9161 | Zeitgeschichte ist die die jüngere Vergangenheit betreffende Geschichte. In der allgemeinen Geschichte wird die Geschichte der Zeit seit 1918 (Hans Rothfels 1953 Zeit der Mitlebenden) (bzw. seit 1945) als Zeitgeschichte verstanden. Seit etwa 1970 wird unter notwendiger Vernachlässigung der allgemeinen Rechtsgeschichte verschiedentlich auch eine eigene juristische Zeitgeschichte angestrebt. | Kroeschell, 20. Jahrhundert; Klippel, D., Juristische Zeitgeschichte, 1985; Juristische Zeitgeschichte - ein neues Fach?, hg. v. Stolleis, M., 1993; Ramm, T., Rechtszeitgeschichte, 1998, 587; Forum Juristische Zeitgeschichte, hg. v. Düwell, F. u. a., 1998; Rückert, J., Zeitgeschichte des Rechts, ZRG GA 115 (1998), 1; Kramer, H., Plädoyer für ein Forum zur juristischen Zeitgeschichte, hg. v. Verein Forum Justizgeschichte, 1998; 50 Jahre Institut für Zeitgeschichte, hg. v. Möller, H. u. a., 1999; Institut für juristische Zeitgeschichte Hagen Jahrbuch Bd. 1ff. hg. v. Vormbaum, T., 1999ff.; Vormbaum, T., Beiträge zur juristischen Zeitgeschichte, 1999; Themen juristischer Zeitgeschichte, hg. v. Düwell, F./Vormbaum, T., 1999; Rückert, J., Zeitgeschichte des Rechts, ZRG GA 117 (2000), 290; Dieste... |
9162 | Zeitschrift ist die in dem Verlauf der Zeit in Abständen erscheinende Schrift meist mit kurzen Beiträgen mehrerer Verfasser. Sie entwickelt sich seit der Erfindung des Buchdrucks. So genannte Zeitungen vor der →Zeitung werden von der Familie Fugger seit 1568 gesammelt. Juristische, zunächst noch buchähnliche Zeitschriften werden in dem Heiligen römischen Reich seit dem 18. Jahrhundert herausgegeben, in den meisten übrigen Staaten Europas in dem 19. Jahrhundert, wobei teilweise die Wissenschaft in dem Vordergrund steht, teilweise aber auch die Praxis einbezogen wird. Bisher erfolgreichste deutschsprachige juristische Zeitschrift ist wohl die 1947 von dem Verlag C. H. Beck begründete Neue Juristische Wochenschrift. | Juristische Zeitschriften, hg. v. Stolleis, M. u. a., 1999; Juristische Zeitschriften in Europa, hg. v. Simon, T. u. a., 2006; Weber, H., Juristische Zeitschriften des Verlags C. H. Beck, 2007; Das Medium Wissenschaftszeitschrift seit dem 19. Jahrhundert, hg. v. Stöckel, S. u. a., 2009; Bauer, O., Zeitungen vor der Zeitung, 2011; Trawny, S., Die Kritische Vierteljahresschrift für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft und ihre Vorgängerinnen zwischen Staatenbund und Nationalstaat, 2020 |
9163 | Zeitschrift für Rechtsgeschichte ist die der von Savigny und anderen für Romanistik und Germanistik begründeten Zeitschrift für geschichtliche Rechtswissenschaft (1815-1845) und der von Reyscher und Wilda herausgegebenen (germanistischeren) Zeitschrift für deutsches Recht ab 1861 folgende, Romanistik und Germanistk wieder vereinende, 1880 in eine germanistische Abteilung und eine romanistische Abteilung gegliederte und (durch Ulrich Stutz) 1911 um eine kanonistische Abteilung erweiterte Zeitschrift für rechtsgeschichtliche Forschungen und Besprechungen („Deutschlands berühmteste Zeitschrift“). Seit 2011 erscheinen weiter eine digitale Zeitschrift integrativer europäischer Rechtsgeschichte (ZIER) und eine besondere Zeitschrift für österreichische Rechtsgeschichte sowie seit 2012 unter dem N... | Thieme, H., Hundert Jahre Zeitschrift für Rechtsgeschichte, ZRG GA 78 (1961), XII; Mayer-Maly, T., Deutschlands berühmteste Zeitschrift, ZRG GA 102 (1985), 1 |
