Lau, Thomas, Unruhige Städte. Die Stadt, das Reich und die Reichsstadt (1645-1806) (= Bibliothek altes Reich 10). Oldenbourg, München 2012. 156 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen Lau, Thomas, Unruhige Städte. Die Stadt, das Reich und die Reichsstadt (1645-1806) (= Bibliothek altes Reich 10). Oldenbourg, München 2012. 156 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Der in Itzehoe 1947 geborene Verfasser wurde nach dem Studium der Geschichte und des öffentlichen Rechtes in Freiburg im Breisgau, Basel und Dublin 1997 mit der Dissertation Bürgerunruhen und Bürgerprozesse in den Reichsstädten Schwäbisch Hall und Mülhausen in der frühen Neuzeit promoviert. Ab 1999 war er Stipendiat der Holderbank-Stiftung zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses, ab 2000 Nationalfondsassistent am Lehrstuhl für allgemeine und Schweizer Geschichte der Neuzeit in Freiburg im Üchtland, ab 2003 Doktorassistent. Im Jahre 2005 wurde er auf Grund der Habilitationsschrift über Stiefbrüder. Nation und Konfession in der Schweiz und Europa 1646-1742 habilitiert.
Der seitdem als Privatdozent bzw. Professor für Geschichte der Neuzeit in Freiburg im Üchtland tätige Autor verallgemeinert nach einer Spurensuche Teutschland von 1500 bis 1650 die Ergebnisse seiner Dissertation im vorliegenden schmalen Band, den er in fünf Teile gliedert. Dabei nähert er sich eingangs dem Reich, der Stadt und der Reichsstadt behutsam an. Danach greift er auf die streitende Stadt aus und behandelt Republikanismus, Reichsunmittelbarkeit, Reichssystem, Städtebünde, Städtenetze, Städtetage und die Genese regionaler Identitäten.
Das Kernstück der Darstellung ist der Streit in der Stadt, innerhalb dessen Juden, urbane Eliten, Bürger, Geistliche, gemeiner Mann und städtische Randgruppen erfasst werden. Dem schließt sich der Streit um die Stadt in Krieg und Diplomatie an, ehe eine Schlussbetrachtung die unruhigen Städte insgesamt in den Blick nimmt. Zusammenfassend versteht der Verfasser ansprechend die Reichsstädte (das einseitige Registererfasst schätzungsweise 100 Städte von Aachen über Fürth und München bis Zell) als Räume der Interaktion, in denen regionale und t |
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Lauener, Michael, Jeremias Gotthelf- Prediger gegen den Rechtsstaat (= Zürcher Studien zur Rechtsgeschichte 64). Schulthess, Zürich 2011. LVII, 537 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
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Die Arbeit ist die von Marcel Senn betreute, nach Ausweis des Vorworts von außerordentlich vielen Personen begleitete, von der rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Zürich angenommene Dissertation des bei dem schweizerischen Pensionskassenverbands tätigen Verfassers. Sie gliedert sich sehr detailliert in drei Teile. Nacheinander erörtert der Verfasser Grundlagen, die Rechtsstaatsidee und Gotthelfs Idee des christlichen Staates.
Im Mittelpunkt steht dabei die geistige Auseinandersetzung zwischen Jeremias Gotthelf und Wilhelm Snell. Jeremias Gotthelf, in Murten am 4. 10. 1797 als Sohn des Pfarrers Sigmund Bitzius (als Albert Bitzius) geboren, wurde nach dem Studium der Theologie in Bern 1832 Pfarrer in Lützelflüh, begann 1836 mit seinem dichterischen Werk, verwendete dafür den Namen Jermias Gotthelf, engagierte sich 1844 politisch konservativ und lehnte Radikalismus und Zentralismus ab. Wilhelm Snell wurde in Idstein am 8. April 1789 geboren, erlangte nach dem Studium der Rechtswissenschaft in Gießen bei Karl Ludwig von Grolman (nicht Grolmann) 1819 eine Professur in Dorpat in Estland, von wo aus er 1820 nach Chur floh, 1821 als außerordentlicher Professor aber in Basel unterkam und über Zürich 1834 erster Rektor der Universität Bern und wenig später Dekan der juristischen Fakultät wurde.
An der Auseinandersetzung Gotthelfs mit dem von ihm der Trunksucht bezichtigten Snell verfolgt der Verfasser detailliert und sorgfältig die Entwicklung der Rechtsstaatsidee in der Eidgenossenschaft der Schweiz in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Gotthelf, der sich mit Snells Vorstellungen nicht wirklich eingehend befasste, weil sie ihm zu kompliziert und abstrakt erschienen, setzte sich intensiv für einen christlichen Staat mit christlicher Fre |
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Law and Religion in the Roman Republic, hg. v. Tellegen-Couperus, Olga (= Mnemosyne Supplements Band 336). Brill, Leiden 2012. 229 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
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Religion und Recht liegen ähnlich im Dunkel der Frühgeschichte wie das Werden des Menschen überhaupt. Lassen sich für ihn wenigstens noch verstreute einzelne Überreste finden, so sind die Gedanken so flüchtig, dass Religion und Recht der Frühzeit nicht sicher gefasst, sondern nur vermutungsweise erschlossen werden können. Dies gilt auch noch für die römischen Anfänge, die nur sehr vereinzelt zur körperlichen Sicherung gefunden haben.
Dies hat die Herausgeberin allerdings nicht geschreckt, sondern wie ihre Kollegen nur herausgefordert. Als 1982 über die testamentarische Erbfolge in den Konstitutionen Diokletians in Amsterdam promovierte Gelehrte ist sie inzwischen als Associate Professor für Rechtsgeschichte an der Tilburg Law School tätig. Durch eine Kurze Geschichte des römischen Rechts ist sie über das gesamte römische Recht und durch ein Werk über Quintilian und das Recht auch über die Kunst der Überredung in Recht und Politik überzeugend ausgewiesen.
Das von ihr auf dieser Grundlage vorgelegte Sammelwerk setzt sich nach einer Einführung aus insgesamt neun Beiträgen sachkundiger Gelehrten verschiedener Länder zusammen, die in drei Teile gegliedert sind. Am Beginn stehen Recht und Religion als Mittel der Zukunftskontrolle, wie sie etwa Leon ter Beck in seiner Studie über das göttliche Recht und die Strafe des sacer esto im frühen Rom erörtert, während im zweiten Teil Priester, Magistrate und Staat und im dritten Teil religiöses Recht, Zivilrecht und Bürger behandelt werden, wie dies etwa durch James Rives am Beispiel der Control of the Sacred in Roman Law geschieht. Insgesamt zeigen die Aufsätze auf einer breiten, am Ende in einem Index sorgfältig aufgelisteten Quellengrundlage eindringlich die wohl ursprüngliche Nähe von Religion und Recht in Rom und ihre im |
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Leben Sie wohl für immer. Die Affäre Hume-Rousseau in Briefen und Zeitdokumenten, hg. v. Schulz, Sabine, aus dem Französischen v. Linhard, Isolde/Humphreys, Franziska/Schulz, Sabine. diaphanes Verlag, Zürich 2012. 544 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
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In Paris wurde im Oktober 1766 eine knappe Darstellung des Streites zwischen Herrn Rousseau und Herrn Hume samt Beweisstücken veröffentlicht, die eine kommentierte Auswahl aus dem Briefwechsel der bekannten Autoren enthielt. Initiator der Veröffentlichung war David Hume, weswegen im Mittelpunkt des Büchleins ein Brief Rousseaus steht, in dem er Hume beschuldigt, ihn zusammen mit anderen nach England gelockt zu haben, um ihn dort zu demütigen. Damit wurde der Bruch zwischen beiden zu einer bekannten, in der Folge europaweit vielfältig diskutierten Affäre.
Die Herausgeberin greift dieses Geschehen erneut auf. Sie versucht dabei zu klären, wie es zu der Auseinandersetzung kam, deren Gründe Hume und Rousseau in ihren eigenen Zeugnissen nicht unmittelbar eröffnen. Zu diesem Zweck gibt sie eine umfangreiche Darlegung an Hand der geschichtlichen Quellen losgelöst von Humes persönlicher Sicht.
Die Dokumentation beginnt mit einem Schreiben der Comtesse de Boufflers-Rouverel vom 14. Juni 1762 an Hume über Rousseau, der im Frühjahr sein großes, umgehend verbotenes Werk über den Gesellschaftsvertrag vorgelegt hatte. Es endet mit einem Brief David Humes an Adam Smith vom 8. Oktober 1767. Dazwischen finden sich als Bausteine des Zerwürfnisses zwischen dem „wilden“ Philosophen Jean-Jacques Rousseau (1712-1778) und dem „guten“ Philosophen David Hume (1711-1776), die sich in Paris im Dezember 1765 erstmals trafen, eine königliche Pensionszahlung, ein in Pariser Salons verlesener Spottbrief, eine vorab ohne Wissen der Reisenden bezahlte Kutsche, zu viele Bewunderer, einige im Schlaf gemurmelte Worte und ein stechender Blick, die insgesamt dazu führten, dass wenige Monate nach der von Hume be |
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Leicht, Johannes, Heinrich Claß 1868-1953. Die politische Biographie eines Alldeutschen. Schöningh, Paderborn 2012. 463 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
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Nach Unterzeichnung des den Tausch von Sansibar gegen Helgoland vereinbarenden Vertrags am 1. Juli 1890 warb Alfred Hugenberg in verschiedenen Zeitschriften für die Gründung eines Nationalvereins zur Förderung deutscher Kolonien. Daraufhin wurde am 28. September 1890 in Frankfurt am Main eine Besprechung Interessierter abgehalten, welche die Umsetzung dieser Vorstellung in die Wirklichkeit vorbereitete. Am 9. April 1891 wurde dann der Allgemeine Deutsche Verband tatsächlich gegründet.
Wichtigste Ziele waren die Belebung des vaterländischen Bewusstseins, Pflege deutscher Interessen im Ausland und Förderung deutscher Interessenpolitik. Auf dem Verbandstag des Jahres 1903 der 1894 in Alldeutscher Verband umbenannten Vereinigung hielt der in Alzey 1868 geborene Rechtsanwalt Heinrich Claß unter dem Titel Bilanz des neuen Kurses eine kritische Rede, in der er den Reichskanzler wie den Kaiser angriff. 1908 wurde er zum Vorsitzenden gewählt.
Sein Leben zeichnet der Verfasser in seiner 2011 an der Technischen Universität angenommenen breit angelegten Dissertation nach. Dabei versucht er eine Verbindung zwischen dem Alldeutschen Verband und dem späteren Nationalsozialismuus herzustellen. Diehierfür verwendete Bezeichnung der Volksgemeinschaft wird aber von Claß gar nicht gebraucht, sondern wird erst im Gefolge des ersten Weltkriegs bedeutsam, so dass die Gedankenführung des Verfassers insgesamt als problematisch und kaum der geschichtlichen Wirklichkeit entsprechend anzusehen ist.
Innsbruck Gerhard Köbler
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Leo, Paul Christopher, Wilhelm Groh - Erster Rektor der Ruperto-Carola in der NS-Zeit. Kovač, Hamburg 2012. XVI, 228 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
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Die Arbeit ist von Klaus-Peter Schroeder im Rahmen seines umfassenden Interesses an der Geschichte der Heidelberger juristischen Fakultät betreute, im Wintersemester 2011/2012 von der Fakultät angenommene Dissertation des in Gießen 1981 geborenen, in Dillenburg geschulten und nach dem Studium der Rechtswissenschaft in Paris und Heidelberg, der praktischen Ausbildung und einer zweijährigen Tätigkeit als Rechtsanwalt im Arbeitsrecht seit 2011 als Regierungsrat in der Innenverwaltung Baden-Württembergs tätigen Verfassers. Sie gliedert sich im Wesentlichen in fünf chronologisch geordnete Abschnitte. Nacheinander betrachtet der Verfasser die frühen Darmstädter Jahre (1890-1909), Studienzeit und Eintritt in das Berufsleben (1909-1927), die Heidelberger Jahre, die Berliner Jahre und die Zeit nach dem Zusammenbruch.
Jakob Wilhelm Groh wurde in Darmstadt am 13. August 1890 als zweiter Sohn des evangelischen Kohlenhändlers Jakob Groh geboren, verwendete aber niemals den vom Vater übertragenen ersten Vornamen. Nach dem Abitur studierte er in Freiburg im Breisgau zunächst Philosophie und seit dem dritten Semester Rechtswissenschaft und wechselte 1911 nach Gießen, wo er nach insgesamt neun Semestern 1913 die juristische Fakultätsprüfung mit der Note 2 bestand, und dann nach Darmstadt, wo er nach Kriegsdienst (in sicherer Entfernung) und zwischenzeitlicher Promotion über Erbfall und Verzug (1917, Hans Albrecht Fischer) 1919 die zweite juristische Staatsprüfung mit sehr gut bestand. Nach einer einjährigen Tätigkeit als Richter wurde er 1920 Assistent der juristischen Fakultät in Gießen bei Leo Rosenberg, wo er im Wintersemester 1921/1922 mit einem Konversatorium über Arbeitsrecht betraut und am 3. 2. 1922 auf Grund einer Abhandlung über das Koalitionsrecht habilitiert wurde.
Am 1. 4. |
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Leppin, Hartmut, Justinian. Das christliche Experiment. Klett Cotta Verlag. Stuttgart 2011. 448 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
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Justinian wurde in Tauresium in Mazedonien im Jahre 482 als Bauernsohn geboren und war doch zugleich als Neffe des Kaisers in einer ungewöhnlichen Stellung. Ebenso auffallend ist seine Heirat mit Theodora als einer Tochter eines Bärendompteurs am Zirkus in Konstantinopel. Gleichwohl hat er die Geschichte des Rechts weltweit durch seine Entscheidungen zur Restauration des römischen Rechtes maßgeblich beeinflusst.
Hartmut Leppin studierte seit 1982 Geschichte, Latein, Griechisch und Erziehungswissenschaften in Marburg, Heidelberg und Pavia und begann seine akademische Karriere nach dem ersten Staatsexamen für das Lehramt an Gymnasien in Geschichte und Latein 1989 als wissenschaftliche Hilfskraft mit Abschluss am Deutschen Archäologischen Institut in Rom. 1990 wurde er in Marburg mit einer Dissertation über die soziale Stellung von Bühnenkünstlern im Westen des römischen Reichs während der Republik und des Prinzipats in alter Geschichte promoviert, 1995 in Berlin auf Grund einer Habilitationsschrift über das christliche Kaisertum bei den Kirchenhistorikern Socrates, Sozomenus und Theodoret habilitiert und nach verschiedenen Vertretungen und Stipendien 2001 nach Frankfurt am Main berufen. Seitdem greift er in vielfältiger Hinsicht weiter aus.
