetz zur Modernisierung per Gesetz. Gesetz und Gesetzgebung im Osmanischen Reich und der Republik Türkei (= Deutsch-Türkisches Forum für Staatsrechtslehre 5). LIT, Münster 2009. 437 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen Plagemann, Gottfried, Von Allahs Gesetz zur Modernisierung per Gesetz. Gesetz und Gesetzgebung im Osmanischen Reich und der Republik Türkei (= Deutsch-Türkisches Forum für Staatsrechtslehre 5). LIT, Münster 2009. 437 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Der in Frankfurt am Main 1957 geborene Verfasser war nach dem Studium der Rechtswissenschaft an der Freien Universität Berlin und der Ablegung der zweiten juristischen Staatsprüfung von 1985 bis 1989 als Rechtsanwalt tätig und studierte im Anschluss hieran bis 1994 Turkologie an der Humboldt-Universität zu Berlin. Während dieser Zeit nahm an einem Forschungsprojekt zum Landesverfassungsrecht Teil, wirkte als wissenschaftliche Hilfskraft am Fachbereich Kulturwissenschaften der Universität Frankfurt an der Oder, nahm einen Lehrauftrag über vergleichende Geschichte Griechenlands und der Türkei wahr und begann 1995 ein Promotionsstudium im Promotionskolleg Ambivalenzen für höhere Studien der Universität Leipzig. Sein von Wolfgang Höpken betreutes Promotionsvorhaben schloss er 2006 mit der vorliegenden, von der Hans-Böckler-Stiftung und dem Orient-Institut Istanbul der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft unterstützten Arbeit ab und wurde 2006 Dozent für deutsches Recht und deutsche Rechtssprache und DAAD-Fachlektor an der Kültür Universität Istanbul im Fachbereich Rechtswissenschaften.
Seine Untersuchung gliedert er außer in eine Einleitung, in der er sich mit dem Gesetz als Bestandteil des Modernisierungsprozesses und der Rechtsrezeption befasst, in zwei Teile. Zunächst verfolgt er die historische Entwicklung des Gesetzes und des Gesetzgebungsorgans im osmanisch-türkischen Recht vom osmanischen Rechtssystem mit den Gesetzen des Sultans vom 15. bis zum 18. Jahrhundert über die Errichtung von Gesetzgebungsorganen bis zu Legislative und Gesetz im System der Verfassung von 1924. Danach vergleicht er eingehend Legislative und Gesetz im geltenden Recht der Türkei und Deutschlands.
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Prager Frühling. Das internationale Krisenjahr 1968, hg. v. Karner, Stefan/Tomilina, Natalja/Tschubarjan, Alexander, Bd. 1 Beiträge, Bd. 2 Dokumente. Böhlau, Köln 2008. 2885 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen Prager Frühling. Das internationale Krisenjahr 1968, hg. v. Karner, Stefan/Tomilina, Natalja/Tschubarjan, Alexander, Bd. 1 Beiträge, Bd. 2 Dokumente. Böhlau, Köln 2008. 2885 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Prager Frühling ist im politischen Umfeld der in der Tschechoslowakei im Frühling 1968 unter Alexander Dubček unternommene Versuch der Liberalisierung und Demokratisierung des Staates, der rasch von einer kritischen Öffentlichkeit unterstützt wurde. Im Kern ging es sachlich um ein menschliches Antlitz des Sozialismus und sprachlich um eine von westlichen Medien geschaffene Anknüpfung an den Roman Tauwetter Ilja Ehrenburgs (1953). Die damit verbundenen Hoffnungen wurden aber wie bei einem Frühlingsfrost durch die in der Nacht vom 20. auf den 21. August 1968 einmarschierenden Truppen des Warschauer Paktes aus der Sowjetunion, Polen, Ungarn und Bulgarien zunächst völlig zerstört.
Die damaligen dramatischen Geschehnisse sind bereits verschiedentlich mehr oder ausführlich behandelt. Eine umfassende Aufarbeitung auf Grund der politischen Veränderungen durch die Politik Michail Gorbatschows stand aber noch lange aus. Zu diesem Zweck gaben im Jahre 2003 das Boltzmann-Institut für Kriegsfolgenforschung in Österreich, das russische Staatsarchiv für Zeitgeschichte und die russische Akademie der Wissenschaften eine Absichtserklärung über eine gemeinsame Publikation zu dem Thema ab, als deren Ergebnis ein Netzwerk von Forschungsinstitutionen, das die Herausgeber im Vorwort kartographisch veranschaulichen, die beiden umfangreichen Bände ermöglichte, die umgehend das Interesse eines sachkundigen Interessenten erweckten, das mangels eines Rezensionsexemplars vom Verlag leider aber so wenig befriedigt werden konnte, dass der Herausgeber wenigstens mit wenigen Zeilen auf die beeindruckende Leistung hinweisen muss.
Der erste Band enthält nach dem klaren Vorwort der Herausgeber fast siebzig Beiträge in den Abteilungen Der Prager Früh |
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Projektgruppe „Zivilisationspolitik“, Aufbruch aus dem Patriarchat - Wege in eine neue Zivilisation? (= Beiträge zur Dissidenz 23). Lang, Frankfurt am Main 2009. 438 S., zahlr. Abb. Besprochen von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen Projektgruppe „Zivilisationspolitik“, Aufbruch aus dem Patriarchat - Wege in eine neue Zivilisation? (= Beiträge zur Dissidenz 23). Lang, Frankfurt am Main 2009. 438 S., zahlr. Abb. Besprochen von Gerhard Köbler.
Aus unerfindlichen Gründen ist der Mensch unter anderem auch ein geschlechtliches Wesen. Das hat die Unterscheidung in Männer und Frauen zur Folge. Vermutlich ihre körperliche Überlegenheit haben die Männer im Laufe der menschlichen Geschichte zur Errichtung des Patriarchats genutzt, das den Frauen vor allem seit der Aufklärung zu einer unerträglichen Last geworden ist.
Für ihre Beseitigung setzt sich neben vielen anderen Frauen auch Claudia von Werlhof, (*1943) ein, die nach dem Abitur in Köln (1963) Volkswirtschaft und Soziologie in Köln und Hamburg studierte, nach einem Aufenthalt in Mittelamerika in Köln 1974 im Fach Soziologie promoviert und nach Tätigkeiten in Frankfurt am Main, Südamerika und Bielefeld 1984 mit einer Arbeit über die Frauenfrage in der dritten Welt habilitiert wurde. Von 1988 bis 2011 war sie ordentliche Professorin für politisches System Österreichs mit besonderer Berücksichtigung der Frauenforschung. Auf dieser Grundlage hat sie zahlreiche wichtige Beiträge zur Dissidenz verfasst und herausgegeben.
