1561 | Dei gratia (lat. [F.] durch Gnade Gottes) ist eine von dem König Karl (dem Großen) der Franken 768 nach biblischem und auch kirchlichem Vorbild (6. Jahrhundert) aufgegriffene, zunächst nur religiös zu verstehende Wendung, mit welcher der irdische Herrscher zu dem Ausdruck bringen will, dass seine Stellung von Gottes Gnade herrührt. Ob die Vermittlung durch den Papst erfolgen muss, ist zeitweise streitig. | Köbler, DRG 83; Kern, F., Gottesgnadentum und Widerstandsrecht im frühen Mittelalter, 1912, 7. A. 1980; Schmitz, K., Ursprung und Geschichte der Devotionsformeln, 1913; Körntgen, L., Königsherrschaft und Gottes Gnade, hg. v. Goetz, H. u. a., Bd. 2 2000 |
1562 | Deich (Wort in Grimm Deutsches Wörterbuch Neufassung A-F um 1170 bezeugt und in älteren deutschen Rechtsquellen 1295 belegt sowie über das erschließbare Germanische teilweise mit dem Indogermanischen verbindbar, M.) Damm, Erdaufschüttung gegen Wasser | |
1563 | Deichrecht (Wort in Grimm Deutsches Rechtswörterbuch 1455 bezeugt und in älteren deutschen Rechtsquellen 1245 belegt sowie in Bestandteilen über das erschließbare Germanische mit dem Indogermanischen verbindbar, N.) ist die Gesamtheit der den Deich (als die Land gegen Fluten vorgenommene Erdaufschüttung) betreffenden Rechtssätze, wie sie sich seit dem 10. oder 11. Jahrhundert vor allem an der Nordsee entwickeln. Dazu bildet sich zunächst teils freiwillig, teils herrschaftlich ein Deichverband als Zwangsgenossenschaft der durch den Deich unmittelbar geschützten Grundstücksbe-rechtigten. Der Deichverband ist Eigentümer des Deiches und verwaltet ihn durch eigene Organe (Deichgraf, Deichschöffe, Deichgericht), sofern hierfür nicht die Gesamtheit zuständig ist. Der Deich ist in Teile (Kabeln, P... | Schrader, C., Systematische Übersicht über das Deichrecht, 1805; Harnisch, R., Deichgesetzgebung, 1886; Gierke, J. v., Die Geschichte des deutschen Deichrechts, Teil 1f. 1901ff., Neudruck 1967; Beckmann, A., Dijk- en Waterschapsrecht, Bd. 1f. 1905ff.; Gierke, J., Chrene cruda und Spatenrecht, ZRG GA 28 (1907), 290; Bochalli, A., Wassergenossenschafts- und Deichrecht nach dem preußischen Wassergesetz, 2. A. 1925; Fockema Andreae, S., Het hoogheemraadschap van Rijnland, 1934; Felkes, E., Die geschichtliche Entwicklung der Deichlast in Nordfriesland, 1937; Albers, E., Das Deichrecht im Amt Ritzebüttel, 1938; Römer, H., Die Rechtsgeschichte der Koogs- und Deichverbände, 1938; Winsemius, J., De historische ontwikkeling van het waterstaatsrecht in Friesland, 1947; Linden, H. van der, De Cope, 19... |
1564 | Dekalog (Wort in Grimm Deutsches Wörterbuch Neufassung A-F 1842 bezeugt [und in EDEL 1525 und in Grimm Deutsches Wörterbuch Neufassung A-F Wortarchiv lat. [M.] decalogus 8. Jh.] und in älteren deutschen Rechtsquellen nicht belegt sowie über das Lateinische und Griechische des Altertums in Bestandteilen mit dem Indogermanischen verbindbar, M.) sind die zehn Gebote, die nach den Aussagen der Bibel Moses auf dem Berg Sinai (von Gott) empfängt (2. Moses 20,2-17, 5. Moses 5,6-21). Der Dekalog enthält klare Regeln für wichtige Störungen des Zusammenlebens von jüdischen Menschen. Die zugehörigen, den Nichtjuden durch das Christentum vermittelten Lösungen beeinflussen das weltliche Recht großer Teile der gesamten Menschheit bis in die Gegenwart. | Weber, H. v., Der Dekalog als Grundlage der Verbrechenssystematik, FS W. Sauer, 1949, 44; Hossfeld, F., Der Dekalog, 1982 |
1565 | Dekan (Wort in Grimm Deutsches Wörterbuch Neufassung A-F in zwei Ansätzen teilweise ohne Zeitangebae bezeugt und in älteren deutschen Rechtsquellen ab dem Althochdeutschen belegt sowie aus lat. decanus, M. aufgenommen, M., zu lat. decem, Num. Kard., zehn sowie mit dem Indogermanischen verbindbar) ist ein kirchlicher wie weltlicher Amtsträger. | Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 1950, 5. A. 1972 |