9164 | Zeitung ist das regelmäßig erscheinende, über Wissenswertes berichtende Druckerzeugnis. Ab 1568 werden in Augsburg handschriftliche Nachrichten jeder Art aus Europa gesammelt (so genannte Fuggerzeitungen, mehr als 16200 Nachrichten bis 1605). Die älteste in Deutschland erschienene und erhaltene Zeitung ist Aviso von 1609 für Landadel und Juristen (aus Wolfenbüttel, zweitälteste Z. der Welt). Seit 1650 gibt es Tageszeitungen. Die älteste, noch erscheinende Zeitung der Welt ist die schwedische Post- och Innikes Tidningar (1645), die älteste noch erscheinende Zeitung Deutschlands die Hildesheimer Allgemeine Zeitung (1705), die älteste, noch erscheinende deutschsprachige Zeitung die Wiener Zeitung. | Baumert, D., Die Entstehung des deutschen Journalismus, Diss. phil. Berlin 1928, Neudruck 2013; Breil, M., Die Augsburger Allgemeine Zeitung, 1996; Juristische Zeitschriften, hg. v. Stolleis, M., 1999; Pross, H., Zeitungsreport, 2000; Schultheiß-Heinz, S., Politik in der europäischen Publizistik, 2004; Schütz, W., Zeitungen in Deutschland, 2005f; Juristische Zeitschriften in Europa, hg. v. Stolleis, M. u. a., 2006; Bauer, O., Zeitungen vor der Zeitung, 2011; Keller, K. u. a., Die Fuggerzeitungen im Kontext, 2015; Leidecker, M., Das ist die Top-Geschichte des Tages, 2015; Lichnerová, L. u. a., „Neue Zeitungen“ über Ungarn, (in) HZ 309 (2019), 313 (zwischen 1515 und 1652 etwa 90 erhaltene Neue Zeitungen zu Ereignissen über Ungarn); Hoeres, P., Zeitung für Deutschland – Die Geschichte der FAZ... |
9165 | Zensor ist der altrömische Amtsträger (2 Zensoren), der aus den ehemaligen Konsuln auf fünf Jahre gewählt wird und wohl seit 444 v. Chr. für die Aufsicht über die Sitten und die Vermögensveranlagung zuständig ist. | Söllner § 6; Dulckeit/Schwarz/Waldstein; Köbler, DRG 18; Wieacker, F., Römische Rechtsgeschichte, Bd. 1 1988; El Beheiri, N., Das regimen morum der Zensoren, 2012 |
9166 | Zensualität ist die durch Leistung von Zins (Kopfzins, Heiratsabgabe, Sterbeabgabe) gekennzeichnete gesellschaftliche Stellung (von Zensualen) in dem Mittelalter (779 Kapitular von Herstal, urkundlich ab etwa 800, vor allem bei Ripuarieren, Alemannen und Bayern). | Esders, S., Die Formierung der Zensualität, 2010 |
9167 | Zensur ist die Aufsicht über das gesellschaftliche Verhalten, insbesondere über die Veröffentlichung von Gedanken in Schriftform. Bereits dem ausgehenden Altertum (ab 4. Jahrhundert n. Chr.) ist sachlich die Zensur in der Kirche bekannt. 1184 führt Papst Lucius III. die Nachzensur für die Kirche ein. Sie wird nach der Erfindung des Buchdrucks wegen der damit verbundenen Gefahren 1487 durch Papst Innozenz VIII. in die Vorzensur umge-wandelt. Von 1559/1564 bis 1967 führt die katholische Kirche einen (lat.) Index (M.) librorum prohibitorum (Anzeiger verbotener Bücher). Dem folgen seit dem 16. Jahrhundert die neuzeitlichen Landesherren (beispielsweise Maria Theresia für Österreich 1748, 1749, 1752, 1778, wobei in Österreich die Zahl der verbotenen Bücher die Zahl der erlaubten Bücher überwog),... | Krempel, O., Das Zensurrecht in Deutschland, Diss. jur. Würzburg 1921; Eisenhardt, U., Die kaiserliche Aufsicht, 1970; Busch, R., Die Aufsicht über das Bücher- und Pressewesen in den Rheinbundstaaten Berg, Westfalen und Frankfurt, 1970; Neumann, D., Staatliche Bücherzensur, 1977; Ziegler, E., Literarische Zensur, 1983; „Unmoralisch an sich.“, hg. v. Göpfert, H. u. a., 1988; Schütz, H., Der mächtigste Zensor, Börsenbl. f. d. dt. Buchhandel 1989, 2, 70; Schroeder-Angermund, C., Von der Zensur zur Pressefreiheit, 1993; Leesen, H. v., Eine Zensur findet nicht statt, Criticon 155 (1997), 145; Eisenhardt, U., Strafe und Strafzweck bei der Bestrafung von Autoren, Druckern und Händlern verbotener Schriften, FS G. Bemmann 1997, 36; Inquisition – Index – Zensur, hg. v. Wolf, H., 2001; Széchényi, B.,... |
9168 | Zensus (M.) Steuerleistung (beispielsweise 594 v. Chr. in Athen, vor allem als Grundlage eines gestuften Wahlrechts [Zensuswahlrechts] in dem 19. Jahrhundert [Großbritannien bis 1867, Bayern 1808, in Österreich von 1848 bzw. von dem Kremsierer Entwurf 1849 [Beschränkung des Wahlrechts auf 6-7 Prozent der Bevölkerung, 1882 durch Taafesche Wahlrechtsreform, 1896 durch Badenische Wahlrechtsreform gemildert] bis 1907 [Becksche Wahlrechtsreform]) | Söllner § 6; Baltl/Kocher; De Biasio, G., Il censo e il voto, 1993; Strejcek, G., Bundes-verfassung und Wahlrecht, 2009; Strelitz-Risse, A., Das Zensuswahlrecht, 2018 |