Mit Justinian hat er sich dabei bereits mehrfach beschäftigt. Zusammenfassend versucht er eine Beschreibung des ungewöhnlichen Lebens als Geschichte eines sich allmählich wandelnden Reformwillens zur Umgestaltung der bisherigen Entwicklung. Auch wenn Justinian dabei experimentierend in vielem an den Schwierigkeiten seiner Zeit letztlich scheiterte, hat er sich doch durch seinen frühen Einsatz um das Recht bleibende, der steten Erinnerung würdige Verdienste erworben, wie sie nur wenigen Herrschern vergönnt waren.
Innsbruck |
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Les conflits entre peuples. De la résolution libre à la résolution imposée, hg. v. Dauchy, Serge/Vec, Miloš (= Studien zur Geschichte des Völkerrechts 24). Nomos, Baden-Baden 2011. 197 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen Les conflits entre peuples. De la résolution libre à la résolution imposée, hg. v. Dauchy, Serge/Vec, Miloš (= Studien zur Geschichte des Völkerrechts 24). Nomos, Baden-Baden 2011. 197 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
In Frankfurt am Main fand vom 27. bis 29. September 2008 eine internationale Tagung statt, deren reichen Ertrag der schmale Band der Allgemeinheit zur Verfügung stellt. Eingeleitet wird er mit einem Vorwort Serge Dauchys. Den Beschluss bildet ein Resümee Michael Stolleis’ als des Begründers der ihn aufnehmenden Reihe.
Insgesamt enthält das Werk elf Beiträge. Sie beginnen mit der Verrechtlichung internationaler Streitbeilegung im 19. und 20. Jahrhundert, zu denen Miloš Vec Beobachtungen und Fragen zu den Strukturen völkerrechtlicher Konfliktaustragung bietet. Danach befassen sich etwa Martin Kintzinger mit der Internationalität der Hofkultur und der Regionalität ihrer Konfliktlösung im westeuropäischen Spätmittelalter, Jean-Paul Durand mit dem Beitrag des kanonischen Rechtes der katholischen Kirche.
Daneben werden zahlreiche weitere Einzelfragen aufgeworfen. Sie betreffen etwa den Jay-Vertrag von 1794 als mögliche Geburtsstunde der modernen internationalen Schiedsgerichtsbarkeit, die Verrechtlichung, das Nationalitätsprinzip, das Nationalgefühl, den Friedensvertrag, die deutsche Waffenstillstandskommission von Wiesbaden (1940-1942), das Kriegsführungsrecht oder den internationalen Gerichtshof. Möge das in den vielfältigen Erkenntnissen des leider eines Registers entbehrenden Bandes sichtbare Hoffnungszeichen tatsächlich zu einem Mehr an neuer reflexiver Vernunft führen, auch wenn der Weg von der frei vereinbarten Lösung zur rechtlich vorhersehbaren Lösung noch nicht wirklich weit praktisch gangbar gemacht worden ist.
Innsbruck Gerhard Köbler
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Lexikon der Geisteswissenschaften. Sachbegriffe – Disziplinen – Personen, hg. v. Reinalter, Helmut/Brenner, Peter J. Böhlau, Wien 2012. XIV, 1409 S. Besprochen von Hiram Kümper. |
Ganzen Eintrag anzeigen Lexikon der Geisteswissenschaften. Sachbegriffe – Disziplinen – Personen, hg. v. Reinalter, Helmut/Brenner, Peter J. Böhlau, Wien 2012. XIV, 1409 S. Besprochen von Hiram Kümper.
Dass ‚die Geisteswissenschaften’ – was immer man im Einzelfall wird darunter verstehen wollen –, vor allem die kleineren Fächer unter ihnen, sich schon seit einiger Zeit hohem Legitimationsdruck ausgesetzt sehen, ist nichts Neues mehr. Man kann das auch an den zunehmenden programmatischen Gegensteuerungsversuch – vom Jahr der Geisteswissenschaften bis hin zu den neu gegründeten Käte Hamburger Kollegs für geisteswissenschaftliche Forschung – ablesen. Zu ihnen gesellt sich nun auch das frisch vorliegende „Lexikon der Geisteswissenschaften“, das neben einem inhaltlichen deutlich auch ein forschungspolitisches Anliegen vertritt.
Zunächst einmal fällt aber der schiere Umfang ins Auge: 244 Artikel von 137 Beiträgerinnen und Beiträgern auf insgesamt 1.409 Seiten. Gegliedert wird der massive Band, wie im Untertitel ausgewiesen, in drei große Komplexe: Sachbegriffe, Disziplinen und Personen. Die Auswahl der Lemmata, die sich hinter diesen Komplexen verbergen, ist neben der Qualitätssicherung der Einzelbeiträge sicherlich die Krux eines jeden lexikalischen Unternehmens. Je größer der Zuschnitt des Gesamtwerkes ist – und ‚Geisteswissenschaften’ ist für ein wissenschaftliches Fachlexikon fraglos an Zuschnittsbreite kaum mehr zu überbieten –, desto größer wird die Wahrscheinlichkeit, dass jede Leserin und jeder Leser ein Stichwort des eigenen Interessenfeldes vermissen wird, andere wird ein(e) jede(r) für entbehrlich halten.
Die große Stärke – und zwar nicht nur in quantitativer (knapp 900 Seiten!) Hinsicht – bildet sicher der erste Teil, der den Sachbegriffen gewidmet ist. Hier werden nicht nur Grundbegriffe geisteswissenschaftlicher Forschung, wie etwa „Analytik/Erklärung“ (Esther Ramharter), „Kausalität“ (Tom Denter), „Objektivität“ (Christoph Cornelißen) ode |
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Liber Amicorum Klaus Schurig zum 70. Geburtstag, hg. v. Michaels, Ralf/Solomon, Dennis. Sellier, München 2012. X, 323 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen Liber Amicorum Klaus Schurig zum 70. Geburtstag, hg. v. Michaels, Ralf/Solomon, Dennis. Sellier, München 2012. X, 323 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Klaus Schurig wurde in Berlin am 1. Mai 1942 geboren und wuchs in Essen auf. Nach dem Studium der Rechtswissenschaft an der Universität Köln wurde er wissenschaftliche Hilfskraft und danach wissenschaftlicher Assistent am Institut für internationales und ausländisches Privatrecht und promovierte 1974 mit einer Dissertation über das Vorkaufsrecht im Privatrecht (Geschichte, Dogmatik, ausgewählte Fragen). Nach einem Stipendium der Deutschen Forschungsgemeinschaft wurde er 1980 bei Gerhard Kegel mit einer Untersuchung über Kollisionsnorm und Sachrecht habilitiert und nach einer Vertretung in Hamburg 1981 nach Passau auf den Lehrstuhl für bürgerliches Recht, internationales Privatrecht und Rechtsvergleichung berufen, den er bis 2007 innehatte.
Nach dem Vorwort der Herausgeber mag Schurigs Veröffentlichungsliste vielleicht kürzer sein als die mancher seiner Fachkollegen, sein unmittelbarer Einfluss auf Gesetzgebung und Rechtsprechung geringer als der einiger anderer, die Liste der unter seiner Betreuung entstandenen Promotionen und Habilitationen weniger lang. Dem steht jedoch der Vorzug des tiefen Eindringens in die Sachproblematik gegenüber, so dass es nach Ansicht der Herausgeber bei kaum einer Frage des internationalen Privatrechts ohne Fahrlässigkeit möglich ist, sich nicht mit Schurigs Thesen auseinanderzusetzen. Deswegen haben dem erfolgreichen sympathischen Gelehrten 22 Freunde in Anerkennung seiner bedeutenden Leistungen eine gediegene Festschrift gewidmet.
Sie beginnt in alphabetischer Reihenfolge mit Holger Altmeppens Studie über den gutgläubigen Zwischenerwerb und endet mit Jan Wilhelms Betrachtung der Rückerstattung nach dem Draft Common Frame of Reference und den nachfolgenden Gesetzgebungsschritten zu einem einheitlichen europäischen Privatrecht. Dazwischen werden |
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Löffelsender, Michael, Strafjustiz an der Heimatfront. Die strafrechtliche Verfolgung von Frauen und Jugendlichen im Oberlandesgerichtsbezirk Köln 1939-1945 (= Beiträge zur Rechtsgeschichte des 20. Jahrhunderts 70). Mohr (Siebeck) Tübingen 2012. XII, 494 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
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Die Arbeit ist die von Margit Szöllösi-Janze angeregte und betreute, von der Fritz Thyssen Stiftung unterstützte, im Sommersemester 2011 unter dem Titel „Aufrechterhaltung der inneren Front“ von der philosophischen Fakultät der Universität Köln angenommene, leicht überarbeitete Dissertation des 2009 im internationalen Max-Planck-Forschungskolleg für vergleichende Rechtsgeschichte in Frankfurt am Main aufgenommenen Verfassers. Sie geht in den Anfängen auf den interdisziplinären Kölner Forschungsverbund Justiz im Krieg - Der Oberlandesgerichtsbezirk Köln 1939-1945 zurück. Hilfreich war für sie ein privilegierter Zugang zu Akten.
Gegliedert ist die Untersuchung außer der Einleitung in Forschungskontexte, Theoriebezüge, Zuschnitt und Aufbau sowie Quellen und Begrifflichkeiten in fünf Sachkapitel. Sie betreffen den Krieg als Herausforderung, Mechanismen der Verfolgung im Vorfeld der Strafjustiz und Agieren der Staatsanwälte, die Rolle der Gehilfen der Justiz (Kriminalpsychiatrie, Kriminalbiologie, Kriminalätiologie, Jugendgerichtshilfe), Frauen und Jugendliche vor Gericht und Gnadenverfahren und Strafvollstreckung. Abgeschlossen werden die sorgfältigen Bestandsaufnahmen jeweils mit einem Zwischenfazit.
Insgesamt ermittelt der Verfasser als ein grundsätzliches Ziel der nationalsozialistischen Kriegspolitik seit 1933 die Aufrechterhaltung der Einsatzbereitschaft und des Durchhaltewillens der Bevölkerung in der Heimat mittels Leistungen und Zwängen. Ansprechend kann er unter Bezugnahme auf gesellschaftliche Leitvorstellungen, Geschlechterstereotypen und Kriminologie zeigen, dass das nationalsozialistische Regime dem Strafrecht und der Strafjustiz ( |
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Löffler, Berthold, Integration in Deutschland. Zwischen Assimilation und Multikulturalismus. Oldenbourg, München 2011. 396 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen Löffler, Berthold, Integration in Deutschland. Zwischen Assimilation und Multikulturalismus. Oldenbourg, München 2011. 396 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Der Verfasser lehrt an der Hochschule Ravensburg-Weingarten Politikwissenschaft, Staatsrecht, Verwaltungsrecht sowie Methoden der empirischen Sozialforschung. Er geht davon aus, dass alle den Integrationsbegriff verwenden, obwohl sie häufig Unterschiedliches damit meinen. Demgegenüber will er systematisch die Frage beantworten, was Integration ist, sein kann oder sein soll, so dass sich ihm als wichtiste Grundfrage stellt, ob Einwanderer sich an eine Aufnahmegesellschaft anpassen müssen.
Zu diesem Zweck stellt er die burschikose Wendung alles Integration, oder was? voran. Danach setzt er sich sorgfältig mit der Integration moderner Gesellschaften auseinander, wobei er nacheinander Medien der Sozialintegration, Felder der Systemintegration, Integration durch Arbeitsteilung und Kollektivbewusstsein, Gesellschaft als Struktur und Gesellschaft als Kultur erörtert. Auf dieser Grundlage vertieft er die Integration ethnisch-kulturell vielfältiger Gesellschaften und den deutschen Weg zum Multikulturalismus.
Im Ergebnis sieht er die Diskussion um Leitkultur (durch Friedrich Merz) als Symptom integrationspolitischer Orientierungslosigkeit an. Leitkultur ist ihm ein Programm im Dienst der kulturellen Hegemonie. Ansprechend lässt er das künftige Gesicht der deutschen Gesellschaft davon abhängen, ob die Entscheidung für Assimilation, Akkulturation oder Multikulturalismus fällt.
Innsbruck Gerhard Köbler
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Lorenzen, Jan C., Das Bundesnaturschutzgesetz vom 20. Dezember 1976. Die Entwicklung des Naturschutzrechtes in Deutschland von den Anfängen bis zur Neukodifikation des Bundesnaturschutzgesetzes von 1976 (= Rechtshistorische Reihe 431). Lang, Frankfurt am Main 2012. 644 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen Lorenzen, Jan C., Das Bundesnaturschutzgesetz vom 20. Dezember 1976. Die Entwicklung des Naturschutzrechtes in Deutschland von den Anfängen bis zur Neukodifikation des Bundesnaturschutzgesetzes von 1976 (= Rechtshistorische Reihe 431). Lang, Frankfurt am Main 2012. 644 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Die Natur insgesamt und damit auch die irdische Natur schützt sich auf dem Weg von einem unbekannten Ursprung zu einem unbekannten Ziel in ständigem Werden und Vergehen an sich irgendwie selbst. Auf der Erde bestand deshalb ein grundsätzliches allgemeines Gleichgewicht bis zu dem Zeitpunkt, in dem der Mensch mit Hilfe seines Verstandes die Natur weitgehend zu beherrschen begann. Eine Gefahr für die Natur wurde darin erst seit dem ausgehenden 18. Jahrhundert erkannt, als sich Strömungen wie Naturalismus oder Utilitarismus des Wertes der Natur bewusst wurden und etwa der preußische König Friedrich Wilhelm III. 1836 den zum Bau des Kölner Domes genutzten Drachenfels im Siebengebirge kaufte, um ein zum romantischen Nationalsymbol umgewandeltes Stück Natur vor der weiteren Zerstörung zu bewahren.
