Archive der Freiherren von Degenfeld-Neuhaus und Gemmingen-Hornberg-Babstadt. Urkundenregesten 1439-1902, bearb. v. Burkhardt, Martin (= Inventare der nichtstaatlichen Archive in Baden-Württemberg 39). Kohlhammer, Stuttgart 2013. 242 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
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Nach dem 768 erstmals bezeugten Gemmingen bei Sinsheim im Kraichgau benennen sich vielleicht seit 1233 Herren von Gemmingen. Sie gehören zu den ältesten adligen Geschlechtern Frankens und Schwabens. Ihre urkundliche Hinterlassenschaft findet sich entsprechend den vielfältigen Aufteilungen in zahlreichen Partikulararchiven, wenn auch ein eigenes Archiv der Linie Gemmingen-Hornberg-Babstadt nicht vor 1825 erwähnt wird, obgleich das Rittergut Babstadt schon 1732 erworben wurde.
Die nach der auf altrechbergischem Gut liegenden Burg Degenfeld bei Schwäbisch Gmünd benannten, zu den Dienstmannen der Herren von Rechberg zählenden Herren von Degenfeld erscheinen 1270. Nach dem Erwerb von Neuhaus im Kraichgau am Ende des 16. Jahrhunderts teilten sie sich 1604 in die Linien Eybach und Neuhaus. Nach dem Ende des freiherrlichen Hauses Degenfeld im Mannesstamm (1921) gelangte das Rittergut Neuhaus mit dem Archiv Degenfeld über Hertha von Degenfeld, die 1919 Eberhard von Gemmingen-Hornberg-Babstadt geheiratet hatte, an die Familie Gemmingen.
Das damit vereinte Schriftgut ist im Zuge der Erschließung der ritterschaftlichen Archive seitens der staatlichen Archivverwaltung - seit 2005) in Gestalt des Landesarchivs Baden-Württemberg - von Martin Burkhardt erschlossen, der in der Einleitung kurz die Familiengeschichte und Archivgeschichte umreißt. Die Urkunden der Degenfeld-Neuhaus beginnen mit einem Schadloshaltungsversprechen vom 19. August 1476 und enden in der Nummer 346 mit einer Verleihung eines Ritterkreuzes am 18. Oktober 1895, die Urkunden der Gemmingen-Hornstein-Babstadt setzen in der Nummer 347 mit einem Pflichtenbekenntnis dreier Bürger von Waibstadt vom 14. Januar 143 |
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Ars Persuasionis - Entre doute et certitude, hg. v. Durand, Bernard (= Comparative Studies in Continental and Anglo-American Legal History 30). Duncker & Humblot, Berlin 2012. 199 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
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Allgemein hat der Mensch zur Verwirklichung seines Willens gegenüber oder in anderen Menschen verschiedene Möglichkeiten, die von der körperlichen Gewalt bis zur unsichtbaren Überzeugung reichen. Dabei kann Überzeugung auch durch Überredung erreicht werden, indem ursprüngliche Ablehnung mit Hilfe von Worten in schließliche Zustimmung verwandelt wird. In jedem Fall muss der anfängliche Wille eines anderen durch Zureden verändert werden.
Mit diesem psychosozialen Gegenstand befasst sich der schmale, von Bernard Durand edierte internationale Sammelband, der außer einer Einleitung zehn Beiträge enthält. Sein in Sète 1940 geborener Herausgeber wurde nach der Ausbildung in Montpellier 1968 mit einer Untersuchung über Les commandants en chef de provinces promoviert und über Perpignan und Dakar 1986 nach Montpellier zurückberufen, wo er bis 2007 wirkte. Er ist durch eine Reihe von Untersuchungen zur Strafrechtsgeschichte und zur Kolonialrechtsgeschichte hervorgetreten.
Eröffnet werden die vielfältigen Einzelstudien mit einer Arbeit Diego Quagliones über den Zeugenbeweis bei den Juristen des 13. und 14. Jahrhunderts. Danach werden etwa Giambattista De Luca, katalanische Pakte, die Grenzen der Überredung in Zivilsachen im alten Frankreich, die Überredung in der Politik und in den Kolonien, die Bedeutung der Urkunden im Rahmen des Überzeugens durch Schrift, nachlässige Sachverständige und wissenschaftliche Fehler sowie die ungewisse, aber nach Gewissheit verlangende Wahrheit im Strafprozess behandelt. Abgeschlossen wird der fast durchweg französische Band durch eine Liste der aus Lille, Montpellier, Sherbrooke, Poitiers, Neapel, Trient und Bonn kommenden Autoren, während auf den inhaltlichen Aufschluss leider verzich |
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Auer, Marietta, Der privatrechtliche Diskurs der Moderne. Mohr (Siebeck), Tübingen 2013. X, 204 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
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Die Unterscheidung zwischen einem ius publicum und einem ius privatum wird bereits im römischen Recht angesprochen, doch kommt es zur systematischen Herausbildung eines besonderen öffentlichen Rechtes wohl erst seit dem 16. Jahrhundert. Nach der Verselbständigung von Lehrveranstaltungen über Staat, Verfahren und Strafe wird dann von dem übrigen Recht im 18. und 19. Jahrhundert als Privatrecht gesprochen, wobei das Wort selbst vielleicht erst 1721 belegt ist. Die vorliegende Abhandlung geht nach dem kurzen Vorwort der Verfasserin der Frage nach, wie sich erklären lässt, dass zwar die zunehmende Überlagerung des Privatrechts durch materiale Wertungen vielfach anerkannt wird, dass dies aber der Tragfähigkeit und theoretischen Konjunktur des normativ geschlossenen Privatrechtsmodells einer staatsfernen Privatrechtsgesellschaft anscheinend keinen Abbruch tut.
Die beeindruckend schmale Studie ist die von Claus-Wilhelm Canaris betreute, im Sommersemester 2012 der juristischen Fakultät der Universität München vorliegende Habilitationsschrift der 1972 geborenen Verfasserin, die nach dem Studium von Rechtswissenschaft und Philosophie in München und Harvard mit einer geringfügig umfangreicheren Dissertation über Materialisierung, Flexibilisierung, Richterfreiheit – Generalklauseln im Spiegel der Antinomien des Privatrechtsdenkens 2003 in München promoviert wurde. Unmittelbar nach ihrer Habilitation wurde sie 2013 als Professorin für bürgerliches Recht und Rechtsphilosophie nach Gießen berufen. Gegliedert ist die Untersuchung nach einer Einführung in zwei Teile.
Im ersten Teil wendet sich die Verfasserin Privatrecht zu und unterscheidet in diesem Zusammenhang die erste Moderne mit der Wende zum Subjekt durch Entdeckung der Person, Übergang von der Pflicht zum subjektiven Recht, Trennung von Staat und Gese |
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Augenzeuge des Konstanzer Konzils. Die Chronik des Ulrich Richental. Die Konstanzer Handschrift ins Neuhochdeutsche übersetzt v. Kühle, Monika/Gerlach, Henry. Mit einem Nachwort v. Klöckler, Jürgen. Theiss, Darmstadt 2014. 248 S., 13 Abb., 1 Stammb. Besprochen von Ulrich-Dieter Oppitz. |
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Der Jubiläumszyklus aus Anlass der 600. Wiederkehr des Konzils in Konstanz wird von einer reichhaltigen Buchproduktion begleitet. Monika Küble und Henry Gerlach veröffentlichten 2013 bereits einen historischen Kriminalroman, der zur Zeit des Konstanzer Konzils spielt. Die Chronik Ulrich Richentals ist in bebilderten und bilderlosen Handschriften überliefert. Die Überlieferungszeugen werden in drei Gruppen unterteilt; in Gruppe I, repräsentiert besonders durch die ehemals Aulendorfer Handschrift, spricht Ulrich Richental in der „Ich“-Form der 1. Person Singular; in Gruppe II, der u. a. die Konstanzer Handschrift zugehört, wird vom Verfasser in der 3. Person Singular berichtet. Die Handschriften der dritten Gruppe schwanken zwischen den beiden Formen. Diese Textanordnung ist bei einem Vergleich des Textes der Überlieferung zu beachten. Weiterhin zu beachten ist, dass Ulrich Richental zwar ein einflussreicher Bürger der Stadt Konstanz, jedoch kein Teilnehmer des Konzils gewesen ist. Daher beschränken sich seine Beschreibungen auf alles außerhalb der Tagungsräume. Er war daher Augenzeuge des Lebens in der Stadt Konstanz während des Konzils, jedoch nicht Augenzeuge der Verhandlungen des Konzils.
Ausgehend von der Transkription und Edition der Konstanzer Handschrift der Chronik Ulrich Richentals durch den langjährigen Konstanzer Stadtarchivar Otto Feger, die dieser 1964 veröffentlichte, übertragen die Autoren den Text des Werkes in eine vereinfachte Leseform, die sie als neuhochdeutsche Übersetzung bezeichnen. In dem Vorwort (S. 6-9) sind einzelne Anhaltspunkte zur Textgestaltung erläutert. Dem Textabdruck (S. 12-200) sind am Rande jeweils die Blattangab |
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Augspurg, Anita, Rechtspolitische Schriften. Kommentierte Studienbuchausgabe, hg. v. Henke, Christiane (= Rechtsgeschichte und Geschlechterforschung 16). Böhlau, Köln 2013. 423 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
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Anita Augspurg wurde in Verden an der Aller am 22. September 1857 als Tochter eines Rechtsanwalts geboren, arbeitete bis zur Volljährigkeit in der Kanzlei des Vaters mit und ließ sich danach für das Lehramt an höheren Schulen und im Schauspiel in Berlin ausbilden. Nach fünfjähriger Tätigkeit als Schauspielerin eröffnete sie mit einer Freundin das Fotostudio Hofatelier Elvira in München, das schließlich auch die Königsfamilie Bayerns als Kunden führen konnte, und wandte sich spätestens 1891 mit 34 Jahren der Frauenbewegung zu, studierte in Zürich Rechtswissenschaft und wurde die erste (über die Entstehung und Praxis der Volksvertretung in England) promovierte Juristin des Deutschen Reiches. Da sie 1923 mit ihrer Lebensgefährtin Lida Gustava Heymann bei dem Innenminister Bayerns die Ausweisung Adolf Hitlers wegen Volksverhetzung beantragt hatte, wechselte sie nach der nationalsozialistischen Machtübernahme in die Schweiz, wo sie am 20. Dezember 1943 starb.
Christiane Henke legte hierzu bereits im Jahre 2000 eine Darstellung von Leben und Gedanken Augspurgs vor. Seitdem befasste sie sich als freie Schriftstellerin intensiv mit den vielfältigen Werken der vielseitigen Vorkämpferin der deutschen Frauenbewegung. Texte und Kommentare kann sie in einem stattlichen Band gebündelt der Allgemeinheit zu Studienzwecken zur Verfügung stellen.
Gegliedert sind sie nach einleitenden Anmerkungen Stephan Meders in mehrere sachliche Abschnitte. Dabei beginnen die Texte zur Rechtslage der Frau 1889 mit einer Beschreibung der Photographie als Lebensberuf für Frauen, behandeln außer Bildung und Erwerb aber auch ethische, politische und soziale Aspekte, das Eherecht, das Bürgerliche Gesetzbuch, Sittlichkeitsvorstellungen im Strafrecht, Ver |
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Avenarius, Martin, Fremde Traditionen des römischen Rechts. Einfluss, Wahrnehmung und Argument des „rimskoe pravo“ im russischen Zarenreich des 19. Jahrhunderts. Wallstein, Göttingen 2014. 776 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
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Dass das römische Recht weltweiten Einfluss während zweier Jahrtausende hatte, ist allgemein bekannt, wenngleich es eines Tages von dem amerikanischen Recht an Bedeutung noch einmal übertroffen werden könnte. Dass davon auch Russland in bedeutsamer Weise betroffen sein könnte, ist demgegenüber weniger bewusst, weil Russland insgesamt bis zum Ende des 18. Jahrhundert eher als zivilisatorisch und kulturell wenig fortschrittlich und vorbildlich eingestuft wird. Umso erfreulicher ist es, dass der Verfasser sich dieser Frage grundsätzlich angenommen und dabei auf der Grundlage langjähriger intensiver, von der Deutschen Forschungsgemeinschaft nachhaltig geförderter Betrachtung zu wichtigen neuen Erkenntnissen gelangt ist.
Gegliedert ist seine gewichtige, ein Schrifttumsverzeichnis von 100 Seiten aufweisende Abschlusspublikation des Projekts römische Rechtstradition und Zivilrechtswissenschaft in Russland vom Beginn des 19. Jahrhunderts bis 1922 in insgesamt 20 Kapitel. Sie betreffen eine Einführung unter dem Gesichtspunkt römisches Recht als Recht schlechthin, Voraussetzungen und methodische Grundlagen, den Stand der Forschung, den Umgang mit der Rezeptionsbegrifflichkeit, das russische Privatrecht in tradierten Normen, Reformprojekten und Lehre bis zu dem Anfang des 19. Jahrhunderts, die Arbeiten am Svod Zakonov, die Entwicklung von der Konsolidierung des russischen Rechtes bis zur Professionalisierung der Juristen am römischen Recht, das Verhältnis von römischem Recht und Grundlagenfächern, die Anfänge einer eigenständigen wissenschaftlichen Bearbeitung des Zivilrechts (vor allem in der Person Dmitrij Mejers), das römische Recht im kultur- und gesellschaftskritischen Schrifttum, die Gerichtsreformen von 1864, d |
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Babel, Rainer, Garde et protection. Der Königsschutz in der französischen Außenpolitik vom 15. bis zum 17. Jahrhundert (= Beihefte der Francia Band 72). Thorbecke, Ostfildern 2014. 393 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
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Der Herrscher hat kerkömmlicherweise Macht über die von ihm Beherrschten, wie beispielsweise der römische dominus über seine servi, doch ist damit nahezu immer auch die Abwehr von Störungen durch Dritte verbunden, die für den Beherrschten in der Regel zumindest als Reflex Schutz bedeutet. Dementsprechend stand der Untertan unter dem Schutz des Monarchen und der Lehnsmann unter dem Schutz des Lehnsherrn. Dabei konnte das wohl zunächst aus rein tatsächlichen Überlegungen erwachsene Verhalten leicht auch zu einer Pflicht erstarken.
Mit einem gewichtigen, örtlich und zeitlich eingegrenzten Ausschnitt dieser Gegebenheiten beschäftigt sich der Verfasser im vorliegenden Werk über Frankreich an der Wende zum Mittelalter zur Neuzeit. Schon seine ebenfalls bei Thorbecke erschienene Münchener Dissertation des Jahres 1986 über Außenpolitik und europäische Stellung Herzog Karls IV. von Lothringen und Bar zwischen 1624 und 1634 behandelte diesen Gegenstand an einem besonderen Beispiel. Dem folgte nach dem beruflichen Wechsel an das Deutsche Historische Institut in Paris in einem weiteren Rahmen 2001 die 2005 veröffentlichte, im Literaturverzeichnis nicht eigens aufgeführte Habilitationsschrift im Umfang von ebenfalls 393 Seiten.
