361 | Anleite (Wort in Grimm Deutsches Wörterbuch vor 1022 bezeugt und in älteren deutschen Rechtsquellen nicht – als Ansatz - belegt sowie in den Bestandteilen über das erschließbare Germanische mit dem Indogermanischen verbindbar, F.) ist seit dem Hochmittelalter in dem deutschen Recht die Einweisung in ein fremdes Gut, insbesondere die Einweisung des Klä-gers in die Güter eines wegen Prozessungehorsams geächteten Beklagten in einem sich über rund 10 Termine erstreckenden Verfahren vor dem Reichshofgericht (Reichskammergericht und Reichshofrat bis 1654) oder einem kaiserlichen Landgericht vor 1784 bzw. bis 1806 (Rottweil). Sachlich wird die Anleite durch das Versäumnisverfahren ersetzt. | Kohler, J., Das Verfahren des Hofgerichts Rottweil, 1904; Kohler, J., Acht und Anleite des königlichen Hofgerichts, FS G. Cohn, 1915, 1; Battenberg, F., Reichsacht und Anleite im Spätmittelalter, 1984; Schillinger, U., Die Neuordnung des Prozesses am Hofgericht Rottweil 1572, 2016 |
362 | Annahme (Wort in Grimm Deutsches Wörterbuch 1521 bezeugt und in älteren deutschen Rechtsquellen ab 1794 - selten - belegt sowie in den Bestandteilen über das erschließbare Germanische mit dem Indogermanischen verbindbar, F., Verb annehmen in Grimm Deutsches Rechtswörterbuch um 1060 bezeugt) ist beispielsweise der Empfang, die Vorstellung, die Aufnahme, die Entgegennahme, die ein Angebot uneingeschränkt bejahende Willenserklärung des Angebotsadressaten sowie die Entgegennahme der Leistung des Schuldners durch den Gläubiger in dem Zeitpunkt der Leistung (andernfalls Annahmeverzug, Gläubigerverzug). Eine besondere Einrichtung des Familienrechts ist die Annahme eines Menschen an Kindes Statt durch einen anderen Menschen. →Vertrag | Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010; Menges, M., Die Anfechtung von Annahme und Ausschlagung der Erbschaft, 2012 |
363 | Annahmeverzug (Wort in Grimm Deutsches Wörterbuch nicht bezeugt und in älteren deutschen Rechtsquellen nicht belegt sowie in den Bestandteilen über das erschließbare Germanische mit dem Indogermanischen verbindbar, M.) Gläubigerverzug, Verzug des Gläubigers mit der Annahme der Leistung des Schuldners | |
364 | Annalen (Pl., Wort um 1170 aus lat. liber [M.] annalis, jährliches Buch, Jahrbuch aufgenommen und über das Lateinische des Altertums mit dem Indogermanischen verbindbar, Sb. Pl.) sind in möglicher Parallele zu spätantiken Konsullisten seit dem 8. Jahrhundert erscheinende, chronologisch geordnete Aufzeichnungen über denkwürdige Begebenheiten zwischen einem zeitlichen Ausgangspunkt und meist der jewweiiligen Gegenwart des Aufzeichnenden (beispielsweise Quedlinburger Annalen Sankt Servatiusstift Quedlinburg 1008-1030 [ab Schöpfung]). | Poole, R., Chronicles and Annals, 1926; Caenegem, R. van/Ganshof, F., Kurze Quellenkunde des westeuropäischen Mittelalters, 1964; Mc Cormick, M., Les annales, 1975; Hay, D., Annalists and Historians, 1977; Die Annales Quedlinburgenses, hg. v. Giese, M., 2004 |
365 | Annaten (Pl., Wort 1474 aus dem Lateinischen des Altertums aufgenommen und – als Ansatz – in älteren deutschen Rechtsquellen nicht belegt sowie über das Lateinische des Altertums mit dem Indogermanischen verbindbar, Sb. Pl.) sind sachlich gewohnheitsmäßig entwickelte, seit der Mitte des 13. Jahrhunderts bei der Verleihung freier nichtkonsistorialer niederer Benefizien allgemein an den Papst geleistete Abgaben in Höhe eines ganzen oder halben Jahresertrags, die seit dem Konzil von Basel (1435) abkommen und seit 1917 grundsätzlich untersagt sind. | Kirsch, J., Die päpstlichen Annaten, 1903; Hoberg, H., Die Einnahmen der apostolischen Kammer, Bd. 1f. 1955ff.; Denzel, M., Kurialer Zahlungsverkehr, 1991; Camera apostolica, hg. v. Ansani, M., 1994 |
366 | annehmen (Wort in Grimm Deutsches Wörterbuch um 1060 belegt und in älteren deutschen Rechtsquellen ab 1221-1224 belegt sowie in den Bestandteilen über das erschließbare Germanische mit dem Indogermanischen verbindbar, V.) entgegennehmen →Annahme | |
367 | Annweiler | Seebach, H., Kleine Geschichte des Trifels und der Stadt Annweiler, 2009 |