Der vorliegende Band vereinigt eine Reihe unterschiedlicher Studien zu begrifflichen Grundlagen, Forschungsergebnisse zu theoretischen Fragen und Forschungsergebnisse zu Praxisfragen. So berichtet etwa Claudia Werlhof über sieben Jahre im freien Fall, über „Befreiung“ von Mutter (und) Natur oder Satanologie angesichts der Apokalypse, während andere Mitwirkende sich mit Zivilisationskrise, patriarchatskritischer Geschichtsphilosophie, dem Anderl vom Judenstein, Heinrich Himmler, der Kuh als einem Geschöpf der Fülle sowie dem G8-Gipfel in Heiligendamm befassen. Möge den dabei gewonnenen vielfältigen neuen Einzelerkenntnissen viel Erfolg beschieden sein.
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Raison(s) d’Etat(s) en Europe. Traditions, usages, recompositions, hg. v. Krulic, Brigitte (= Travaux Interdisciplinaires et Plurilingues 13). Lang, Frankfurt am Main 2010. VI, 261 S., 2 Ill., 2 Taf. Besprochen von Gerhard Köbler. |
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Die Herausgeberin ist Professorin an der Universität Paris Ouest Nanterre La Défense und Direktorin des Centre de Recherches Pluridisciplinaires Multilingues. Nach der Karlsruher Virtuellen Bibliothek ist sie zuerst 1995 durch eine Übersetzung Von Anna Seghers’ Die Toten bleiben jung mit den beiden Teilen La révolution confisquée und La mise au pas in die französische Sprache hervorgetreten. Danach hat sie sich mit der Nation (1999), mit Écrivains, identité, mémoire (2000), mit Nietzsche (2002) und Europa (2004) befassr und ist von daher mit politischer Ideengeschichte aus vergleichender Sicht gut vertraut.
Der vorliegende Band ist das Ergebnis eines internationalen, multidisziplinären Kolloquiums, das im Jahre 2009 an der genannten Universität abgehalten wurde. Er will Philosophie, Geschichte und Recht vereinen. Diesem Ziel dienen 12 französische Beiträge und je eine deutsche und englische Studie.
Nach einer kurzen Einführung der Herausgeberin beginnt das Werk mit der Entstehung der raison d’Etat im 16. und 17. Jahrhundert, wobei Machiavelli die führende Rolle zugeschrieben und daneben François Guichardin betrachtet wird. Der zweite Teil befasst sich mit Kontexten und Kontroversen und erfasst in den betreffenden Referaten Plato, die Diskontinuität der Staatsräson als Problem der deutschen Geschichte (Günther Heydemann), Friedrich II., Voltaire, die Affäre Dreyfus, das Deutsche Reich zwischen 1871 und 1933 sowie Mussolini, Craxi und Berlusconi. Der abschließende dritte Teil stellt den Rechtsstaat dem von außergewöhnlichen Krisen geschüttelten Staat gegenüber und blickt dabei auf die Verfassung, die politische Justiz, die Religionsfreiheit und die Ökologie, so dass der Band insgesamt zahlreiche Fr |
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Reichel, Thomas, „Sozialistisch arbeiten, lernen und leben“. Die Brigadebewegung in der DDR (1959-1989). Böhlau, Köln 2011. 394 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
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Die Arbeit ist die von Christoph Kleßmann betreute, von der Deutschen Forschungsgemeinschaft von 1998 bis 2001 im Zusammenhang der Arbeitsgruppe Herrschaft und Eigen-Sinn in der Diktatur - Studien zur Gesellschaftsgeschichte der DDR am Zentrum für zeithistorische Forschung in Potsdam geförderte, 2008/2009 von der philosophischen Fakultät der Universität Potsdam angenommene Dissertation des früher an diesem Zentrum als wissenschaftlicher Mitarbeiter und danach in der historisch-politischen Bildungsarbeit tätigen Verfassers. Nach einer Einleitung zu Thema und Fragestellung, Forschungsstand und Quellen (vor allem Zentralakten) sowie Begriffserklärung und Kapitelgliederung folgen sieben Kapitel. Sie beginnen mit der Vorgeschichte und der Entwicklung bis 1958.
Dem folgt zunächst die anschließende Inszenierung der Kampagne samt den Reaktionen der Arbeiterschaft. Vertieft behandelt wird die „Syndikalismus“-Affäre der Jahre 1960 und 1961 einschließlich des Einflusses bundesrepublikanischer Medien. Nach einer Stagnation bis zur Mitte der sechziger Jahre gelingt ein neuer Aufschwung, nach dem unter Erich Honecker alles seinen sozialistischen Gang geht, in dessen Rahmen blendende Statistiken vorgelegt werden können. Im Anschluss hieran geht der Verfasser näher auf die Frage ein, ob die Arbeiterjugend als Avantgarde der Brigadebewegung angesehen werden kann.
Im Ergebnis bietet der Verfasser eine verlässliche Gesamtdarstellung der Brigadebewegung, die stets dem Vorrang der Machtsicherung der Partei gegenüber den Arbeitnehmerinteressen verhaftet war. Dadurch kann er anschaulich zeigen, dass am Ende mit 5,5 Millionen Werktätigen in rund 300000 Brigaden etwa drei Viertel der Arbeiter und Angestellten am Wettbewerb um den Titel „Kollektiv der sozialistischen Arbeit“ teilnahmen und |
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Reinhardt, Max, Aufstieg und Krise der SPD. Flügel und Repräsentatnten einer pluralistischen Volkspartei. Nomos, Baden-Baden 2011. 628 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
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Die Arbeit ist die leicht überarbeitete Fassung der von Michael Vester betreuten, von der Friedrich-Ebert-Stiftung finanzierten, unter dem Titel „Die SPD-Flügel seit 1945. Eine historische Untersuchung über das Machtfeld SPD anhand von biografischen Interviews mit SPD-Politikerinnen und SPD-Politikern“ an der philosophischen Fakultät der Universität Hannover 2009 angenommenen Dissertation des 1975 geborenen Verfassers. Nach dem Studium von Politikwissenschaft, Geschichte und Soziologie in Marburg und Hannover hatte er 2001 den Grad eines Magisters Artium erworben. 2010 wurde er Lehrbeauftragter für politische Soziologie am Institut für politische Wissenschaft der Universität Hannover.