Das vorliegende, auf dem Umschlag mit vier kleinen Porträts Karls VII., Franz‘ I., Heinrichs II. und Heinrichs IV. geschmückte Werk geht auf eine Anregung Hermann Webers zurück. Es gliedert sich nach einer Einleitung in vier Kapitel über die Protektion in Staatslehre und politischer Publizistik, die Protektion im späten Mittelalter, die Protektion in der Neuzeit und das Verhältnis von Protektion, Okkupation und historischem Recht. In seiner die Protektion mit einem verzweigten Flusssystem vergle |
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Bach, Christine, Bürgersinn und Unternehmergeist. Stifter und Stiftungen in Hamburg nach 1945. Nomos, Baden-Baden 2014. 227 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
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Die Stiftung als die Widmung von Vermögen zu einem bestimmten Zweck vor allem durch Rechtsgeschäft ist bereits dem römischen Recht bekannt. Im Mittelalter, in dem das deutsche Wort um 950 erstmals belegt ist, fördert die Kirche das damit verbundene mildtätige Handeln. Insgesamt liegt ihm wohl ein Bündel vielfältiger Interessen zu Grunde, in dem Stolz, Ehre und Ruhm keine geringe Rolle spielen.
Die sich mit einem zeitlich wie örtlich eingegrenzten Ausschnitt aus diesem weiten Feld befassende Studie ist die von Andreas Schulz betreute, im Rahmen eines von der ZEIT-Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius mit einem großzügigen Promotionsstipendium und einem ebenso großzügigen Druckkostenzuschuss geförderten Forschungsprojekts zur Hamburger Stiftungsgeschichte entstandene, im Wintersemester 2010/2011 vom Fachbereich Philosophie und Geschichtswissenschaften der Universität Frankfurt am Main angenommene Dissertation der in Sankt Ingbert 1970 geborenen, nach dem Studium der mittleren und neueren Geschichte sowie der Pädagogik in Frankfurt am Main seit 2012 als wissenschaftliche Mitarbeiterin der Konrad-Adenauer-Stiftung tätigen Verfasserin. Sie gliedert sich außer in eine Einleitung über Fragestellung, Forschungskontext, Quellengrundlage, Methode und Aufbau der Arbeit und eine Schlussbemerkung in drei Kapitel. Sie betreffen karitative Stiftungen im bundesdeutschen Sozialstaat, private Kulturförderung und Hamburger Stifter nach 1945 zwischen Tradition und Innovation.
Inhaltlich behandelt werden dabei vor allem die Stiftungen der Familie Reemtsma, Alfred C. Toepfer und Kurt A. Körber. An ihren Beispielen ermittelt die Verfasserin als zentrale Faktoren den Fortbestand und die Weiterentwicklung von Traditionen bürgerlichen Gemeinsinns, die stiftungsfreundliche politische Kultur der |
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Baker, John, Collected Papers on English Legal History, 3 Bände. Cambridge University Press, Cambridge 2013. 1648 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
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John Hamilton Baker wurde in Sheffield am 10. April 1944 geboren und nach der Schule in der King Edward VI Grammar School in Chelmsford am University College in London zum LLB und PhD ausgebildet. Rechtspraktische Erfahrung gewann er in Inner Temple 1966, wo er 1988 zum Ehrenmitglied gewählt wurde. Bereits 1965 wurde er Assistant Lecturer in Law an seiner Universität, an der er 1967 zum Lecturer aufstieg, ehe er 1971 nach Cambridge wechselte (Bibliothekar der Squire Law Library, 1973 Fellow of St. Catherine’s College, Lecturer in Law, 1983 Reader in English Legal History, 1988 appointed Professor of English Legal History, 1998 Downing Professor of the Laws of England, 2003 Adelsstand, 2011 Ruhestand).
Während dieser ganzen langen Zeit äußerte er sich trotz vielfältiger Belastungen durch zahlreiche wichtige Ehrenämter zu den meisten Fragen der englischen Rechtsgeschichte an den verschiedensten Stellen. Daher ist eine Sammlung seiner bedeutendsten Studien an einer Stelle in drei Bänden außerordentlich erfreulich und fand dementsprechend umgehend das Interesse eines sachkundigen Rezenstenten. In Ermangelung eines Rezensionsexemplars muss der Herausgeber mit wenigen allgemeinen Sätzen auf die wichtige Publikation hinweisen.
Die insgesamt 84 Arbeiten sind in zehn Teile gegliedert, welche die The Legal Profession (z. B. The English Legal Profession 1450-1550), The Inns of Court and Chancery, Legal Education, Courts and Jurisdiction, Legal Literature, Legal Antiquities, Public Law and Individual Status, Criminal Justice, Private Law und General (z. B. Why the History of English Law has not been finished oder Why should undergraduates study legal history?) betreffen. Am Ende der elegant gestalteten Aufsatzsammlung findet sich ein umfangreiches Veröffentlichungsverzeichnis, das mit ei |
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Baltl, Hermann/Kocher, Gernot unter Mitarbeit von Steppan, Markus, Österreichische Rechtsgeschichte - unter Einschluss sozial- und wirtschaftsgeschichtlicher Grundzüge. Von den Anfängen bis zur Gegenwart, 12. Aufl. Leykam, Graz 2009. 344 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen Baltl, Hermann/Kocher, Gernot unter Mitarbeit von Steppan, Markus, Österreichische Rechtsgeschichte - unter Einschluss sozial- und wirtschaftsgeschichtlicher Grundzüge. Von den Anfängen bis zur Gegenwart, 12. Aufl. Leykam, Graz 2009. 344 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Hermann Baltl wurde in Graz am 2. Februar 1918 als Sohn eines Rechtsanwalts geboren, studierte ab 1936 in seiner Heimatstadt Rechtswissenschaft, wurde 1939 nach den damaligen Gepflogenheiten ohne schriftliche Doktorarbeit promoviert, wurde zum Kriegsdienst eingezogen, aus der nach 1938 eingeführten praktischen Ausbildung als Gerichtsreferendar des Deutschen Reiches Adolf Hitlers wegen politischer Äußerungen entlassen und ging in den Untergrund. Nach dem Ende des zweiten Weltkriegs wurde er noch im Mai 1945 bei seiner Rückkehr an der Brücke über die Mur zur Lehrtätigkeit in österreichischer Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte, Rechtsgeschichte und Völkerrecht an der Universität Graz eingeladen, am Ende des Jahres 1946 zwecks akademischer Rechtfertigung habilitiert sowie 1951 zum titulierten außerordentlichen und 1961 zum ordentlichen Universitätsprofessor ernannt. 1970 legte er als Frucht seiner fünfzehnjährigen Beschäftigung mit der Rechtsgeschichte (Verfassungsgeschichte und Verwaltungsgeschichte) sein Lehrbuch Österreichische Rechtsgeschichte vor.
Nach dem kurzen Vorwort hat dieses in 40 Jahren zwölfmal aufgelegte Werk seine eigene Note, die sich sehr stark an die von Baltl über mehr als zwei Jahrzehnte bis zur Studienreform 1978 angebotene Vorlesung über österreichische Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte anlehnt. Der nach Baltls Tod in Graz am 20. Oktober 2004 das erfolgreiche Lehrbuch fortsetzende Gernot Kocher hat selbst als Hörer den Werdegang vom Skriptum zur ersten gedruckten Auflage mitverfolgt und in späteren Jahren mit dem Ergebnis in Seminaren und Repetitorien gearbeitet und es so schätzen gelernt. Nach seiner Meinung gehörte Baltl noch zu jene |
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Baranowski, Günter, Russische Rechtsgeschichte - Texte und Erläuterungen. Teil 2 Von 1613 bis 1682 (= Rechtshistorische Reihe 451). Lang, Frankfurt am Main 2014. 745 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen Baranowski, Günter, Russische Rechtsgeschichte - Texte und Erläuterungen. Teil 2 Von 1613 bis 1682 (= Rechtshistorische Reihe 451). Lang, Frankfurt am Main 2014. 745 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Trotz der geographischen Nähe und der großen Bedeutung Russlands während der späteren Neuzeit spielt das Land in der deutschen und auch europäischen Rechtsgeschichte nur eine geringe Rolle, weil die russische Sprache für viele weniger leicht zugänglich ist als die westeuropäischen Sprachen. Von daher ist es sehr erfreulich, wenn sich ein vorzüglicher Sachkenner im Interesse aller um Russland und sein Recht bemüht. Der von 1978 bis 1991 als ordentlicher Professor in Leipzig tätige, seit 1997 im Ruhestand befindliche Verfasser hat sich in dieser Richtung in den letzten Jahren sehr verdient gemacht.
Dabei hat er 2005 die Russkaja Pravda behandelt, 2008 die Gerichtsurkunde von Pskov und 2013 in einem ersten gewichtigen Band Texte und Erläuterungen der russischen Rechtsgeschichte von den Anfängen bis 1612/1613 vorgelegt. Hieran knüpft der jetzige Band unmittelbar an. Obwohl die dadurch neu erfasste Zeitspanne deutlich kürzer ist, ist das für sie verfügbare Material erkennbar umfangreicher.
Es umfasst gegliedert in drei Abschnitte insgesamt die Dokumente Nr. 71 (betreffend die Wahl Michail Romanovs zum Caren im Jahre 1613) bis Nr. 144 (Konzilshandlung zur Beseitigung der Adelsrangplatzordnung 1682). Besonders wichtige Quellen stammen aus den Jahren 1649, 1667 und 1669 und werden auf der beigefügten CD-ROM ausführlich, sachkundig und sorgfältig erläutert. Ein Glossar erklärt wichtige Fachausdrücke, ein Literaturverzeichnis benennt die verwendeten Werke und Beilagen erschließen die Rechtswirklichkeit, so dass jedem an der Rechtsgeschichte Russlands Interessierten durch die gewichtige Leistung eine weitere vorzügliche Grundlage für einen bedeutenden Zeitabschnitt in deutscher Sprache zur Verfügung gestellt wird.
Innsbruck |
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Baumann, Alexander, Freiheitsbeschränkungen der Dekurionen in der Spätantike (= Sklaverei Knechtschaft Zwangsarbeit Untersuchungen zur Sozial-, Rechts- und Kulturgeschichte 12). Olms, Hildesheim 2014. VII, 231 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
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Mit dem Staat kam der Zwang. Die Vereinigung aller auf einem bestimmten Gebiet unter einer Führung hatte zur Folge, dass einige bestimmten, was andere zu tun und zu lassen hatten. In einer ständisch gegliederten Gesellschaft brachte dies Freiheitbeschränkungen auch für die eigentlich Freien und sogar für die höchste Führungsschicht selbst mit sich, wobei die Einengungen umso strikter werden konnten, je mehr der Staat insgesamt um seinen Bestand zu bangen hatte, wie dies am Ende der Antike ganz augenfällig wurde.
Die sich mit diesen Fragen in Bezug auf die Dekurionen beschäftigende Arbeit ist die von Hans Josef Wieling auf der Grundlage eines Blockseminars in Himmerod in der Eifel betreute, im Rahmen des Graduiertenkollegs 846 (Sklaverei –Knechtschaft und Frondienst –Zwangsarbeit) bearbeitete und im Wintersemester 2012/2013 vom Fachbereich Rechtswissenschaft der Universität Treier angenommene Dissertation des Verfassers. Sie gliedert sich nach Vorwort und Einleitung in sieben Kapitel über den Standort des Dekurionenrats innerhalb der städtischen Verwaltung und die Terminologie (decurio, curialis), die Berufung zum Dekurionenamt, die einzelnen Rechte und Pflichten der Dekurionen unter besonderer Berücksichtigung der Steuererhebung und der Steuerhaftung, das Ausscheiden aus dem Dekurionendienst, die vielfältigen Freiheitsbeschränkungen und den Niedergang des Dekurionenstands. Am Ende fasst der Autor seine Erkenntnisse kurz zusammen und rundet seine ansprechende Untersuchung durch ein Literaturverzeichnis und verschiedene wertvolle Register ab.
Im Ergebnis kann er mit guten Gründen feststellen, dass die Dekurionen in der Spätantike zahlreichen Rechtsbeschränkungen unterlagen (Veräußer |
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Bdeiwi, Sami, Beischlaf zwischen Verwandten (§ 173 StGB). Reform und Gesetzgebung seit 1870 (= Juristische Zeitgeschichte Abteilung 3, Band 43). De Gruyter, Berlin 2014. XVIII, 314 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen Bdeiwi, Sami, Beischlaf zwischen Verwandten (§ 173 StGB). Reform und Gesetzgebung seit 1870 (= Juristische Zeitgeschichte Abteilung 3, Band 43). De Gruyter, Berlin 2014. XVIII, 314 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Dem Menschen ist zwecks Arterhaltung von der Natur die Sexualität als nur bedingt beherrschbarer Trieb vorgegeben, wobei sich aus der erfolgreichen Verbindung eines Mannes mit einer Frau zugleich die Verwandtschaft beider zu dem hieraus entstandenen Kind ergibt. Jedenfalls bei anderen Lebewesen dürfte eine neues Leben erzeugende Verbindung zwischen einem erzeugenden Teil und einem von ihm erzeugten Teil keine auffälligen Folgen nach sich ziehen, die im Übrigen in der überreichen Natur im Falle der Schädlichkeit auch wohl mit dem Untergang des erzeugten Lebewesens enden würden. In der kulturellen Umgebung des Menschen dürfte demgegenüber zu einer nicht bekannten Zeit eine psychosoziale Schranke entstanden sein, die Beischlaf unter Verwandten als ein besonderes Geschehen betrachtet.
Mit der jüngeren deutschen Geschichte dieser Problematik befasst sich die von Thomas Vormbaum während einer Tätigkeit am Lehrstuhl für Strafrecht, Strafprozessrecht und juristische Zeitgeschichte angeregte und betreute, im April 2012 von der rechtswissenschaftlichen Fakultät der Fernuniversität Hagen angenommene Dissertation. Sie gliedert sich in drei Teile mit insgesamt neun Kapiteln: Dabei werden nach der sachlichen Grundlegung der Probleme und Methoden zunächst die deutschen Partikularrechte von der bambergischen und karolinischen Halsgerichtsordnung des frühen 16. Jahrhunderts bis 1871 unter besonderer Berücksichtigung Preußens, Bayerns und Sachsens behandelt und danach die Entwicklungen vom Reichsstrafgesetzbuch des Jahres 1871 bis zum Beschluss des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahre 2008.