1566 | Dekret (Wort nach Grimm Deutsches Wörterbuch Neufassung A-F um 1200 bezeugt und in älteren deutschen Rechtsquellen – als Ansatz – nicht belegt sowie aus dem Lateinischen des Altertums aufgenommen und in den Bestandteilen mit dem Indogermanischen verbindbar, N.) ist allgemein die obrigkeitliche Entscheidung. In dem Kirchenrecht ist Dekret (grundsätzlich) das (lat.) →Decretum (N.) Gratiani. | Söllner § 15; Köbler, DRG 102; Dekrete der ökumenischen Konzilien, hg. v. Wohlmuth, J., Bd. 1ff. 1997ff. |
1567 | Dekretale (Wort als Dekretal nach Grimm Deutsches Wörterbuch Neufassung A-F um 1280 belegt und in älteren deutsche Rechtsquellen als Dekretale, Dekretal nicht belegt sowie aus dem Lateinischen des Altertums aufgenommen und in den Bestandteilen mit dem Indogermanischen verbindbar, F.) ist die seit dem 4. Jahrhundert n. Chr. (385 n. Chr. [lat.] Directa ad decessorem, Papst Siricius an Bischof Himerius von Tarragona) sichtbare, vor allem in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts mit rund 1100 erhaltenen Zeugnissen zahlenmäßig sehr häufige Entscheidung des Papstes in einem einzelnen Fall sowie später der sie verkündende feierliche Erlass. Sammlungen von Dekretalen sind beispielsweise die Sammlung des Dionysius Exiguus, die pseudoisidorischen Fälschungen, die (lat.) Collectio (F.) Wigorniensis... | Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 102, 108; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 1950, 5. A. 1972; Landau, P., Die Entstehung der systematischen Dekretalensammlungen, ZRG KA 66 (1979), 120; Kuttner, S., Medieval Councils, Decretals and Collections, 1980; Landau, P., Kanones und Dekretalen, 1997; Landau, P., Rechtsfortbildung im Dekretalenrecht, ZRG KA 117 (2000), 86; Jasper, D./Fuhrmann, H., Papal letters in the early middle ages, 2001; Zechiel-Eckes, K., Die erste Dekretale - Der Brief Papst Siricius’ an Bischof Himerius von Tarragona vom Jahr 385 (JK 255), 2013 |
1568 | Dekretalist (Wort in Grimm Deutsches Wörterbuch Neufassung A-F nicht bezeugt und in älteren deutschen Rechtsquellen nicht belegt sowie teilweise aus dem Lateinischen des Altertums aufgenommen und in den Bestandteilen mit dem Indogermanischen verbindbar, M.) ist der die →Dekretalen (1234 nach Erscheinen des Liber extra) bearbeitende Kirchenrechtslehrer (beispielsweise Johannes Andreae, Tancred, Innozenz IV., Hostiensis [Summa aurea, goldene Summe], Durantis, Baldus, Zabarella, Nikolaus de Tudeschis [Panormitanus]). Die Gesamtheit der Dekretalisten wie die Tätigkeiten der Dekretalisten werden als Dekretalistik bezeichnet. | Kroeschell, DRG 2; Kuttner, S., Gratian and the Schools of Law, 1983 |
1569 | Dekretist (Wort in Grimm Deutsches Wörterbuch Neufassung A-F um 1480 bezeugt und in älteren deutschen Rechtsquellen nicht belegt sowie teilweise aus dem Lateinischen des Altertums aufgenommen und in Bestandteilen mit dem Indogermanischen verbindbar, M.) ist der das →Dekret Gratians bearbeitende Kirchenrechtslehrer (beispielsweise Paucapalea, Rufinus, Stephan von Tournai, Huguccio, Johannes Teutonicus). | Kuttner, S., Gratian and the Schools of Law, 1983 |
1570 | delatura (lat. [F.], Anzeigelohn?) →dilatura | |
1571 | De laudibus legum Angliae (lat., Über die Vorzüge des englischen Rechtes) ist eine 1470 von dem Richter Sir John →Fortescue verfasste Darstellung des →englischen Rechtes in dem Vergleich zu dem festländischen Recht. | Baker, J., An Introduction to English Legal History, 1971, 2. A. 1979, 3. A. 1990, 4. A. 2002 |