In seinem Vorwort beschreibt der Betreuer die Untersuchung als die Vereinigung zweier üblicherweise getrennter Gegenstände. Zum einen werden die Strömungen und Richtungskämpfe der sozialdemokratischen Partei Deutschlands seit 1945 ermittelt, analysiert und strukturiert. Zum anderen werden zu diesem Zweck dreizehn ausgewählte und ausführlich befragte Personen biographisch erfasst.
Diese Fallstudien betreffen Hans-Jochen Vogel (1926), Peter von Oertzen (1924), Anke Fuchs (1937), Hans Koschnick (1929), Hermann Rappe (1929), Ernst Breit (1924), Inge Wettig-Danielmeyer (1936), Thomas Oppermann (1954), Brigitte Zypries (1953), Olaf Scholz (1958), Sigmar Gabriel (1959), Frank-Walter Steinmeier (1956) und Andrea Nahles (1970), so dass also die Geburtsjahrgänge zwischen 1938 und 1952 ausfallen. Dementsprechend dürfte die politische Bedeutung der einbezogenen Personen für Strömungen und Richtungen unmittelbar nach 1945 auch eher gering gewesen sein, weshalb der Schwerpunkt auf den Strömungskämpfen seit der Mitte der 1960er Jahre liegen dürfte. Dessenungeachtet gewinnt der Verfasser in sei |
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Röwekamp, Marion, Die ersten deutschen Juristinnen. Eine Geschichte ihrer Professionalisierung und Emanzipation (1900-1945) (= Rechtsgeschichte und Geschlechterforschung 11). Böhlau, Köln 2011. 880 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
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Von Natur aus ist bisher nur weiblichen Menschen das Gebären neuer Menschen möglich. Vielleicht hat der dafür angelegte Körperbau zusammen mit den Schwangerschaften in der menschlichen Entwicklung dazu geführt, dass die Männer im Durchschnitt größer, stärker und schneller als die Frauen sind und deswegen in den meisten menschlichen Gesellschaften die patriarchalische Familienstruktur durchsetzen konnten und auch durchsetzten. In Deutschland wurde erst 1869 die Prozessvormundschaft beseitigt und erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts die als Folge der Aufklärung in der Verfassung vorgesehene Gleichberechtigung von Männern und Frauen zumindest rechtlich verwirklicht.
Marion Röwekamp, nach dem Studium von Rechtswissenschaft und Geschichtswissenschaft in Heidelberg, München, Berlin und an der Columbia University nach der Homepage des Lateinamerika-Instituts in Berlin derzeit an UNAM, CIESAS und dem Colegio de México in Mexico City sowie dem Lateinamerika-Institut der Freien Universität Berlin an ihrer Habilitationsschrift über Exile, Memory and (Trans)National Identity - Spanisch-Republicans in Mexico arbeitend, hat sich der Juristinnen bereits 2005 in einem Lexikon zu Leben und Werk der rechtswissenschaftlich ausgebildeten Frauen angenommen und danach nunmehr in einer von Winfried Schulze unaufdringlich betreuten, von der Gerda Henkel Stiftung finanziell unterstützten Münchener geschichtswissenschaftlichen Dissertation eine umfangreiche Geschichte der Professionalisierung und Emanzipation der ersten deutschen Juristinnen zwischen 1900 und 1945 geformt. Sie gliedert sich nach einer ausführlichen Einleitung in fünf Abschnitte. Sie betreffen das rechtswissenschaftliche Studium, die Zulassung der Frauen |
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Rückert, Joachim/Ritzke, Beate/Foljanty, Lena, Savigny-Porträts (= Studien zur europäischen Rechtsgeschichte 266 = Savignyana 11). Klostermann, Frankfurt am Main 2011. XXIII, 248 S. zahlr. Abb., Besprochen von Gerhard Köbler. |
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„Wenn sie das Leben eines großen Menschen lesen, wie viel deutlicher wird Ihnen Alles vor der Seele stehen, wenn sie zu gleicher Zeit ein gutes Bild von ihm vor Augen haben“, schrieb Friedrich Carl von Savigny (Frankfurt am Main 21. 2. 1779-Berlin 25. 10. 1861) am 8. Juli 1811 an Wilhelm Grimm. Der durch lebenslange Befassung mit dem wohl bekanntesten deutschen Juristen mit ihm auch am besten vertraute Joachim Rückert stellt diesen Satz seiner Sammlung von siebenundfünfzig Portraits zwischen 1784 und 1861 voraus, mit er im 150. Todesjahr des Meisters diesen in Bildern sprechen läst. Voranstellt er eine erhellende Einführung.
Sie betrifft zunächst technische Fragen wie die Ermittlung und Anordnung der Bilder, den Aufbau der Bilderläuterungen und die Einteilung in Gruppen nach Künstlern, Stil und Motiv. Danach stellt er fest, dass man ein klares Bild vom ganzen Savigny man durch diese Portraits natürlich nicht erhalte, dass seine Erscheinung aber lange Zeit als schlank und eher groß gegolten habe. Manches bleibe den geneigten Lesern überlassen, den einige Reflexionen anleiten können.
Dem folgen die Portraits. Sie werden in sechs zeitliche Abschnitte gegliedert. Ein klarer, hilfreicher Überblick für Leben und Werk rundet das durch Portraits vermittelte anschauliche Bild eines bedeutenden Deutschen und berühmten Gelehrten, der sich auf diese Weise von früher Kindheit bis fast zu seinem Tode auf seiner von Erfolgen wie Misserfolgen geprägten Reise durch die Zeit verfolgen lässt, vorteilhaft ab.
Innsbruck Gerhard Köbler
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Rüdiger, Gisela/Rogall, Gudrun, Die 111 Tage des Potsdamer Bürgerkomitees „Rat der Volkskontrolle“ 1989/80 (= Brandenburgische historische Hefte 20). Brandenburgische Landeszentrale für politische Bildung, Potsdam 2009. 127 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
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Anliegen des Buches ist es nach der kurzen Einleitung der beiden Verfasserinnen, in dem eng begrenzten Zeitfenster von Dezember 1989 bis April 1990 Geschehnisse und herausragende Ereignisse in der damaligen Bezirkshauptstadt Potsdam während der friedlichen Revolution dieser Zeit zu schildern. Das Bürgerkomitee bestand vom 6. Dezember bis zum 26. April und hatte wie andere Bürgerkomitees die Aufgabe der Kontrolle der Auflösung der Bezirksverwaltungen des Ministeriums für Staatssicherheit und ihrer Zweigstellen. Gisela Rüdiger (Wittenberge 1948) war nach dem Lehramtsstudium für Mathematik und Physik als Programmiererin tätig und wurde von 1991 bis 2009 Leiterin der Außenstelle Potsdam der Bundesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik, Gudrun Rogall (Potsdam 1949) war nach Studium und Promotion bis 1992 wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Pflanzenschutzforschung und im internationalen Patentrecht und wechselte danach in den öffentlichen Dienst Brandenburgs.