Insgesamt kommt die sorgfältige Untersuchung zu dem Ergebnis, dass es sich bei der Strafwürdigkeit des Inzests um konventionelle Moralvo |
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Becker, Maximilian, Mitstreiter im Volkstumskampf. Deutsche Justiz in den eingegliederten Ostgebieten 1939-1945 (= Quellen und Darstellungen zur Zeitgeschichte 101). Oldenbourg, München 2014. VIII, 343 S., Kart. Tab. Besprochen von Werner Schubert. |
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Beckers Werk ist einer „politischen Institutionengeschichte“ verpflichtet (S. 12), die „den Apparat und die Tätigkeit der Justiz in den eingegliederten Ostgebieten“ (OLG-Bezirke Posen, Danzig, Kattowitz [ab 1. 4. 1941] und Königsberg (LG-Bezirk Zichenau) aus „ihrer Perspektive in den Blick nimmt“ (S. 12). Dabei ist es das Ziel der Studie, „den Anteil, den die Justiz an der Besatzungspolitik und vor allem an der Germanisierung hatte“, näher zu bestimmen (S. 12). In einem ersten Abschnitt geht es um den „Besatzungskontext: Ausbeutung, Massenverbrechen und Germanisierung“ (S. 19-40), um die Besatzungsherrschaft in Polen, die gekennzeichnet war durch Enteignungen, Vertreibungen, Massenverbrechen an der jüdischen und polnischen Bevölkerung sowie durch die Ansiedlung von rund 500.000 „Volksdeutschen“ sowie die Erfassung der einheimischen Deutschen in der deutschen Volksliste. Die Organisation der „Annexionsjustiz“ (S. 41-69) war erst im Herbst 1940 weitgehend abgeschlossen (150 Amts-, 17 Land- und 13 Sondergerichte). Die OLG-Präsidenten und Generalstaatsanwälte unterstanden nicht nur dem Reichsjustizminister, sondern auch den Reichsstatthaltern (Gauleitern), die über ein „politisches Weisungsrecht“ verfügten (S. 69), wenn auch die Richter als solche weisungsfrei blieben (S. 68f.). Die Rechtsprechung in den eingegliederten Ostgebieten unterlag nicht der Überprüfung durch das Reichsgericht (S. 69). Die Personalpolitik wurde vornehmlich am Beispiel der Richter, Staatsanwälte und Amtsanwälte (fast 90% von ihnen waren Mitglied der NSDAP) am Gerichtsort Posen untersucht (S. 74 ff.).
Die Zivilgerichtsbarkeit (S. 105-140) hatte gegenüber der Strafgerichtsbarkeit nur einen untergeordneten Stellenwer |
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Becker, Maximilian, Mitstreiter im Volkstumskampf. Deutsche Justiz in den eingegliederten Ostgebieten 1939-1945 (= Quellen und Darstellungen zur Zeitgeschichte 101). Oldenbourg, München 2014. VIII, 343 S., Kart. Tab. Besprochen von Werner Augustinovic. |
Ganzen Eintrag anzeigen Becker, Maximilian, Mitstreiter im Volkstumskampf. Deutsche Justiz in den eingegliederten Ostgebieten 1939-1945 (= Quellen und Darstellungen zur Zeitgeschichte 101). Oldenbourg, München 2014. 343 S., Kart., Tab. Besprochen von Werner Augustinovic.
Nach einer kurzen Ära der Militärverwaltung wurde der von der Deutschen Wehrmacht eroberte Teil Polens bereits mit Wirkung vom 26. Oktober 1939 unter zivile Verwaltung gestellt und territorial neu geordnet. Während ein Teil dieses Gebietes als selbständiges Generalgouvernement von Hans Frank geführt wurde, wurden die übrigen Territorien dem Deutschen Reich unmittelbar einverleibt. Zu diesen „eingegliederten Ostgebieten“ zählten fürderhin als größtes der Reichsgau Wartheland unter Arthur Greiser, der Reichsgau Danzig-Westpreußen unter Albert Forster, das der Provinz Ostpreußen unter Erich Koch als Regierungsbezirk Zichenau zugeschlagene nördliche Masowien nebst den Kreisen Soldau und Sudauen sowie die (im April 1941 durch Teilung aus der Provinz Schlesien hervorgehende,) Fritz Bracht unterstellte Provinz Oberschlesien, gebildet von den beiden Regierungsbezirken Oppeln und Kattowitz. Die rechtliche Lage in diesen annektierten Räumen charakterisiert der Verfasser folgendermaßen: „Das Reichsrecht (galt) nicht automatisch, sondern wurde erst nach und nach und nie vollständig in Kraft gesetzt. Diese besondere Rechtslage begünstigte die Massenverbrechen und Vertreibungen. Die Rechtssituation war teilweise verworren, da auch das polnische Recht per se nicht außer Kraft gesetzt wurde. In den einzelnen Gebietskörperschaften hatten zudem die Reichsstatthalter und Oberpräsidenten weitgehende Vollmachten zum Erlass von Rechtsvorschriften, die auch Materien betrafen, die im Altreich einheitlich geregelt waren, wie zum Beispiel im Arbeits- oder Mietrecht. Für die Gerichte hieß das, dass sie vor einer Entscheidung zunächst zu prüfen hatten, welches Recht überhaupt anwendbar war. Während im Strafrecht ein deutli |
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Beckert, Sven, King Cotton. Eine Geschichte des globalen Kapitalismus. Beck, München 2014. 525 S., 38 Abb., 7 Kart. Besprochen von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen Beckert, Sven, King Cotton. Eine Geschichte des globalen Kapitalismus. Beck, München 2014. 525 S., 38 Abb., 7 Kart. Besprochen von Gerhard Köbler.
Die Anfänge des Kapitalismus sind über die Familie Fugger in Augsburg mit dem Leinwandhandel verbunden. In ihm gewinnt das Geld gegenüber dem Grund an Bedeutung, doch wird noch vorwiegend handwerklich erzeugt, weshalb erst eine Vorform des Kapitalismus vorliegt, die noch keine durchgreifende Auswirkung hat. Demgegenüber versteht der Verfasser in seiner vorliegenden gewichtigen Untersuchung die Erzeugung von Baumwolle in der frühen Neuzeit als Ausgangspunkt für den modernen Kapitalismus schlechthin.
Der am Main 1965 geborene, von der Studienstiftung des deutschen Volkes geförderte Autor wurde nach dem Studium der Geschichte, Soziologie und Politikwissenschaft in Hamburg und in New York an der Columbia University promoviert, nachdem er bereits 1990 eine Studie über den Arbeitsalltag während des zweiten Weltkriegs in einer Industrieregion Offenbach-Frankfurt vorgelegt hatte. Über die Harvard Business School wurde er Assistant Professor, 2000 Associate Professor und 2003 Full Professor in Harvard. In das Deutsche übertragen wurde seine 2014 vorgelegte Untersuchung mit dem Titel Empire of Cotton – A Global History von Annabel Zettel und Martin Richter.
Im Mittelpunkt der Geschichte der Baumwollerzeugung von dem Altertum bis zur Gegenwart stehen das 18. und 19. Jahrhundert, in denen sich Kriegskapitalismus und Industriekapitalismus entfalten. Als Vorteil der Europäer sieht er dabei überzeugend die überlegenen militärischen Mitteln auf Grund relativ stabiler staatlicher Gestaltung, als bedauerliche Begleiterscheinungen die Sklaverei und die Arbeit von Frauen und Kindern. In diesem Sinne hat der auf Grund umfangreicher Literatur und ausgewählter Archivalien beeindruckend geschilderte Erfolg des global eingesetzten Kapitals weniger großen Kapitalisten einen hohen, von vielen kleine |
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Benesch, Markus, Die Wiener Christlichsoziale Partei 1910-1934. Eine Geschichte der Zerrissenheit in Zeiten des Umbruchs. Böhlau, Wien 2014. 420 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen Benesch, Markus, Die Wiener Christlichsoziale Partei 1910-1934. Eine Geschichte der Zerrissenheit in Zeiten des Umbruchs. Böhlau, Wien 2014. 420 S.
Dem Menschen geht es in erster Linie um die Verwirklichung seiner eigenen Interessen, sei es allein, sei es auf dem Weg über andere Menschen. Zu diesem Zweck haben sich wohl schon immer Menschen zusammengetan, darunter vor allem seit der Aufklärung der frühen Neuzeit die Parteien. Zur Gewinnung von Unterstützung haben sich dabei in der Geschichte auch die Firmierungen als christlich und als sozial als durchaus zielführend erwiesen und können dies trotz der allgemeinen Säkularisierung der abendländischen Gesellschaft auch in der Gegenwart anscheinend noch sein.
Der als Historiker ausgebildete, als Referent im Bundesministerium für Inneres in Wien tätige, nach Ausweis des Karlsruher Virtuellen Bibliothekskatalogs literarisch noch nicht weiter hervorgetretene Verfasser widmet sich einem interessanten, bisher nicht umfassend beleuchteten Gegenstand mehr als 90 Jahre, nachdem die Christlichsoziale Partei ihre einst führende Stellung in Wien an die einfachen Sozialisten verlor. Er gliedert sein Werk in insgesamt sieben Abschnitte und drei Phasen. Phase 1 betrifft den Niedergang zwischen 1910 und 1919, Phase 2 die Konsolidierung in den Jahren 1919 bis 1923, 1924 bis 1927 und 1927 bis 1929 und Phase 3 den weiteren Niedergang einschließlich der Periode von 1932/1933 bis 1934.
Ausgehend von Karl Lueger stellt der Verfasser zahlreiche bedeutende Politiker der Christlichsozialen Partei wie Leopold Kunschak oder Ignaz Seipel, aber auch der Wiener Sozialdemokratie kurz vor und gelangt am Ende zu dem überzeugenden Ergebnis, dass der Niedergang der Wiener Christlichsozialen Partei zwischen 1910 und 1934 auf Fehler wie die Nichterkennung der Arbeiterschaft als Wählergruppe und den Umgang mit den bürgerlichen Juden sowie mangelnde Fehlerkorrektur zurückzuführen ist, denen bedeutende Erfolge d |
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Berg, Dieter, Heinrich VIII. von England - Leben - Herrschaft - Wirkung (= Urban Taschenbuch 736). Kohlhammer, Stuttgart 2013. 317 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
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Der in Greenwich am 28. Juni 1491 geborene und in Whitehall-Palace in London am 28. Januar 1547 mit 55 Jahren gestorbene Heinrich (VIII. Tudor) wurde als Sohn Heinrichs VII. und Elisabeths von York nach dem Tode seines älteren Bruders Arthur 1502 Thronerbe und 1509 mit 17 Jahren König von England. Allgemeiner bekannt ist er vor allem durch seine sechs Ehen, von denen die Ehe mit Katharina von Aragón und Anna von Kleve durch Scheidung und die Ehe mit Anne Boleyn und Catherine Howard durch Hinrichtung endeten. Während seiner mehr als 37jährigen Herrschaft gewann England in Europa erheblich an Bedeutung.
Der 1944 geborene Verfasser des vorliegenden Taschenbuchs wurde nach dem Studium in Köln, Göttingen und Bochum und dem 1969 abgelegten ersten Staatsexamen für das höhere Lehramt wissenschaftliche Hilfskraft in Bochum und nach der Promotion über Armut und Wissenschaft (Beiträge zur Geschichte des Studienwesens der Bettelorden im 13. Jahrhundert, 1973) 1979 auswärtiger Mitarbeiter am judaistischen Forschungsinstitut Institutum Judaicum Delitzschianum in Münster. Bis zu seiner Entpflichtung lehrte er mittelalterliche Geschichte an der Universität Hannover. In diesem Rahmen legte er etwa 2003 ein Taschenbuch über die Anjou-Plantagenets. Die englischen Könige im Europa des Mittelalters vor.
Sein neues Werk gliedert sich nach einer kurzen Einleitung und einer biographischen Skizze in vier Teile. In ihnen untersucht der Verfasser in drei Abschnitten die Entwicklung der Tudor-Herrschaft im europäischen Machtgefüge, in weiteren drei Abschnitten die strukturelle und systematische Perspektive (Krone und Nobilität, Krone und innenpolitische Entwicklung und Krone und Kultur) sowie danach die Weiterentwicklung der Herrschaft der Tudor nach dem Tode Heinrichs VIII. Im Ergebnis si |
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Berg, Matthias, Karl Alexander von Müller. Historiker für den Nationalsozialismus (= Schriftenreihe der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften 88). Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2014. 572 S. Zugleich überarb. und gekürzte Fassung von Berlin, Humboldt-Univ. Diss. 2013. Besprochen von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen Berg, Matthias, Karl Alexander von Müller. Historiker für den Nationalsozialismus (= Schriftenreihe der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften 88). Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2014. 572 S. Zugleich überarb. und gekürzte Fassung von Berlin, Humboldt-Univ. Diss. 2013. Besprochen von Gerhard Köbler.
Karl Alexander von Müller wurde in München am 20. Dezember 1882 als Sohn des Kultusministers Ludwig August von Müller geboren. Nach dem 1901 bestandenen Abitur am Wilhelmsgymnasium in München studierte er als Stipendiat der Stiftung Maximilianeum Rechtswissenschaft und Geschichte in München und wurde nach einem Jahr als Stipendiat in Oxford 1908 mit der durch Sigmund von Riezler betreuten Dissertation über Bayern im Jahre 1866 und die Berufung des Fürsten Hohenlohe promoviert und 1926 auf Grund der Schrift Joseph Görres 1819/1820 habilitiert, woraufhin er als Syndikus der Bayerischen Akademie der Wissenschaften und Honorarprofessor der Universität München wirken konnte. 1928 wurde er als Nachfolger Michael Döberls ordentlicher Professor für bayerische Landesgeschichte, 1935 auch Professor für mittlere und neuere Geschichte und hatte eine Vielzahl bekannter Hörer und Schüler wie Baldur von Schirach, Rudolf Heß, Hermann Göring, Walter Frank, Hermann Kellenbenz, Alois Hundhammer, Heinz Gollwitzer, Theodor Schieder oder Karl Bosl.
Nach dem Ende der nationalsozialistischen Herrschaft wurde er, der im Mai 1933 der Nationalsozialistischen deutschen Arbeiterpartei beigetreten war und ihren Zielsetzungen in vielfacher Weise diente, auf Anordnung der amerikanischen Militärverwaltung zwangsweise emeritiert. Trotz einer umfangreichen, vorwiegend der Rechtfertigung dienenden Autobiographie und zahlreicher anderer Studien lag nach den Erkenntnissen des Verfassers eine wissenschaftsgeschichtliche und historiographiegeschichtliche Studie bisher nicht vor. Die von Rüdiger vom Bruch betreute und geförderte, im Fr |
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Bielefeld und die Welt. Prägungen und Impulse, hg. v. Büschenfeld, Jürgen/Sunderbrink Bärbel (= 17. Sonderveröffentlichung des historischen Vereins für die Grafschaft Ravensberg e. V.). Verlag für Regionalgeschichte, Bielefeld 2014. 655 S., 227 Abb. Besprochen von Thomas Vogtherr. |
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Bielefeld feierte 2014 seinen 800. Geburtstag, Grund genug, einen voluminösen, reich bebilderten und prachtvoll aufgemachten Band vorzulegen, der keine Stadtgeschichte sein will, aber doch historische Tiefenbohrungen exemplarischer Art vornimmt, wie die beiden Herausgeber in ihrem Vorwort schreiben (S. 11-16), das in ungetrübter Selbstsicherheit mit der früheren Orts- und Landesgeschichte ins Gericht geht und mit Feststellungen aufwartet wie derjenigen, dass „die vom Nationalsozialismus missbrauchte Landesgeschichte nach 1945 auf jeden Fall politisch desavouiert“ gewesen sei, weswegen (!) methodische und methodologische Neuerungen wie die besonders geschätzte Mikrogeschichte oder die Geschichte der Globalisierung vonnöten gewesen seien. Man kann es sich forschungsgeschichtlich auch einfach machen. Dazu passt es auch, dass die durchaus respektable, dreibändige Stadtgeschichte von Reinhard Vogelsang (erschienen 1988-2005) an dieser Stelle keines Wortes gewürdigt wird. Der Historiker als Rezensent ist mindestens irritiert.