Die von Werner Schubert angeregte und vorbildlich betreute, im Wintersemester 2010/2011 von der rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Kiel angenommene, umfangreiche, zahlreiche archivalische Quellen einbeziehende, im Anhang eine hilfreiche Zeittafel (von 1836 bis zum 24. 12. 1976), mehr als 25 Kurzbiographien, die wichtigsten Texte sowie ein Quellen- und Literaturverzeichnis bietende ansprechende Dissertation des in Flensburg 1979 geborenen, überwiegend in Kiel ausgebildeten, seit 2010 in einer Steuerberatungsgesellschaft tätigen Autors befasst sich demgegenüber mit einem Zeitabschnitt, in dem die Eingriffe des Menschen ein derartiges Ausmaß angenommen hatten, dass allgemeine rechtliche Regelungen, wie sie etwa das dem damaligen internationalen Standard entsprechende Reichsnaturschutzgesetz des Jahres 1935 brachte, unumgänglich waren u |
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Lutterbeck, Klaus-Gert, Politische Ideengeschichte als Geschichte administrativer Praxis. Konzeptionen von Gemeinwesen im Verwaltungshandeln der Stadt Strasbourg/Straßburg 1800-1914 (= Studien zur europäischen Rechtsgeschichte 260). Klostermann, Frankfurt am Main 2011. XV, 469 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen Lutterbeck, Klaus-Gert, Politische Ideengeschichte als Geschichte administrativer Praxis. Konzeptionen von Gemeinwesen im Verwaltungshandeln der Stadt Strasbourg/Straßburg 1800-1914 (= Studien zur europäischen Rechtsgeschichte 260). Klostermann, Frankfurt am Main 2011. XV, 469 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Der gemeinsam mit Peter Collin Handlungsorientierungen moderner Verwaltung für den Lehrer verantwortende Verfasser studierte von 1987 bis 1994 in Osnabrück, London und Hamburg Geschichte und politische Wissenschaften und erwarb zum Abschluss den Magister Artium in Hamburg. Am Hamburger Institut für politische Wissenschaft wirkte er bis zu seiner philosophischen Promotion, um dann nach einem mehrjährigen Zwischenspiel am interdisziplinären Zentrum für die Erforschung der europäischen Aufklärung in Halle-Wittenberg zu Erk Volkmar Heyen nach Greifswald zu wechseln. Hier wurde er 2007/2008 für Rechts- und Staatsphilosophie sowie Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte/Politikwissenschaft an der rechts- und staatswissenschaftlichen und an der philosophischen Fakultät habilitiert.
Seine Dissertation befasst sich als historische Untersuchung in systematischer Absicht mit Staat und Gesellschaft bei Christian Thomasius und Christian Wolff. Die Hans Ludwig Kimmel gewidmete Habilitationsschrift greift darüber zeitlich wie sachlich weit hinaus. Sie gliedert sich nach einer Einleitung über Aufbau und Methodik in drei chronologisch geordnete Kapitel.
Den historischen Ausgangsbedingungen der freien Reichsstadt und ville libre royale folgen die ideell-politische Dimension und kommunale Identität in der Verwaltungspraxis Strasbourgs (1800-1870) und das Straßburger Gemeinwesen in den lokalen Politiken der Reichslandzeit (1870/1871-1914 [oder eigentlich 1918?]). Dabei gelangt der Verfasser zu der ansprechenden Erkenntnis, dass erst die historische Rekonstruktion der Straßburger Verwaltungsgeschichte Licht auf die bisher im Schatten liege |
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Macek, Bernhard A., Die Krönung Josephs II. zum römischen König. Logistisches Meisterwerk, zeremonielle Glanzleistung und Kulturgüter für die Ewigkeit. Lang, Frankfurt am Main 2010. 178 S., Abb. Besprochen von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen Macek, Bernhard A., Die Krönung Josephs II. zum römischen König. Logistisches Meisterwerk, zeremonielle Glanzleistung und Kulturgüter für die Ewigkeit. Lang, Frankfurt am Main 2010. 178 S., Abb. Besprochen von Gerhard Köbler.
Der 1975 geborene Verfasser ist nach dem kurzen Vorwort Martin Scheutzs vom Institut für österreichische Geschichtsforschung seit 2001 in der Hofburg (Silberkammer, Kaiserappartements, Sisi-Museum) beschäftigt. 2007 hat er eine Dissertation über Feldmarschall-Leutnant Franz von Holbein-Holbeinsberg. „Directiven“ der spanischen Hofreitschule. Reitkunst, Militär und Gesellschaft des 19. Jahrhunderts vorgelegt. Er ist damit für die Organisationsform des herrschaftlichen Hofes in Wien eindrucksvoll ausgewiesen.
Joseph II. wurde in Wien am 13. 3. 1741 als viertes Kind und erstgeborener Sohn der österreichischen Erzherzogin Maria Theresia und ihres Ehegatten Franz-Stephan von Lothringen (später Franz I.) geboren. Seine Eltern ließen ihn erfolgreich mit 23 Jahren 1764 römischer König und 1765 Kaiser des Heiligen römischen Reiches werden. Nach dem Tode seiner am 29. 11. 1780 verstorbenen Mutter wurde er bis zu seinem Tode in Wien am 20. Februar 1790 alleiniger Landesherr der österreichischen Erblande, der in rastloser aufgeklärter Reformpolitik einen zentralistischen Gesamtstaat Österreich deutscher Staatssprache anstrebte, ohne darin wirklich erfolgreich zu werden.
Die Krönung ist das im fränkischen Reich vielleicht mit Pippin III. 751 beginnende Aufsetzen der Krone als Zeichen des Herrschaftsantritts. Wie sehr sich dieser Vorgang bis 1764 verändert und erweitert hat, zeigt der Verfasser eindringlich in seiner schlanken, in die Abschnitte, Vorbereitungsphase, Reise nach Frankfurt, Wahl, Einzug in Frankfurt am Main, letzte Tage vor der Krönung, Krönung, Tage nach der Krönung in Frankfurt und Heimreise nach Wien gegliederten Untersuchung. Wer immer sich für die vielen Einzelheiten des Zeremoniells der auch Joha |
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Madaus, Stephan, Der Insolvenzplan. Von seiner dogmatischen Deutung als Vertrag und seiner Fortentwicklung in eine Bestätigungsinsolvenz. Mohr (Siebeck), Tübingen 2010. XXIX, 675 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen Madaus, Stephan, Der Insolvenzplan. Von seiner dogmatischen Deutung als Vertrag und seiner Fortentwicklung in eine Bestätigungsinsolvenz. Mohr (Siebeck), Tübingen 2010. XXIX, 675 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Die Insolvenz ist die Gefahr, in die sich der Mensch begibt, wenn er jenseits seiner eigentlichen Kräfte und Möglichkeiten wirtschaftet. Sein nach Gewinn strebendes Verhalten auf dem Markt kann ihn im Wettbewerb mit unbegrenzt vielen anderen zum erhofften oder erwarteten Ziel führen, birgt aber auch das Risiko, dass die erforderlichen Mittel an der einen oder anderen Stelle versiegen. Die einfachste Folge der Insolvenz ist die Beendigung des Handelns unter Beseitigung der Überreste, doch folgt daraus vielfach nicht nur ein einzelwirtschaftlicher, sondern auch ein gesamtwirtschaftlicher Verlust, weshalb nach längeren Vorarbeiten der ältere Konkurs in Deutschland 1999 durch die Insolvenzordnung abgelöst wurde.
Mit diesem Problemkreis befasst sich der 1974 in Parchim geborene, an der Universität Rostock rechtswissenschaftlich ausgebildete, bereits als Studierender bei Harald Koch und danach bei Peter Bydlinski tätige, 2001 auf Grund einer Dissertation über den Schuldbeitritt als Personalsicherheit promovierte, von Ralph Weber nach freier Themenwahl betreute, und nach einem Wechsel nach Greifswald bei Anja Hucke als Mitarbeiter aufgenommene, 2008/2009 als Visiting Scholar an der Stanford Law School tätige, inzwischen als Nachfolger Peter Gottwalds in Regensburg tätige Verfasser in seiner im Wintersemester 2010/2011 angenommenen, gewichtigen Habilitationsschrift. Sie gliedert sich nach einer kurzen Einleitung über das neue Insolvenzrecht (im damaligen elften Jahr seines Bestehens), das Ziel der Untersuchung und den Gang der Untersuchung in fünf Sachkapitel, die mit der Betrachtung der Funktion und Rechtsnatur des Insolvenzplans aus betriebswirtschaftlicher und rechtshistorischer Sicht beginnen. In diesem Zusammenhang bietet der |
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Madeheim gegen Madeheim. Eine reichsdeutsche Scheidung. Berlin 1938, hg. v. Heide, Isabella von der. Pro-Universitate-Verlag (im Berliner Wissenschaftsverlag), Berlin 2011. 165 S. Besprochen von Werner Schubert. |
Ganzen Eintrag anzeigen Madeheim gegen Madeheim. Eine reichsdeutsche Scheidung. Berlin 1938, hg. v. Heide, Isabella von der. Pro-Universitate-Verlag (im Berliner Wissenschaftsverlag), Berlin 2011. 165 S. Besprochen von Werner Schubert.
Mit der vorliegenden Quellensammlung macht von der Heide die Originaldokumente des Scheidungsprozesses und des kirchenrechtlichen Dispensverfahrens ihrer Schwiegermutter aus den Jahren 1937 bis 1942 zugänglich. Im Mittelpunkt der Edition stehen die Schriftsätze der Anwälte der Ehefrau und des Ehemannes Madeheim. Zunächst wurde die Ehe der Parteien durch Urteil des Landgerichts Berlin vom 7. 10. 1937 aus Alleinverschulden des Ehemannes geschieden. Zu dieser Zeit galt noch § 1568 BGB a. F., wonach ein Ehegatte auf Scheidung klagen konnte, „wenn der andere Ehegatte durch schwere Verletzung der durch die Ehe begründeten Pflichten oder durch ehrloses oder unsittliches Verhalten eine so tiefe Zerrüttung des ehelichen Verhältnisses verschuldet hat, dass dem Ehegatten die Fortsetzung der Ehe nicht zugemutet werden kann“. Das Alleinverschulden des Beklagten war nach dem Urteil darin zu sehen, dass dieser „sich fortgesetzt geweigert hat, mit der Klägerin normalen Geschlechtsverkehr auszuüben“. Insoweit stelle diese Weigerung „eine schwere Verletzung der durch die Ehe begründeten Pflichten dar“ (S. 65). Wie weit das Landgericht sich mit der Urteilspraxis zu § 1568 BGB auseinandergesetzt hat, ist nicht feststellbar. Nach der Kommentierung zu § 1568 im Reichsgerichtsräte-Kommentar durch RG-Rat Hallamik (8. Aufl., Bd. IV, 1935, S. 279) war „die Verweigerung der Beiwohnung“ nur dann Scheidungsgrund, „wenn sie hartnäckig (trotz Vorstellung) fortgesetzt wird und auf rücksichtslose Eigensucht, auf Böswilligkeit zurückzuführen ist“. Das Urteil vom 7. 10. 1937 wurde durch das Kammergericht durch Urteil vom 26. 1. 1938 aufgrund der Berufung des Beklagten dahin abgeändert, dass die Klägerin verurteilt wurde, die „eheliche Gemeinschaft mit d |
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Maertens, Ralf, Das Landgericht Altona (1879-1937) und die Anfänge des Landgerichts Itzehoe (1937-1945). Unter besonderer Berücksichtigung ihrer Tätigkeitsberichte und rechtspolitischen Stellungnahmen (= Rechtshistorische Reihe 425). Lang, Frankfurt am Main 2011. 792 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
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Die Arbeit ist die von Werner Schubert angeregte und betreute, im Wintersemester 2011/2011 bei der rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Kiel eingereichte, sehr umfangreiche Dissertation des 1974 in Kiel geborenen, nach dem dortigen Studium und den beiden Staatsprüfungen (2002 und 2004) als Rechtsanwalt im Bezirk des Landgerichts Itzehoe und seit 2011 in Oldenburg tätigen Verfassers. Sie bearbeitet einen interessanten Gegenstand an Hand auch unveröffentlichter Quellen sehr ausführlich. Sie spricht dabei zahlreiche Einzelfragen auch aus praktischer Sicht sehr konkret an.
Gegliedert ist sie in sechs Abschnitte. Davon betreffen die ersten beiden Abschnitte die Vorgeschichte der Thematik, wobei der Verfasser zunächst einen Überblick über das verwickelte Gerichtswesen bis 1867 und danach über die beiden Kreisgerichte in der Zeit zwischen 1867 und 1879 gibt. Danach betrachtet er ganz gründlich das Landgericht Altena und dessen Gerichtsbezirk von 1879 bis 1918 und von 1918/1919 bis zum 31. März 1937.
Anschließend wendet sich der Verfasser dem Altona als Folge des Groß-Hamburg-Gesetzes ersetzenden Landgericht Itzehoe und dessen Gerichtsbezirk vom 1. April 1937 bis zum Anfang der 1950er Jahre zu. Im Einzelnen bietet der Verfasser Lebensläufe der Gerichtspräsidenten und weiterer Richter, Geschäftsübersichten und vielfache Ausführungen über das Schwurgericht, die Anfänge des jugendstrafrechtlichen Verfahrens seit 1908 oder die Tätigkeit von Rechtsanwälten und Notaren sowie unmittelbar aus den Quellen viele unterschiedliche rechtspolitische Stellungnahmen und Generalberichte. Auch wenn nicht jedes deutsche Landgericht der Unter |
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Maier, Bernhard, Geschichte und Kultur der Kelten. Beck, München 2012. 384 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
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In der großen und spannenden Geschichte der indogermanischen Völker steht den schriftlich fast nur durch die Römer bekannten Germanen kein anderes Volk so nahe wie die Kelten. Allerdings weiß die Gegenwart über sie noch weniger als über jene, weil die Römer über sie spärlicher berichteten und weil die Kelten von der gesamteuropäischen Völkerentwicklung stärker an den Rand gedrängt wurden als die den Römern machtpolitisch nachfolgenden germanistischen Völker. Umso verdienstvoller ist es, wenn einer der besten Sachkenner sein in langen Jahren gewonnenes Wissen über die Kelten an einem gut zugänglichen Ort mit der Allgemeinheit teilt.