1572 | delegatio (lat. [F.]) Anweisung | |
1573 | Delegation (Wort in Grimm Deutsches Wörterbuch Neufassung A-F 1544 aufgenommen und in älteren deutschen Rechtsquellen – als Ansatz – nicht belegt sowie über das Lateinische des Altertums in Bestandteilen mit dem Indogermanischen verbindbar, F.) ist die Übertragung einer Aufgabe oder Zuständigkeit auf einen anderen oder auf mehrere andere sowie die Gesamtheit der damit betrauten Menschen, Verb delegieren 1516). Sie ist bereits der römischen Kaiserzeit bekannt. In dem Mittelalter erfolgt die Delegation weltlicher oder geistlicher Gerichtsbarkeit seit dem 11./12. Jahrhundert (lat. iurisdictio [F.] delegata). In dem Heiligen römischen Reich wird die Delegation wegen des damit verbundenen Zuständigkeitsverlusts des Delegierenden seit der Errichtung des Reichs-kammergerichts eingeschränkt, in de... | Kaempfe, W., Die Begriffe der Jurisdictio Ordinaria, Quasiordinaria, Mandata und Delegata, 1876; Canstein, R. v., Jurisdictio delegata und mandata im justinianischen und kanonischen Rechte, ZRG 13 (1878), 491; Kümpel, J., Begriff und Abstufung der iurisdictio ordinaria und delegata, 1922; Triepel, H., Delegation und Mandat im öffentlichen Recht, 1942, Neudruck 1995; Endemann, W., Der Begriff der delegatio, 1959; Müller, H., Päpstliche Delegationsgerichtsbarkeit in der Normandie, 1997; Reichard, I., Delegation und Novation im klassischen römischen Recht, 1998; Olechowski-Hrdlicka, K., Die gemeinsamen Angelegenheiten der österreich-ungarischen Monarchie, 2001; Pfeiffer, U., Untersuchungen zu den Anfängen der päpstlichen Delegationsgerichtsbarkeit im 13. Jahrhundert, 2011 |
1574 | De legibus et consuetudinibus regni Angliae (lat.) (Treatise on the Laws and Customs of England, Über die Gesetze und Gewohnheiten des Königreichs England) ist eine kurze, in lateinischer Sprache abgefasste Darstellung des englischen Rechtes (common law) des 12. Jahrhunderts (1187-1189?) auf der Grundlage der Rechtsprechung der königlichen Gerichte (ausgenommen das siebente, Erbrecht behandelnde Buch). Als Verfasser gilt Ranulf de →Glanvill. Ein Einfluss des römischen Rechtes ist nur in terminologischer Hinsicht zweifelsfrei. | Kroeschell, DRG 1; Baker, J., An Introduction to English Legal History, 1971, 2. A. 1979, 3. A. 1990, 4. A. 2002 |
1575 | Delictum (lat. [N.]) ist in dem römischen Recht die den Einzelnen, seine Familie oder sein Vermögen verletzende Tat (zu lat. delinquere, V., zurücklassen, ausgehen, fehlen, sich vergehen, beispielsweise Diebstahl, Sachbeschädigung, Persönlichkeitsverletzung). Voraussetzung ist Rechtswidrigkeit und regelmäßig Vorsatz. Rechtsfolge ist anfangs die Vergeltung an dem Täter selbst (beispielsweise Tötung, Körperverletzung), später die an die Stelle des Racherechts tretende Buße in Geld (lat. [F.] poena), die entweder in einem bestimmten Metallwert oder in einem Vielfachen des Wertes des betroffenen Gegenstands bestehen kann. Hinzukommen können sachverfolgende Klagen. In der Spätantike wird in dem Westen seit dem 4. Jahrhundert zwischen Verbrechen und →Delikt begrifflich nicht mehr unterschieden u... | Kaser § 50; Köbler, DRG 26, 48, 65; Köbler, LAW; Jentsch, H., Die Entwicklung von den Einzeltatbeständen des Deliktsrechts zur Generalnorm, 1939; Caemmerer, E. v., Wandlungen des Deliktsrechts, FS zum hundertjährigen Bestehen des Deutschen Juristentages, 1964, 49 |
