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Augenzeuge des Konstanzer Konzils. Die Chronik des Ulrich Richental. Die Konstanzer Handschrift ins Neuhochdeutsche übersetzt v. Kühle, Monika/Gerlach, Henry. Mit einem Nachwort v. Klöckler, Jürgen. Theiss, Darmstadt 2014. 248 S., 13 Abb., 1 Stammb. Besprochen von Ulrich-Dieter Oppitz.

Augenzeuge des Konstanzer Konzils. Die Chronik des Ulrich Richental. Die Konstanzer Handschrift ins Neuhochdeutsche übersetzt v. Kühle, Monika/Gerlach, Henry. Mit einem Nachwort v. Klöckler, Jürgen. Theiss, Darmstadt 2014. 248 S., 13 Abb., 1 Stammb. Besprochen von Ulrich-Dieter Oppitz.

 

Der Jubiläumszyklus aus Anlass der 600. Wiederkehr des Konzils in Konstanz wird von einer reichhaltigen Buchproduktion begleitet. Monika Küble und Henry Gerlach veröffentlichten 2013 bereits einen historischen Kriminalroman, der zur Zeit des Konstanzer Konzils spielt. Die Chronik Ulrich Richentals ist in bebilderten und bilderlosen Handschriften überliefert. Die Überlieferungszeugen werden in drei Gruppen unterteilt; in Gruppe I, repräsentiert besonders durch die ehemals Aulendorfer Handschrift, spricht Ulrich Richental in der „Ich“-Form der 1. Person Singular; in Gruppe II, der u. a. die Konstanzer Handschrift zugehört, wird vom Verfasser in der 3. Person Singular berichtet. Die Handschriften der dritten Gruppe schwanken zwischen den beiden Formen. Diese Textanordnung ist bei einem Vergleich des Textes der Überlieferung zu beachten. Weiterhin zu beachten ist, dass Ulrich Richental zwar ein einflussreicher Bürger der Stadt Konstanz, jedoch kein Teilnehmer des Konzils gewesen ist. Daher beschränken sich seine Beschreibungen auf alles außerhalb der Tagungsräume. Er war daher Augenzeuge des Lebens in der Stadt Konstanz während des Konzils, jedoch nicht Augenzeuge der Verhandlungen des Konzils.

 

Ausgehend von der Transkription und Edition der Konstanzer Handschrift der Chronik Ulrich Richentals durch den langjährigen Konstanzer Stadtarchivar Otto Feger, die dieser 1964 veröffentlichte, übertragen die Autoren den Text des Werkes in eine vereinfachte Leseform, die sie als neuhochdeutsche Übersetzung bezeichnen. In dem Vorwort (S. 6-9) sind einzelne Anhaltspunkte zur Textgestaltung erläutert. Dem Textabdruck (S. 12-200) sind am Rande jeweils die Blattangaben der Konstanzer Handschrift beigegeben. 465 Fußnoten helfen bei der Erschließung des Textes.

 