Gegliedert ist das mit verschiedenen Abbildungen veranschaulichte Werk außer in Einleitung und angehängte Dokumente in sechs Abschnitte. Die Grundlage bilden eine Charakteristik der Stadt Potsdam, die Ereignisse 1989 in Potsdam, die Besetzung der Bezirksverwaltung am 5. Dezember 1989 und die Einsetzung der Regierungskommission. Sehr ausführlich wird danach der Rat der Volkskontrolle von der Gründung über Anliegen und Zielsetzung, Zusammensetzung, Arbeitsweise und Organisation, Anliegen der Bürger (Zahl, Gegenstand, Beispiele) und Arbeitsschwerpunkte in den Sitzungen (Stadtverwaltung, Wirtschaft, Wehrbezirkskommando und Grenztruppen, Postzollamt, Einkünfte der Parteien, Auflösung d |
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Rügemer, Werner, Colonia corrupta. Globalisierung, Privatisierung und Korruption im Schaden des Kölner Klüngels, 6. Aufl. Westfälisches Dampfboot, Münster 2010. 214 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen Rügemer, Werner, Colonia corrupta. Globalisierung, Privatisierung und Korruption im Schaden des Kölner Klüngels, 6. Aufl. Westfälisches Dampfboot, Münster 2010. 214 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Der in Amberg 1941 geborene Verfasser wurde nach dem Studium der Literaturwissenschaft in München, Tübingen, Berlin und Paris 1979 in Bremen mit der Dissertation „Philosophische Anthropologie und Epochenkrise“ – Studie über den Zusammenhang von allgemeiner Krise des Kapitalismus und anthropologischer Grundlegung der Philosophie am Beispiel Arnold Gehlens promoviert. Von 1975 bis 1989 war er Redakteur der pädagogischen Monatszeitschrift Demokratische Erziehung und entwickelte sich mehr und mehr zu einem Experten der Banken- und Unternehmenskriminalität. Seit 1989 arbeitet er als freier Autor, Berater und Lehrbeauftragter an der humanwissenschaftlichen Fakultät der Universität Köln.
Nach zahlreichen enthüllenden Veröffentlichungen seit 1968 erlangte er allgemeinere Bekanntheit durch sein 2002 erstmals unter dem Titel Colonia Corrupta vorgelegtes Werk über Privatisierung, Globalisierung und Korruption im Schatten des Kölner Klüngels. Die diesbezüglichen, zuvor vor allem in der Kölner StadtRevue erschienenen Artikel hatten zahlreiche Verleumdungsklagen zur Folge, die aber eingestellt, zurückgewiesen oder zurückgezogen wurden. Dementsprechend legte der Verfasser 2010 eine sechste, überarbeitete und erweiterte Auflage mit vier neuen Kapiteln vor.
Sie enthält nach einem kurzen Vorwort die Teile Kölsches Klüngel-Biotop als nationales Entlastungsklischee, Korruptionshauptstadt Köln, die Kölner Müllverbrennungsanlage, die Bankiers und ihre Stadt, What the Hell, Mister, where is your damned Cologne, Sozis auf der Höhe ihrer kleinen Macht (von Arschlöchern, Sozialmietern und anderen Demokraten sowie der Oberbürgermeister mit fünf Einkommen), schlanke Verwaltung (der Einsturz des Historischen Archivs), DuMont Schauberg (der Verlag der Wendeh |
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Savigny, Friedrich Carl von, Das Recht des Besitzes,(Neudruck der ersten Auflage, Gießen 1803), hg. vom Fachbereich Rechtswissenschaft der Philipps-Universität Marburg. Nomos, Baden-Baden 2011. 337 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen Savigny, Friedrich Carl von, Das Recht des Besitzes,(Neudruck der ersten Auflage, Gießen 1803), hg. vom Fachbereich Rechtswissenschaft der Philipps-Universität Marburg. Nomos, Baden-Baden 2011. 337 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Der in Frankfurt am Main am 21. Februar 1779 aus begütertem, bis 1630 lothringischem Adel geborene, 1791/1793 verwaiste, unter Vormundschaft des Reichskammergerichtsrats Constantin von Neurath gestellte, im April 1795 mit 16 Jahren nach Marburg zum Studium der Rechtswissenschaft gewechselte und mit 21 Jahren dort promovierte Friedrich Carl von Savigny legte mit seiner seit dem Ende des Jahres 1802 vorbereiteten, um Ostern 1803 als Grundlage eines Antrags auf Ernennung zum außerordentlichen Professor fertig gestellten Arbeit über das Recht des Besitzes die Grundlage seines frühen Ruhmes. Zu seinem 150. Todestag am 25. Oktober im Jahre 2011 wurde er vielfach gewürdigt. Der Fachbereich Rechtswissenschaft seiner freilich früh zu Gunsten Landshuts und Berlins verlassenen Heimatuniversität hat zur Erinnerung die erste, 1803 in Gießen erschienene Auflage neu herausgegeben.
Die anonyme Einleitung berichtet zunächst kurz über das seinerzeitige Geschehen. Danach verfolgt sie den weiteren Werdegang Savignys im Rahmen der doppelten Aufgabe von Systematisierung und historischer Analyse, deren Wurzeln auf Marburg zurückgeführt werden. Exemplifiziert ist es bereits im Recht des Besitzes, dessen Komponenten tatsächliche Herrschaft und Besitzwille als Savignys Erbe noch als ebenso aktuell angesehen werden wie die Gliederung der Darstellung des Besitzes in Erwerb, Verlust und Schutz.
An Savignys Text (einschließlich der Anmerkungen) änderten die verdienstvollen Herausgeber nichts außer der Berichtigung einiger offensichtlicher Schreibfehler. Bereichert ist das Werk um ein Glossar seinerzeit jedermann verständlicher, in der Gegenwart nicht mehr ohne weiteres geläufiger Fachausdrücke und zwei Handschriftenfaksimiles |
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Schartner, Irmgard, Die Staatsrechtler der juridischen Fakultät der Universität Wien im ,Ansturm’ des Nationalsozialismus. Umbrüche mit Kontinuitäten. Lang, Frankfurt am Main 2011. 373 S. zahlr. Abb. Besprochen von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen Schartner, Irmgard, Die Staatsrechtler der juridischen Fakultät der Universität Wien im ,Ansturm’ des Nationalsozialismus. Umbrüche mit Kontinuitäten. Lang, Frankfurt am Main 2011. 373 S. zahlr. Abb. Besprochen von Gerhard Köbler.