1576 | Delikt (Wort in Grimm Deutsches Wörterbuch Neufassung A-F 1559 – als Lehnwort zu [lat., N.] delictum - bezeugt und in älteren deutschen Rechtsquellen - als Ansatz – nicht belegt sowie über das Lateinische des Altertums in Bestandteilen mit dem Indogermanischen verbindbar) ist die rechtswidrige schuldhafte Tat. Ihr folgt teils →Strafe, teils Buße. Dabei wird mit der Aufnahme des römischen Rechtes auch die Figur des (lat. [N.]) →delictum übernommen. In dem Strafrecht ist Delikt die mit öffentlicher Strafe bedrohte Handlung, in dem Privatrecht die unerlaubte, zu Schadensersatz verpflichtende Handlung (§§ 823ff. BGB). | Köbler, DRG 48, 65, 166, 264; Jentsch, H., Die Entwicklung von den Einzeltatbeständen des Deliktsrechts zur Generalnorm, 1939; Caemmerer, E. v., Wandlungen des Deliktsrechts, FS zum hundertjährigen Bestehen des Deutschen Juristentages, 1964, 49; Kötz, H., Deliktsrecht, 1976, 9. A. 2001, 10. A. 2006; Bar, C. v., Gemeineuropäisches Deliktsrecht, 1996; Zimmermann, R./Verse, D., Die Reaktion des Reichsgerichts auf die Kodifikation des deutschen Deliktsrechts, (in) Das Bürgerliche Gesetzbuch und seine Richter, 2000, 319; Mohnhaupt-Wolf, U., Deliktsrecht und Rechtspolitik, 2004; Immenhauser, M., Das Dogma von Vertrag und Delikt, 2006; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010; La faute et sa punition dans les sociétés orientales, hg. v. Furand, J. u. a., 2... |
1577 | deliktsfähig (Wort in Grimm Deutsches Wörterbuch Neufassung A-F 1877 bezeugt und in älteren deutschen Rechtsquellen nicht belegt sowie in Bestandteilen über das Lateinische des Altertums und das erschließbare Germanische mit dem Indogermanischen verbindbar, Adj.) zu einer unerlaubten Handlung fähig | |
1578 | Deliktsfähigkeit (Wort in Grimm Deutsches Wörterbuch Neufassung A-F nicht bezeugt und – als Ansatz - in älteren deutschen Rechtsquellen nicht belegt sowie in Bestandteilen über das Lateinische des Altertums und das erschließbare Germanische mit dem Indogermanischen verbindbar, F., Adjektiv deliktsfähig 1877 belegt) ist die Fähigkeit, für eine unerlaubte Handlung zu der Verantwortung gezogen werden zu können. Sie fehlt schon in dem römischen Recht den Geisteskranken (lat., M.Pl., furiosi) und Kindern (lat., M.Pl., infantes). Für das ältere deutsche Recht ist die tatsächliche Handhabung in dem Einzelfall eher unklar. Mit der Rezeption wird die Mündigkeit (Vollendung des 14. Lebensjahrs) maßgeblich für die Deliktsfähigkeit. | Loheit, S., Die Deliktsfähigkeit Minderjähriger, 2008 |
1579 | Demagoge (Wort nach EDEL aus dem Griechischen in dem 17. Jahrhundert aufgenommen und nach Grimm Deutsches Wörterbuch Neufassung A-F 1765 bezeugt sowie in älteren deutschen Rechtsquellen nicht belegt und über das Griechische des Altertums in Bestandteilen mit dem Indogermanischen verbindbar, M.) Volksführer, Volksverführer | |
1580 | Demagogenverfolgung (Wort in Grimm Deutsches Wörterbuch Neufassung A-F 1916 bezeugt und in älteren deutschen Rechtsquellen nicht belegt sowie in Bestandteilen über das Griechische des Altertums und das erschließbare Germanische mit dem Indogermanischen verbindbar, F.) ist die staatliche Verfolgung „revolutionärer Umtriebe und demagogischer Verbindungen“ durch den →Deutschen Bund auf Grund der an dem 20. 9. 1819 von dem Deutschen Bundestag einstimmig angenommenen →Karlsbader Beschlüsse mit Hilfe einer in Mainz eingesetzten Zentraluntersuchungskommission. Die Demagogenverfolgung besteht beispielsweise in der Aufhebung der Zensurfreiheit von Universitätsprofessoren, in der Beseitigung von Rechtshindernissen für die Entlassung von Geistlichen und in der Schaffung von Rechtsgrundlagen für die E... | Toll, H., Akademische Gerichtsbarkeit und akademische Freiheit, 1979; Willoweit, D., Deutsche Verfassungsgeschichte, 5. A. 2005, § 30; Brümmer, M., Staat kontra Universität, 1991; Mann, C., Die Demagogen und das Volk, 2007 |