368 | Anschluss (Wort 1691 und – als Ansatz - nicht in älteren deutschen Rechtsquellen belegt und in Bestandteilen über das erschließbare Germanische mit dem Indogermanischen verbindbar, M., Verb anschließen 1593) ist vor allem die von dem in Braunau geborenen Österreicher Adolf →Hitler 1938 nach mehrjähriger Vorbereitung durch politischen Druck herbeigeführte Vereinigung →Österreichs mit dem Deutschen Reich. Dem Anschluss geht 1918 der von den alliierten Siegermächten des ersten Weltkriegs verhinderte Versuch der aus den meisten deutschsprachigen Gebieten Österreich-Ungarns gebildeten Republik →Deutschösterreich voraus, sich mit dem →Deutschen Reich zu vereinigen, wofür sich in Tirol 98,8 und in Salzburg 99,1 Prozent der Abstimmungsberechtigten aussprechen. Nach seiner Bestellung zu dem Reichsk... | Köbler, DRG 223; Baltl/Kocher; Kleinwächter, F./Paller, H., Die Anschlussfrage, 1930; Tirol und der Anschluss, hg. v. Albrich, T. u. a., 1988; Botz, G., Die Eingliederung Österreichs in das Deutsche Reich, 1972, 3. A. 1988; Jung, O., Plebiszit und Diktatur, 1995; Roesler, J., Der Anschluss von Staaten, 1999; Krämer, K., Die Bestrebungen für einen Zusammenschluss zwischen Österreich und Deutschland 1918 bis 1921, Diss. phil. Hannover 2003; 1938 – Der „Anschluss“ im internationalen Kontext, hg. v. Karner, Stefan/Ruggenthaler, Peter, 2020, 2. A. 2021; Wieland, L., Die nationalsozialistische Propaganda zur Volksabstimmung am 10. April 1938 in Österreich, 2020 |
369 | anschließen (Wort in Grimm Deutsches Wörterbuch 1593 bezeugt und in älteren deutschen Rechtsquellen ab drei Stellen ab 1738 belegt sowie in den Bestandteilen über das erschließbare Germanische mit dem Indogermanischen verbindbar, V.) hinzufügen, vereinen →Anschluss | |
370 | Anschütz, Gerhard (Halle an der Saale 10. 1. 1867-Heidelberg 14. 4. 1948) wird nach dem Rechtsstudium Professor in Tübingen (1899), Heidelberg (1900), Berlin (1908) und Heidel-berg (1916) und 1933 mit 66 Jahren auf Antrag emeritiert, weil er das nationalsozialistische Staatsrecht mangels innerlicher Verbundenheit nicht lehren kann. Er ist Verfechter des demokratischen Gedankens und verfasst auf gesetzespositivistischer Grundlage den mit 14 Auflagen erfolgreichsten Kommentar zu der von ihm lose mitgestalteten Verfassung der →Weimarer Republik. | Anschütz, G., Die Verfassung des Deutschen Reiches, 1921, 2. A. 1921, 8. A. 1925, 14. A. 1933; Handbuch des deutschen Staatsrechts, hg. v. Anschütz, G./Thoma, R., 1930ff.; Forsthoff, E., Gerhard Anschütz, (in) Der Staat 6 (1967), 139; Gerhard Anschütz, Aus meinem Leben, hg. v. Pauly, W., 1993, 2. A. 2008; Dreier, H., Ein Staatsrechtslehrer, (in) ZNR 20 (1998) |
371 | Ansegis (bei Saint Rambert bei Lyon um 770-Saint Wandrille/Fontenelle 20. 7. 833) ist der fränkische Benediktinerabt (823) von Saint Wandrille bzw. Fontenelle in der Erzdiözese Rouen, der 827 in seinem vier Bücher (Karl der Große, Ludwig der Fromme, Weltliches, Kirchliches) umfassenden (lat.) Legiloquus liber (M., Recht aufzeigendes Buch) in einfacher Ordnung und nicht fehlerfrei 29 (von etwa 90 heute bekannten) →Kapitularien Karls des Großen und Ludwigs des Frommen zusammenstellt, deren zwei Redaktionen (?) durch mehr als 60 (63), in vier Gruppen nach Herkunft und Inhalt einteilbare Handschriften überliefert werden. | Ganshof, F., Was sind die Kapitularien?, 1961; Die Kapitulariensammlung des Ansegis, hg. v. Schmitz, G., 1996 |
372 | Anselm von Lucca verfasst zwischen 1081 und 1083 eine Sammlung (lat. [F.] Collectio) von Papstbriefen, Canones, patristischen Texten und römischen Rechtsquellen. | Szuromi, S., Anselm von Lucca as Canonist, 2006 |
373 | ansprechen (Wort in Grimm Deutsches Wörterbuch um 1050 bezeugt und in älteren deutschen Rechtsquellen ab 1299 [Passau] belegt sowie in den Bestandteilen über das erschließbare Germanische mit dem Indogermanischen verbindbar) anreden → Anspruch | |