Die Arbeit ist die wohl von Ilse Reiter-Zatloukal betreute, im Februar 2010 unter dem Titel Die Staatsrechtswissenschafter der juridischen Fakultät der Universität im Nationalsozialismus und danach - Umbruch und Kontinuität an der juristischen Fakultät der Universität Wien approbierte, anlässlich der Publikation überarbeitete und geringfügig erweiterte Dissertation der Verfasserin. Sie betrifft einen interessanten Gegenstand. Sie füllt in spannender Art und Weise eine bisherige Lücke.
Gegliedert ist sie in drei Teile, von denen die Einführung die Gleichschaltung mit (!) dem Dritten Reich, Studienordnung, Studienplan und Vorlesungskanon, Zugangsbestimmungen, Lehrer und Lehrinhalte von 1938 und 1945 sowie Lehrveranstaltungen aus Staatsrecht und Verwaltungsrecht von 1938 bis 1945 betrachtet. Der zweite Teil befasst sich mit den Staatsrechtslehrern nach Adamovich und Merkl und erörtert nacheinander Ernst Forsthoff, dessen Wirken in Wien kaum stattfindet, Hans Ritter von Frisch, der 1941 verstirbt, Norbert Gürke, der nach merkwürdiger Karriere ebenfalls 1941 verstirbt, und (die fünf Leben des wechselfreudigen oder anpassungsfähigen) Helfried Pfeifer. Das im dritten Teil behandelte Umfeld besteht aus Robert Bartsch, Julius Bombiero Ritter von Kremenac, Karl Braunias, Adolf Günther, Alexander Freiherr Hold von Ferneck, Rudolf Köstler, Arthur Marchet, Hans Mayer, Adolf Julius Merkl, Wilhelm Neidl, Richard Pfaundler von Hadermur, Johannes Sauter, dem Romanisten Erst Schönbauer, Otto Freiherr von Skrbensky-Hrzistie, Ernst Swoboda, Alfred Verdross Edler von Drossberg und Hans Würdinger.
Die Verfasserin verwendet eine Vielzahl von Quellen, die sie emsig und fleißig verwertet. Ihr gelingen zahlreiche neue Einz |
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Scheiper, Stephan, Innere Sicherheit. Politische Anti-Terror-Konzepte in der Bundesrepublik Deutschland während der 1970er Jahre (= Sammlung Schöningh zur Geschichte und Gegenwart). Schöningh, Paderborn 2010, 452 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen Scheiper, Stephan, Innere Sicherheit. Politische Anti-Terror-Konzepte in der Bundesrepublik Deutschland während der 1970er Jahre (= Sammlung Schöningh zur Geschichte und Gegenwart). Schöningh, Paderborn 2010, 452 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Die gedankenreiche Arbeit ist die von Gabriele Metzler (Berlin) geförderte, im Wintersemester 2007/2008 an der Universität Tübingen unter dem Titel Terror im System angenommene, Werner Maihofers gedenkende Dissertation des an der Universität Tübingen als wissenschaftlicher Mitarbeiter bzw. als Studienrat in Sindelfingen tätigen Verfassers, der sein Thema bildlich mit einer Aufnahme einer der gewaltsamen Befreiung Till Meyers aus der Untersuchungshaft in Berlin folgenden Polizeisperre an der Clayallee in Berlin (17. 05. 1978) veranschaulicht. Gegliedert ist sie außer in Einleitung und Fazit in zwei Teile. In der Einleitung nimmt der Verfasser vorweg sachgerecht zu Forschungsstand, Methodik einer „modernen Politikgeschichte“, Verwissenschaftlichungsprozessen, seinen umfangreichen Quellen und seinem Aufbau Stellung.
Im ersten Teil geht er von der Entführung Hanns-Martin Schleyers in Köln am 5. September 1977 aus, von der einen mit dem 1. Oktober beginnenden zweiten Teil der Entführung abtrennt, um danach sich am Ende des „deutschen Herbstes“ der Ursachenforschung zu widmen. Der zweite Teil befasst sich mit dem stillen Wandel von Staat und gesellschaftlichem System. Dabei verfolgt der Verfasser auf breiter geschichtlicher Grundlage den Diskurs in den 1970er Jahren bis etwa 1977.
Im Ergebnis ermittelt er während dieser Zeit eine neue Konzeption staatlichen Handelns mit der Zielsetzung innerer Sicherheit. Nach seiner Ansicht richteten die staatlichen Akteure unter der Oberfläche der Terrorismusbekämpfung das politische System neu aus, indem sie im Verbund mit Wissenschaft und Medien dem Staat neue Handlungsmöglichkeiten eröffneten, damit er seiner verfassungsgemäßen Aufgabe innerhalb ein |
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Schneider, Norbert, Historienmalerei. Vom Spätmittelalter bis zum 19. Jahrhundert. Böhlau, Köln 2010. 270 S. Abb. Besprochen von Gerhard Köbler. |
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Historienmalerei ist nach herkömmlicher Ansicht die Verdichtung eines geschichtlichen Gegenstandes auf einen einzigen ahistorischen Zeitpunkt in der Malerei. Veranschaulicht wird sie vom Verfasser auf dem Umschlagbild in Jacques-Louis Davids Ölgemälde Der Tod des Marat (1793). Darüber hinaus enthält der Band zahlreiche, den Text bereichernde Abbildungen. Ziel des vorliegenden Werkes ist eine Einführung mit Schwerpunkt auf dem Spätmittelalter und der frühen Neuzeit, weil die Historienmalerei spätestens seit der französischen Revolution einen grundlegenden qualitativen Wandel erfahren habe.
Der Verfasser gliedert seine Darstellung nach einem einführenden Vorwort in zwei Teile. Zunächst bietet er einen allgemeinen Überblick von der ersten Annäherung an das Thema bis zum 19. Jahrhundert. Danach geht er auf einzelne Künstler von Simone Martini bis Edouard Manet an Hand jeweils einzelner Werke detailliert ein und erfasst dabei etwa Hans Baldung Grien, El Greco, Peter Paul Rubens, Rembrandt, Francisco Goya und etwa 30 andere bekannte Maler.