Die folgenden Beiträge sind großenteils sehr ergiebige Detailstudien, die in Gruppen zur Bevölkerung und ihrer Geschichte, zu „Stadtherrschaften“, zur Einbindung in überörtliche Wirtschaftsstrukturen, zu „Bielefelder Weltsichten“, zur baulichen Gestaltung der Stadt und zur Vielfalt der Kulturkontakte zusammengestellt sind. Jede dieser Sachgruppen wird von einem Beitrag eröffnet, der von meist politisch Verantwortlichen oder von Journalisten stammt, eine interessante und durchaus reizvolle Gegenüberstellung mit den dann folgenden wissenschaftlichen Beiträgen. Freilich entsteht auf diese Weise eine Form von Hybridpublikation, die nicht nur in keine Schublad |
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Biographisches Handbuch des deutschen auswärtigen Dienstes 1871-1945, hg. v. Auswärtigen Amt - historischen Dienst – bearb. v. Isphording, Bernd/Keiper, Gerhard/Kröger, Martin, Band 5 T-Z. Schöningh, Paderborn 2014. XIV, 548 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen Biographisches Handbuch des deutschen auswärtigen Dienstes 1871-1945, hg. v. Auswärtigen Amt - historischen Dienst – bearb. v. Isphording, Bernd/Keiper, Gerhard/Kröger, Martin, Band 5 T-Z. Schöningh, Paderborn 2014. XIV, 548 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Der deutsche auswärtige Dienst hatte und hat die Interessen des deutschen Staates im Ausland zu wahren, zu vertreten und zu fördern. Zwischen 1871 und 1945 wandelte sich dieser Staat in beachtlicher Weise mehrfach. Nicht zuletzt von daher ist ein biographisches Handbuch der Mitglieder der Behörde in jedem Fall von erheblichem Interesse.
In Verwirklichung dieser Vorstellung begann der historische Dienst des auswärtigen Amtes bereits 1999 mit der Veröffentlichung des von Anfang an auf fünf Bände berechneten Sammelwerks. Dementsprechend erschien der Band 1 von A bis F 2000, der Band 2 von G bis K 2005, der Band 3 von L bis R 2008 und der Band 4 mit dem umfangreichen Buchstaben S 2012. Mit dem vorliegenden fünften Band kann das gewichtige Werk erfreulicherweise abgeschlossen werden.
Er beginnt nach einem Abbildungsnachweis mit dem nicht abgebildeten Journalisten und Übersetzer Wolfgang Tadken und endet mit Otto von Zwehl. Um das von Beginn an verfolgte Ziel eines vollständigen Handbuchs zu verwirklichen, werden erfreulicherweise auf den Seiten von 399 bis 461 Nachträge von Abert bis Seifert geboten, denen sich Ergänzungen und Korrekturen anschließen. Ein Register der Biographien aller Bände schließt den interessanten, mit größtmöglicher Sorgfalt erarbeiteten Inhalt personell von Abeken bis Zwehl auf, so dass auch die Nachträge, Ergänzungen und Korrekturen benutzerfreundlich eingebunden sind.
Innsbruck Gerhard Köbler
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Birndorfer, Franz, Der erstinstanzliche Prozessalltag von 1938 bis 1949 anhand der Ehescheidungsakten des Landgerichts Amberg zu § 55 EheG 1938 und § 48 EheG 1946 (= Rechtskultur Wissenschaft 11). Edition Rechtskultur, Regenstauf 2013. 443 S. Zugleich Diss. jur. Regensburg 2013. Besprochen von Werner Schubert. |
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Untersuchungen zur Ehescheidungspraxis der Landgerichte zwischen 1938 und 1948 insbesondere zu § 55 EheG (§ 48 EheG 1946) liegen bisher kaum vor, so dass es zu begrüßen ist, dass sich Birndorfer in seiner Regensburger Dissertation dieser Thematik für das Landgericht Amberg angenommen hat. Grundlage der Untersuchungen sind die nahezu vollständig erhalten gebliebenen Prozessakten des Landgerichts Amberg zur Zerrüttungsscheidung (55 Verfahren für die Zeit bis Kriegsende). Im ersten Teil der Untersuchungen geht Birndorfer auf die Entstehungsgeschichte des § 55 EheG ein (S. 24-39; hierzu auch die Quellen bei W. Schubert, Das Familien- und Erbrecht unter dem Nationalsozialismus. Ausgewählte Quellen, Paderborn 1993, S. 120ff.). Es folgt ein Abschnitt über „Einflussnahme und Gleichschaltung“ (S. 40-63) und über den „Umgang mit dem neuen Recht“ (S. 64-80) durch das Reichsgericht, das in seiner grundsätzlichen Entscheidung vom 17. 4. 1939 „die Nichtbeachtung des Widerspruchs“ nicht als „Ausnahme von einer in § 55 Abs. 2 zu suchenden Regel, sondern vielmehr die Rückkehr zur Regel des ersten Absatzes“ sah (RGZ 160, 144, 147). Allerdings verfolgte das Reichsgericht keine einheitliche Linie (hierzu Kathrin Nahmmacher, Die Rechtsprechung des RG und der Hamburger Gerichte zum Scheidungsgrund des § 55 EheG 1938 in den Jahren 1938 bis 1945, 1999, S. 115ff., 127ff.) insbesondere in späteren Entscheidungen, so dass sich die Instanzgerichte an eine konsequente Anwendung des Regel-Ausnahme-Verhältnisses von § 55 Abs. 1 zu § 55 Abs. 2 S. 2 EheG gebunden fühlten.
Auf den Seiten 81-228 befasst sich Birndorfer d |
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Birnhack, Michael D., Colonial Copyright. Intellectual Property in Mandate Palestine. Oxford University Press, Oxford 2012. XVI, 313 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
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Seit dem Ausgang des Mittelalters wird das Urheberrecht stetig wichtiger und erlangt allmählich einen bedeutsamen Platz neben dem Recht der körperlichen Sachen. Eine führende Rolle hat auf diesem Wege das englische Recht gespielt, das in dieser Hinsicht auch bereits gut erforscht ist. Demgegenüber bestehen noch bedeutende Lücken in Bezug auf weniger fortschrittlich entwickelte Gebiete außerhalb Europas.
Der Verfasser möchte diese Lücke für das Mandatsgebiet Palästina des Völkerbunds schließen. Dieses entstand nach dem Zusammenbruch des osmanischen Reiches nach dem ersten Weltkrieg und wurde 1920 auf der Konferenz von San Remo an Großbritannien übertragen. Auf seinem Gebiet bildeten sich Israel, das 1923 abgetrennte und 1948 zu einem unabhängigen Königreich umgeformte Jordanien (Transjordanien), der Gazastreifen und das Westjordanland.
Während üblicherweise das von Großbritannien aus seinen Einflussgebieten übermittelte Urheberrecht im Mittelpunkt des Interesses steht, möchte der von seinem Tel-Aviver Universitätskollegen Assaf Likhovsski angeregte Verfasser die Sichtweise umkehren und von dem beherrschten Gebiet ausgehen. Dazu gliedert er seine sorgfältige weiterführende Arbeit nach einer kurzen Einleitung in insgesamt elf Kapitel etwa über die Beeinflussung der Kolonien insgesamt, das koloniale Copyright, das britische koloniale Copyright, die Copyrightgesetzgebung in Palästina seit 1910, den Rundfunk, die Telegraphie, das arabische Copyright und vieles andere mehr bis zu dem heutigen jüdischen Copyright. Im Ergebnis kann er feststellen, dass am Ende des Tages, an dem die Mandatsmacht ihre Mandatsherrschaft aufgab, das bestehende Recht erhalten blieb, womit er die bisherige Forschungslücke in nicht völlig unerwarteter Weise geschlossen hat.
Innsb |
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Bivolarov, Vasil, Inquisitoren-Handbücher. Papsturkunden und juristische Gutachten aus dem 13. Jahrhundert mit Edition des Consilium von Guido Fulcodii (= Monumenta Germaniae Historica, Studien und Texte 56). Harrassowitz, Wiesbaden 2014. XXXIII, 327 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
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Die Ketzer bekämpft die Kirche schon im ausgehenden Altertum durch Verbote der Gottesdienste, Enteignung der Güter und Androhung der Todesstrafe. Seit 1215/1231/1252 (1215 4. Laterankonzil mit Pflichtbeichte mit der Folge der Herausbildung eines inquisitorischen Prozessrechts für die Beichtpraxis) werden besondere Inquisitoren (Untersucher) eingesetzt (z. B. 1227 Konrad von Marburg). Als Papst Gregor IX. (1227-1241) die Bettlerorden der Dominikaner und Franziskaner mit der gerichtlichen Verfolgung der Ketzer beauftragt, entsteht, wie der Verfasser in seiner Einleitung darlegt, eine besondere Gemeinschaft von Richtern zur Ermittlung und Verfolgung, für die vor allem die Päpste zahlreiche Regeln in Urkunden und Gutachten schufen, welche in Inquisitoren-Handbücher beziehungsweise Sammlungen für Inquisitoren aufgenommen wurden.
Mit ihnen befasst sich die vorliegende, von Peter Herde angeregte und betreute, im Frühjahr 2012 von der philosophischen Fakultät I der Universität Würzburg angenommene überzeugende Dissertation des Verfassers, der ursprünglich eine kritische Edition des Consilium des Guido Fulcodii vornehmen sollte, in diesem Zusammenhang aber vielleicht sämtliche Handschriften über die Inquisition im 13. Jahrhundert ermittelte, die Rechtsgrundlagen der Inquisition erforschte und ihre Entwicklung im 13. Jahrhundert verfolgte. Gegliedert ist die Arbeit außer in Einleitung und Ergebnisse in sieben Sachkapitel. Sie betreffen die 192 Handschriften der Papstbriefe und der 43 Konsilien in Bologna, Clermont-Ferrand, Dole, Dublin, Faenza, Florenz, Greifswald, Linz, Mailand, Mantua, New Haven, Paris, Rom, Siena, Sankt Florian, dem Vatikan, Venedig, Vicen |
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Bleicken, Jochen, Die römische Republik. Oldenbourg, München 2012. 128 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen Bleicken, Jochen, Die römische Republik. Oldenbourg, München 2012. 128 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Die römische Republik ist ein Teil des geschichtwissenschaftlichen Weltkulturerbes der Menschheit, der zahllose Spuren bis zur Gegenwart hinterlassen hat und auch in der Zukunft weiter bewirken wird. Die Idee der Verhinderung von Machtmissbrauch und Korruption durch Auswechselung der Amtsträger nach festen kurzen Amtsperioden und gleichzeitiger gegenseitiger Kontrolle durch Kollegialität ist zeitlos gültig. Würde sie überall wirklich ernst genommen, könnte dies dem Machtunterworfenen sehr nützlich sein, weil Macht in der Regel korrumpiert.
Der in Westerland auf Sylt 1926 geborene, als Professor für alte Geschichte in Hamburg, Frankfurt am Main und in Göttingen (1977-1991) wirkende, 2005 in Hamburg verstorbene Jochen Bleicken galt bereits lange vor seinem Tode als einer der bedeutendsten Kenner der römischen Verfassungsgeschichte und Sozialgeschichte. Die Grundlagen hierfür hatte er in Kiel 1954 unter Alfred Heuß mit einer Untersuchung über das römische Volkstribunat und in Göttingen 1961 mit einer Habilitationsschrift über Senatsgericht und Kaisergericht gelegt. Seitdem hatte er Standardwerke zur Geschichte der römischen Republik, der Kaiserzeit und der frühen Spätantike verfasst.
Das vorliegende, vom Verlag ohne weitere Erklärung veröffentlichte Werk bietet einen kurzen und klaren Überblick. Es gliedert sich in insgesamt zehn Abschnitte über Italien im frühen ersten vorchristlichen Jahrtausend, (die konkurrierenden) Etrusker und Griechen, die Frühzeit mit Gründung und Königtum, die Republik bis 338 v. Chr., Staat und Gesellschaft nach dem Ausgleich zwischen Patriziern und Plebejern, den Kampf um Italien (gegen Samniten und König Pyrrhos), den Aufstieg zur Weltmacht im Ringen mit Karthago, die Ursachen der inneren Krisen seit den Gracchen und die Auflösung der Republik durch Pompeius und Caesar bis zur Aufrichtung der Mo |
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Blyth, Mark, Wie Europa sich kaputtspart. Die gescheiterte Idee der Austeritätspolitik, aus dem Englischen von Vormann, Boris.. Dietz, Bonn 2014. 349 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen Blyth, Mark, Wie Europa sich kaputtspart. Die gescheiterte Idee der Austeritätspolitik, aus dem Englischen von Vormann, Boris.. Dietz, Bonn 2014. 349 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
In der Natur gibt es zwar eine Zukunft, aber wohl keinen Kredit. Demgegenüber hat der Mensch die Möglichkeit erfunden, etwas mit Hilfe des Vermögens anderer auszugeben, was ihm nicht gehört, womit er sich aber einen Gewinn verspricht, mit dem er die Schuld zurückzahlen will. Dementsprechend stehen sich eine Sparmöglichkeit, bei der nur ausgegeben werden kann, was man (vorher gespart) hat und eine Verschuldungsmöglichkeit in der Hoffnung auf eine bessere Zukunft gegenüber.
Der sich mit diesem Fragenkreis beschäftigende Verfasser ist ein 1967 geborener, als Professor für International Political Economy am Department of Political Science der 1764 gegründeten Brown University in Providence/Rhode Island tätiger Politikwissenschaftler, der als Halbwaise in bescheidenen Verhältnissen bei seiner Großmutter in Dundee in Schottland aufwuchs und 1999 an der Columbia University promoviert wurde. 2002 erschien sein Werk über Great transformations – economic ideas and institutional change in the twentieth century. In seinem vorliegenden, von der Hans-und-Traute-Matthöfer-Stiftung in der Friedrich-Ebert-Stiftung gefördertes, zuerst 2013 bei Oxford University Press erschienenen Buch beginnt er seine Ausführungen mit der Erklärung, warum ihm das Sparen nicht fremd ist.
