Hartmann, Martina, Die Königin im frühen Mittelalter. Kohlhammer, Stuttgart 2009. XXIII, 245 S. Besprochen von Gudrun Pischke.
Hartmann, Martina, Die Königin im frühen Mittelalter. Kohlhammer, Stuttgart 2009. XXIII, 245 S. Besprochen von Gudrun Pischke.
Martina Hartmann befasst sich mit Aussagen und Berichten zu Königinnen im Zeitraum von der ausgehenden Völkerwanderung bis zum Ende des Frankenreiches: im Vandalenreich in Nordafrika (429/442-534), im Burgunderreich in Südfrankreich (455-534), im Thüringerreich in Nordostdeutschland (4./5. Jh. - 531), in den Reichen der Westgoten in Südfrankreich (418-507) und in Spanien (507-711/20), im Ostgotenreich (493-552) und im Langobardenreich (568-774) in Italien sowie im westeuropäischen Frankenreich, zunächst der Merowinger (5. Jh. - 751), dann der Karolinger (751-10. Jh.).
Die vorliegende Arbeit ist nach der Einleitung (I.) zum Forschungsstand zu frühmittelalterlichen Königinnen in zwei Teile gegliedert: Abschnitt II. „Die Königinnen in den einzelnen Reichen“ bietet in chronologischer Abfolge der Reiche Ereignisgeschichte unter besonderer Berücksichtigung von Königinnen und Prinzessinnen; Abschnitt III „Die Stellung und die Aufgaben der Königin“ nähert sich den Königinnen – auch unter Wiederaufgreifen von im ersten Teil angesprochenen Thematiken – mittels verschiedenen Fragestellungen. Aufgrund der Quellenlage befasst sie sich besonders mit den Königinnen der Langobarden, Merowinger und Karolinger, letztere, wie es heißt, „überproportional“ (S. 138). Zunächst sind es Herkunft und auswärtige Eheverbindungen, Ausstattung und Form der Eheschließung, Krönung, unterschiedliche Konfessionen der Ehepartner (Heiden, Arianer, Katholiken), Nachehen der Königinwitwe, ihrer Töchter und Schwestern und Trennung von der königlichen Ehefrau; dann wird nach Hofstaat, Ausstattung und Vermögen sowie den Klöstern karolingischer Königinnen gefragt und schließlich nach ihrem politischen Einfluss. Nach der hierbei zunächst vorangestellten Quellenproblematik geht es um Rahmenbedingungen, Regentschaften und Einflussnahmen, weiter um Klostergründungen und Interventionen in Urkunden sowie um das Verhältnis der Königin zu politischen Kräften innerhalb und außerhalb des jeweiligen Reiches. Nachdem als Vorletztes Namengebung, Erziehung, Ausstattung, Verheiratung und Klöster der Königstöchter abgehandelt werden, geht es zuletzt noch um Begräbnis, Begräbnisorte und Nachleben der Königinnen.
Die Reiche der Vandalen, Burgunder und Thüringer endeten zeitgleich durch Eingliederung in die Reiche der Eroberer: das Vandalenreich in das oströmischen Reich, Burgunder- und Thüringerreich in das der Merowinger. Das Tolosanische Westgotenreich endete nach einer Niederlage gegen den Merowingerkönig, fand einen Fortsetzer im Ostgoten Theoderich dem Großen, bevor es ins Toledanische Königreich mündete, das mit der islamischen Eroberung Spaniens endete. Das Reich der Ostgoten endete mit der Eroberung durch Konstantinopel. Im Frankenreich lösten die Karolinger die Merowinger ab; das Reich der Langobarden ging – abgesehen vom Herzogtum Benevent – im Frankenreich Karls des Großen auf.
Die Kenntnisse über die wenigen, namentlich oft unbekannten Königinnen der Vandalen, der Burgunder, der Thüringer und auch der Westgoten sind rar. Bedeutung wird zuerst zwei Königinnen der Ostgoten zugewiesen (II.3.4, II.3.5) wie auch einigen der Langobarden, Merowinger und Karolinger. Während Ehefrauen der letzten sieben Merowingerkönige (690/91-751) unbekannt bleiben, sind die karolingischen Königinnen bis ins 10. Jahrhundert zu verfolgen (westfränkisches Reich + nach 951, im ostfränkisches Reich + nach 903).