Im Anhang bietet er Texte zur Theorie der Historienmalerei, ein Glossar und eine Reihe üblicher Verzeichnisse. Zu Recht warnt er insgesamt vor einer Überbewertung der Kunsttheorie. Mit seinem Werk schließt er in Vollendung von Planungen seiner früh verstorbenen Ehefrau nach vier anderen Bänden zur Geschichte der Malereigattungen einen Gesamtkomplex der Malereigeschichte, die am Rande auch die Rechtsgeschichte befruchten kann, erfolgreich ab.
Innsbruck Gerhard Köbler
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Schönfelder, Heinrich, Deutsche Gesetze. Gebundene Ausgabe II/2011. Beck, München 2011. 4500 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen Schönfelder, Heinrich, Deutsche Gesetze. Gebundene Ausgabe II/2011. Beck, München 2011. 4500 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Heinrich Schönfelder (1902-1944) veröffentlichte im jugendlichen Alter von knapp 30 Jahren mit einem Vorwort des Jahres 1931 im Verlag Beck eine handliche Sammlung deutscher Reichsgesetze im Umfang von XV und 1296 Seiten, die sich in einprägsamer Aufmachung in achtzig Jahren zu einem überragenden verlegerischen Erfolg (im Sinne eines Markenzeichens) entwickelte. Ab der vierten Auflage des Jahres 1935 wandelte der Verlag in der Spannung zwischen der Beständigkeit des Rechtes im Allgemeinen und vielfältigen kleinen Veränderungen durch neue Zeitumstände im Besonderen das Werk in eine Loseblattausgabe um. Dies hatte den Vorteil, dass zu verhältnismäßig geringen Kosten die Ausgabe in kurzen Abständen auf den neuesten Stand gebracht werden konnten, war aber mit dem Nachteil verbunden, dass der Inhaber der Sammlung veraltete Einzelteile eigenhändig aussortieren und aktualisierte Blätter an den betreffenden Stellen einsortieren musste.
Dies sparte zwar Geld, kostete aber Zeit. Solange Geld knapp und Arbeit billig war, erwuchs daraus ein Vorteil. In der Gegenwart gibt es aber nahezu beliebig viel Geld, während Arbeitszeit kostbar und teuer geworden ist.
Vermutlich hat dies den Verlag zu dem Versuch geführt, die Loseblattausgaben durch gebundene Ausgaben zu ergänzen oder auch auf die Länge zu ersetzen. Dementsprechend ist im Frühjahr 2011 eine gebundene Ausgabe des „Schönfelder“ im Umfang von 4256 Seiten erschienen. Anscheinend hat sie so viele Interessenten gefunden, dass der Versuch mit Stand September 2011 im Umfang von 4500 Seiten zum Preis von 39,80 Euro fortgeführt werden konnte, wobei die Loseblattausgabe der insgesamt 148 Auflage (also etwa 2 Ausgaben im Jahr) mit gleichem Umfang und einer Fortsetzungsverpflichtung für mindestens 12 Monate zum Preis von 32 Euro (und vermutlich Ergänzungslieferungskost |
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Siebels, Volker, Ernst Landsberg (1860-1927). Ein jüdischer Gelehrter im Kaiserreich (= Beiträge zur Rechtsgeschichte des 20. Jahrhunderts 68). Mohr (Siebeck), Tübingen 2011. XI, 233 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen Siebels, Volker, Ernst Landsberg (1860-1927). Ein jüdischer Gelehrter im Kaiserreich (= Beiträge zur Rechtsgeschichte des 20. Jahrhunderts 68). Mohr (Siebeck), Tübingen 2011. XI, 233 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Der Verfasser wurde 1942 geboren und studierte vermutlich wie andere Angehörige seines Jahrgangs im normalen Studiengang Rechts- und Staatswissenschaften. Zwischen 1969 und 2007 war er mit unterschiedlichen Aufgaben bei der deutschen Lufthansa AG tätig. Nach seiner Pensionierung im Jahre 2007 erfüllte er sich wohl einen Lebenstraum, nahm ein Promotionsstudium an der Universität Köln auf und legt nunmehr seine gelungene Dissertation vor.
Aufgebaut ist die Untersuchung chronologisch. Deswegen folgen der kurzen Einleitung die Abschnitte (vermögende) Familie und Jugend (1860-1876), Studentenjahre und Referendarzeit (1876-1883), Habilitation und erste Lehrtätigkeit (1883-1885), Habilitation für Strafrecht, Studienreise nach Italien, Ernennung zum außerordentlichen Professor, Ende der Forschung im Bereich des mittelalterlichen römischen Rechts (1885-1888), Ablehnung des Rufs nach Königsberg, das furtum des bösgläubigen Besitzers, die Quaestionen des Azo (die eigenltich zur Forschung im Bereich des mittelalterlichen römischen Rechts gehören könnten und korrekter anscheinend als die questiones des Azo zu zitieren wären) (1888-1890), Beginn der Arbeit am Lebenswerk, Bemühen um eine Honorarprofessur, etatmäßiges Extraordinariat (1890-1896), Hochzeit, Familie der Braut, Herausgabe des ersten Halbbands der dritten Abteilung der Geschichte der deutschen Rechtswissenschaft, Geburt des Sohnes Erich Adolf (1896-1899), persönliches Ordinariat, Geburt des Sohnes Paul Ludwig, Paul Silverberg übernimmt die väterlichen Unternehmen, Lehrbuch des BGB, Dekan (1899-1910), Herausgabe des zweiten Halbbands der dritten Abteilung der deutschen Rechtswissenschaft, politische Tätigkeit, Wahl zum Rektor, Verlust eines Sohnes, Kriegsende (1910-1918) u |
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Tatort Domplatz. Der Münster-Plan von 1609 und seine Geschichte(n) - Dokumentation und Faksimile, hg. im Auftrag des Instituts für vergleichende Städtegeschichte v. Siekmann, Mechthild. Verlag für Regionalgeschichte, Bielefeld 2009. 192 S., 118 Abb. Besprochen von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen Tatort Domplatz. Der Münster-Plan von 1609 und seine Geschichte(n) - Dokumentation und Faksimile, hg. im Auftrag des Instituts für vergleichende Städtegeschichte v. Siekmann, Mechthild. Verlag für Regionalgeschichte, Bielefeld 2009. 192 S., 118 Abb. Besprochen von Gerhard Köbler.