Der 1963 geborene Verfasser wurde nach dem Studium der vergleichenden Religionswissenschaft, vergleichenden Sprachwissenschaft, keltischen Philologie und Semitistik in Freiburg im Breisgau, Aberystwyth, Bonn und London in Bonn 1989 mit einer Dissertation über König und Göttin (die keltische Auffassung des Königtums und ihre orientalischen Parallelen) promoviert, 1998 am gleichen Ort mit einer Schrift über die Religion der Kelten (Götter, Mythen, Weltbild) für vergleichende Religionswissenschaft habilitiert und nach Heisenberg-Stipendium und Akademiepreis 2004 für Keltisch nach Aberdeen und 2006 für allgemeine Religionswissenschaft und europäische Religionsgeschichte nach Tübingen berufen. Nach einem Lexikon der keltischen Religion und Kultur von 1994 und einem Sagenbuch der walisischen Kelten, die jeweils bereits an publikumswirksamen Orten veröffentlich wurden, erschienen seine Geschichte der Kelten von den Anfängen bis zur Gegenwart (2000) und seine Habilitationsschrift (2003) bei Beck in München. Dem folgten am gleichen Ort in kurzen Abständen die Religion der Germanen (2003), ein kleines Lexikon der Namen und Wörter keltischen Ursprungs (2003), Stonehenge (2005), Sternstunden der Religionen (20 |
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Majonica, Ernst, Das politische Tagebuch 1958-1972, bearb. v. Kleinmann, Hans-Otto/Beckmann, Christopher (= Forschungen und Quellen zur Zeitgeschichte 55). Droste, Düsseldorf 2010. LXXVI, 765 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen Majonica, Ernst, Das politische Tagebuch 1958-1972, bearb. v. Kleinmann, Hans-Otto/Beckmann, Christopher (= Forschungen und Quellen zur Zeitgeschichte 55). Droste, Düsseldorf 2010. LXXVI, 765 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Der in Soest in einer Familie italienischer Herkunft am 29. Oktober 1920 geborene und am 21. Juli 1997 gestorbene Ernst Majonica studierte von 1939 bis 1942 in Münster und Freiburg im Breisgau Rechtswissenschaft und Geschichte, wurde danach zum Kriegsdienst eingezogen und konnte erst nach belgischer und amerikanischer Kriegsgefangenschaft 1950 seine juristische Ausbildung mit der zweiten Staatsprüfung abschließen. Bereits 1946 war er der Christlich Sozialen Union beigetreten, als deren Bundesvorsitzender der junge Rechtsanwalt von 1950 bis 1955 amtierte. Dem Bundestag Deutschlands gehörte er von 1950 bis 1972 an, dem Europaparlament von 1979 bis 1984.
Im Detail nahm er dabei viele bedeutende Funktionen ein, doch gelang ihm kein wirklicher Sprung an eine wichtige Spitze. Dafür vertrat er vielleicht zu oft nicht mehrheitsfähige Positionen und war auch nicht nur an Politik interessiert. Gleichwohl erlangte er umfangreiches Insiderwissen, so dass sein politisches Tagebuch durchaus Interesse verdient, obwohl die Herausgeber den Verfasser selbst letztlich als Mann der Linie und nicht des Stabes einstufen.
In der ausführlichen Einleitung begründen die Herausgeber die Edition und schildern detailliert den Werdegang Majonicas bis zum Leben nach der Politik. Die Edition der täglich nur wenige Zeilen umfassenden Eintragungen gibt ihre Grundlagen nicht vollständig, sondern nur in editorischer Auswahl wieder. Der Anhang schließt die den zermürbenden Alltag eines nicht unbedeutenden, hauptsächlich außenpolitisch interessierten deutschen Politikers eindrucksvoll dokumentierenden Zeugnisse ansprechend auf.
Innsbruck Gerhard Köbler
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Mannewitz, Tom, Linksextremistische Parteien in Europa nach 1990. Ursachen für Wahlerfolge und Wahlmisserfolge (= Extremismus und Demokratie 23). Nomos, Baden-Baden 2012. 506 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen Mannewitz, Tom, Linksextremistische Parteien in Europa nach 1990. Ursachen für Wahlerfolge und Wahlmisserfolge (= Extremismus und Demokratie 23). Nomos, Baden-Baden 2012. 506 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Die Arbeit ist die leicht überarbeitete Fassung der von Eckhard Jesse selbstlos engagiert betreuten, von der FAZIT-Stiftung durch ein Promotionsstipendium geförderte, im Dezember 2011 von der philosophischen Fakultät der Technischen Universität Chemnitz angenommene Dissertation des Verfassers. Ihre Leitfrage lautet nach dem Vorwort der Herausgeber: Was sind die notwendigen und hinreichenden Bedingungen für die Wahlerfolge und Misserfolge linksextremistischer Parteien in Europa zwischen 1990 und 2010? Da diese Frage bisher (im Gegensatz zum Rechtsextremismus) nicht durch eine Gesamtstudie beantwortet wurde, schließt der Verfasser für den Linksextremismus eine bestehende Lücke.
Gegliedert ist die interessante Untersuchung numerisch in 10 Kapitel, von denen Einleitung, Begrifferklärung, Methodik und Forschungshypothesen die allgemeinere Grundlage schildern. Danach wendet sich der Verfasser den von ihm ausgewählten Parteien zu, von denen in alphabetischer Reihenfolge sechs Belgien, eine Dänemark, zwei Deutschland (Partei des Demokratischen Sozialismus/Linkspartei.PDS/Die Linke, Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands), drei Frankreich, drei Italien, zwei Österreich (Kommunistische Partei Österreichs, Wahlbündnis Linke), eine Polen, eine die Schweiz (Partei der Arbeit) und eine die Slowakei betreffen. Auf der Grundlage von Rohdaten der Wahlergebnisse nimmt er eine Überführung in QCA-Bedingungen vor und ermittelt daraus Erfolgsbedingungen und Misserfolgsbedingungen.
Im Ergebnis stellt er fest, dass in Westeuropa eine erhöhte Arbeitslosigkeit und Demokratieunzufriedenheit gemeinsam notwendige Bedingungen für Wahlerfolge sind, während er im postkommunistischen Raum keine für Wahlsiege, die in allen untersuchten Ländern |
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Markgraf, Helmut, Skurrilitäten aus der Rechtsprechung des Reichsgerichts. Leipzig, Markgraf 2010. 126 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen Markgraf, Helmut, Skurrilitäten aus der Rechtsprechung des Reichsgerichts. Leipzig, Markgraf 2010. 126 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Skurrilitäten (auch in Fraktur) erfreuen sich angesichts grauen Einerleis schon seit den antiken Lexikographen vielfach besonderer Aufmerksamkeit. Deswegen hat der Titel auch umgehend das Interesse eines Rezensenten auf sich gezogen. Da dem Verlag leider die Lieferung eines Rezensionsexemplars nicht gelang, muss der Herausgeber nach Ausleihe in wenigen Zeilen auf das schmale, mit einem konventionellen Bildausschnitt des Reichsgerichts und vielen weiteren Bildern geschmückte Werk des überwiegend als Rechtsanwalt in Leipzig tätigen Verfassers hinweisen.
Gegliedert ist es in insgesamt fünf Abschnitte. Sie beginnen mit Einblicken in die traute Zweisamkeit an Hand des Nachwuchses in der Irrenanstalt, der geschlechtlichen Mängelrüge bei einer impotenten Ehefrau oder der Gültigkeit einer Ehe zwischen Ehebrechern. Dem folgen zwei Beispiele über die Tätigkeit der Obrigkeit und den Schiffsverkehr von damals, vier Fälle richterlicher Unabhängigkeit, fünf Fälle von Schadensersatz und unerlaubten Handlungen sowie rund 50 weitere kuriose Entscheidungen des Reichsgerichts unter dem allgemeinen Motto ius est vigilantibus (bzw. iura sunt vigilantibus).
Am Ende gelangt der Verfasser zur Unbeachtlichkeit des Einwandes, eine unterzeichnete Urkunde nicht gelesen zu haben, bietet ein kurzes Literaturverzeichnis von Adomeit bis Zschäbitz samt einer Linkliste und einem Abbildungsverzeichnis. Danach beschreibt er locker biographisch seine schon immer bestehende Affinität zu skurrilen Lebenssachverhalten, die ihn vom Immobilienkaufmann über den Kraftwagenfahrer zur Jurisprudenz (von Lübtow, Wesel, Säcker, Schlüter, Scholz, Schwerdtfeger, Wengler, Adomeit, Baumert einschließlich verschiedener guts) brachte. Möge ihn und andere die in die Normalität eingebettete Skurrilität weiterhin freuen und fördern.
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Massenmedien im Europa des 20. Jahrhunderts, hg. v. Daniel, Ute/Schildt, Axel (= Industrielle Welt 77). Böhlau, Köln 2010. 440 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen Massenmedien im Europa des 20. Jahrhunderts, hg. v. Daniel, Ute/Schildt, Axel (= Industrielle Welt 77). Böhlau, Köln 2010. 440 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Medium ist im klassischen Latein als Substantivierung des Adjektivs medius (mittlere, in der Mitte befindlich) die Mitte. Erst spät ist Medium auf das Mittel und das Wissen bezogen worden. Mit umso größerer Geschwindigkeit und Durchsetzungskraft ist es in den verschiedenen Formen des Sehens und Hörens zum wichtigsten Wissensvermittlungsinstrument des modernen Menschen geworden, das nicht nur auf den Einzelnen, sondern auf dessen unübersehbare Vielzahl der Massen wirkt.
Im Auftrag des Arbeitskreises für moderne Sozialgeschichte wurden in diesem Zusammenhang die Durchsetzung und immer dichtere Durchdringung moderner Gesellschaften des 20. Jahrhunderts mit Massenmedien (Vergesellschaftung als Medialisierung) und die Historisierung der gegenwartsbezogenen Diskussion über die europäische Integration über mehrere Jahre hinweg intensiv diskutiert. Im Ergebnis wurden außer einer hilfreichen Einführung 15 Studien zu Einzelfragen in dem vorliegenden Sammelband veröffentlicht. Sie deuten nach der Ansicht der Herausgeber insgesamt auf eine Desillusionierung von Vorstellungen einer zunehmenden politisch-kulturellen Vereinheitlichung durch Massenmedien im europäischen Rahmen.
Von den drei Teilen des Werkes befasst sich der erste mit der massenmedialen Vergesellschaftung (Amerikanisierung?, Information, Kommunikation, Unterhaltung, Radio der 1930er bis 1960er Jahre, Fernsehpublika, Wirklichkeit der Fernsehgesellschaft, konjunktive Erfahrungsräume). Die vier Beiträge zu Medien, Recht und Politik betreffen europäische Auslandsberichterstattung um 1900, die Geschichte der Öffentlichkeit in der Sowjetunion und in Osteuropa, die Medialisierunge von Arbeitskämpfen in Westdeutschland und Dänemark sowie sehr klar und präzis die Entfaltung des Medienrechts nach 1945 zwischen Markt und Demo |
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Massimilla, Edoardo, Max Weber zwischen Heinrich Rickert und Johannes von Kries. Drei Studien, aus dem Italienischen übersetzt v. Voermanek, Charlotte. (= Collegium Hermeneuticum 13). Böhlau, Wien 2011. 230 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen Massimilla, Edoardo, Max Weber zwischen Heinrich Rickert und Johannes von Kries. Drei Studien, aus dem Italienischen übersetzt v. Voermanek, Charlotte. (= Collegium Hermeneuticum 13). Böhlau, Wien 2011. 230 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Der in Neapel 1963 geborene Verfasser ist nach seinem philosophischen Studium erstmals 1986 mit einer eigenen wissenschaftlichen Untersuchung hervorgetreten. 1993 hat er eine 1994 publizierte Dissertation über Hugo Munsterberg vorgelegt. Nach weiteren Veröffentlichungen wurde er im November 2000 assoziierter Professor, im November 2001 außerordentlicher Professor und im November 2004 ordentlicher Professor in Neapel.
Literarisch wird nach einer frühen Beschäftigung mit Erich von Kahler die Befassung mit Max Weber im Jahre 2000 sichtbar. Unter dem Titel Ansichten zu Weber - Wissenschaft, Leben und Werte in der Auseinandersetzung als Beruf wurde dieses Werk von Charlotte Voermanek in das Deutsche übertragen. Dem folgen nun drei kleinere Studien.
Sie betreffen nach einem einleitenden Vorwort zunächst Heinrich Rickerts (1863-1936) Aufsatz über das Allgemeine in der Geschichte als Leitfaden für Max Webers Rezeption der Grenzen (1902). Danach klärt der Verfasser die Beziehungen Webers zu Rickert in Bezug auf den historischen Kausalzusammenhang. Den vertiefenden Abschluss bildet die Studie über Rickert und Webers Aneignung des Modells der kausalen Zurechnung Johannes von Kries’ (1853-1928), wodurch insgesamt die Werkleistung Max Webers als zentralen Vertreters einer universellen Kulturgeschichte innerhalb seines geistesgeschichtlichen Umfelds in wichtigen Einzelheiten genauer bestimmt wird.
Innsbruck Gerhard Köbler
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Mayer-Tasch, Peter Cornelius, Jean Bodin. Eine Einführung in sein Leben, sein Werk und seine Wirkung, 2. Aufl. 2011. 123 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
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Jean Bodin wurde in Angers 1529 oder 1530 als Sohn eines Schneidermeisters von einer (angeblich) jüdischen Mutter geboren. Er trat mit 15 oder 16 Jahren dem Karmeliterorden bei, besuchte dessen Schulen in Angers und Paris, wendete sich aber unter Austritt aus dem Orden 1549 dem Studium des Rechtes in Toulouse zu. Er wurde Professor in Toulouse, 1561 Advokat in Paris, Berater König Karls IX von Frankreich, Amtsträger des Herzogs von Alençon-Anjou und nach Veröffentlichung seiner weltberühmten sechs Bücher über die Republik (1576) nach Abkehr von König Heinrich III. und nach Heirat einer wohlhabenden Witwe als Nachfolger seines Schwagers 1577 Amtsträger (Staatsanwalt) am Präsidialgericht in Laon.
Peter Cornelius Mayer-Tasch (Stuttgart 1938) wurde nach dem Studium der Rechtswissenschaft, Politikwissenschaft, Geschichte, Kunstgeschichte und Philosophie in Tübingen, Heidelberg, Oxford, Straßburg und Bologna 1964 summa cum laude zum Doktor der Rechte promoviert. 1971 wurde er in Mainz für öffentliches Recht, Rechtsphilosophie und Politikwissenschaft habilitiert und umgehend an die Universität München berufen. Dort amtierte er über seine Entpflichtung hinaus bis 2010 auch als Rektor der Hochschule für Politik und arbeitete zuletzt über Mitte und Maß, Meer ohne Fische, Welt ohne Wasser und den Hunger der Welt.