Danach gliedert er seine die Wirtschaftsgeschichte umfangreich einbeziehenden Überlegungen in die drei Teile, warum wir alle sparen müssen, die Geschichte der austerity zwischen 1692 und 1942, 1942 und 2012 sowie in der politischen Praxis zwischen 1914 und 2012 und eine Schlussbetrachtung. Im Kern geht es ihm um die Widerlegung der Behauptung, dass Staatsausgaben das größte Hindernis für neues Wachstum sind, weshalb hoch verschuldete Staaten sparen müssten. Dies stuft der gewandte Verfasser m |
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Bogaerts, Pierrre/Dupon, Frédéric u. .a. 1812-2012. 200 Jaar Orde van Advocaten te Antwerpen. Die Keure, Brügge 2012. XI, 327 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen Bogaerts, Pierrre/Dupon, Frédéric u. .a. 1812-2012. 200 Jaar Orde van Advocaten te Antwerpen. Die Keure, Brügge 2012. XI, 327 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Der Advokat ist seit dem 5. Jahrhundert in der christlichen Kirche ein Funktionsträger, dessen Zuziehung in weltlichen Streitigkeiten der Geistlichen noch im Frühmittelalter vorgeschrieben wird. Am Ende des 14. Jahrhunderts findet das Wort als Fremdwort Aufnahme im deutschen Sprachraum. Im Prozess verfasst der Advokat als Berater und Vertreter einer Partei Klageschriften und andere Stellungnahmen und trägt sie vor Gericht mündlich vor.
Das Jahr 1812 ist für die Advokaten in Antwerpen von besonderer Bedeutung. Deswegen ist zur zweihundertsten Wiederkehr dieses einschneidenden Zeitpunkts die vorliegende Festschrift als Gemeinschaftswerk elfer Bearbeiter erschienen. Dieses gliedert sich nach einem kurzen Vorwort in zwei Teile.
Der erste Teil befasst sich mit der Rechtsorganisation und behandelt nach der Abschaffung der Advokatur in napoleonischer Zeit die Verhältnissen in den Niederlanden und Belgien und dem Demokratisierungsprozessw bis zu dem Gesetz vom 21. Juni 2006. Der zweite Teil stellt die wichtigsten Personen und die bedeutendsten geschichtlichen Zeitabschnitte bis zum Ende des zweiten Weltkriegs vor. Zahlreiche Abbildungen veranschaulichen die vielfältigen interessanten Gegebenheiten, während eine umfassende biographische Zusammenstellung die gewichtigsten Funktionsträger der Antwerpener Advokatur von Henri Baas in den Jahren 1812-1816 bis zur Amtsperiode 2011-2012 und für die Vlaamse Conferentie Antwerpens von 1895 bis 2012 bietet, so dass jeder an der Geschichte der Advokatur Antwerpens Interessierte in dem stattlichen Werk eine feste und verlässliche Grundlage für weitere detailliertere Einzelforschungen finden wird.
Innsbruck Gerhard Köbler
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Böhm, Johann/Popa, Klaus, Vom NS-Volkstum- zum Vertriebenenfunktionär. Die Gründungsmitglieder des Südostdeutschen Kulturwerks München und der Landsmannschaften der Deutschen aus Rumänien, Ungarn und Jugoslawien. Lang, Frankfurt am Main 2014. 358 S. Besprochen von Werner Augustinovic. |
Ganzen Eintrag anzeigen Böhm, Johann/Popa, Klaus, Vom NS-Volkstum- zum Vertriebenenfunktionär. Die Gründungsmitglieder des Südostdeutschen Kulturwerks München und der Landsmannschaften der Deutschen aus Rumänien, Ungarn und Jugoslawien. Lang, Frankfurt am Main 2014. 358 S. Besprochen von Werner Augustinovic.
Für die Expansion Hitler-Deutschlands bot die Existenz volksdeutscher Minderheiten in vielen Staaten Ostmitteleuropas und Südosteuropas ideale Rahmenbedingungen, um unter dem Motto „Ein Volk, ein Reich, ein Führer“ die Vereinigung dieser Bevölkerungsteile mit der Masse des deutschen Volkes zu fordern und damit die betreffenden Länder massiv unter Druck zu setzen. Das Musterbeispiel für diese Erpressungspolitik liefert die Zerschlagung der Tschechoslowakei mit der Eingliederung des mit Masse deutsch besiedelten Sudetenlandes ins Deutsche Reich, der Schaffung des Protektorats Böhmen und Mähren sowie des slowakischen Satellitenstaates. Im Südosten gerieten die Volksgruppenführungen der Banater Schwaben in Jugoslawien, Ungarn und Rumänien sowie der seit dem Mittelalter im nunmehr rumänischen Siebenbürgen ansässigen Siebenbürger Sachsen zunehmend unter nationalsozialistischen Einfluss. Der Zusammenbruch des Dritten Reiches bedeutete zugleich die faktische Auslöschung dieser Volksgruppen: Als Kollaborateure gebrandmarkt, der Rache der Sieger ungeschützt preisgegeben, oft an Leib und Leben bedroht und durch Enteignungsdekrete in ihrer wirtschaftlichen Existenz vernichtet, entschied sich die überwiegende Mehrheit dieser Menschen für die Aussiedlung nach dem Westen Europas oder nach Übersee. Viele blieben dort den Traditionen ihrer ehemaligen Heimat weiter verbunden, indem sie sich in Landsmannschaften (heute: Verbände) organisierten, die wiederum für sich exklusiv die Vertretung der Interessen ihrer Landsleute und die Kulturpflege reklamierten. In der Bundesrepublik Deutschland wirkten in diesem Sinn das „Südostdeutsche Kulturwerk“ (gegründet 1951/1952) und dessen P |
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Borhy, László, Die Römer in Ungarn, mit einem Beitrag von Szabó, Miklós (= Zaberns Bildbände zur Archäologie = Sonderbände der antiken Welt). Philipp von Zabern, Darmstadt 2014. 168 S., 137 Abb. Besprochen von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen Borhy, László, Die Römer in Ungarn, mit einem Beitrag von Szabó, Miklós (= Zaberns Bildbände zur Archäologie = Sonderbände der antiken Welt). Philipp von Zabern, Darrnstadt 2014. 168 S., 137 Abb. Besprochen von Gerhard Köbler.
Zwischen 9 und 433 n. Chr. hatten die Römer im Karpathenbecken eine Provinz, die sie nach den dort vorgefundenenen Pannonii (Pannoniern) Pannonia nannten. Sie wurde später zweigeteilt, um 300 in vier Teile geteilt und 433 an den Hunnen Attila gegeben. Nach dem vorangestellten Beitrag Miklós Szabós gingen den Römern seit dem Ende der Früheisenzeit (750-450 v. Chr.) Kelten voraus, ehe bei griechischen und lateinischen Autoren der Sammelname Pannonioi oder Pannonii für die illyrischen Stämme zwischen den Flüssen Drau und Save bzw. auf beiden Ufern der Save erscheint.
Mit der anschließenden Herrschaft der Römer lange vor der Ankunft der Ungarn am Ende des Frühmittelalters befasst sich der von Géza Alföldy (1935-2011) um das Jahr 2005 angeregte, von der Alexander-von-Humboldt-Stiftung großzügig mehrmals unterstützte glanzvolle Sammelband des in Szombathely 1963geborenen, nach dem Studium der Geschichte und Archäologie in Budapest und einer Postgraduiertenausbildung in Heidelberg 1996 promovierten, 2002 habilitierten und 2006 als Ordinarius für Archäologie berufenen Verfassers. Er gliedert sich nach Danksagung, Einleitung und dem Beitrag Miklos Szabós in das Gebiet Pannoniens vor der Eroberung und neun weitere Abschnitte. Sie betreffen die Eroberung und Integration, die Städte und den Limes im 1. und 2. nachchristlichen Jahrhundert, die Geschichte Pannoniens während der Prinzipatszeit, die Markomannenkriege in Pannonien, die Severerzeit in Pannonien, die Gesellschaft, Wirtschaft, Kunst und Religion Pannoniens bis zum Ende der Severerzeit, Pannonien und das Illyricum im 3. Jahrhundert n. Chr., die Geschichte Pannoniens in der Spätantike und die letzten Jahrzehnte Pannoniens mit der Frage des Weiterlebens der prov |
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Boyron, Sophie, The Constitution of France. A Contextual Analysis. Hart, Oxford2013. XX, 269 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen Boyron, Sophie, The Constitution of France. A Contextual Analysis. Hart, Oxford2013. XX, 269 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Die wissenschaftliche Verfassungsgeschichte setzt entweder mit der von George Mason (1725-1792) entworfenen und am 12. 6. 1276 vom Konvent der nach Unabhängigkeit strebenden englischen Kolonie Virginia verabschiedeten Menschenrechtserklärung ein oder sieht diese jedenfalls als den wesentlichen Schritt des Übergangs von der materiellen Verfassung zur formellen Verfassung an. Dementsprechend steht Frankreich zwar bei der revolutionären Forderung und Gewinnung von Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit an erster Stelle, doch folgt es in Bezug auf die formelle Verfassung selbst in Europa zeitlich erst Polen, wenn auch nur wenige Zeit nach. Im Übrigen ist t seine Verfassungsentwicklung insgesamt ebenfalls mehr vielfältig als eigentlich vorbildlich.
Dementsprechend bedeutsam ist die Beschäftigung der in Paris I ausgebildeten Verfasserin mit der Verfassung Frankreichs im Rahmen einer weltweiten Reihe von Verfassungsdarstellungen, in der bisher Großbritannien, die Vereinigten Staaten von Amerika, Vietnam, Südafrika, Japan, Deutschland, Finnland, Australien, Österreich, Russland, Thailand, Malaysia, China und Indonesien behandelt wurden. Von Frankreich aus kam die auch rechtsvergleichend arbeitende Autorin an La Maison Française d’Oxford und 1989 an die Birmingham Law School. Zusammen mit John Bell hat sie bereits 1998 die Prinzipien des französischen Rechtes erfolgreich dargelegt.
Das vorliegende Werk gliedert sich in insgesamt acht Kapitel. Nach einer kurzen geschichtlichen, 1789 einsetzenden Einführung sucht die Verfasserin die Grundlagen der Verfassung von 1958 und erörtert danach den Vorrang der Exekutive, die Erneuerung des Parlaments, das Vordringen der richterlichen Gewalt, das Verhältnis des Volkes zur Verfassung, die Beziehung zu untergeordneten und übergeordneten Ebenen und die Hinweise auf eine |
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Brägger, Rafael, Actio auctoritatis (= Freiburger rechtsgeschichtliche Abhandlungen Neue Folge Band 67). Duncker & Humblot, Berlin 2012. 254 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen Brägger, Rafael, Actio auctoritatis (= Freiburger rechtsgeschichtliche Abhandlungen Neue Folge Band 67). Duncker & Humblot, Berlin 2012. 254 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Die actio auctoritatis ist im römischen Recht grundsätzlich der Klaganspruch eines wegen einer durch Manzipation erworbenen Sache von einem Dritten angegriffenen und vom Veräußerer nicht geschützten oder unterliegenden Käufers auf den doppelten Kaufpreis. Die hierzu vom Verfasser vorgelegte Untersuchung ist seine von Wolfgang Ernst in Zürich angeregte und betreute, von Art. 192 I des Obligationenrechts der Schweiz ausgehende, am 9. November 2011 genehmigte Dissertation in leicht überarbeiteter Fassung.
Sie gliedert sich nach einer Einleitung über den Gegenstand der Untersuchung, Vorgehen und Methode, Quellen, Interpolationen, Forschungsgeschichte (Mommsen, Lenel, Girard, Ferdinand de Visscher, Max Kaser, Hans Ankum und andere) sowie die Erklärung von auctor und auctoritas in zwei Teile. Zunächst stellt der Verfasser die auctoritas-Pflicht dar. Danach wendet er sich der actio auctoritatis zu und stellt abschließend den Ertrag seiner Untersuchung dar.
Insgesamt geht er ansprechend davon aus, dass trotz der Tilgung der auctoritas und der actio auctoritatis aus den Digesten Justinians durch die Kompilatoren an dem geschichtlichen Bestand einer auctoritas Haftung kein Zweifel bestehen kann. Davon abweichende Ansichten Sargentis, Pugsleys und Moras führt er im Kern darauf zurück, dass sie im Wesentlichen eher auf allgemeinen Überlegungen beruhen als auf einer sorgfältigen Quellenanalyse. Allerdings räumt er seinerseits ein, dass das aus den ausgewerteten Quellentexten zu gewinnende Bild bei dem jetzigen Forschungsstand nicht lückenlos ist und sich nur noch einige wesentliche Voraussetzungen und Eigenschaften der getilgten actio auctoritatis erkennen lassen.
Innsbruck Gerhard Kö |
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Bremm, Klaus-Jürgen, Das Zeitalter der Industrialisierung. Theiss, Darmstadt 2014. 224 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
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Die Industrie als die gewerbliche Gewinnung und Verarbeitung von Rohstoffen durch den Menschen entsteht nach allmählichen Änderungen in Handel, Wissenschaft, Landwirtschaft, Technik und Mentalität in einem evolutionären Vorgang in Großbritannien seit der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, weil dort Kohle und Eisenerz leicht abbaubar und nahe beieinander verwertet werden können. Dieser Vorgang verändert in der Folgezeit das Leben nahezu aller erheblich. Insbesondere verliert die bis dahin vorherrschende Landwirtschaft gegenüber der arbeitsteiligen gewerblichen Wirtschaft ihre einstige Bedeutung, so unabdingbar die natürlichen Erzeugnisse für das Leben bislang auch sind.
Mit dieser Industrialisierung befasst sich großformatig das neueste Werk des in Duisburg 1958 geborenen Verfassers, der nach dem Abitur in Prüm 1977 als Offiziersanwärter in die Bundeswehr eintrat. Nach dem Studium der Betriebswirtschaftslehre an der Bundeswehruniversität in Hamburg und der Geschichte an der Universität Hamburg wurde er 1989 Unternehmensberater und 1996 freiberuflicher Publizist. 2003 wurde er mit der Dissertation von der Chaussee zur Schiene (Militärstrategie und Eisenbahnen in Preußen von 1833 bis zum Feldzug 1866) promoviert und legte seitdem verschiedene weitere Arbeiten zur Militärgeschichte und Technikgeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts vor.