Das im Rahmen eines von der Gesellschaft zur Förderung der Westfälischen Wilhelms-Universität zu Münster unterstützten Projekts entstandene, mit Hilfe der Kulturstiftung der Sparkasse Münster gedruckte Werk betrifft den bislang ältesten bekannten Plan der Stadt Münster in Westfalen in der Größe von 38 x 84 Zentimetern. Seine derzeitige amtliche Heimat ist das Stadtarchiv Bad Homburg vor der Höhe. Im Jahre 2008 wurde er sechs Wochen lang im Stadtmuseum Münster ausgestellt und 2009 durch die Vermittlung des Landesarchivs Nordrhein-Westfalen im Technischen Zentrum restauriert.
Der in Form einer lavierten Federzeichnung gestaltete, aus dem Archiv des Reichskammergerichts im 19. Jahrhundert vermutlich über den Archivrat Friedrich LudwigCarl von Medem in den 1870er Jahren durch Nachlasskauf nach Homburg gelangte Plan zeigt, dass Münster sein historisches Erbe bewahrt und der geschichtliche Kern der Stadt trotz vieler Neugestaltungen sich seit mehr als 400 Jahren in wesentlichen Bereichen nicht verändert hat. Im Gegensatz zu der aus dem Süden auf die Stadt blickenden Planansicht Everhard Alerdincks von 1636 schaut der Betrachter von Osten von einem erhöhten Standpunkt aus über die Westseite der Häuser des Prinzipalmarkts auf den Domplatz. Nach einem wissenschaftlichen Kolloquium vom 25. April 2008 wurden Entstehung und Einbindung des Planes in den geschichtlichen Zusammenhang eines tödlich endenden Streites zwischen Dietrich von Galen und Erbmarschall Gerhard Morrien auf dem Domplatz am 17. Juli 1607 ausführlich untersucht.
Die sieben dabei entstandenen Studien stellt der großformatige, reich bebilderte, den Plan als Faksimile im Anhang wiedergebende Band |
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Taylor, Frederick, Zwischen Krieg und Frieden. Die Besetzung und Entnazifizierung Deutschlands 1944-1946. Berlin-Verlag, Berlin 2011. 560 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
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Frederick Taylor wurde 1947 in Aylesbury in Buckinghamshire geboren. Nach seinem Studium der neuen Geschichte und Germanistik in Oxford widmete er sich in erster Linie der politischen Geschichte Deutschlands im 20. Jahrhundert, übersetzte etwa im Jahre 1982 Tagebücher Joseph Goebbels’ und veröffentlichte 2004 unter dem Titel Dresden - Tuesday, 13. February 1945 ein Werk über den Bombenkrieg im Allgemeinen und die britische, die Flächenbombardierung Dresdens wegen der angeblichen militärischen Bedeutung der Stadt als unvermeidlich ansehende Bombardierung im Besonderen sowie 2006 eine Untersuchung über The Berlin Wall (deutsch 2009). Er ist also für das weitere Sachbuch Exorcising Hitler - The Occupation and Denazification of Germany an sich gut ausgewiesen.
Diesem Gegenstand widmet er sich an dieser Stelle allerdings in noch unvollkommener Weise. Dies beruht vor allen Dingen auf der beschränkten Auswertung der umfangreichen vorliegenden Literatur. Dazu kommen auch fragwürdige und gelegentliche sogar widersprüchliche Schlüsse.
Insgesamt geht der Verfasser zu wenig auf die Wirklichkeit ein. Deswegen gelingt ihm auch nicht überall eine überzeugende Bewertung. Die Geschichte der erfassten Jahre bedarf daher noch weiterer besserer Bearbeitung.
Innsbruck Gerhard Köbler
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Ulrich Tenglers Laienspiegel. Ein Rechtsbuch zwischen Humanismus und Hexenwahn, hg. v. Deutsch, Andreas (= Akademiekonferenzen, Band 11). Winter, Heidelberg 2011. 539 S., 7 farbige Abb., 70 s/w Abb. |
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Der 1509 - und damit zwei Jahre nach Schaffung der Constitutio Criminalis Bambergensis - im Druck erschienene Laienspiegel zählt nicht zuletzt wegen seiner 15 Auflagen zu den bedeutendsten Rechtstexten der frühen Neuzeit. Da er römisches Recht im Deutschen Reich vermittelte, fand er als neuzeitlich und römisch lange Zeit besonderes Interesse weder bei den Romanisten noch bei den Germanisten. Die dadurch entstandenen Forschungsdefizite sollte ein 2009 anlässlich des 500. Jahrestags des Werkes von Andreas Deutsch für die Forschungsstelle Deutsches Rechtswörterbuch der Heidelberger Akademie der Wissenschaft organisierte internationale Fachtagung mit rund 90 Teilnehmern beseitigen oder lindern, deren interessante Beiträge der Sammelband der Öffentlichkeit nunmehr zur Verfügung stellt.
Er enthält insgesamt 20 Studien, die nach einer einführenden Übersicht des Herausgebers in zwei große Abteilungen gegliedert sind. Sieben Untersuchungen behandeln Ulrich Tengler, seine Zeit und seine Mitstreiter. Dabei schildert Adolf Laufs etwa die Rezeption des römischen Rechtes in Deutschland, geht Reinhard H. Seitz auf die Biographie des nunmehr in die Jahre von etwa 1441 bis 1521 einzusetzenden Ulrich Tenngler (!), Landvogt zu Höchstädt an der Donau, ein und werden weiter Jacob Locher Philomusus, der humanistische Geleittext als Paratext, die Drucklegung in Augsburg und Straßburg zwischen 1509 und 1560, die Druckprivilegien im frühen Buchdruck und der Meister H. F. als Schöpfer der Holzschnitte der Laienspiegelausgabe von 1509 angesprochen.
Mit dem Inhalt und den Quellen des Werkes befassen sich die weiteren Beiträge. Dabei äußert sich Bernd Kannowski kritisch zu den Magdeburger Fragen und dem Schwabenspiegel als Quellen, behandelt Knut Wolfgang N |
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Waldstein, Thor von, Der Beutewert des Staates. Carl Schmitt und der Pluralismus. Ares Verlag, Graz 2008. 215 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
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Der in Mannheim 1959 geborene Verfasser studierte von 1978 bis 1985 Rechtswissenschaft, Geschichte, Philosophie, Politikwissenschaft und Soziologie an den Universitäten München, Mannheim und Heidelberg. 1989 wurde er an der Universität Bochum zum Dr. rer. soc. mit der von Bernard Willms betreuten Arbeit über die Pluralismuskritik in der Staatslehre von Carl Schmitt promoviert, 1992 an der Universität Mannheim mit einer Untersuchung über das Verklarungsverfahren im Binnenschifffahrtsrecht zum Dr. iur. Seit 1989 ist er in Mannheim als Rechtsanwalt tätig.