Sein konzises Taschenbuch über Jean Bodins Leben, Werk und Wirkung erschien im Parerga-Verlag 2000, wo es seit geraumer Zeit vergriffen ist. Die Neuauflage an anderer Stelle lässt den Text unverändert, Bringt aber die nun mehr als 200 Jahre umfassende Bibliographie auf den neuesten Stand. Über Jean Bodins Leben zwischen den Fronten, seine politische Philosophie zwischen Konsequenz und Inkonsequenz sowie den Welterfolg seiner Souveränitätslehre wird kaum anderswo eine besser |
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Mecking, Sabine, Bürgerwille und Gebietsreform. Demokratieentwicklung und Neuordnung von Staat und Gesellschaft in Nordrhein-Westfalen 1965-2000 (= Studien zur Zeitgeschichte 85). Oldenbourg, München 2012. X, 531 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen Mecking, Sabine, Bürgerwille und Gebietsreform. Demokratieentwicklung und Neuordnung von Staat und Gesellschaft in Nordrhein-Westfalen 1965-2000 (= Studien zur Zeitgeschichte 85). Oldenbourg, München 2012. X, 531 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Die gewichtige Untersuchung der in Isselburg 1967 geborenen, öffentliche Verwaltung, Geschichte, Mathematik, Sportwissenschaft und Erziehungswissenschaften in Gelsenkirchen und Münster studierenden, seit 2000 als wissenschaftliche Referentin am Institut für Regionalgeschichte in Münster tätigen Verfasserin ist unter dem Titel Gebietsreform und Bürgerwille. Demokratieentwicklung und Reform von Staat und Gesellschaft am Beispiel der kommunalen Neugliederung in Nordrhein-Westfalen im Wintersemester 2008/2009 als Habilitationsschrift an der philosophischen Fakultät der Universität Düsseldorf angenommen worden. Sie hat nach Erscheinen umgehend das Interesse eines besonders sachkundigen Rechtshistorikers erweckt. Da leider kein Rezensionsexemplar verfügbar war, muss der Herausgeber an seiner Stelle mit wenigen Sätzen auf das Ergebnis hinweisen.
Die Thematik ist von hohem theoretischem Interesse und zugleich eigentlich großer praktischer Bedeutung. Im Kern geht es darum, ob politische Entscheidungen im Wesentlichen von einem kleinen Zirkel von Interessierten und Eingeweihten getroffen werden dürfen oder ob die Allgemeinheit daran von Anfang an im größtmöglichen Umfang beteiligt werden soll und kann. Diese bedeutsame Fragestellung verfolgt die Verfasserin auf breiter Quellengrundlage systematisch und konsequent.
Gegliedert ist das Werk nach einem kurzen Vorwort in sieben Kapitel Sie betreffen die thematische Einführung, das Aufeinandertreffen von staatlicher Reformpolitik und kommunaler Selbstverwaltung, die von Wattenscheid ausgehende Protestinitiative und das erste Volksbegehren in Nordrhein-Westfalen, den Kompensationsgedanken und das Modell der dezentralen Stadt, die symbolische Integr |
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Meien, Joachim von, Kleinststaat und Weltkrieg. Das Fürstentum Schaumburg-Lippe 1914-1918 (= Schaumburger Studien 71). Verlag für Regionalgeschichte, Gütersloh 2012. 316 S., Abb. Besprochen von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen Meien, Joachim von, Kleinststaat und Weltkrieg. Das Fürstentum Schaumburg-Lippe 1914-1918 (= Schaumburger Studien 71). Verlag für Regionalgeschichte, Gütersloh 2012. 316 S., Abb. Besprochen von Gerhard Köbler.
Gegen Ende des dreißigjährigen Krieges erhielt Graf Philipp von Lippe-Alverdissen über seine Schwester (und Mutter des letzten, 1640 gestorbenen Grafen von Schaumburg) einen Teil der Grafschaft Schaumburg (Ämter Bückeburg, Stadthagen, Arensburg, Hagenburg, Steinhude und teilweise Sachsenhagen) und vereinigte sie unter nomineller Oberhoheit Hessen-Kassels mit seinen lippischen Gütern Lipperode und Alverdissen zum Fürstentum Schaumburg-Lippe. Trotz mancher Verluste konnte der regierende Graf 1807 dem Rheinbund beitreten und den Fürstenrang annehmen sowie 1815 Mitglied des Deutschen Bundes werden, in dem er 1816 eine landständische Verfassung gab. Durch rechtzeitige Anlehnung an Preußen rettete das Fürstentum 1866 seinen Forbestand, wurde 1871 mit etwa 340 Quadratkilometern und knapp 50000 Einwohnern zweitkleinster Bundesstaat des Deutschen Reiches und ging nach der Abdankung des Fürsten von 1918 erst am 1. 11./23. 11. 1946 in Niedersachsen auf.
Der um 1980 geborene, mit dem Rittergut in Exten verbundene Verfasser studierte nach dem Abitur am Rintelner Gymnasium in Magdeburg, Konstanz und Hannover Geschichte und Englisch. Danach wies ihn Stefan Brüdermann auf die noch nicht wissenschaftlich bearbeitete Thematik des vorliegenden Werkes hin. Nach zweijähriger, von Karl Heinz Schneider betreuter Forschungsarbeit im Staatsarchiv Bückeburg wurde seine Studie als Dissertation von der philosophischen Fakultät der Universität angenommen.
Sie gliedert sich außer in Einleitung und Schlussbetrachtung chronologisch-sachlich in die Kapitel Kriegsausbruch, Verkündung des Kriegszustands, Entwicklung der Landwirtschaft, Entwicklung der Industrie und des Handwerks, Einsatz Kriegsgefangener, Lazarettwesen, Fürsorgepolitik und innenpolitis |
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Meiers, Thomas, Die Entwicklung und Reform der Sachmängelhaftung des Verkäufers beim Stückkauf im deutschen Recht zwischen 1992 und 2008 unter vergleichender Berücksichtigung des englischen Rechts (= Europäische Hochschulschriften 2, 5057). Lang, Frankfurt am Main 2010. 287 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen Meiers, Thomas, Die Entwicklung und Reform der Sachmängelhaftung des Verkäufers beim Stückkauf im deutschen Recht zwischen 1992 und 2008 unter vergleichender Berücksichtigung des englischen Rechts (= Europäische Hochschulschriften 2, 5057). Lang, Frankfurt am Main 2010. 287 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Die Arbeit ist die in Mainz 2009 angenommene Dissertation des 1970 in Boppard geborenen, in Mainz, London und in den Vereinigten Staaten in der Rechtswissenschaft ausgebildeten, danach als Rechtsanwalt und Wirtschaftsjurist tätigen Verfassers. Sie betrifft das bedeutsame Recht der Sachmängelgewährleistung. Dieses war in Deutschland vom Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuchs im Jahre 1900 bis zum 31. Dezember 2001 in den §§ 459ff. a. F. ziemlich gesondert vom allgemeinen Leistungsstörungsrecht geregelt, bis es zum 1. Januar 2002 durch das Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts verändert wurde.
Der Verfasser behandelt im ersten seiner vier Kapitel die geschichtliche und systematische Einordnung der Sachmängelhaftung des Verkäufers nach dem bis zum 31. 12. 2001 geltenden deutschen Recht, nach dem bis zum 30. 3. 2003 geltenden englischen Recht, nach dem ab dem 1. 10. 2002 geltenden deutschen Recht und nach dem ab dem 31. 3. 2003 geltenden englischen Recht. Danach untersucht er für die gleichen vier zeitlich-örtlichen Bereiche die Voraussetzungen der Sachmängelhaftung und die Rechtsfolgen. Zum Schluss führt er zusammenfassenden einen Rechtsvergleich durch.
Für diesen betrachtet er auf der Seite der Voraussetzungen die vereinbarte Beschaffenheit, die Eignung zur vorausgesetzten Verwendung, die Eignung zur gewöhnlichen Verwendung und öffentliche Äußerungen, Montagemängel und mangelhafte Montageanleitung, Falschlieferung und Lieferung einer Mindermenge sowie Ausschluss der Haftung bei Kenntnis des Mangels, auf der Seite der Rechtsfolgen den Nacherfüllungsanspruch, den Vertragsaufhebungsanspruch, den Minderungsanspruch un |
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Meineke, Birgit, Die Ortsnamen des Kreises Herford (= Westfälisches Ortsnamenbuch 4). Verlag für Regionageschichte, Gütersloh 2011. 416 S., Abb. Besprochen von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen Meineke, Birgit, Die Ortsnamen des Kreises Herford (= Westfälisches Ortsnamenbuch 4). Verlag für Regionageschichte, Gütersloh 2011. 416 S., Abb. Besprochen von Gerhard Köbler.
Die wissenschaftliche Neubearbeitung der deutschen Ortsnamen schreitet auf Grund der tatkräftigen Initiative Jürgen Udolphs weiter erfreulich voran. Für das in Münster bearbeitete Westfälische Ortsnamenbuch folgt den Bänden Soest (2009), Lippe (20120) und Münster und Warendorf (2011) als vierter Band der Kreis Herford (450 Quadratkilometer, knapp 250000 Einwohner) im Ravensberger Hügelland der Region Ostfalen-Lippe mit dem vielleicht schon vorsächsisch besiedelten Altenherford und dem im 9. Jahrhundert aufscheinenden Heriuurte.
Der Band umfasst rund 230 Ortsnamen in gewohnter alphabetischer Reihenfolge. Er beginnt mit der seit dem 15. Jahrhundert erkennbaren Flurbezeichnung Auffhüpperhöfe, die seit dem 19. Jahrhundert zum Ortsnamen wird. Den Beschluss bildet das vielleicht früh wüste, in der südwestlichen Radewiger Feldmark Herfords zu suchend Worden.
Als Grundwörter ermittelt die Bearbeiterin au, bant, baum, beke, bere, berg, brede, brok, brücke, burg, dal, dik, dorp, egge, feld, furt, ger, hagen, heide, hem, hof, holt, horst, husen, kamp, land, list, loh, mar, seti, siek, stede, stein, strate, strod, wik, winkel und wisch sowie die Suffixe dro, ing, ithi, k, l, n, r und str. Die häufigsten Bildungen werden mit hus (40) und dorp (19) vollzogen. Eine Übersichtskarte mit (notwendigerweise) kleinen Typen veranschaulicht den Bearbeitungsraum, eine umfangreiche Bibliographie weist die Grundlagen, ein ausführliches Register den Inhalt nach, so dass insgesamt wieder ein wichtiger Fortschritt auf einem langen Weg gelungen ist.
Innsbruck Gerhard Köbler
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Mensing, Wilhelm in Zusammenarbeit mit Georg Herbstritt/Weber, Gudrun, SED-Hilfe für West-Genossen. Die Arbeit der Abteilung Verkehr beim Zentralkomitee der SED im Spiegel der Überlieferung des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR (1946-1976) (= BF informiert 29). Die Bundesbeauftragte für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik Abteilung Bildung und Forschung, Berlin 2010. 323 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen Mensing, Wilhelm in Zusammenarbeit mit Georg Herbstritt/Weber, Gudrun, SED-Hilfe für West-Genossen. Die Arbeit der Abteilung Verkehr beim Zentralkomitee der SED im Spiegel der Überlieferung des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR (1946-1976) (= BF informiert 29). Die Bundesbeauftragte für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik Abteilung Bildung und Forschung, Berlin 2010. 323 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Der in Werl/Westfalen 1935 geborene Verfasser wurde nach dem Studium der Rechtswissenschaft und Staatswissenschaft in Münster u8nd München bei Hans Julius Wolff promoviert. Von 1964 bis 1997 war er im Bundesministerium für Gesundheitswesen und im Bundesministerium des Innern sowie als wissenschaftlicher Mitarbeiter der CDU/CSU Bundestagsfraktion tätig. Seit 1976 veröffentlichte er Untersuchungen insbesondere zum politischen Extremismus kommunistischer Parteien.
Bereits 1989 befasste er sich in Zusammenarbeit mit Manfred Wilke mit demokratischen Starthilfen für die Gründung der Deutschen Kommunistischen Partei. Im vorliegenden Werk vertieft er die Behandlung des Anspruchs der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands, Politik für ganz Deutschland zu gestalten. Dementsprechend widmet er sich der Abteilung Verkehr des Zentralkomitees, welche die Reisen der Kader, den Transport von Ausrüstung und Material sowie Geld organisierte. Obwohl alle Akten der Abteilung vernichtet wurden, konnte er ihre Tätigkeit mit Hilfe von Unterlagen des Ministeriums für Staatssicherheit rekonstruieren.
Nach einer kurzen Einleitung zu Aufgabenstellung, Quellenlage und zeitgeschichtlichem Hintergrund behandelt der Verfasser zunächst die Anfänge der Abteilung bis etwa 1960 und danach die weitere Entwicklung. Behandelt werden Arbeitsgebiete, Absicherung und Kontrolle, Sektoren, Führung und Personal (Adolf Baier, Josef Steidl, Paul Kaphengst, Julius Cebulla, Wilhelm Knigge), Westgruppen |
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Methoden der Namenforschung. Methodologie, Methodik und Praxis, hg. v. Ziegler, Arne/Windberger-Heidenkummer, Erika. Oldenbourg, München 2011. 254 S., 41 Abb. Besprochen von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen Methoden der Namenforschung. Methodologie, Methodik und Praxis, hg. v. Ziegler, Arne/Windberger-Heidenkummer, Erika. Oldenbourg, München 2011. 254 S., 41 Abb. Besprochen von Gerhard Köbler.
Vom 12. bis 15. Mai 2010 fand am Institut für Germanistik der Universität Graz die sechste Tagung des Arbeitskreises für bayerisch-österreichische Namensforschung zum Thema der Namenforschung statt. Da die selbstgewählte regionale Beschränkung inzwischen als zu eng empfunden wurde, waren auch Beiträge aus Italien, Luxemburg und der Schweiz willkommen. Außerdem wurden in die Veröffentlichung zusätzliche Untersuchungen aufgenommen, so dass der interessante Band insgesamt 16 Studien erfasst.
Gegliedert sind sie nach einem kurzen Vorwort und einer Einführung der Herausgeber in drei Gruppen. Diese betreffen Methodologie und Reflexionen, Methodik und Diskussionen, Praxis und Analysen. Dabei befasst sich etwa die Methodologie mit der Realprobe bei der Namensdeutung, mit der onymischen Monovalenz, mit der Typologisierung der Familiennamen (in Luxemburg), mit der Gegenüberstellung von moderner Indogermanistik und traditioneller Namenkunde am Beispiel von Save, Drau, Zöbern (notwendig wäre eine vollständige Sichtung und Überarbeitung des gesamten bereits gesammelten alt belegten Gewässer-, Orts- und Personennamenmaterials auf der Grundlage des heutigen indogermanischen Wissens), mit dem Verhältnis von Namen und Grammatik sowie mit der Rolle von Volkskunde und Aberglauben.
