Leo, Paul Christopher, Wilhelm Groh - Erster Rektor der Ruperto-Carola in der NS-Zeit. Kovač, Hamburg 2012. XVI, 228 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Leo, Paul Christopher, Wilhelm Groh - Erster Rektor der Ruperto-Carola in der NS-Zeit. Kovač, Hamburg 2012. XVI, 228 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Die Arbeit ist von Klaus-Peter Schroeder im Rahmen seines umfassenden Interesses an der Geschichte der Heidelberger juristischen Fakultät betreute, im Wintersemester 2011/2012 von der Fakultät angenommene Dissertation des in Gießen 1981 geborenen, in Dillenburg geschulten und nach dem Studium der Rechtswissenschaft in Paris und Heidelberg, der praktischen Ausbildung und einer zweijährigen Tätigkeit als Rechtsanwalt im Arbeitsrecht seit 2011 als Regierungsrat in der Innenverwaltung Baden-Württembergs tätigen Verfassers. Sie gliedert sich im Wesentlichen in fünf chronologisch geordnete Abschnitte. Nacheinander betrachtet der Verfasser die frühen Darmstädter Jahre (1890-1909), Studienzeit und Eintritt in das Berufsleben (1909-1927), die Heidelberger Jahre, die Berliner Jahre und die Zeit nach dem Zusammenbruch.
Jakob Wilhelm Groh wurde in Darmstadt am 13. August 1890 als zweiter Sohn des evangelischen Kohlenhändlers Jakob Groh geboren, verwendete aber niemals den vom Vater übertragenen ersten Vornamen. Nach dem Abitur studierte er in Freiburg im Breisgau zunächst Philosophie und seit dem dritten Semester Rechtswissenschaft und wechselte 1911 nach Gießen, wo er nach insgesamt neun Semestern 1913 die juristische Fakultätsprüfung mit der Note 2 bestand, und dann nach Darmstadt, wo er nach Kriegsdienst (in sicherer Entfernung) und zwischenzeitlicher Promotion über Erbfall und Verzug (1917, Hans Albrecht Fischer) 1919 die zweite juristische Staatsprüfung mit sehr gut bestand. Nach einer einjährigen Tätigkeit als Richter wurde er 1920 Assistent der juristischen Fakultät in Gießen bei Leo Rosenberg, wo er im Wintersemester 1921/1922 mit einem Konversatorium über Arbeitsrecht betraut und am 3. 2. 1922 auf Grund einer Abhandlung über das Koalitionsrecht habilitiert wurde.
Am 1. 4. 1924 wurde er zum planmäßigen außerordentlichen Professor ernannt, konnte aber zum 1. April 1927 nach Heidelberg wechseln, wo er 1930/1931 zum ersten Mal und nach der erzwungenen Amtsniederlegung Ernst Levys am 22. 4. 1933 zum zweiten Mal zum Dekan gewählt wurde. Mit 52 von 55 abgegebenen Stimmen wurde er am 8. 7. 1933 zum Rektor gewählt und mit Wirkung vom 1. 10. 1933 ernannt und trat anschließend am 1. 11. 1933 der SA und am 1. 11. 1937 der NSDAP bei. 1937 wechselte er mit Kultusminister Wacker in das Reichswissenschaftsministerium in Berlin, wo er bei Kriegsende ausgebombt und entlassen wurde.
Der Verfasser wertet die verhältnismäßig wenigen Schriften Grohs und die vorhandenen archivalischen Unterlagen über die Tätigkeit in Heidelberg und Berlin engagiert, umsichtig und sachgerecht aus. Danach lagen Groh, der auf dem Umschlagbild in Uniform am Schreibtisch abgelichtet ist, nationalsozialistische Allmachtsphantasien, Rassenpolitik und Unterdrückung jeder politischen Opposition insgesamt fern, doch leistete er Zugeständnisse an die sonstige nationalsozialistische Ideologie, wo es ihm opportun erschien und er sich Vorteile für sich und seine Universität erhoffte. In Berlin trat er nationalsozialistischen Anordnungen allmählich entschiedener entgegen, wobei er sich vor allem für die Wissenschaft einsetzte, während ihm das Schicksal betroffener Menschen nur selten am Herzen lag.
So vertieft wie möglich behandelt der Verfasser dabei im Rahmen seiner ansprechenden Untersuchung individuelle, nicht einem einzigen klaren politischen Maßstab folgende Personalfragen in Heidelberg. Betroffen davon waren vor allem Gerhard Anschütz, Georg Blessing, Max Gutzwiller, Reinhard Höhn, Walter Jellinek, Ernst Levy, Heinrich Mitteis, Theodor Odenwald und Leopold Erwin Perels. Auf Grund überaus positiver Stellungnahmen im Entnazifizierungsverfahren wurde Wilhelm Groh, der 1948 nach Karlsruhe und damit in die Geburtsstadt seiner Ehefrau umzog, in die unterste Entnazifizierungskategorie eingestuft und erhielt 1950 einen Unterhaltszuschuss, der ihm bis zu seinem von der Universität nicht besonders gewürdigten Tode am 15. 1. 1964 die Fortführung seines gewohnten Lebensstils gestattete.
Innsbruck Gerhard Köbler