Soweit an zahlreichen Stichproben nachgeprüft werden konnte, ist die gewählte Textwiedergabe originaltreu. Die Lektüre wird durch das handliche Format des Druckes erleichtert, Fegers Druck von 1964 im Format des Faksimiles war schwieriger zu handhaben. Richentals Schilderung des Einflusses des Konzils auf das Leben in der Stadt bringt verschiedentlich rechtshistorisch interessante Beobachtungen. Auswärtige Handwerker durften in der Stadt wie Einheimische arbeiten, dies war ein bemerkenswerter Eingriff in das sonst strenggeregelte Zunftwesen (fol. 17r). Gerichtsverfahren von Konstanzern gegen einen Fremden waren vor dem Auditor der päpstlichen Kammer zu führen, während Ansprüche eines Fremden gegen einen Konstanzer vor drei Mitgliedern des Rats verhandelt wurden (fol. 17v). Ob die Beobachtung, dass die meisten der Meinung waren, die Verfahren vor den Geistlichen würden schneller und gerechter abgewickelt, richtig oder ein Seitenhieb des Kaufmanns Richental gegen den behäbigen Rat war, ist heute nicht mehr zu entscheiden. Für die Praxis des Fehdewesens interessant ist die Erwähnung, dass nach Eroberung einer Burg die dort gefundenen Freiheitsbriefe verbrannt wurden (fol. 43v). Dies bedeutete für den ehemaligen Besitzer eine erhebliche Erschwernis für seinen Besitznachweis und eventuelle Neuausstellungen. Der Hinweis auf Schmiede, die in großer Zahl bei der Erstürmung einer Burg beteiligt waren (fol. 65r), wirft ein Licht auf die Probleme der Geräteabnutzung. Häufig ist im Text darauf hingewiesen, dass Erklärungen an die Kirchentüren geheftet wurden (so z. B. fol. 71v; 125v). Symbolische Handlungen, wie das blanke Schwert über dem Haupt des Königs (fol. 126r), sind hier noch für einen relativ späten Zeitpunkt belegt. Wenn ein Mordopfer nach Meinung von Priestern bis zum dritten Tag unbegraben liegen soll (fol. 117v), so ist prozessual kein besonderer Sinn darin zu sehen, für abergläubige Beobachtungen taugt das Mordopfer aber immer noch. In unser Bild des grausamen Mittelalters passt nicht die Vorgehensweise eines verständnisvollen Rates, der einem Dieb geringwertiger Sachen, für die des Königs Marschall schon ein Ertränken forderte (fol. 80r), eine kleine Wegzehrung mitgab und ihn über das Gebirge fort schickte. Lautstarke Werbung für Heringe (fol. 72r) ist ebenso eine Beobachtung eines Augenzeugen wie die zwei heimlichen Gemächer am Papstwahlgebäude (fol. 90r), die beide auf den See zu gingen. Das Konklave war in einer Form organisiert (fol. 90v), die jedem heutigen Sicherheitsunternehmen zum Vorbild dienen könnte. Als der König Konstanz am Schluss des Konzils verließ und dabei den Bürgern erhebliche Schulden hinterließ (fol. 127r), täuschte er die Bürger durch ein (später nicht eingehaltenes) Zahlungsversprechen. Diese unkönigliche Vorgehensweise kann wohl schnell bekannt geworden sein, denn als er wenig später bei einem Besuch in der Reichsstadt Ulm gleiches versuchte, machten ihm die Ulmer klar, wenn jemand abreisen wolle, müsse er vorher bezahlen oder ein Pfand dalassen. ‚Da musste unser Herr, der König, Gut aufbringen, so viel er konnte‘ (fol. 129r).

 

Die zahlreichen Hinweise auf lesenswerte Episoden erschließen sich dem Leser nur, wenn er das Buch insgesamt durchliest. Die Autoren geben dazu leider keinerlei Hilfen. Weder ist ein Personenregister noch ein, hier besonders sinnvolles, Sachregister angefügt. Dadurch verliert das Buch erheblich an Wert. Bereits der Zeittafel zum Konstanzer Konzil (S. 202-207) hätte als dritte Spalte eine Angabe des Blattes beigefügt werden müssen. Wenn auch die Autoren betonen, in einem engen Zeitfenster gearbeitet zu haben, so entschuldigt dies in dieser Beziehung nichts. Die Stadt Konstanz hat als Faltblatt ein Bilder-, Wappen- und Textverzeichnis herausgeben, das eine gute Grundlage für eine Sacherschließung des vorliegenden Bandes erlaubte. Schon die Aufnahme dieses Blattes wäre eine Bereicherung des Bandes gewesen. Das Literaturverzeichnis (S. 246-248) beschränkt sich auf die Literatur zu den Seiten 6-205. Der informative Beitrag des jetzigen Konstanzer Stadtarchivars, Jürgen Klöckler, war bereits der Faksimile-Ausgabe, Darmstadt 2013, beigegeben. Er ist hier nun mit zwei kleinen Zusatzfußnoten und unter Fortlassung von Abbildungen erneut abgedruckt (S. 208-245). Seine Literaturangaben sollten dem Literaturverzeichnis harmonisierend zugefügt werden. Leider bleibt abschließend nur festzustellen, dass dieser lesenswerte ‚Schnellschuß aus Terminsgründen‘ einer Überarbeitung wert ist.

 

Neu-Ulm                                                                                                       Ulrich-Dieter Oppitz