Unter Methodik werden das deutsche Gewässernamenbuch (z. B. Mur, Gurk, Eiter-, Albach, Traisen, Aist, Trisanna, Lutz), die Diffusionstheorie, die (möglichst automatisierbare) Belegverortung mit GIS (Geographisches Informationssystem), das österreichische Online-Familiennamenbuch und das historische Ortsnamenbuch von Bayern (HONB, 31 von 143 Altlandkreisen bearbeitet) angesprochen. Unter Praxis werden das auf 217 Ortsnamen beschränkte digitale Ortsnamenbuch mit neuen Perspektiven |
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Metzler, Marco, Nationale Volksarmee. Militärpolitik und politisches Militär in sozialistischer Verteidigungskoalition 1955/56 bis 1989/90. Nomos, Baden-Baden 2012. 793 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
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Die Arbeit ist die durch ein Stipendium der Hanns-Seidel-Stiftung aus Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung geförderte, 2010 an der Technischen Universität Chemnitz angenommene Dissertation des 1974 geborenen, Betriebswirtschaftslehre in Mittweida und Geschichte des Mittelalters, Philosophie und Politikwissenschaft in Chemnitz studierenden Verfassers. Sie will das Verhalten der Nationalen Volksarmee als militärpolitisches Instrument und als politisch verpflichtetes Militär in einer sozialistischen Verteidigungskoalition beschreiben. Während dies am 40. Jahrestag der Deutschen Demokratischen Republik 1989 kaum jemand („kein Mensch“) im Umfeld der Feiern für möglich gehalten hätte, stehen hierfür seit dem Beitritt der Deutschen Demokratischen Republik zur Bundesrepublik Deutschland im Jahre 1990 neu erschlossene Quellen zu quellennaher Betrachtung in genügender Fülle zur Verfügung.
Der Verfasser gliedert sein umfangreiches, sachkundiges, ein Register entbehrendes Werk außer in die Einleitung über den Untersuchungsgegenstand, die Problemstellung, den Forschungsstand und die Quellen, die Methodik und den Aufbau und eine umfangreiche Zusammenfassung in neun Sachkapitel. Sie betreffen die Entstehung des Warschauer Paktes (seit 1954, Warschauer Vertragsorganisation), die Organisation des Warschauer Paktes, die Entstehung der Nationalen Volksarmee (1956), die Organisation der Nationalen Volksarmee und die Nationale Volksarmee zwischen 1955 und 1964/1965, zwischen 1964/1965 und 1968, zwischen 1969 und 1979/1980, zwischen 1979/1980 und 1985 sowie zwischen 1985 und 1989/1990. Nach der sorgfältigen Schilderung der jeweiligen Hauptfragen fasst der Autor seine Erkenntnisse jeweils kurz zusammen.
Überzeugend hält der Ver |
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Meyer, Beate, Tödliche Gratwanderung. Die Reichsvereinigung der Juden in Deutschland zwischen Hoffnung, Zwang, Selbstbehauptung und Verstrickung (1939-1945) (= Hamburger Beiträge zur Geschichte der deutschen Juden 17). Wallstein, Göttingen 2011. 464 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
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Die Verfasserin ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für die Geschichte der deutschen Juden der Universität Hamburg. Sie wurde in Hamburg 1998 mit einer Dissertation über jüdische Mischlinge - Rassenpolitik und Verfolgungserfahrung 1933-1945 (Studien zur jüdischen Geschichte 6, 1999) promoviert. Seitdem hat sie verschiedene Arbeiten zur jüdischen Geschichte, darunter zahlreiche Stolpersteine, zum Teil allein, zum Teil mit anderen vorgelegt.
Das religiöse Judentum im Deutschen Reich war bis 1933 in keiner hierarchischen nationalen Organisation zusammengefasst und hatte dementsprechend keine einheitliche Interessenvertretung. Als Reaktion auf die judenfeindliche nationalsozialistische Politik schlossen sich noch vor Oktober 1933 mehrere religiöse jüdische Verbände zu einer Reichsvertretung der deutschen Juden zusammen, deren Name im September 1935 in Reichsvertretung der Juden in Deutschland abgeändert werden musste. Durch ein Gesetz über die Rechtsverhältnisse der jüdischen Kultusvereinigungen vom 28. März 1938 verloren die Kultusvereinigungen und ihre Verbände mit Rückwirkung die Stellung als Körperschaften des öffentlichen Rechtes.
Weil die Mitglieder der jüdischen Religionsgemeinschaft danach der jeweiligen Gemeinde ausdrücklich beitreten mussten, wurde die Reichsvertretung 1938 in einen Dachverband mit der Bezeichnung Reichsverband der Juden in Deutschland umgewandelt, in dem jeder im Deutschen Reich lebende Angehörige der jüdischen Glaubensgemeinschaft („Glaubensjude“) Pflichtmitglied war. Nach Umbenennung in Reichsvereinigung der Juden in Deutschland im Februar 1939 wurde diese Interessenvertretung im Juli 1939 unter ihrem bisher |
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Meyer-Lübke, Wilhelm, Romanisches etymologisches Wörterbuch, 7. unv. Aufl. (= Sammlung romanischer Elementar- und Handbücher, 3. Reihe, Band 3). Winter, Heidelberg 2009. 1204 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
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Der mit (seinem Onkel) Conrad Ferdinand Meyer verwandte Wilhelm Meyer-Lübke wurde in Dübendorf bei Zürich am 30. Januar 1861 geboren. Er studierte in Zürich und Berlin Indogermanistik und promovierte in Zürich über die Schicksale des lateinischen Neutrums im Romanischen (1883). 1884 habilitierte er sich (ohne weitere herusragende Arbeit) in Zürich und wurde 1887 nach Jena, 1890 in die Weltstadt Wien und 1915 als Nachfolger Friedrich Diez’ in das kleine Bonn berufen, wo er am 4. Oktober 1936 starb.
Von 1890 bis 1902 legte er ein Grammatik der romanischen Sprachen in vier Bänden, deren erster ihn berühmt machte, vor, 1890 eine italienische Grammatik, 1901 eine Einführung in das Studium der romanischen Sprachen, 1909 und 1921 eine historische Grammatik der französischen Sprache in zwei Bänden und 1925 eine Untersuchung des Katalanischen. Am erfolgreichsten wurde sein vom Lateinisches ausgehendes, 1911 veröffentlichtes romanisches etymologischesWörterbuch. Es erfuhr 1935 eine 3. und posthum vier weitere unveränderte Auflagen.
In diesen zählt sie zwischen a und zwaard 9635a Ansätze und einige Nachträge. Hilfreiche Wortverzeichnisse schließen das Werk vor allem für das Romanische und daneben für das Albanesische, das Amerikanische (12), das Arabische, Hebräische und Persische, das Asiatische (11), das Baskische und Iberische, das Berberische, Eigennamen, das Germanische, das Griechische, das Keltische und Ligurische, das Magyarische (22), Lallwörter und Schallwörter, das Slawisch-Litauische, das Türkische sowie sachlich das Deutsch-Romanische (von Aal bis Zwilling) auf und tragen einige Verbesserungen nach. Möge das gewichtige Werk auch in der siebten Auflage und möglichst auch in digitalisierter Form weiterhin erfolgreich d |
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Miard-Delacroix, Hélène, Im Zeichen der europäischen Einigung 1963 bis in die Gegenwart (= Deutsch-französische Geschichte Band 11). Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2011. 404 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen Miard-Delacroix, Hélène, Im Zeichen der europäischen Einigung 1963 bis in die Gegenwart (= Deutsch-französische Geschichte Band 11). Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2011. 404 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Die im Zeichen der Verständigung zwischen Frankreich und Deutschland nach dem Ende des zweiten Weltkriegs innerhalb der Europäischen Union möglich gewordene deutsch-französische Geschichte wurde 2005 mit einem Band Rolf Großes über die Zeit vom Frankrenreich (800) bis zu den Ursprüngen der Nationalstaaten (1214) eröffnet. Dem folgten 2005 ein dritter Band (1500-1648), 2008 ein vierter Band (1648-1789) und ein fünfter Band (1789-1815), 2009 ein achter Band (1918-1932/1933), 2010 ein zweiter Band (1214-1500) und 2011 ein zehnter Band (1945-1965). Trotz noch vorhandener Lücken (6, 7, 9) gelangt die interessante und wichtige Reihe mit dem elften Band zumindest zeitlich zu einem Abschluss.
Seine 1959 geborene Verfasserin ist Universitätsprofessorin für Études germaniques (civilisation de l'Allemagne contemporaine) an der Ècole Normale Supérieure Lettres et Sciences Humaines (ENS LSH) in Lyon. Sie verfolgt die Geschichte der deutsch-französischen Bezeiehungen von dem Zeitpunkt an, in dem Charles de Gaulle und Konrad Adenauer in Paris den Élysée-Vertrag unterzeichneten. Dementsprechend behandelt der Überblick sachgerecht die anschließende deutsche Ostpolitik, die folgenden wirtschaftlichen Krisen, den deutschen Vereinigungsprozess und die Zeit nach dem kalten Krieg. Besonders bemüht sich die Verfasserin darum, verständlich zu machen, dass Frankreich niemals der deutschen Einheit im Wege stehen, aber doch seine eigenen Interessen in Europa und der Welt nicht außer Acht lassen wollte.
An Fragen und Perspektiven werden dass Jahr 1968, der Terrorismus, der Parlamentarismus, die komplexe Rolle des Kommunismus, die Modernisierung der Arbeitsgesellschaft, Medien, Staatsangehörigkeit, die gemeinsame Tätigkeit als Motor |
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Mildt, Dick de, Het Thälmanncomplex. Geschiedenis van een politieke strafzaak. Amsterdam University Press, Amsterdam 2011. 160 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
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Der in Altona am 16. April 1886 als Sohn eines Speditionskutschers und einer Zimmermannstochter geborene, 1902 im Streit um Lohn für seine Tätigkeit im elterlichen Kleinunternehmen das Elternhaus verlassende und danach sich mit unterschiedlichen Beschäftigungen durch das Leben schlagende Ernst Fritz Johannes Thälmann wurde im Mai 1924 Reichstagsabgeordneter der Kommunistischen Partei Deutschlands. 1925 übernahm er den Parteivorsitz. Am 3. März 1933 wurde er verhaftet, wegen Hochverrats angeklagt und nach Einstellung des Verfahrens auf Anweisung Adolf Hitlers im Jahre 1935 und insgesamt elf Jahren Einzelhaft (Untersuchungshaft bzw. später Schutzhaft) auf Befehl Adolf Hitlers im Konzentrationslager Buchenwald am 18. August 1944 erschossen.
Dick de Mildt ist vor allem als einer der Herausgeber der unter dem Titel Justiz und NS-Verbrechen veröffentlichten Sammlung von Urteilen deutscher Gerichte zu Verbrechen unter der nationalsozialistischen Herrschaft mit Tötungsdelikten bekannt. Von ihr sind seit 1968 mehr als 40 Bände erschienen. Er arbeitet als Historiker im Verbund mit der Abteilung Strafrecht der Universität Amsterdam.
Sein schmaler Band über den Thälmannkomplex gliedert sich nach einem kurzen Vorwort in insgesamt 19 Abschnitte. Sie beginnen mit het slachtoffer und führen über den Prozess in Krefeld, den Bundesgerichtshof und den Prozess in Düsseldorf am Ende zu einem bitteren Schlussakkord. Auf diesem langen Weg setzt der Verfasser als ausgezeichneter Sachkenner auf Grund vielfältiger Ermittlungen in seinem beeindruckenden, mit Fußnoten und Literaturverzeichnis versehenen Werk über die Geschichte einer politischen Strafsache viele eigene Akzente.
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Mittler, Günther R., Geschichte im Schatten der Mauer. Die bundesdeutsche Geschichtswissenschaft und die deutsche Frage 1961-1989 (= Sammlung Schöningh zur Geschichte und Gegenwart). Schöningh, Paderborn 2011. 432 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
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Der Verfasser schloss sein 1997 aufgenommenes, in Heidelberg und Amherst/Massachusetts durchgeführtes Studium der mittleren und neueren Geschichte, Politikwissenschaft und englischen Philologie (Literatur) 2004 mit einer Untersuchung für den Magister Artium über die Westarbeit der DDR 1961-1969 ab. Seit 2005 war er wissenschaftlicher Mitarbeiter Edgar Wolfrums in Heidelberg. Im Juni 2009 konnte er seine durch ein Stipendium geförderte Dissertation über Geschichte und Deutschlandpolitik - Der Umgang der bundesdeutschen Geschichtswissenschaft mit der deutschen Frage 1961-1969 vorlegen und danach 2010 als wissenschaftlicher Angestellter im Heidelberg Research Service des Forschungsdezernats der Universität Heidelberg bzw. am Lehrstuhl für Zeitgeschichte tätig werden.
Sein vorliegendes, die überarbeitete Fassung seiner von Edgar Wolfrum betreuten Dissertation vorstellendes Werk beginnt nach einer kurzen Einleitung mit der Frage, wer die deutsche Frage stellt und was sie meint. Danach schildert der Verfasser den diesbezüglichen Forschungsstand und die von ihm verwendeten Methoden und Quellen. Im Anschluss versucht er angesichts der Unübersichtlichkeit maßgeblicher Quellen einen Mittelweg zwischen systematischer und chronologischer Darstellung.
Zu diesem Zweck untersucht der Verfasser zunächst die Geschichtswissenschaft zwischen nationalem Pathos und ohnmächtigen Realismus der Jahre von 1961 bis 1969, wobei er zwischen der Zeit vor dem Mauerbau des Jahres 1961 und der Zeit nach dem Mauerbau unterscheidet und Atlanten, Schulgeschichtsbücher sowie geschichtswissenschaftliche Forschung und Lehre besonders berücksichtigt. Dem schließt er zwei weitere Abschnitte über die Geschichtswissenscha |
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Moeller, Bernd, Reichsstadt und Reformation, neue Ausgabe hg. v. Kaufmann, Thomas. Mohr (Siebeck), Tübingen 2011. X, 244 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
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Der in Berlin 1931 geborene, nach dem Studium der evangelischen Theologie und Geschichte in Mainz 1956 mit einer Dissertation über die Anfechtung bei Johann Tauler promovierte, in Heidelberg 1958 auf Grund einer Schrift über Johannes Zwick und die Reformation in Konstanz habilitierte, 1964 auf den Lehrstuhl für Kirchengeschichte in Göttingen berufene, durch seine großen Darstellungen zu Deutschland im Zeitalter der Reformation (4. Auflage 1999) und zur Geschichte des Christentums in Grundzügen (10. Auflage 2011) sehr bekannt gewordene Verfasser legte als junger Privatdozent in Verallgemeinerung seiner Habilitationsschrift eine schlanke Studie über das Verhältnis von Reichsstadt und Reformation vor. Sie konnte mit einem Nachwort über den heutigen Forschungsstand 1987 erneut veröffentlicht werden. Zum 80. Geburtstag des Verfassers publizierte sein Nachfolger erfreulicherweise eine neue Ausgabe mit einer ausführlichen Einleitung, die dem Büchlein von „wissenschaftsgeschichtlichem Rang“ weitere Verbreitung sichern wird.