374 | Anspruch (Wort in Grimm Deutsches Wörterbuch 1292 bezeugt und in älteren deutschen Rechtsquellen ab 1291 belegt sowie in Bestandteilen über das erschließbare Germanische mit dem Indogermanischen verbindbar, M., Verb ansprechen um 1050) ist sachlich das Recht, von einem anderen ein Tun oder Unterlassen zu verlangen (§ 194 BGB) bzw. die von einem Kläger an einen Beklagten gerichtete Behauptung eines Rechtes mit einem bestimmten Inhalt. In dem römischen Recht ist beides in der (lat. [F.]) →actio (Klaganspruch) enthalten, wobei in dem Legisaktionenverfahren die Beachtung eines genauen Wortlauts erforderlich ist und in dem Formularverfahren nur verfahrensrechtlich durchsetzbare Rechte anerkannt werden (aktionenrechtliches Denken), wovon sich das spätantike Verfahren je nach Zweckmäßigkeit löst.... | Windscheid, B., Die actio des römischen Civilrechts, 1856; Nörr, K., Das Aktionrenrecht bei Savigny, Ius commune 8 (1879), 110; Simshäuser, W., Zur Entwicklung des Verhältnisses von materiellem Recht und Prozessrecht seit Savigny, 1965; Vossius, O., Zu den dogmengeschichtlichen Grundlagen der Rechtsschutzlehre, 1985; Kriechbaum, M., Actio, ius und dominium, 1996; Kollmann, A., Begriffs- und Problemgeschichte des Verhältnisses von formellem und materiellem Recht, 1996; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010 |
375 | Anstalt (Wort um 1250 bezeugt und in älteren deutschen Rechtsquellen ab 1633 belegt sowie in den Bestandteilen teils mit dem Indogermanischen verbindbar, F., Verb anstellen um 1300) ist vor allem die von einem Träger öffentlicher Verwaltung seit dem 18. Jahrhundert zu der Erfüllung einer besonderen Verwaltungsaufgabe errichtete, verwaltungsorganisatorisch oder rechtlich verselbständigte Verwaltungseinheit von persön-lichen oder sachlichen Mitteln. | Gerstlacher, C., Sammlung aller Baden-Durlachischen Anstalten und Verordnungen, Bd. 1ff. 1772f.; Weber, W., Die Entwicklung der Sparkassen, 1985; Dorn, U., Öffentliche Armenpflege in Köln, 1991; Alexander, L., Anstalten und Stiftungen. Verselbständigte Vermögensmassen im römischen Recht, 2003; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010; Brink, C., Grenzen der Anstalt – Psychiatrie und Gesellschaft in Deutschland 1860-1980, 2010 |
376 | anstellen (Wort in Grimm Deutsches Wörterbuch um 1300 bezeugt und in älteren deutschen Rechtsquellen ab 14. Jh. belegt sowie in den Bestandteilen über das erschließbare Germanische mit dem Indogermanischen verbindbar, V.) einreihen | |
377 | anstiften (Wort in Grimm Deutsches Wörterbuch 1469 bezeugt und in älteren deutschen Rechtsquellen ab 1603 an sechs Stellen belegt sowie in den Bestandteilen über das erschließbare Germanische mit dem Indogermanischen verbindbar, V.) veranlassen, vorsätzlich bestimmen →Anstifter um 1533, Anstiftung 1414 | |
378 | Anstiftung (Wort in Grimm Deutsches Wörterbuch 1414 bezeugt und ab 1554 in älteren deutschen Rechtsquellen an sechs Stellen belegt sowie in Bestandteilen über das erschließbare Germanische mit dem Indogermanischen verbindbar, F., Verb anstiften 1469, Maskulinum Anstifter um 1533) ist die vorsätzliche Bestimmung eines anderen zu einer vorsätzlich begangenen rechtswidrigen Tat (Versuch genügt). Als allgemeine Grundfigur des →Strafrechts wird die A. unter Herauslösung aus der Urheberschaft (intellektuelle Urheberschaft, so noch Feuerbach 1801) des (lat. [M.]) auctor erst in dem 19. Jahrhundert ausgebildet (§ 34 I StGB Preußens 1851). | Schaffstein, F., Die allgemeinen Lehren vom Verbrechen, 1930, Neudruck 1973; Ebrahim-Nesbat, S., Die Herausbildung der strafrechtlichen Teilnahmeformen im 19. Jahrhundert, 2006 |
379 | Anthropologie (Wort in Grimm Deutsches Wörterbuch 1711 als aus dem Griechischen des Altertums gebildet bezeugt und in der Herkunft teilweise ungeklärt und teilweise mit dem Indogermanischen verbindbar sowie in älteren deutschen Rechtsquellen nicht belegt, F.) Menschenkunde | Dülmen, R. van, Historische Anthropologie, 2000, 2. A. 2001; Hoßfeld, U., Geschichte der biologischen Anthropologie in Deutschland, 2005 |
380 | anti (Wort in Grimm Deutsches Wörterbuch 1763 bezeugt und in älteren deutschen Rechtsquellen nicht – als Ansatz - belegt als aus dem Lateinischen und Griechischen des Altertums wohl seit der Neuzeit um 1500 aufgenommen, Partikel), gegen | |