7861 | Stadtluft macht frei ist das Rechtssprichwort des 19. Jahrhunderts, das zu dem Ausdruck bringen will, dass ein Herr einen in die Stadt geflohenen Unfreien nicht zurückholen kann, wenn er nicht binnen eines Jahres, sechs Wochen und drei Tagen klagt (beispielsweise Altenburg 1256). Urbare und Neubürgerlisten stützen die Vermutung umfangreicher Landflucht in dem Hochmittelalter allerdings anscheinend nicht. Zu der Abwehr der Landflucht wird gleichwohl die →Leibeigenschaft entwickelt. | Kroeschell, DRG 1; Brunner, H., Luft macht frei, (in) Festgabe O. Gierke, 1901, 1; Schütze, P., Die Entstehung des Rechtssatzes Stadtluft macht frei, 1903; Mitteis, H., Über den Rechtsgrund des Satzes „Stadtluft macht frei“, FS E. Stengel, 1952, 342; Kroeschell, K., Weichbild, 1960, 75; Gellinek, C., Stadtluft macht frei?, ZRG GA 106 (1989), 306; Haase, R., Anmerkungen zum Satz „Stadtluft macht frei“, ZRG GA 106 (1989), 311; Stamm, V., Gab es eine bäuerliche Landflucht im Hochmittelalter?, (in) HZ 276 (2003), 305; Schwarz, J., Stadtluft macht frei, 2008 |
7862 | Stadtmauer →Stadt | |
7863 | Stadtrat →Rat, Stadt | Kroeschell, DRG 1, 2 |
7864 | Stadtrecht ist das besondere Recht einer Stadt. Es erwächst nach römischem Vorbild in dem Mittelalter an dem Ende des 11. Jahrhunderts (lat. ius [N.] civile). An dem Beginn steht vielleicht oft das →Privileg eines Herrn (beispielsweise Freiburg im Breisgau 1120?), das von der Gewohnheit ergänzt wird. Spätestens in dem 13. Jahrhundert kommt die →Satzung von Seiten meist des Rates hinzu. Festgehalten wird das Stadtrecht oft in einem →Stadtbuch. Der Stadtherr kann das Stadtrecht einer Stadt an eine andere übertragen (Stadt-rechtsfamilie beispielsweise Wien, Frankfurt am Main, Lübeck, Magdeburg). Eine Stadt kann auch einer anderen ihr Stadtrecht mitteilen. Mit der Aufnahme des römischen Rechtes seit dem Spätmittelalter dringt dieses über Stadtrechtsreformationen (beispielsweise Nürnberg 1479/1... | Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 98, 101, 104, 120; Deutsche Stadtrechte des Mittelalters, hg. v. Gaupp, T., 1851f., Neudruck 1966; Gengler, H., Codex iuris municipalis, 1863, Neudruck 1968; Meyer, C., Das Stadtrecht von Hof vom Jahre 1436, ZRG GA 19 (1998), 152; Oberrheinische Stadtrechte, hg. v. d. badischen historischen Kommission, 1895ff.; Urkunden zur städtischen Verfassungsgeschichte, hg. v. Keutgen, F., 1901, Neudruck 1965; Lippstadt, bearb. v. Overmann, A., 1901; Kretzschmar, J., Die Entstehung von Stadt und Stadtrecht, 1905; Zehntbauer, R., Die Stadtrechte von Freiburg im Üchtland und Arconciel-Illens, 1906; Merz, W., Die Stadtrechte von Bremgarten und Lenzburg, 1909; Kogler, F., Beiträge zur Stadtrechtsgeschichte Kufsteins, 1912; Haff, K., Studien zum Waadtländer Stadtrecht, 191... |
7865 | Stadtrechtsbuch ist das →Rechtsbuch einer →Stadt (beispielsweise Reichsrechtsbuch von Mühlhausen in Thüringen von etwa 1230 oder Rechtsbuch von Görlitz, Breslau, Magdeburg, Danzig, Posen, Zwickau, Meißen, Elbing, Eisenach, Liegnitz, Freising, Wien, Ofen, Neumarkt, Löwenberg, Berlin, Sillein, Glogau, Salzwedel, Saalfeld, Pressburg, Freiberg, Frankenberg u. s. w.) | Kroeschell, DRG 1; Planitz, H., Das Zwickauer Stadtrechtsbuch, ZRG GA 38 (1917), 321; Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990 |
7866 | Stadtrichter →Stadtgericht | |
7867 | Stadtschreiber →Schreiber | Kroeschell, DRG 1, 2; Arnecke, F., Die Hildesheimer Stadtschreiber, Diss. phil. Marburg 1913; Schulze, A., Das deutsche Stadtschreiberamt, Diss. phil. Jena 1921; Steinberg, S., Die Goslarer Stadtschreiber, 1933; Burger, G., Die südwestdeutschen Stadtschreiber, 1960; Elsener, F., Notare und Stadtschreiber, 1962; Schmied, H., Der Ratsschreiber, 1979; Kintzinger, M., Das Bildungswesen in der Stadt Braunschweig, 1990; Stephan Roth (1492-1546) - Stadtschreiber in Zwickau, hg. v. Metzler, R., 2008 |
7868 | Stadtschultheiß →Schultheiß | |
7869 | Stadtstaat (beispielsweise Athen, Rom, Florenz, Venedig, Bern, Nürnberg, Hamburg, Bremen) | Söllner § 4; Clarke, M., The Medieval City State, 1931; Waley, D., Die italienischen Stadtstaaten, 1969; Gmür, R., Der alte bernische Stadtstaat, ZRG GA 112 (1995), 366; City States, hg. v. Molho, A. u. a., 1991 |