Der vorliegende Band setzt beschaulich mit einem Gemälde Adolph von Menzels über die Eröffnung der Berlin-Potsdamer Bahn im Jahre 1838 ein. Nach einem kurzem Vorwort erklärt es, wie alles anfing (die Baumwollfabrikation als Mutter aller Industrien, Adam Smith und die mysteriöse Kraft der „unsichtbaren Hand“, James Watt mit der technischen Grundlegung) und schildert anschließend den mühsamen Aufholprozess auf dem Kontinent, den Krimkrieg, die Eisenbahnen, die verhältnismäß |
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Breuer, Stefan, Der charismatische Staat. Ursprünge und Frühformen staatlicher Herrschaft. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2014. 319 S., 7 Kart. Besprochen von Gerhard Köbler. |
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Das Leben des einzelnen Menschen wird zwar überwiegend durch seine Anlagen, seine Umwelt und die auf dieser Grundlage von ihm in nicht wirklich bekannter Art und Weise getroffenen Entscheidungen sowie ähnliche Entscheidungen von Mitmenschen bestimmt, wesentliche Rahmenbedingungen setzen dabei aber seit Jahrhunderten oder vielleicht sogar Jahrtausenden die von ihm selbst hervorgebrachten Staaten, von denen in der Gegenwart 193 für mehr als 7,2 Milliarden Menschen anerkannt sind. Deswegen hat sich seit langem die Frage nach dem Entstehungszeitpunkt des Staates und seinem Entstehungsgrund gestellt. Mangels konkreter Quellenaussagen lässt sich darauf letztlich wohl nur theoretisch konklusiv antworten.
Der in Eisenach 1948 geborene Verfasser des vorliegenden Werkes wurde nach dem Studium von Politikwissenschaft, Geschichte und Philosophie in Mainz, München und Berlin 1977 mit einer Dissertation über die Krise der Revolutionstheorie (Negative Vergesellschaftung und Arbeitsmetaphysik bei Herbert Marcuse) promoviert und 1982 mit einer umfangreichen Schrift über die Sozialgeschichte des Naturrechts habilitiert. Im Anschluss hieran wurde er Professor für Soziologie an der Hamburger Universität für Wirtschaft und Politik, die 2005 als Department in die Universität Hamburg eingegliedert wurde. Vor allem auf der Grundlage der Arbeiten Max Webers hat er neben zahlreichen weiteren Studien bereits 1998 eine Untersuchung über den Staat in Bezug auf Entstehung, Typen und Organisationsstadien vorgelegt.
Das jetzige, nicht zuletzt die Senkung der Ignoranzschwelle in der wissenschaftlichen Diskussion anstrebende Werk gliedert sich nach einer Einleitung vor allem örtlich. Nach einem Vorspiel auf dem Theater in Ozeanien (Melanesien, Westpolynesien, Ostpolyn |
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Briel, Cornelia, Beschlagnahmt, erpresst, erbeutet. NS-Raubgut, Reichsaustauschstelle und Preußische Staatsbibliothek zwischen 1933 und 1945, hg. v. Bödeker, Hans Erich/Bötte, Gerd-Josef in Zusammenarbeit mit der Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbeseitz, mit einem Geleitwort von Barbara Schneider-Kempf. Akademie Verlag, Berlin 2013. 401 S., 20 Abb. Besprochen von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen Briel, Cornelia, Beschlagnahmt, erpresst, erbeutet. NS-Raubgut, Reichsaustauschstelle und Preußische Staatsbibliothek zwischen 1933 und 1945, hg. v. Bödeker, Hans Erich/Bötte, Gerd-Josef in Zusammenarbeit mit der Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, mit einem Geleitwort von Barbara Schneider-Kempf. Akademie Verlag, Berlin 2013. 401 S., 43 Abb. Besprochen von Gerhard Köbler.
Wie die Generaldirektorin der Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz in ihrem kurzen Geleitwort drastisch formuliert, duldet sie es nicht, dass sich gestohlene Bücher unter den Beständen befinden. Da das, was zwischen der Ernennung Adolf Hitlers zum Kanzler des Deutschen Reiches im Jahre 1933 und der bedingungslosen Kapitulation des Deutschen Reiches im Jahre 1945 als rechtmäßig galt, in der Gegenwart bei Weitem nicht mehr in allen Fällen als rechtmäßig anerkannt ist, ist eine zeitgemäße Überprüfung damaliger Vorgänge und heutiger Zustände hilfreich und notwendig. Sie wird für die Reichsaustauschstelle und die preußische Staatsbibliothek im Rahmen eines von 2006 bis 2009 von der Staatsbibliothek und dem Max-Planck-Institut für Geschichte durchgeführten Forschungsprojekts geleistet.
Das daraus hervorgegangene, bereits für das Jahr 2011 angekündigte Werk erweckte sogleich das Interesse eines sachkundigen Rezensenten. Allerdings konnte der Verlag seine diesbezügliche Zusage eines Rezensionsexemplars nach dem Erscheinen leider nicht einhalten. Deswegen muss der Herausgeber mit wenigen Worten auf die beeindruckende Studie eingehen, welche von der vordergründigen Gesetzesförmigkeit der betreffenden Aktionen auf der Grundlage der nach der nationalsozialistischen Machtübernahme geschaffenen Gesetze und Verordnungen ausgeht.
Gegliedert ist die grundlegende Studie nach einer sachkundigen Einleitung in zwei Teile. Sie betreffen die aus der Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft hervorgegangene Reichsaustauschstelle auf ihrem |
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Broichmann, Cornelius, Der außerordentliche Einspruch im Dritten Reich. Urteilsaufhebung durch den „Führer“ Eine rechtshistorische Untersuchung unter besonderer Berücksichtigung der strafverfahrensrechtlichen Reformbestrebungen im Dritten Reich und der höchstrichterlichen Rechtsprechungspraxis des Besonderen Strafsenats beim Reichsgericht sowie des Besonderen Senats beim Volksgerichtshof (= Quellen und Forschungen zur Strafrechtsgeschichte 11). Erich Schmidt Verlag, Berlin 2014. 523 S., Tab., zugleich Diss. |
Ganzen Eintrag anzeigen Broichmann, Cornelius, Der außerordentliche Einspruch im Dritten Reich. Urteilsaufhebung durch den „Führer“ Eine rechtshistorische Untersuchung unter besonderer Berücksichtigung der strafverfahrensrechtlichen Reformbestrebungen im Dritten Reich und der höchstrichterlichen Rechtsprechungspraxis des Besonderen Strafsenats beim Reichsgericht sowie des Besonderen Senats beim Volksgerichtshof (= Quellen und Forschungen zur Strafrechtsgeschichte 11). Erich Schmidt Verlag, Berlin 2014. 523 S., Tab., zugleich Diss. jur. Augsburg 2013. Besprochen von Gerhard Köbler.
Seit der Mensch das Recht entwickelt hat, gibt es neben zahlreichen anderen Möglichkeiten auch die Alternative von Recht und Unrecht. In kaum vorstellbarem Maße werden sie ständig verwirklicht und Menschen von Mitmenschen nicht nur gesichert und gefördert oder im häufigsten Fall schlicht übersehen, sondern auch geschädigt, geschunden und getötet. Als eine besonders perfide Weise mitmenschlichen Verhaltens wird in diesem Zusammenhang der außerordentliche Einspruch im Dritten Reich angesehen, der in Abkehr vom rechtsstaatlichen Grundsatz der Rechtskraft eines Urteils am Ende eines Instanzenzugs oder eines Fristablaufs die Urteilsaufhebung durch den „Führer“ während der Zeit der nationalsozialistischen Herrschaft des von den Wählern mit ausreichender Mehrheit mittels des Reichskanzlers des Deutschen Reiches von 1933 bis zu seiner Selbsttötung am 30. April 1945 an die Macht gebrachten Adolf Hitler ermöglichte.
Mit diesem außerordentlichen Einspruch befasst sich in bisher nicht erreichter Breite und Tiefe die vorliegende, von Arnd Koch betreute und im Wintersemester 2012/2013 von der juristischen Fakultät der Universität Augsburg angenommene Dissertation des Verfassers, die auch die beiden kürzeren Bonner bzw. Münchener Dissertationen Heinrich Schaettes von 1942 und Günther Hans Ossmanns von 1952 angemessen erörtert. Sie gliedert sich nach einer Einleitung in insgesamt vier Kapitel. S |
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Broichmann, Cornelius, Der außerordentliche Einspruch im Dritten Reich. Urteilsaufhebung durch den „Führer“ Eine rechtshistorische Untersuchung unter besonderer Berücksichtigung der strafverfahrensrechtlichen Reformbestrebungen im Dritten Reich und der höchstrichterlichen Rechtsprechungspraxis des Besonderen Strafsenats beim Reichsgericht sowie des Besonderen Senats beim Volksgerichtshof (= Quellen und Forschungen zur Strafrechtsgeschichte 11). Erich Schmidt Verlag, Berlin 2014. 523 S., Tab., zugleich Diss. |
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Unter dem 16. 9. 1939 wurde das Gesetz zur Änderung von Vorschriften des allgemeinen Strafverfahrens, des Wehrmachtstrafverfahrens und des Strafgesetzbuchs erlassen, das es der nationalsozialistischen Staatsführung ermöglichte, gegen rechtskräftige Urteile in Strafsachen durch den jeweiligen Oberreichsanwalt beim Reichsgericht bzw. beim Volksgerichtshof (VGH) Einspruch zu erheben, „wenn er wegen schwerwiegender Bedenken gegen die Richtigkeit des Urteils eine neue Verhandlung und Entscheidung in der Sache für notwendig hält“. Über den Einspruch hatte der Besondere Senat des Reichsgerichts bzw. des Volksgerichtshofs zu entscheiden. Nach den Juristen des Reichsjustizministeriums (RJM) stellte der außerordentliche Einspruch ein „Werkzeug in der Hand des Führers zur Wahrung des Rechts“ dar (S. 27) und ermöglichte insbesondere eine Verschärfung von als zu milde angesehenen Strafen bis hin zur Verurteilung zum Tod. Aus der Einleitung (S. 27-45), in der Broichmann u. a. über den Forschungsstand berichtet, ergibt sich, dass bislang eine umfassende Untersuchung über den außerordentlichen Einspruch und insbesondere über die Praxis der Besonderen Senate nicht vorliegt. Es ist deshalb zu begrüßen, dass sich Broichmann dieser Thematik unter Auswertung insbesondere der Bestände des Bundesarchivs Berlin angenommen hat.
In Kapitel 1: „Reform, Rechtskraft und Rechtsbehelf“ (S. 47-126) geht Broich |
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Broichmann, Cornelius, Der außerordentliche Einspruch im Dritten Reich. Urteilsaufhebung durch den „Führer“ Eine rechtshistorische Untersuchung unter besonderer Berücksichtigung der strafverfahrensrechtlichen Reformbestrebungen im Dritten Reich und der höchstrichterlichen Rechtsprechungspraxis des Besonderen Strafsenats beim Reichsgericht sowie des Besonderen Senats beim Volksgerichtshof (= Quellen und Forschungen zur Strafrechtsgeschichte 11). Erich Schmidt Verlag, Berlin 2014. 523 S., Tab., zugleich Diss. |
Ganzen Eintrag anzeigen Broichmann, Cornelius, Der außerordentliche Einspruch im Dritten Reich. Urteilsaufhebung durch den „Führer“ Eine rechtshistorische Untersuchung unter besonderer Berücksichtigung der strafverfahrensrechtlichen Reformbestrebungen im Dritten Reich und der höchstrichterlichen Rechtsprechungspraxis des Besonderen Strafsenats beim Reichsgericht sowie des Besonderen Senats beim Volksgerichtshof (= Quellen und Forschungen zur Strafrechtsgeschichte 11). Erich Schmidt Verlag, Berlin 2014. 523 S., Tab., zugleich Diss. jur. Augsburg 2013. Besprochen von Werner Augustinovic.
Als ein essentieller Bestandteil der nationalsozialistischen Weltanschauung gilt das sogenannte Führerprinzip, das für den obersten Führer „sowohl in theoretischer als auch in praktischer Hinsicht keine Bindungen oder Schranken“ postulierte und selbst „Einschränkungen überirdischer oder rein moralischer Natur“ in Abrede stellte (S. 132). Schon früh, nämlich im Zusammenhang mit der Ermordung der unbotmäßigen SA-Führungsriege und weiterer unliebsamer potentieller Gegner von Hitlers Regime („Röhm-Putsch“) im Juni 1934, präsentierte sich der Diktator erstmalig selbst als, wie er in seiner Rechtfertigungsrede im Reichstag am 13. Juli 1934 ausführt, „des deutschen Volkes oberster Gerichtsherr“. Diese in der Folge von Kronjuristen wie Carl Schmitt staatsrechtlich untermauerte Position fand 1942 ihre formale Zementierung darin, dass sich „Hitler vom Großdeutschen Reichstag durch dessen letzten in der Zeit bis 1945 gefassten Beschluss offiziell zum obersten Gerichtsherrn des Deutschen Reiches ernennen (ließ)“ (S. 153). In dieser Eigenschaft stand ihm schon seit 1939 das Instrument des außerordentlichen Einspruchs als urteilsvernichtendes Korrektiv gegen rechtskräftige Urteile in Strafsachen zur Verfügung.
Die vorliegende Studie erforscht auf mehreren Ebenen die Geschichte dieses Rechtsinstituts, dessen Existenzgrundlage 1945 mit dem Selbstmord Adolf Hitlers und dem Zusammenbruch der |
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Brot und Spiele. Alltag im alten Rom, hg. v. Schlott, Karin. Steiner, Stuttgart 2014. 148 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
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Panem et circenses, mit denen das kurze Vorwort der Herausgeberin einsetzt, interessierten nach der im zweiten nachchristlichen Jahrhundert aufgezeichneten Ansicht des römischen Dichters Juvenal das Volk am meisten. Allerdings saßen, wie die Herausgeberin anschließend fortfährt, Juvenals römische Mitbürger nicht pausenlos in den großen Arenen Roms, waren die beliebten Spieltage schließlich doch besondere Festtage und versprachen Erholung vom Alltag. Dementsprechend werden Brot und Spiele und römischer Alltag im vorliegenden, mit zahlreichen Abbildungen versehenen Sammelheft einander gegenübergestellt.
Seine nach Ausweis des Karlsruher virtuellen Katalogs bisher literarisch anscheinend noch nicht besonders hervorgetretene Herausgeberin ist klassische Archäologin und Wissenschaftsjournalistin in Heidelberg. Sie hat für Brot und Spiele insgesamt 14 weitere Mitstreiter von dem freien Wissenschaftsjournalisten Hakan Baykal in Berlin bis zu dem in München tätigen Archäologen Mathias Will gefunden. Zusammen stellen sie 23 Studien mit einer durchschnittlichen Länge von etwa 6 Seiten einem breiteren Publikum als intellektuelles Brot und Spiel zur Verfügung.