Abgesehen von Vandalen, Burgundern und Thüringern ist das Vorgehen im ersten Teil gleich: auf die Liste der jeweiligen Könige und Königinnen (bei Langobarden, Merowingern und Karolingern auch die der Königstöchter) folgt die Übersicht über die – zunehmende – Quellenlage, um dann über die Reiche und deren Königinnen zu berichten. Ehen wurden zur Sicherung von Bündnissen geschlossen; eine Neuorientierung zog auch eine neue Ehe nach sich, wobei die nun nicht mehr opportune Gattin beseitigt wurde, oftmals wurden auch Witwen und deren Kinder ermordet, um Konkurrenz im eigenen Hause auszuschalten. Dies wiederum zog bis ins 6. Jahrhundert Blutrache nach sich. Merowingerkönige waren polygam; bei ihnen und bei Karolingern gab es neben Ehefrauen Konkubinen, Verbindungen, die von der älteren Forschung als – nunmehr als unhistorisches Konstrukt (S. 144) abzulehnende – Friedelehen eingestuft wurden.
Während Theoderich der Große sich am Anfang des 6. Jahrhunderts durch Heiratsbündnisse mit anderen Germanenreichen verband, heirateten Merowinger und Karolinger weniger über Landesgrenzen hinweg. Bei den Merowingern konnte auch ein Aufstieg aus dem Gesinde oder einer Sklavin zur Königin erfolgen, wobei der Status der Mutter für die Nachfolge des Sohnes unerheblich war. Karolingische Ehefrauen entstammten eher dem Adel der Teilreiche. Dass Karl der Große nach Fastradas Tod (794) keine Ehefrau mehr hatte, wird damit erklärt, dass er auf der Höhe seiner Macht keine Familien oder Teile des Reiches mehr durch Heirat an sich binden musste (S. 143).
Von den Vandalen bis zu den Karolingern änderten sich die gesellschaftlichen Voraussetzungen, besonders auch – nach Überwindung von Heidentum und Arianertum (Ende 7. Jh., S. 149) – unter dem Einfluss der Kirche: keine Heirat der Königinwitwe, um die Nachfolge anzutreten, sie sollte den Schleier nehmen (Westgoten), keine Polygamie, keine physische Beseitigung, kein Verstoßen der Ehefrau; unliebsam gewordene Gattinnen und Verwandte wie auch Gegner wurden ins Kloster verbannt (Karolinger). In der Karolingerzeit blieben für Königinnen und Königstöchter lediglich zwei Lebensformen: Ehe oder Kloster (S. 165). Seither bestimmten drei konstruktive Elemente die Heirat: Öffentlichkeit des Eheschlusses (Fest), Dotation der Braut und Vollzug der Ehe (S. 145). Abgesehen von einer Morgengabe des Merowingers Chilperich I. an eine Ehefrau ist sie seit der Dotation Ludwigs des Frommen an die Welfin Judith bezeugt.
Nach dem Hinweis der Verfasserin im „Schluss“ (IV.) auf Desiderata wird das vorgelegte Werk im Abschnitt V „Genealogie“ abgerundet mit 13 Stammtafeln: jeweils eine zu den Burgunderkönigen im Rhônereich, den Westgotenkönigen (jüngere Balthen), den Ostgotenkönigen (jüngere Amaler) und den Langobarden sowie vier zu den Merowingern und fünf der Karolinger. Als Abschnitt VI schließt ein Personenregister diese sehr inhaltsreiche Arbeit ab, nachdem die Verzeichnisse zu Abkürzungen, Quellen und Literatur bereits auf das Vorwort folgen. Hilfreich gewesen wäre mindestens eine Kartenbeigabe (Verteilung), wenn nicht mehrere (chronologisch).
Bovenden Gudrun Pischke