7870 | Stadtverordnetenversammlung ist die Versammlung der von den Bürgern gewählten Vertreter als gesetzgebendes und allgemein ausführendes Organ (Preußen 1808). | Köbler, DRG 197; Pahlmann, M., Anfänge des städtischen Parlamentarismus, 1997 |
7871 | Staffel (F.) Stufe, Gerichtsstein | |
7872 | Stahl (Jolson), Friedrich Julius (München 16. 1. 1802-Bad Brückenau 10. 8. 1861), Kauf-mannssohn, 1819 von dem Judentum zu dem Protestantismus übergetreten, wird nach dem Rechtsstudium in Würzburg, Heidelberg und Erlangen 1832 außerordentlicher Professor in Erlangen, dann ordentlicher Professor in Würzburg, 1834 in Erlangen und 1840 in Berlin. Sein Hauptwerk (1830ff.) ist eine zweibändige Philosophie des Rechtes, die sich gegen das →Naturrecht richtet. Politisch lehnt er die Volkssouveränität ab. | Maser, G., Friedrich Julius Stahl, 1930; Wiegand, C., Über Friedrich Julius Stahl, 1981; Deutsche Juristen jüdischer Herkunft, hg. v. Heinrichs, H. u. a., 1993, 59; Müller, J., Die Staatslehre Friedrich Julius Stahls, 1999 |
7873 | Stair, James Dalrymple (1619-1695) wird nach dem Studium der Philosophie in Glasgow Professor, 1648 Anwalt und 1657 Richter. 1681 muss er bis 1688 wegen antikatholischer Haltung nach Holland fliehen, wo er wichtige Entscheidungen seines Gerichtes veröffentlicht. Gleichzeitig begründet er mit seinen römischrechtlich-naturrechtlich in vier Bücher (Personen und Familie, Obligationen, Sachen, Erbe und Verfahren) geteilten Institutions of the Law of Scotland (1681) die Rechtswissenschaft in →Schottland. | Stair, hg. v. Walker, D., 1981; Walker, D., The Scottish Jurists, 1985, 106 |
7874 | Stal | Siebs, B., Stal – Roland – Rosengarten, ZRG GA 76 (1959), 246 |
7875 | Stalin (Dschugaschwili), Josef Wissarionowitsch (Gori/Georgien 21. 12. 1879-Moskau 5. 3. 1953) ist (als Schulabbrecher) von 1924 bis 1953 diktatorischer Führer der →Sowjetunion, der maßgeblich das sozialistische Recht mitgestaltet. | Marie, J., Staline, 1967, Neudruck 2001; Deutscher, I., Stalin, 1979; Stalinismus vor dem zweiten Weltkrieg, hg. v. Hildermeier, M., 1998; Lustiger, A., Rotbuch - Stalin und die Juden, 1998; Boeckh, K., Völlig normal, (in) HZ 278 (2004), 55; Baberowski, J., Der rote Terror, 2003; Kellmann, K., Stalin, 2005; Stalinismus in der sowjetischen Provinz, hg. v. Binner, R. u. a., 2009; Dahlke, S., Individuum und Herrschaft im Stalinismus, 2010; Baberowski, J., Verbrannte Erde - Stalins Herrschaft der Gewalt, 2012; Wettig, G., Die Stalin-Note, 2015 (nur Propaganda Stalins); Fitzpatrick, S., Stalins Mannschaft, 2017 (Beria, Molotov, Orshonikidse, Andreev); Altrichter, H., Stalin – Der Herr des Terrors, 2018 (hauptsächlich Bekanntes) |
7876 | Stalking ist das gewollte und wiederholte belästigende Verfolgen eines Menschen durch einen Menschen, das von den Vereinigten Staaten von Amerika ausgehend seit etwa 2000 in verschiedenen Staaten strafbar ist (Deutschland § 238 StGB 31. Juli 2007 Nachstellung). | Helmke, N., Der Normsetzungsprozess des Stalkings, 2011 |
7877 | Stamm ist der zwischen Wurzel und Zweigen befindliche Teil eines Baumes. Ein selbständiger Teil der Germanen (beispielsweise Franken, Alemannen, Bayern, Sachsen) wird ebenso als Stamm bezeichnet wie die Abkömmlinge eines Abkömmlings. | Merk, W., Die deutschen Stämme in der Rechtsgeschichte, ZRG GA 58 (1938), 1; Hugelmann, K., Stämme, Nation und Nationalstaat, 1955; Wenskus, R., Stammesbildung und Verfassung, 1961; Giese, W., Der Stamm der Sachsen, 1979 |
7878 | Stammesherzogtum ist das in dem Frühmittelalter aus einem Volk bzw. →Stamm gebildete →Herzogtum (beispielsweise Franken, Alemannen, Bayern, Sachsen) in Gegensatz zu dem Territorialherzogtum in dem Hochmittelalter (beispielsweise Österreich, Bayern, Westfalen, Sachsen). Das ältere Stammesherzogtum besteht in merowingischer Zeit (Bayern bis 788), das jüngere Stammesherzogtum in dem 10. Jahrhundert | Köbler, DRG 83; Läwen, G., Stammesherzog und Stammesherzogtum, 1935; Stingl, H., Die Entstehung der deutschen Stammesherzogtümer, 1974; Goetz, H., „Dux“ und „ducatus“, 1977; Hartmann, P., Bayerns Weg in die Gegenwart, 1989 |
7879 | Stammesrecht→Volksrecht | Stammesrecht und Volkssprache, hg. v. Hüpper, D. u. a., 1991 |
7880 | Stammgut ist das auf Grund Hausgesetzes oder Gewohnheitsrechts in einer Adelsfamilie gebundene und damit unveräußerliche und grundsätzlich unteilbare Gut. Es wurde 1938/1939 aufgelöst und dabei vielfach in eine Stiftung überführt. | |