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Monti, Alessandro, Der Preis des „weißen Goldes“. Preispolitik und -strategie im Merkantilsystem am Beispiel der Porzellanmanufaktur Meißen 1710-1830. Oldenburg, München 2011. X, 557 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen Monti, Alessandro, Der Preis des „weißen Goldes“. Preispolitik und -strategie im Merkantilsystem am Beispiel der Porzellanmanufaktur Meißen 1710-1830. Oldenburg, München 2011. X, 557 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Der Merkantilismus ist das bedeutsamste wirtschaftspolitische System der frühen Neuzeit. Von den Edelmetallfunden in den durch Kolumbus (wieder-)entdeckten, rasch in Kolonien verwandelten Ländern der neuen Welt ausgehend entwickelten sich in England und Frankreich Überlegungen über den Reichtum von Staaten. Sie mündeten insbesondere bei dem französischen Finanzminister Jean-Baptiste Colbert (1619-1672) in einem strikten wirtschaftspolitischen System, dem etwa auch Länder des Heiligen römischen Reiches zu folgen versuchten.
Mit der in diesem Zusammenhang durch den Kurfürsten Sachsens errichteten, weltberühmten Porzellanmanufaktur in Meißen beschäftigt sich die von Toni Pierenkämper betreute, im Februar 2010 von der wirtschafts- und sozialwissenschaftlichen Fakultät der Universität Köln angenommene Dissertation des in Volkswirtschaftslehre und Management an der Universität Köln und der London School of Economics ausgebildeten Verfassers. Er schließt damit eine bedeutsame wirtschaftsgeschichtliche Lücke. Gegliedert ist seine gewichtige Untersuchung in die drei Kapitel Einleitung, Preispolitik im Zeitalter des Merkantilismus und die Porzellanmanufaktur Meißen.
Im Ergebnis kann der Verfasser überzeugend zeigen, dass im 18. Jahrhundert erhebliche Schwierigkeiten bestanden, den Preis des Porzellans kostendeckend zu gestalten und auf die vielfältigen Gegebenheiten des Marktes bestmöglich abzustimmen. Nur in langen Jahren der Erfahrung konnte die anfangs vernachlässigte Preispolitik zu einem wesentlichen Bestandteil der Betriebsführung werden. Erst 1763 und damit kurz vor der Niederlage des Merkantilismus gegenüber dem Liberalismus wurde, wie der Verfasser in seiner durch zahlreiche Übersichten veranschaulichten Untersu |
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Müchler, Günter, Achtzehnhundertdreizehn (1813) - Napoleon, Metternich und das weltgeschichtliche Duell von Dresden. Theiss, Stuttgart 2012. 272 S., Abb. Besprochen von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen Müchler, Günter, Achtzehnhundertdreizehn (1813) - Napoleon, Metternich und das weltgeschichtliche Duell von Dresden. Theiss, Stuttgart 2012. 272 S., Abb. Besprochen von Gerhard Köbler.
Der in Wuppertal 1946 geborene Verfasser studierte in München ab 1967 Politikwissenschaft, neuere Geschichte und Zeitungswissenschaft und schloss sein Studium 1973 mit einer Dissertation über das Bündnisverhältnis von CDU und CSU ab, die 1985 nochmals veröffentlicht wurde. Nach 1978 wirkte er in der Deutschen Zeitung - Christ und Welt, in der Augsburger Allgemeinen und in der Kölnischen Rundschau. 1987 wechselte er zum Rundfunk, bei dem er von 1994 bis zu seinem Ruhestand im Jahre 2011 Programmdirektor des Deutschlandfunks war.
Literarisch ist der erfolgreiche Journalist nach seiner Dissertation außer durch Werke zu Heinrich Windelen und Helmut Kohl durch Studien über die Geschichte der Cotta’schen Allgemeinen Zeitung hervorgetreten. 2013 jähren sich die Ereignisse des Jahres 1813 zum zweihundertsten Mal. Dies nimmt der Verfasser zum Anlass, für ein breiteres Publikum in zehn Kapiteln mit Fußnoten, Bibliographie und Register weiter und allgemeiner in der neueren Geschichte auszugreifen als bisher.
Er beginnt dafür mit einem kurzen einstimmenden magischen Moment und behandelt danach Smorgoni, Wien, Napoleon, Metternich, die letzte Schlacht, den Abfall, das Geschehen in den Ebenen Sachsens, um damit die einschlägigen geschichtlichen Ereignisse zwischen Geburt und Tod der beiden Gegenspieler auf ein dramatisches, achtstündiges Gesprächsduell im Dresdener Palais Marcolini am 26. Juni 1813 mit Finale zuzuführen. Aus diesem lässt er Metternich als einen Sieger hervorgehen, der zeit seines Lebens davon überzeugt war, Napoleon den Todesstoß versetzt zu haben.
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Muhl, Felix, „Volkseigentum ist unantastbar“. Das Volkseigentumsschutzgesetz der DDR und der Bestimmtheitsgrundsatz (= Quellen und Forschungen zur Strafrechtsgeschichte 8). Erich Schmidt, Berlin 2011. 164 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen Muhl, Felix, „Volkseigentum ist unantastbar“. Das Volkseigentumsschutzgesetz der DDR und der Bestimmtheitsgrundsatz (= Quellen und Forschungen zur Strafrechtsgeschichte 8). Erich Schmidt, Berlin 2011. 164 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Die auf rund 100 Literaturtitel aufbauende Arbeit ist die in Münster 2010 angenommene Dissertation des in Hannover und Nottingham ausgebildeten, seit 2009 als Rechtsanwalt bei CMS Hasche Sigle tätigen Verfassers. Nach ihrer Einleitung will sie erstmals ein einzelnes Gesetz der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik analysieren, das den Geist dieser Epoche atmet. Ausgewählt ist hierfür das am 2. Oktober 1952 erlassene, im Februar 1958 durch das Strafrechtsergänzungsgesetz abgelöste Gesetz zum Schutze des Volkseigentums und anderen gesellschaftlichen Eigentums (DDR-GBl. - 1952 - Nr. 140, 6. 10. 1952, S. 982).
Gegliedert ist das schlanke Werk nach einer kurzen Einleitung in drei Teile. Zunächst schildert der Verfasser ideologische und praktische Grundzüge des sozialistischen Rechts (Rechtslehre, Ideal vom Recht, sozialistisches Strafrecht der DDR). Danach wendet er sich seinem besonderen, im Anhang in Auszügen abgedruckten Gegenstand zu und bietet nach dessen Betrachtung am Ende eine Zusammenführung.
Im Ergebnis stellt der Verfasser fest, dass „die Staatsführung des jungen sozialistischen Staates, der diese Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung nicht durch die freie Entscheidung der Bürger angenommen hat, sondern ihm von der sowjetischen Besatzungsmacht aufgezwängt wurde, sich in ihrer Macht permanent bedroht“ fühlte. Von daher drängte sich schon früh der Gedanke eines Spezialgesetzes zum Schutz des besonderen gesellschaftlichen Eigentums auf. Das in § 1 verwendete Tatbestandsmerkmal des „sonstigen Beiseiteschaffens“ war jedoch nach dem Verfasser an Unbestimmtheit kaum zu überbieten und die Rechtsprechung unterstützte den Gesetzgeber in seinen politischen Absichten bestmöglich, so dass |
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Müller, Christian Th., US-Truppen und Sowjetarmee in Deutschland. Erfahrungen, Beziehungen, Konflikte im Vergleich (= Krieg in der Geschichte 70). Schöningh, Paderborn 2011. 397 S., 12 Abb. Besprochen von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen Müller, Christian Th., US-Truppen und Sowjetarmee in Deutschland. Erfahrungen, Beziehungen, Konflikte im Vergleich (= Krieg in der Geschichte 70). Schöningh, Paderborn 2011. 397 S., 12 Abb. Besprochen von Gerhard Köbler.
Nach der einleitenden Danksagung des 1970 geborenen, seit 2010 als Privatdozent an der philosophischen Fakultät der Universität Potsdam im Fach neuere Geschichte tätigen Verfassers nahm das vorliegende Werk seinen Ausgang im Jahre 2001, als ihn Thomas Lindenberger nach Abschluss der Dissertation über Status und Mentalität der Unteroffiziere auf Zeit der Nationalen Volksarmee zur Mitarbeit in der Projektgruppe Fremde und Fremd-Sein in der DDR am Zentrum für zeithistorische Forschung Potsdam e. V. einlud. Danach beschäftigte sich der Autor bis zum Ende des Jahres 2003 mit den Beziehungen der Gesellschaft der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik zu den sowjetischen Stationierungstruppen und wandte sich darauf aufbauend ab 2004 am Hamburger Institut für Sozialforschung den amerikanischen Truppen in der Bundesrepublik zu. Das daraufhin (weiter)entwickelte Projekt einer deutsch-deutschen Vergleichsstudie konnte 2008 in Form einer von Bernhard R. Kroener betreuten Habilitationsschrift verwirklicht werden.
Gegliedert ist die Untersuchung nach einer Einführung in vier Teile. Zunächst stellt der Verfasser allgemeine Überlegungen zu militärischer Besatzung und Truppenstationierung in der Geschichte unter Berücksichtigung des neuzeitlichen Völkerrechts an, aus denen er Schlussfolgerungen für die weitere Untersuchung zieht. Danach bietet er einen Überblick über die Truppenstationierung im geteilten Deutschland, der amerikanische Truppen mit sowjetischen Truppen vergleicht und die Frage nach der Vergleichbarkeit des Unvergleichbaren aufwirft. Detaillierte Fallstudien betreffen danach Bamberg und Jüterbog, für die jeweils Kommune und Garnison, Konfliktfelder und ihre Bearbeitung, Selbstdarstellung und institutionalisierte |
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Müller, Dirk H., Adliges Eigentumsrecht und Landesverfassung. Die Auseinandersetzungen um die eigentumsrechtlichen Privilegien des Adels im 18. und 19. Jahrhundert am Beispiel Brandenburgs und Pommerns (= Elitenwandel in der Moderne 11). Oldenbourg, Berlin 2011. 301 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen Müller, Dirk H., Adliges Eigentumsrecht und Landesverfassung. Die Auseinandersetzungen um die eigentumsrechtlichen Privilegien des Adels im 18. und 19. Jahrhundert am Beispiel Brandenburgs und Pommerns (= Elitenwandel in der Moderne 11). Oldenbourg, Berlin 2011. 301 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Nach seiner eigenen Vorbemerkung plante der Verfasser ursprünglich eine vergleichende Studie über die verfassungspolitischen und innenpolitischen Konzeptionen putschwilliger und putschender Militärs nach dem Ende des ersten Weltkriegs. Bei der Suche nach den Immobiliarrechten von Rittergütern am Ende des Kaiserreichs fand der Verfasser aber Acta generalia des Justiz-Ministeriums betreffend das Märkische Lehnrecht (1875-1931). Die Ergebnisse seiner daraufhin am Fachbereich Geschichte, Philosophie und Sozialwissenschaften der Universität Halle-Wittenberg durchgeführten Studie über die eigentumsrechtliche Privatisierung der märkischen Lehnrittergüter führten ihn zu weiteren Forschungen zum Eigentum des Adels unter verfassungsgeschichtlichen Aspekten.
Sie gliedert er nach einer gut verständlichen Einleitung in neun Abschnitte. Er beginnt mit der Mitsprache der Kreisritterschaften bei der Umwandlung der kurmärkischen Lehngüter in Familieneigentum zur gesamten Hand und endet mit dem Verfassungsrang des gebundenen Grundbesitzes in der konstitutionellen Monarchie. Auf diesem Weg behandelt er die Mandatsbindung der Kreisdeputierten, ständisch legitimierte Berater bei der Kodifizierung der Eigentumsordnung, die Rechtsverhältnisse der adligen Familiengüter in Pommern, die Landschaft als Gläubigergenossenschaft, Reformzeit, externe Juristen und Reformkonzepte.
Im Kern geht es ihm um die Klärung unterschiedlicher adliger Verhaltensmuster im Nordosten des deutschen Raumes im Gegensatz zum Süden und Westen und der dortigen Majoratspraxis bzw. Familienfideikommisspraxis. Nach den Erkenntnissen des Verfassers vermochte im Nordosten auch die Vere |
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Müller, Rolf-Dieter, Hitlers Wehrmacht 1935-1945 (= Beiträge zur Militärgeschichte - Militärgeschichte kompakt Band 4). Oldenbourg, München 2012. 224 S., 29 Abb., Tab. Kart. Besprochen von Werner Augustinovic. |
Ganzen Eintrag anzeigen Müller, Rolf-Dieter, Hitlers Wehrmacht 1935-1945 (= Beiträge zur Militärgeschichte - Militärgeschichte kompakt Band 4). Oldenbourg, München 2012. 224 S., 29 Abb., Tab. Kart. Besprochen von Werner Augustinovic.
Als dem Hauptinstrument der gewaltsamen Expansionsbestrebungen des Dritten Reiches ist der deutschen Wehrmacht die kontinuierliche Aufmerksamkeit der Forschung sicher. Die Wahrnehmung der Institution in der Öffentlichkeit erhielt vor allem ab Mitte der 1990er Jahre durch die weithin Aufsehen erregenden Ausstellungen des Hamburger Instituts für Sozialforschung, die das Bild der (weil im Gegensatz zur Schutzstaffel in Nürnberg in ihrer Gesamtheit nicht pauschal verurteilten) „sauberen“ Wehrmacht durch das einer verbrecherischen Organisation zu ersetzen schienen, einen deutlichen Impetus. Mit dem 2008 abgeschlossenen, vom Militärgeschichtlichen Forschungsamt (MGFA) herausgegebenen Monumentalwerk „Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg“ (10 Bde, 1979-2008) liegt inzwischen eine differenzierte, umfangreiche und verlässliche Materialbasis zur Militärgeschichte des NS-Regimes vor, die eine laufende Erweiterung durch verschiedene Detailstudien erfahren hat und weiter erfährt. Es ist daher nur zu begrüßen, dass der Leiter des Forschungsbereichs „Zeitalter der Weltkriege“ am MGFA in Potsdam, Rolf-Dieter Müller, auf kompakten 224 Druckseiten nunmehr das aktuelle Level des Wissens zusammenfasst und unter Berücksichtigung einer größtmöglichen thematischen Breite darstellt.
Einer Erörterung des Forschungsstands folgt zunächst ein Kapitel zur Positionierung der Armee im totalitären Führerstaat, bevor die Streitkräfte selbst - also Heer, Luftwaffe, Kriegsmarine und Waffen-SS, daneben aber auch ausländische Legionäre, das Wehrmachtsgefolge und die Bundesgenossen – vorgestellt werden. Weitere Abschnitte befassen sich mit Ausbildung und Kampferfahrungen in der Wehrmacht, ihrer Verortung in der NS-„Volksgemeinschaft“, mit der Kriegswirtscha |
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Müller-Hill, Werner Otto, Man hat es kommen sehen und ist doch erschüttert. Das Kriegstagebuch eines deutschen Heeresrichters 1944/45, mit einem Vorwort v. Wette, Wolfram. Siedler, München 2012. 176 S. |
Ganzen Eintrag anzeigen Müller-Hill, Werner Otto, Man hat es kommen sehen und ist doch erschüttert. Das Kriegstagebuch eines deutschen Heeresrichters 1944/45, mit einem Vorwort v. Wette, Wolfram. Siedler, München 2012. 176 S.