Ihr facettenreiches Mosaik beginnt mit einem Ende mit Schrecken am Beispiel des den älteren und jüngeren Plinius hautnah einwebenden Ausbruchs des Vesuvs und endet mit dem durch eine Abbildung der Akropolis verkörperten Reisefieber der meist Wohlhabenden und Gebildeten zu den Wundern der Welt. Dazwischen sind spätere Liebe, leichtes Gewerbe, Glück, reizende Mädchen, der Sklavenmarkt, der Karneval, die Lichter Roms oder sprechende Wände von besonderer Bedeutung, doch werden auch die hohe Kunst der Landvermesser und die Verbreitung von Karies in römischen Zähnen eindrucksvoll geschildert. Insgesamt bietet das Heft vielfältige, anschaulich dargelegte Einzelh |
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Bubenheimer-Erhart, Friederike, Die Etrusker. Zabern/Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2014. 191 S., Ill. Besprochen von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen Bubenheimer-Erhart, Friederike, Die Etrusker. Zabern/Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2014. 191 S., Ill. Besprochen von Gerhard Köbler.
Die Etrusker sind ein vielleicht vor den Römern und neben den Römern in Mittelitalien ansässiges, hochstehendes, im 8. vorchristlichen Jahrhundert sichtbares, aber nicht sehr gut bekanntes, mit seinen letzten Stadtstaaten 89 v. Chr. in das römische Bürgerrecht aufgenommenes Volk. Zu ihrem auf den westlichen Raum Italiens zwischen Mantua und Capua wirkenden Kerngebiet zählten nach einer beigegebenen Karte um 300 v. Chr. zwischen Pisa, Ostia, Rom und dem Tiber Volaterrae, Sena, Arretium, Cortona, Perusia, Clusium, Populonium, Vetulonium, Volsinii Veteres, Saturrnia, Vulci, Tarquinii und Caere, so dass ihr Herrschaftsbereich vielleicht ein Drittel des damaligen römischen Reiches zwischen Adriatischem und Tyrrhenischen Meer ausmachte. Vieles an ihnen ist auch in der Gegenwart noch rätselhaft.
Die sich diesen Rätseln widmende Verfasserin wurde nach dem 1986 aufgenommenen Studium der klassischen Archäologie, Kunstgeschichte und Ägyptologie in Regensburg und Heidelberg und einem Studienaufenthalt in London 2002 mit der Dissertation Studien zum Isisgrab in Vulci promoviert. Nach einer Tätigkeit als wissenschaftliche Angestellte am Institut für klassische Archäologie in Erlangen-Nürnberg und zwei Erziehungszeiten wurde sie 2006 wissenschaftliche Angestellte am Institut für Ägyptologie der Universität Wien und nach ihrem eigenen Lebenslauf 2010 Mitarbeiterin des Kooperationsprojekts Berliner Skulpturennetzwerk in Berlin. Das vorliegende, von Melanie Ippach angeregte, beeindruckend ausgestaltete Werk bringt durch sachkundige Texte und zahlreiche farbige Abbildungen die Hinterlassenschaft der Etrusker in 10 Kapiteln zum Sprechen.
Dies beginnt mit der wissenschaftlichen Wiederentdeckung der Etrusker im Zeitalter der Medici und der Schilderung der Häuser, Siedlungen und Städte zwischen Ar |
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Buchna, Kristian, Ein klerikales Jahrzehnt? Kirche, Konfession und Politik in der Bundesrepublik während der 1950er Jahre (= Historische Grundlagen der Moderne). Nomos, Baden-Baden 2014. 613 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen Buchna, Kristian, Ein klerikales Jahrzehnt? Kirche, Konfession und Politik in der Bundesrepublik während der 1950er Jahre (= Historische Grundlagen der Moderne). Nomos, Baden-Baden 2014. 613 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Alle Menschen sind egoistische Individuen, welche die Welt nach Möglichkeit nach ihren Bedürfnissen und Interessen zu gestalten versuchen. Dies gilt nicht nur für alle weltlichen Politiker, sondern in gleicher Weise auch für Religionsstifter und ihre selbst ernannten Erben. Von daher bemüht sich die christliche Kirche seit fast 2000 Jahren um die Verwirklichung der von ihr im Wandel der Zeiten entwickelten Vorstellungen in der Gesellschaft.
Der 1983 geborene, in Geschichte, Germanistik und Philosophie in Augsburg ausgebildete, von der Studienstiftung des deutschen Volkes geförderte, am Augsburger Lehrstuhl für neuere und neueste Geschichte zwischen 2003 und 2012 als studentische Hilfskraft, Lehrbeauftragter und wissenschaftlicher Mitarbeiter tätige, seit 2013 bei der Stiftung Bundespräsident-Theodor-Heuss-Haus in Stuttgart wirkende Verfasser behandelt diese durch ein Foto Konrad Adenauers, Wilhelm Böhlers und Hermann Kunsts bei einem Empfang am 5. Januar 1958 veranschaulichte Thematik in seiner von Andreas Wirsching betreuten und im Wintersemester 2013/2014 von der philologisch-historischen Fakultät der Universität Augsburg angenommenen gewichtigen Dissertation in einem interessanten räumlich-zeitlichen Ausschnitt. Er gliedert sie nach einer Einleitung mit Bericht über Forschungsstand und Quellenlage in fünf Abschnitte. Sie betreffen die Ausgangslage und Weichenstellungen zwischen 1945 und 1949, die Gründung und Institutionalisierung der kirchlichen Verbindungsstellen in Bonn mit Hervorhebung der Stellung Hermann Kiunsts und Wilhelm Böhlers im kircheninternen Spannungsfeld, das Wirken der kirchlichen Verbindungsstellen in der Untersuchungszeit, die kirchlichen Verbindungsbüros im Spannungsfeld von Kirche un |
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Büchner, Robert, Im städtischen Bad vor 500 Jahren. Badhaus, Bader und Badegäste im alten Tirol. Böhlau, Wien 2014. 198 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen Büchner, Robert, Im städtischen Bad vor 500 Jahren. Badhaus, Bader und Badegäste im alten Tirol. Böhlau, Wien 2014. 198 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Fast drei Viertel der Erde sind von Wasser bedeckt, im Wasser ist vermutlich das Leben entstanden und grundsätzlich verbringt der Mensch die ersten neun Monate seines Lebens im Wasser, wenn auch in einer besonderen Form. Von daher liegt eine enge Beziehung des Menschen zum Wasser nahe, die ihn im Laufe der Zeit von den natürlichen Gegebenheiten wie Regen, Quellen, Bächen, Flüssen, Seeen und Meeren zur kulturellen Einrichtung des Bades geführt hat, die er in erster Linie wegen der damit verbindbaren Wärme seit den Hochkulturen der Antike schätzen lernte. Binnen 4000 Jahren ist dabei aus einer allgemeinen Kostbarkeit eine individuelle Alltäglichkeit geworden.
Als der als Professor für Geschichte des Mittelalters und der frühen Neuzeit an der Universität Innsbruck tätige, durch verschiedene Veröffentlichungen vor allem zur Landesgeschichte hervorgetretene Verfasser die moderne Studie Birgit Tuchens über öffentliche Badehäuser in Deutschland und der Schweiz im Mittelalter und in der frühen Neuzeit aus dem Jahre 2003 zur Hand nahm, musste er zu seinem Bedauern feststellen, dass es eine den Städten wie Wimpfen, Chur, Eberbach, Kulmbach, Ulm oder Winterthur vergleichbare Untersuchung für die Tiroler Städte mit Ausnahme von Heinz Mosers Ausführungen über Bader, Barbiere und Wundärzte in der Stadt Hall nicht gab. Dem widersprach freilich eine durchaus günstige, auf Rechnungen aufbauende Quellenlage beispielsweise für Rattenberg. Folglich fasste er den Plan, die bisher bestehende Lücke zu schließen, was ihm veranschaulicht durch eine Miniatur aus Johannes de Sacroboscos De Sphaera von etwa 1470 aus einer in Modena aufbewahrten Handschrift in überzeugender Weise gelang.
Gegliedert ist die in einem größeren Rahmen verständlich geschriebene, mit zahlreichen, vielfältige Orte vertre |
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Buchwitz, Wolfram, Servus alienus heres. Die Erbeinsetzung fremder Sklaven im klassischen römischen Recht (= Forschungen zum römischen Recht 56). Böhlau, Köln 2013. XIV, 335 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen Buchwitz, Wolfram, Servus alienus heres. Die Erbeinsetzung fremder Sklaven im klassischen römischen Recht (= Forschungen zum römischen Recht 56). Böhlau, Köln 2013. XIV, 335 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Das römische Recht kennt bereits im Zwölftafelgesetz der Jahre 451/450 v. Chr. sowohl den servus wie auch das testamentum. Beide spielten in der Rechtswirklichkeit bedeutende Rollen, weil die entwickelte römische Wirtschaft im Wesentlichen nur auf Grund der vielen Sklaven florieren konnte und die Römer gerne auch über ihr Vermögen von Todes wegen verfügen wollten. Von daher konnte sich auch die Frage der Erbeinsetzung von Sklaven stellen, wobei die Erbeinsetzung fremder Sklaven die dabei entstehenden Probleme vermehrte.
Mit der Frage, warum eigentlich fremde Sklaven in Rom zu Erben eingesetzt wurden, schickte den Verfasser nach seinem kurzen Vorwort Martin Josef Schermaier als Betreuer der vorliegenden interessanten Untersuchung auf eine lange Reise durch das römische Sklavenrecht und Erbrecht. Gegliedert sind die dabei gewonnenen neuen Erkenntnisse in insgesamt drei Teile. Sie betreffen das Erbrecht fremder Sklaven und die verschiedenen Gründe für diese Erbeinsetzung, die sowohl in einer Begünstigung des Sklaven wie auch in einer Begünstigung des Herrn bestehen.
Im Ergebnis stellt der Verfasser überzeugend fest, dass die auffallend häufige Erbeinsetzung von Sklaven oft aus denselben familiären, freundschaftlichen oder beruflichen Verbindungen zum Erblasser erfolgte wie bei Freien, wobei der Sklave die ihm hinterlassene Erbschaft wie ein eigenes Vermögen erhalten konnte. Auf Grund der wirtschaftlich-gesellschaftlichen Entwicklung konnte bei materieller Betrachtung unter Aushöhlung der überkommenen Regeln, wenn es dem Willen des Erblassers entsprach, auch der fremde Sklave faktisches Eigenvermögen erhalten und der Ehre der Erbeinsetzung teilhaftig werden. Die größte Dynamik ergab sich dabei aber nach den weiterführend |
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Burger, Hannelore, Heimatrecht und Staatsbürgerschaft österreichischer Juden. Vom Ende des 18. Jahrhunderts bis in die Gegenwart. Böhlau, Wien 2014. 274 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen Burger, Hannelore, Heimatrecht und Staatsbürgerschaft österreichischer Juden. Vom Ende des 18. Jahrhunderts bis in die Gegenwart. Böhlau, Wien 2014. 274 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Seit seiner Entstehung sucht der Mensch den eigenen Nutzen und stört sich nur wenig an der damit möglicherweise verbundenen Beeinträchtigung des Mitmenschen. Deswegen ziehen ihn günstige Lebensbedingungen an und bewirken mögliche Abwehrstrategien der durch den Wettbewerb beeinträchtigten bisherigen alleinigen Nutzer. Aus diesem Interessengegensatz sind in der Geschichte Feindschaften, Kriege und Straftaten in unüberschaubarer Vielzahl erwachsen.
Mit der besonderen Geschichte des Heimatrechts und der Staatsbürgerschaft von Juden im neuzeitlichen Österreich befasst sich das Werk der als Lektorin an der Universität Wien tätigen Verfasserin, die nach dem Studium von Geschichte und Philosophie an ihrer Heimatuniversität unter anderem als Mitarbeiterin der österreichischen Historikerkommission wirkte. In ihrer Wiener Dissertation des Jahres 1995 hatte sie sich mit Sprachenrecht und Sprachengerechtigkeit im österreichischen Unterrichtswesen zwischen 1867 und 1918 auseinandergesetzt. Danach hatte sie sich bereits 1999 besonders dem Begriff der österreichischen Staatsbürgerschaft seit dem josephinischen Gesetzbuch zugewendet.
Die neue Monographie beruht auf den Ergebnissen eines einjährigen gleichnamigen, vom Jubiläumsfonds der österreichischen Nationalbank unterstützten Forschungsprojekts, in das Teilergebnisse einer 2004 veröffentlichten Arbeit über Staatsbürgerschaft und Vertreibung einfließen konnten. Gegliedert ist das chronologische aufgebaute Werk nach einer Einführung in einzelne Kapitel von der Epoche des josephinischen Reformabsolutismus bis zum Ende des Neoabsolutismus, über die Entwicklung von Heimatrecht und Staatsbürgerschaft in der Epoche des Ausgleichs, die Nationalitätenkonflikte der Verfassungszeit und die (sprach-)nationale Identi |
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Bürgerkriegsarmee - Forschungen zur nationalsozialistischen Sturmabteilung (SA), hg. v. Müller, Yves/Zilkenat, Reiner. Lang, Frankfurt am Main 2013. 469 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen Bürgerkriegsarmee - Forschungen zur nationalsozialistischen Sturmabteilung (SA), hg. v. Müller, Yves/Zilkenat, Reiner. Lang, Frankfurt am Main 2013. 469 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Im Ringen um die Macht hat der Mensch von seinem Anfang an nach natürlichen Vorbildern immer auch die Gewalt eingesetzt. Dementsprechend eng ist die Gewalt mit der dem Menschen vorgegebenen Aggressivität verbunden, selbst wenn dies an vielen Stellen sprachlich oder kausalistisch verbrämt wird. Die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei verwendete demgemäß seit Januar 1920 in Saalschlachten von Versammlungen einen aus Angehörigen verschiedener Freikorps und der Reichswehr in Bayern bestehenden Saalschutz, aus dem sich allmählich über eine Sturm-Staffel am 4. November 1921 die Sturmabteilung entwickelte, die in der Verbotszeit zwischen April 1924 und Februar 1925 als Frontbann firmierte und nach dem Röhm-Putsch im Sommer 1934 stark an Bedeutung verlor.
Die beiden als freiberuflicher Historiker bzw. Lehrer an einer Berufsfachschule tätigen Herausgeber haben im vorliegenden Werk verdienstvollerweise neuere Forschungen zur Geschichte der Sturmabteilung versammelt. Der Band hat auch unmittelbar nach seinem Erscheinen das Interesse eines sachkundigen Rezensenten erregt. Mangels eines verfügbaren Rezensionsexemplars muss eine Rezension aber an dieser Stelle durch einige kurze Hinweise ersetzt werden.