Seine ursprünglich 259 Seiten umfassende sozialwissenschaftliche Dissertation legt er rund 20 Jahre später unter abgewandeltem Titel in geringfügig überarbeiteter Form der Öffentlichkeit im Druck vor. Sie entstand in einer Zeit, in der die Befassung mit dem 1985 verstorbenen Carl Schmitt noch kein Thema war. In der seitdem erschienenen, kaum mehr überschaubaren Literatur über Carl Schmitt wird dessen Verhältnis zum Pluralismus wenig erörtert, obwohl nach Ansicht des Verfassers es neben den völkerrechtlichen Arbeiten Schmitts kaum eine andere Fragestellung im Werk Carl Schmitts von größerer politischer Aktualität als den Pluralismus gibt.
Der Verfasser gliedert seine Untersuchung nach zwei kurzen Vorworten von 2008 und 1989 und einer Einleitung in sechs Abschnitte. Sie betreffen den Begriff des Pluralismus in der Philosophie, bei Harold Laski (Manchester 1893-London 1950) und Schmitt, im Neopluralismus und bei dem Verfasser, die Gestalt des Pluralismus vor allem bei Gierke, Maitland, Figgis, Cole und Laski, Carl Schmitts Kritik in den Zeitabschnitten 1926-1928, 1929 (Schlüsseljahr), 1930-1932 und 1933-1934, die Widerspiegelung im politischen und staatsrechtlichen Denken des postwilhelminischen Deutschland (Kelsen, Smend, Heller, Spann |
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Was war die Stasi? Einblicke in das Ministerium für Staatssicherheit der DDR, hg. v. Dümmel, Karsten/Piepenschneider, Melanie, 3. Aufl. Konrad-Adenauer-Stiftung, Sankt Augustin 2009. 183 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen KöblerWaswardiestasi?20111230 Nr. 14133 ZIER 1 (2011) 86. IT
Was war die Stasi? Einblicke in das Ministerium für Staatssicherheit der DDR, hg. v. Dümmel, Karsten/Piepenschneider, Melanie, 3. Aufl. Konrad-Adenauer-Stiftung, Sankt Augustin 2009. 183 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Die Stasi war eine verharmlosende Abkürzung für das Ministerium für Staatssicherheit der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik, das meist in die Buchstaben SSD für Staatssicherheitsdienst und MfS verschlüsselt wurde. Dabei handelte es sich um den Inlands- und Auslandsgeheimdienst, der zugleich als Ermittlungsbehörde für politische Straftaten diente. Die am 8. Februar 1950 gegründete Behörde wurde von der Sozialistischen Einheitspartei als Schild und Schwert bezeichnet, wirkte aber tatsächlich vor allem als Instrument der Überwachung und Unterdrückung gegenüber der Bevölkerung.
Während des Bestandes der Deutschen Demokratischen Republik kannten nur Insider die Einzelheiten genauer. Sie waren am Ende der Deutschen Demokratischen Republik vor allem an der Vernichtung der Unterlagen und der Verwischung der Spuren interessiert. Mit den erhaltenen Überresten setzt sich der 2002 erstmals erschienene, kleine, um Literaturhinweise bereicherte Sammelband in erweiterter und aktualisierter Form punktuell, sorgfältig und kritisch auseinander.
Nach seinem kurzen, auf die Beschreibung der Ohnmacht als Beginn ihrer Überwindung hinweisenden Vorwort enthält er insgesamt 28 kleine Studien fünfzehner sachkundiger Beiträger. Sie beginnen mit der Leitfrage und enden mit einem konkreten Beispiel einer Akteneinsicht des OV Sinus 1 und Sinus 2. Insgesamt klären sie mit einfachem Flatterrand über die Wirklichkeit der Sicherheitsverwaltung eines die freie Entscheidung seiner Bürger so lange wie möglich mit allen Mitteln verhindernden mitteleuropäischen „sozialistischen“ Staates der zweiten Hälfte 20. Jahrhunderts auf und zeigen etwa, dass die von den |
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Weber, Thomas, Hitlers erster Krieg. Der Gefreite Hitler im Weltkrieg - Mythos und Wahrheit, aus dem Englischen von Gebauer, Stephan, 2. Aufl.. Verlag Propyläen, Berlin 2011. 585 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen Weber, Thomas, Hitlers erster Krieg. Der Gefreite Hitler im Weltkrieg - Mythos und Wahrheit, aus dem Englischen von Gebauer, Stephan, 2. Aufl.. Verlag Propyläen, Berlin 2011. 585 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Thomas Weber, *1974 in Hagen, studierte von 1993 bis 1996 Geschichte, Anglistik und Rechtswissenschaft in Münster und von 1996 bis 1998 Modern History in Oxford, wo er 2003 mit einer von Niall Ferguson betreuten Dissertation promoviert wurde, die teilweise in die von Stanford University Press 2008 veröffentlichte Untersuchung Our friend „the enemy“ - elite education in Britain and Germany before World War I Eingang gefunden hat. Danach war er in Harvard, am Institute for Advanced Study in Princeton, der University of Pennsylvania, der University of Chicago und der University of Glasgow tätig, ehe er 2008 an die University of Aberdeen wechselte, wo er seit 2010 Direktor des Centre for Global Security and Governance ist. Seine 2010 bei Oxford University Press unter dem Titel Hitler’s First War erschienene Untersuchung über Hitlers ersten Krieg fand unmittelbar nach Erscheinen das Interesse mehrerer Rezensenten, muss aber mangels eines dem Verlag möglichen Rezensionsexemplars nach Ausleihe vom Herausgeber in wenigen Zeilen angezeigt werden.
Im Präludium findet der Verfasser den gesuchten Adolf Hitler auf Seite 168 der 1932 veröffentlichten offiziellen Geschichte des nach seinem ersten, im Oktober 1918 gefallenen Kommandeur (Oberst Julius von List) benannten 16. Bayerischen Reserve-Infanterie-Regiments (List-Regiments), wie er als (Kriegsfreiwilliger und) Gefechtsordonnanz in einem langen, grauen Mantel mit Pickelhaube, Schnauzbart und übergehängtem Gewehr - nach dem Verfasser keinem bestimmten Ziel zuzustreben scheinend - in der Mitte einer Kopfsteinpflasterstraße ging. Von hier aus stellt er die bisher nach seiner Ansicht ungenügend beantwortete Frage, ob der Krieg und das Regiment den Diktator Hitler geschaffen haben bzw. in |