Die Vielzahl der Einzelerscheinungen aller menschlichen Leben ist unermesslich. Deswegen sind daneben auch stets Verallgemeinerungen notwendig wie z. B. über das Wissen und Verhalten der Deutschen während der nationalsozialistischen Herrschaft zwischen 1933 und 1945. Ob oder inwieweit diese Verallgemeinerungen der Wirklichkeit entsprechen, ist eine nur an den Einzelerscheinungen zu überprüfende Frage, für die jedes einzelne Dokument seinen eigenen Wert hat.
Der Verfasser wurde in Freiburg im Breisgau 1885 geboren und war damit bei Beginn des zweiten Weltkriegs 54 Jahre alt. Als Rechtsanwalt dieses Alters war er für die Kriegsführung im Felde kaum tauglich. Er konnte seinem Staate aber immerhin in der Kriegsgerichtsbarkeit dienen, weshalb er im Status eines Reserveoffiziers bis zum Herbst 1944 bei dem Feldkriegsgericht einer Ersatzdivision in Straßburg und danach bei dem Divisionsstab in Oberkirch und in Tübingen eingesetzt wurde, obwohl er nie der NSDAP oder einer ihrer Untergliederungen angehört hatte.
Sein vom 28. März 1944 bis zum 7. Juni 1945 reichendes, 150 Druckseiten umfassendes Tagebuch zeigt als wertvolle Einzelquelle dieser Zeit, dass der Oberstabsrichter während sich durch inländische wie ausländische Nachrichten selbständig über die Lage unterrichtete und daraufhin seine eigene Einschätzung bildete. Bereits im April 1944 rechnete er nach Ausweis seiner Aufzeichnungen mit einer Niederlage Deutschlands gegen die Alliierten, die sich bestenfalls verzögern ließ. Im Februar 1945 war ihm bewusst, dass die deutsche Wehrmacht zwar in ihren Berichten nahezu unaufhörlich siegte, die anderen aber im tatsächlichen Gelände, so dass er in klarer Erkenntnis der Wirklichkeit dem Nationalsozialismus als bedeutendste Tat als Tatsa |
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Musial, Bogdan, Deutsche Zivilverwaltung und Judenverfolgung im Generalgouvernement (= Quellen und Studien, Band 10). Harrassowitz, Wiesbaden 2011, 435 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen Musial, Bogdan, Deutsche Zivilverwaltung und Judenverfolgung im Generalgouvernement (= Quellen und Studien, Band 10). Harrassowitz, Wiesbaden 2011, 435 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Der in Wielopole bei Dabrowa Tarnowska in Südpolen auf einem kleinen Bauernhof 1960 geborene Verfasser arbeitete ab 1978 als Bergmann in einer Steinkohlengrube in Kattowitz, ließ sich nach seiner Ausreise nach Deutschland zum Maschinenbaumechaniker umschulen und studierte nach Erwerb des Abiturs auf dem zweiten Bildungsweg Geschichte, Soziologie und Politikwissenschaft in Hannover und Manchester. 1998 legte er seine von Herbert Obenaus betreute Dissertation vor und wurde 1999 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Deutschen Historischen Institut Warschau. Nach seiner in Warschau 2005 erfolgten Habilitation wurde er 2010 Professor.
Seine 2000 veröffentlichte vorliegende Arbeit betrifft die vor der vorhergehenden Forschung wenig erfasste Frage der deutschen Zivilverwaltung und der Judenverfolgung im Generalgouvernement. In ihrem unveränderten Neudruck erweckte sie umgehend das Interesse zweier Rezensenten. Da der Verlag aber kein Rezensionsexemplar zur Verfügung stellen konnte, muss der Herausgeber zumindest in wenigen Zeilen auf sie hinweisen.
Gegliedert ist die eindringliche und erfolgreiche Arbeit in drei Teile. Zunächst untersucht der Verfasser die Verwaltung als Militärverwaltung unter Hans Frank seit 26. Oktober 1939 und als Zivilverwaltung, ehe er auf die antijüdische Politik der deutschen Zivilverwaltung im Distrikt Lublin und den staatlich organisierten Mord an polnischen Juden (1942 schätzungsweise 320000, 1946 weniger als 5000) in der Aktion Reinhardt seit Herbst 1941 näher eingeht. Mit Hilfe seines Einrichtungen mit Machtträgern verbindenden Ansatzes gelangt er an Hand rund fünfziger Einzellaufbahnen zu dem Nachweis, dass für das tödliche Geschehen bestimmte Einzelmenschen von dem am 26. 7. 1943 in einem Hinterhalt erschossenen Kreishau |
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Nationalsozialistisches Migrationsregime und „Volksgemeinschaft“, hg. v. Oltmer, Jochen (= Nationalsozialistische „Volksgemeinschaft“ - Studien zu Konstruktion, gesellschaftlicher Wirkungsmacht und Erinnerung 2). Schöningh, Paderborn 2012. 298 S. Besprochen von Werner Augustinovic. |
Ganzen Eintrag anzeigen Nationalsozialistisches Migrationsregime und „Volksgemeinschaft“, hg. v. Oltmer, Jochen (= Nationalsozialistische „Volksgemeinschaft“ - Studien zu Konstruktion, gesellschaftlicher Wirkungsmacht und Erinnerung 2). Schöningh, Paderborn 2012. 298 S. Besprochen von Werner Augustinovic.
Das in Grauabstufungen changierende Titelbild des Bandes erinnert an Darstellungen des Futurismus und zeigt uniformierte, in der faschistischen Gewerkschaftsbewegung organisierte weibliche und männliche Arbeitsmigranten 1938 auf dem Bahnhof von Treviso vor ihrer Abfahrt ins Deutsche Reich. Es symbolisiert eine jener Migrationsbewegungen, die abseits der von der Forschung überwiegend wahrgenommenen, fünf großen Bewegungen von Menschen im Raum in den 1930er und frühen 1940er Jahren (Abwanderung/Vertreibung als jüdisch kategorisierter Menschen aus dem Reich, grenzüberschreitendes Ausweichen von Gegnern des Nationalsozialismus vor politischer Verfolgung, Deportation und Einsatz von Zwangsarbeitskräften, Umsiedlung von Volksdeutschen aus deutschsprachigen Minderheitengebieten, Deportation von Juden nach Osteuropa und ihre Ermordung) bislang nicht im Brennpunkt der wissenschaftlichen Aufmerksamkeit standen und auf die sich das vorliegende Sammelwerk deshalb verstärkt konzentrieren will. Es referiert weitgehend die Vorträge der die Ausstellung „Hitler und die Deutschen. Volksgemeinschaft und Verbrechen“ begleitenden, in Kooperation zwischen dem Deutschen Historischen Museum, dem Forschungskolleg „Nationalsozialistische ‚Volksgemeinschaft‘?“ der Universitäten Göttingen, Hannover, Oldenburg und Osnabrück sowie dem Institut für Migrationsforschung und Interkulturelle Studien (IMIS) der Universität Osnabrück veranstalteten Tagung „Nationalsozialistisches Migrationsregime und ‚Volksgemeinschaft‘“ (Berlin, 19./20. November 2010).
Den gemeinsamen Bezugsrahmen der Beiträge erläutert der Herausgeber, der Osnabrücker Migrationsforscher Jochen Oltmer, in seiner knappen und |
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Naturrecht und Staatstheorie bei Samuel Pufendorf, hg. v. Hüning, Dieter (= Staatsverständnisse 23). Nomos, Baden-Baden 2009. 163 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen Naturrecht und Staatstheorie bei Samuel Pufendorf, hg. v. Hüning, Dieter (= Staatsverständnisse 23). Nomos, Baden-Baden 2009. 163 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Wie der seinerzeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter am philosophischen Seminar der Universität Mainz, inzwischen als Privatdozent an der Universität Trier tätige Herausgeber in seiner kurzen Einleitung darlegt, war Samuel Pufendorf neben Hugo Grotius und Thomas Hobbes der einflussreichste Naturrechtslehrer des 17. Jahrhunderts. Im Gegensatz zu Grotius und Hobbes gelang ihm in seinem naturrechtlichen Hauptwerk De jure naturae et gentium eine systematische und fassende Form der Präsentation der neuen Einsichten. Seine dadurch erlangte Wirkung reichte bis zu Adam Smith.
Dessenungeachtet geriet Pufendorf wenig später fast vollständig in Vergessenheit, aus der ihn nach Ansicht des Herausgebers erst neue Forschungen der vergangenen beiden Jahrzehnte wiedeer hervorgeholt haben. Die Beiträge des vorliegenden schmalen Bandes versuchen insbesondere nachzuweisen, dass es sich bei der Beschäftigung mit Pufendorf nicht um die theoretische Aufarbeitung einer nur historisch interessanten Lehre handelt, sondern dass damit Hinweise für das Verständnis des modernen Staates gewonnen werden können. Dieses Ziel wird in insgesamt sieben Beiträgen aus Greifswald, Heidelberg, Berlin und Mainz einerseits und aus Padua, London und Freiburg im Üchtland andererseits angestrebt.
Im Rahmen der Grundlagen und Themen der Staatstheorie Pufendorfs werden dabei die Unterscheidung von physischem und moralischem Sein, Vertragstheorie und Konstruktion der Souveränität, Ziele und Grenzen der Staatsgewalt sowie die Begründung der Strafgewalt erörtert. In Zusammenhang mit Pufendorfs Staats- und Staatsformenlehre werden Mischverfassung, Souveränität und die Theorie der Staatsformen einschließlich ihrer Bedeutung für die Theorie der modernen Republik angesprochen. Ein die gedankenreichen Darlegungen auf |
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Neuburger, Andreas, Konfessionskonflikt und Kriegsbeendigung im Schwäbischen Reichskreis. Württemberg und die katholischen Reichsstände im Südwesten vom Prager Frieden bis zum Westfälischen Frieden (1635-1651) (= Veröffentlichungen der Kommission für geschichtliche Landeskunde in Baden-Württemberg, Reihe B Forschungen, Band 181). Kohlhammer, Stuttgart 2011. LII, 586 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen Neuburger, Andreas, Konfessionskonflikt und Kriegsbeendigung im Schwäbischen Reichskreis. Württemberg und die katholischen Reichsstände im Südwesten vom Prager Frieden bis zum Westfälischen Frieden (1635-1651) (= Veröffentlichungen der Kommission für geschichtliche Landeskunde in Baden-Württemberg, Reihe B Forschungen, Band 181). Kohlhammer, Stuttgart 2011. LII, 586 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Die Arbeit ist die von Anton Schindling betreute, im Sommersemester 2009 von der Fakultät für Philosophie und Geschichte der Universität Tübingen angenommene Dissertation, des schon während des Studiums und danach als wissenschaftlicher Angestellter am Lehrstuhl für neuere Geschichte der Universität Tübingen tätigen Verfassers. Sie behandelt ein bedeutsames Thema in überzeugender Weise. Gegliedert ist sie chronologisch in elf Abschnitte.
In der Einleitung beschreibt der Verfasser den deutschen Südwesten im Dreißigjährigen Krieg allgemein, stellt den Stand der Forschung und die Quellenlage sachgerecht dar und entwickelt daraus seine besondere, auf Württemberg konzentrierte Fragestellung. Danach vertieft er seine Betrachtung des Südwestens des Reiches bis zum Beginn der 1640er Jahre unter besonderer Berücksichtigung des Restitutionsedikts vom März 1629 und seiner Durchführung im Herzogtum Württemberg, das dadurch fast ein Drittel seines Gebiets und einen großen Teil seiner Einkünfte verlor, und greift auf die württembergische Klosterfrage vor dem Reichshofrat in Wien aus. Anschließend verfolgt er das Geschehen auf dem Regensburger Reichstag 1640/1641 und untersucht die ersten Bemühungen um die Wiederbelebung des schwäbischen Reichskreises.
Die Abschnitte sechs und sieben haben den Reichsdeputationstag in Frankfurt am Main (1643-1645) und die Klosterfrage zwischen 1641 und 1646 zum Gegenstand, der Abschnitt acht die Verhandlungen des Friedenskongresses in Münster und Osnabrück. Nach deren Gelingen geht es um die Erfassung der Folg |
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Neueste Entwicklungen im Zusammenspiel von Europarecht und nationalem Recht der Mitgliedstaaten. Ein Handbuch für Theorie und Praxis, hg. v. Hummer, Waldemar. Springer, Wien 2010. XLIX, 747 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
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Das Europarecht ist seit seinen Anfängen eine vor allem für Europäer spannende Geschichte. Sie ist von Höhen und Tiefen, von Erfolgen und Verlusten, von Glanz und Elend, von Macht und Machtlosigkeit, von Hoffnung und Zweifel gekennzeichnet. Dabei interessieren die jeweils neuesten Entwicklungen die Gegenwart naturgemäß besonders, da alle Vorgänge verwickelt und für die nicht unmittelbar beteiligte Öffentlichkeit nur schwer zu durchschauen sind.
Waldemar Hummer hat sich für sie bereits sehr früh interessiert und sich stets mit großem Engagement um die wissenschaftliche Durchdringung und die Vermittlung ihrer Ergebnisse an einen größeren Kreis von Interessierten bemüht. Dies ist ihm in jahrzehntelanger sorgfältiger Bemühung so gut gelungen, dass ihn das Internet inzwischen mit rund 250000 Nennungen verbindet. Dementsprechend gewichtig ist das vorliegende Handbuch, das erstmals die wichtigsten Umsetzungs- und Vollzugsprobleme des Gemeinschaftsrechts und Unionsrechts in den mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen systematisch zusammenstellt.
Wegen der überragenden Bedeutung der Vollziehung des Rechtes der Europäischen Union im nationalen Recht seit der Jahrtausendwende entschloss sich der Herausgeber 2007 als Leiter des Schwerpunkts Europäische Integration der rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Innsbruck zur Untersuchung der diesbezüglichen, bis dahin in Österreich nicht näher behandelten Fragen im Kreis führender Theoretiker und Praktiker. Dies gelang in Zusammenarbeit mit 14 Europarechtsexperten österreichischer und deutscher Universitäten und 7 bekannten Praktikern vor allem aus dem Rechtsdienst der Europäischen Kommission und Höchstgerichten Österreichs in so überraschend kurzer Zeit, dass gew |