Insgesamt enthält die mit einem Gruppenbild einer SA-Wachmannschaft im Konzentrationslager Hohnstein in Sachsen geschmückte Veröffentlichung 21 Beiträge. Gegliedert sind sie nach einer sachkundigen Einführung der Herausgeber in die Abschnitte SA und politische Gewalt, 1933 - NS-Terror in der Machtsicherungsphase, Politik in der Peripherie, Konkurrenz (Stahlhelm, Polizei, SS), Männer - Geschlecht, Körper und Homosexualität sowie SA-Mythos und Neonazismus. Die dabei gewonnenen vielfältigen neuen Einzelerkenntnisse hätten zwar durch ein Sachregist |
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Büsch, Philipp, Der Wettbewerbsgedanke im Energierecht. Die Diskussion um die Reform des Energiewirtschaftsgesetzes zwischen 1948 und 1973 (= Rechtsordnung und Wirtschaftsgeschichte 11). Mohr (Siebeck), Tübingen 2014. XIV, 227 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen Büsch, Philipp, Der Wettbewerbsgedanke im Energierecht. Die Diskussion um die Reform des Energiewirtschaftsgesetzes zwischen 1948 und 1973 (= Rechtsordnung und Wirtschaftsgeschichte 11). Mohr (Siebeck), Tübingen 2014. XIV, 227 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Alles hat seinen Preis, wussten die Menschen womöglich bereits vor der Erfindung des Geldes, aber welcher Preis ist gerecht, fragen sie sich seit langem ebenfalls. Ein Mittel zur Bestimmung dieser Gerechtigkeit kann der Wettbewerb auf dem freien Markt sein, der grundsätzlich anlockt, solange Gewinnmöglichkeiten bestehen, und grundsätzlich ausschließt, sobald sie enden. Angesichts der mindestens seit Entstehung der Zivilisation wachsenden, vor allem in der jüngeren Vergangenheit von vielen Seiten gestützten Nachfrage nach Energie ist daher eine Untersuchung über den Wettbewerbsgedanken im Energierecht in jedem Fall eine verheißungsvolle Aufgabe.
Ihr stellt sich der Verfasser in seiner von ihm thematisch angedachten, von Mathias Schmoeckel betreuten und im Februar 2014 an der rechts- und staatswissenschaftlichen Fakultät der Universität Bonn erfolgreich verteidigten Dissertation. Sie gliedert sich nach einer Einleitung über Einführung, Fragestellung, Thesen, methodische Überlegungen, Stand der Forschung, Quellenbericht und Gang der Untersuchung in ihrem Untersuchungsteil in drei sachlich-chronologisch geordnete Abschnitte. Sie betreffen rechtliche und wirtschaftliche Faktoren des Energiesektors im Untersuchungszeitraum, an deren Beginn das historisch gewachsene Energierecht steht, Liberalisierungsbestrebungen im Energierecht zwischen 1948 und 1973 (mehr Wettbewerb wagen) und die anschließende Abkehr von der Reformpolitik.
Im Ergebnis stellt der Verfasser fest, dass bereits wenige Jahre nach der Entstehung der Elektrizitätswirtschaft im ausgehenden 19. Jahrhundert das Deutsche Reich fiskalisches und wegen der Leitungsgebundenheit und begrenzten Speicherbarkeit ordnung |
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Buschmann, Arno, Mit Brief und Siegel – Kleine Kulturgeschichte des Privatrechts (= Beck’sche Reihe 6077). Beck, München 2013. 276 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen Buschmann, Arno, Mit Brief und Siegel – Kleine Kulturgeschichte des Privatrechts (= Beck’sche Reihe 6077). Beck, München 2013. 276 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Mit Brief und Siegel auf dem von Hans Holbein gemalten Bild des Duisburger Kaufmanns Dirck Tybis‘ versieht Arno Buschmann seine Kleine Kulturgeschichte des Privatrechts. Zutreffend weist er bereits zu Beginn seines Vorworts darauf hin, dass die Kulturgeschichte des Rechtes zu jenen Bereichen der Kulturgeschichte gehört, die anders als die Sprachgeschichte, Literaturgeschichte, Kunstgeschichte, Philosophiegeschichte, Wissenschaftsgeschichte oder Sozialgeschichte bisher kaum Gegenstand kulturgeschichtlicher Darstellung wurde. Vor allem eine Kulturgeschichte des Privatrechts wurde bislang nicht versucht, obwohl die Geschichte des Privatrechts nicht nur ein Teil der Geschichte des Rechtes ist, sondern ebenso ein Teil der Geschichte der Kultur.
Dies ändert der Verfasser dadurch, dass er das Privatrecht und seine Wandlungen als Bestandteil der kulturellen Gesamtentwicklung in den wichtigsten Phasen erfasst und darstellt. Was bisher im Wesentlichen als Bestandteil (nur) der Rechtsgeschichte behandelt wurde, erörtert er vornehmlich im kulturgeschichtlichen Zusammenhang. Damit soll nicht nur für Juristen die Privatrechtsgeschichte in die Gesamtkultur eingebunden, sondern auch den Vertretern der anderen historischen Disziplinen die Privatrechtsgeschichte leicht zugänglich gemacht werden.
Die Privatrechtsgeschichte (der Neuzeit) verdankt, worauf der Verfasser gleich zu Beginn nachdrücklich hinweist, als Studienfach ihre Entstehung der eng mit Karl August Eckhardt verbundenen (nationalsozialistischen) Studienreform des Jahres 1935, in der die bis dahin üblichen Studienfächer Römisches Recht und Deutsches Privatrecht unter Ausrichtung auf die früher vernachlässigte nachmittelalterliche Entwicklung durch ein neues Studienfach Privatrechtsgeschichte der Neuzeit (außerhalb e |
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Campbell, James, Crime and Punishment in African American History. Palgrave MacMillan, New York 2013. XI, 263 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen Campbell, James, Crime and Punishment in African American History. Palgrave MacMillan, New York 2013. XI, 263 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Aktueller Ausgangspunkt der vorliegenden Untersuchung ist die Tötung des siebzehnjährigen farbigen Amerikaners Trayvon Martin in Sandford in Florida im Februar 2012 durch den achtundzwanzigjährigen, demokratisch wählenden weißen Nachbarschaftswächter George Zimmerman (spanischer Herkunft) unter späterer Geltendmachung rechtfertigender Notwehr (stand your ground). Von der Polizei in kurzer Zeit bestätigt hätte das Geschehen leicht in Vergessenheit geraten können. Der Familie des Opfers gelang es allerdings rasch, die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf den Vorfall zu lenken, wenngleich dessenungeachtet am 13. Juli 2013 nach einer Anklage wegen Mordes keine wesentlich abweichende Beurteilung durch die zuständige Jury erfolgte.
Immerhin wurde dadurch das Interesse des als Dozent an der Universität Leicester in Großbritannien wirkenden Verfassers an dem zu Grunde liegenden Problem aktualisiert. Er hatte bereits im Jahre 2004 an der Universität Nottingham eine Dissertation über Sklaverei, Verbrechen und Strafe in Virginia im 19. Jahrhundert vorgelegt. Seine dortigen Erkenntnisse vertieft er nun in einem allgemeineren Rahmen.
Gegliedert ist die interessante, mit Abbildungen veranschaulichte und auf zahlreiche Einzelfälle eingehende Studie in drei Abschnitte und insgesamt acht Kapitel. Sie betreffen den Weg von der nordamerikanischen Sklaverei, der im Jahre 1790 knapp 700000 und 1861 fast vier Millionen Afroamerikaner unterlagen, zur Freiheit als Folge von Aufklärung und Sezessionskrieg, die nach der tanzenden, singenden, mit sich und der Welt zufriedenen, aber unintelligenten schwarzen Jim Crow-Figur benannten Rassentrennung durch Gesetze zwischen 1876 und 1964 und den schließlichen Kampf um bürgerliche Rechte und Gleichheit. Im Ergebnis sind in der Gegenwart die schwarzen Amerikaner de |
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Cassirer, Ernst, Über Rousseau, hg. und mit einem Nachwort v. Kreis, Guido (= suhrkamp taschenbuch wissenschaft 1025). Suhrkamp, Berlin 2012. 174 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen Cassirer, Ernst, Über Rousseau, hg. und mit einem Nachwort v. Kreis, Guido (= suhrkamp taschenbuch wissenschaft 1025). Suhrkamp, Berlin 2012. 174 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Der in Genf 1712 als Sohn eines Uhrmachers geborene, in Ermenoville 1778 gestorbene Jean-Jacques Rousseau gehört zweifelsohne zu den großen Aufklärern des 18. Jahrhunderts. Insbesondere in seinem 1762 veröffentlichten Werk Du contrat social legte er seine Erkenntnis dar, dass alles menschliche Leben auf einem Vertrag aller sich ursprünglich feindlich gegenübertretenden Einzelnen beruhe, weshalb die Gewalt in einem Gemeinwesen dem Volk zustehe, das aber aus Zweckmäßigkeit einen Einzelnen mit der Führung der allgemeinen Geschäfte beauftragen und den Auftrag auch wieder entziehen könne. Insbesondere angesichts des großen politischen Erfolgs dieser Vorstellung verdient eine genaue Analyse ihrer Konsistenz ungeteilte Aufmerksamkeit.
Sie ist bereits 1932 durch Ernst Cassirer (Breslau 1874-New York 1945) erfolgt, der nach einem Studium der (Rechtswissenschaft und) deutschen Literatur und Philosophie in Berlin, der in Marburg 1899 bei Hermann Cohen über Descartes‘ Kritik der mathematischen und naturwissenschaftlichen Erkenntnis erfolgten Promotion und der zunächst von mehreren Universitäten abgelehnten, aber 1906 in Berlin angenommenen Habilitationsschrift und längerer Tätigkeit als Privatdozent ab 1919 für das Fach Philosophie an der Universität Hamburg wirkte. Da ihm wegen seiner jüdischen Herkunft 1933 der Lehrstuhl entzogen wurde, wechselte er über Großbritannien und Schweden in die Vereinigten Staaten von Amerika, wo er nach einiger Zeit eine Professur in Yale und an der Columbia-Universität New Yorks erhielt. In seiner Studie Das Problem Jean-Jacques Rousseau legte Cassirer dar, dass als eigentlicher Mittelpunkt der unterschiedlichen Facetten Rousseaus die Theorie der Subjektivität und der universellen praktischen Vernunft anzusehen sind.
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Chlodwigs Welt. Organisation und Herrschaft um 500, hg. Meier, Mischa/Patzold, Steffen (= Roma Aeterna 3). Steiner, Stuttgart 2014. 624 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen Chlodwigs Welt. Organisation und Herrschaft um 500, hg. Meier, Mischa/Patzold, Steffen (= Roma Aeterna 3). Steiner, Stuttgart 2014. 624 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Auf Chlodwigs Welt um 500 geht in irgendeiner Art und Weise die Nähe europäischer Staaten der Gegenwart über die bloße Geographie hinaus insofern zurück, als dieser merowingische Herrscher die wichtigste Grundlage der Herrschaft der Franken über Gallien und einige germanisch-frühmittelalterliche Völker nach dem Ende des Kaisertums in Westrom schuf. Dementsprechend fand das vorliegende Sammelwerk unmittelbar bei seinem Erscheinen das Interesse mehrerer sachkundiger Rezensenten. Vorweg kann es aber auch durch einige allgemeine Bemerkungen des Herausgebers vorgestellt werden.
Veranschaulicht wird es durch eine Abbildung der Bronzestatue der kapitolinischen Wölfin aus den kapitolinischen Museen in Rom auf dem Umschlag, auf der wohl nur der Sachkenner Chlodwig unmittelbar zu entdecken vermag. Gleichwohl bot sein 1500. Todestag im September (2011) eine eher äußerliche, aber doch sehr willkommene Gelegenheit, um Wissenschaftler aus der alten und mittelalterlichen Geschichte, der Byzantinistik, Archäologie und Kirchengeschichte zusammenzuführen. Unter dem Oberthema Organisation von Herrschaft um 500 sollten in der ehemaligen Benediktinerabtei Weingarten Fragen erörtert werden, die all jene umtreiben, die sich mit der Übergangsphase von der Spätantike zum Frühmittelalter beschäftigen.
Drei Jahre später kann das um einige nachträglich eingeworbene Beiträge vermehrte Band der Allgemeinheit zur Verfügung gestellt werden. Nach einer von der Gegenwart und zugleich vom Jahre 508 ausgehenden Einleitung der beiden Herausgeber befasst er sich in fünf Abteilungen mit dem Fall Chlodwig als Ausdruck der Janusköpfigkeit des Übergangs, mit den Ansprüchen und Ausgestaltungsmöglichkeiten universaler Herrschaft, mit neuen Herrrschaftsräumen jenseits des Kaisers im Osten wie West |
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Clark, Christopher, Die Schlafwandler. Wie Europa in den Ersten Weltkrieg zog. Aus dem Engl. v. Juraschitz, Norbert. 10. Aufl. Deutsche Verlags-Anstalt, München 2013. 895 S. Besprochen von Werner Augustinovic. |
Ganzen Eintrag anzeigen Clark, Christopher, Die Schlafwandler. Wie Europa in den Ersten Weltkrieg zog. Aus dem Engl. v. Juraschitz, Norbert, 10. Aufl. Deutsche Verlags-Anstalt, München 2013. 895 S. Ill. Besprochen von Werner Augustinovic.
„Die Protagonisten von 1914 (waren) Schlafwandler – wachsam, aber blind, von Albträumen geplagt, aber unfähig, die Realität der Gräuel zu erkennen, die sie in Kürze in die Welt setzen sollten“ (S. 718). Mit diesem stark metaphorisch aufgeladenen Diktum setzt der Verfasser der vorliegenden Studie einen tönenden Schlussakkord und fasst noch einmal wirkmächtig zusammen, worum es ihm in seiner Arbeit geht: Um das Erfassen und Darlegen der Komplexität einer spezifischen historischen Gemengelage, deren Explosivität aus zahlreichen, schwer zu überschauenden und kaum kalkulierbaren Interdependenzen resultierte. Nicht primär Machtgier und böser Wille, sondern Vorurteile, mangelnde Empathie, ein den Erfordernissen der Zeit nicht mehr adäquates Denken und Handeln hätten die Staaten, vertreten durch ihre oft überforderten Akteure, in die Katastrophe des Ersten Weltkriegs gleichsam taumeln lassen. Ein differenzierter Blick auf das Ganze mache somit deutlich, dass man den Weg dorthin mitnichten als eine Einbahnstraße wahrnehmen dürfe, aus der es kein Zurück gegeben hätte; die Katastrophe sei vielmehr „nicht gewolltes, auch vermeidbares Ergebnis einer dichten Folge von Ereignissen und Entscheidungen in einer durch vielfältige Beziehungen und Konflikte verflochtenen Welt“ (Umschlagtext) gewesen.
Kennern der Materie wird die erhebliche Brisanz eines solchen Gedankenganges nicht entgangen sein, der mit Sicherheit nicht ohne Auswirkung auf die Beantwortung der Kardinalfrage bleiben kann, die Politiker wie Historiker seit jeher umgetrieben hat: Wem ist die Schuld an diesem Krieg zuzuschreiben? Die oktroyierte Antwort, die der umstrittene Artikel 231 des Versailler Vertrages bereithielt, der das Deutsche Reich und seine Bündnispartner als Al |