9169 | Zent (zu lat. centum, Num. Kard., hundert) ist eine in Herkunft und Bedeutung streitige Verwaltungs- und Gerichtseinheit (Zentgericht) des Mittelalters. | Kroeschell, DRG 1, 2; Die Zenten des Hochstifts Würzburg, hg. v. Knapp, H., 1907; Kroeschell, K., Die Zentgerichte in Hessen und die fränkische Centene, ZRG GA 73 (1956), 300; Die Anfänge der Landgemeinde, 1964 |
9170 | Zentenar | Glitsch, H., Der alamannische Zentenar und sein Gericht, 1917 |
9171 | Zentgericht ist das die →Zent betreffende Gericht. | Erler, A., Die Zentgerichtsordnung von Lützelbach, ZRG GA 66 (1948), 528; Birr, C., Konflikt und Strafgericht, 2002; Schultheiß, S., Das Zentgericht Burghaslach in Franken, 2007 |
9172 | Zentralbehörde ist vor allem in der Neuzeit die zusammenfassende Behörde der staatlichen Verwaltung. Sie ist meist bürokratisch organisiert. | Goldschmidt, H., Zentralbehörden und Beamtentum, 1908; Gundlach, F., Die hessischen Zentralbehörden, Teil 1ff. 1930ff.; Press, V., Calvinismus und Territorialstaat, 1970; Bernhard, W., Die Zentralbehörden des Herzogtums Württemberg, Bd. 1f. 1973; Lanzinner, M., Fürst, Räte und Landstände, 1980; Ehlert, H., Die wirtschaftliche Zentralbehörde des Deutschen Reiches, 1982; Zentrale Orte und zentrale Räume des Frühmittelalters in Süddeutschland, hg. v. Ettel, P. u. a., 2013 |
9173 | Zentralismus | Centralismo e federalismo tra otto(cento) e novecento, hg. v. Janz, O. u. a., 1997 |
9174 | Zentraluntersuchungskommission ist eine Untersuchungskommission des →Deutschen Bundes (1819-1828, 1833-1848) gegen revolutionäre Umtriebe. | Weber, E., Die Mainzer Zentraluntersuchungskommission, 1970 |
9175 | Zentrumspartei (bzw. Zentrum) ist in dem zweiten Deutschen Reich (1871ff.) die Partei des konservativen Katholizismus. | Kroeschell, DRG 3; Bachem, K., Vorgeschichte, Geschichte und Politik der deutschen Zentrumspartei, Bd. 1ff. 1927ff., Neudruck 1968; Anderson, M., Windthorst, 1981; Damnitz, M., Bürgerliches Recht zwischen Staat und Kirche, 2001; Ruppert, K., Die weltanschaulich bedingte Politik der Deutschen Zentrumspartei in ihrer Weimarer Epoche, (in) HZ 285 (2007) 49 |
9176 | Zepter (N.) (Szepter) Herrscherstab | Paatz, W., Sceptrum universitatis, 1953; Vorbrodt, C./Vorbrodt, I., Die akademischen Szepter, 1971; Kocher, G., Zeichen und Symbole des Rechts, 1992 |
9177 | Zerreißen ist eine Form der →Todesstrafe (14.-18. Jahrhundert). | Amira, K. v., Die germanischen Todesstrafen, 1922, 131 |
9178 | Zerrüttung ist die Zerstörung durch Erschütterung, in dem Recht insbesondere die Zerrüttung der ehelichen Lebensgemeinschaft, die (nach einem vereinzelten ähnlichen Ansatz in Frankreich durch Gesetz von dem 20. 9. 1792) in Deutschland 1976 in Ablösung des älteren Verschuldensgrundsatzes zu einer Voraussetzung der erleichterten Ehescheidung wird (in Österreich stattdessen 1978 einvernehmliche Ehescheidung). | Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 267; Hattenhauer, H., Das Zerrüttungsprinzip, FS E. Wolf, 1985, 143; Wolff, A., Das Zerrüttungsprinzip, (in) FamRZ 1988, 1271; Haibach, U., Familienrecht in der Rechtssprache, 1991; Bommer, J., Ein Gesetz - zwei Rechtsprechungen?, 2008 |
9179 | Zession (F., Wort 1499 in Worms belegt) (Schreiten,) Abtretung (einer Forderung) | Buch, G., Zur Zession im deutschen mittelalterlichen Recht, ZRG GA 34 (1913), 429; Huwiler, B., Der Begriff der Zession, 1975; Luig, K., Zession und Abstraktionsprinzip, (in) Wissenschaft und Kodifikation, hg. v. Coing, H. u. a., Bd. 2 1977, 112; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Behr, V., Das reichsrechtliche Zessionsverbot von 1551, Diss. jur. Bochum 2000; Wesener, G., Zession und Schuldübernahme im Codex Theresianus, (in) Spuren des römischen Rechtes, 2007, 693; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010; Scheffzek, S., Der Einfluss der Mühlenbruch’schen Zessionslehre, 2011; Lammeyer, P., Konflikt zwischen Zession und dem vom Zedenten erwirkten Urteil, 2012 |
9180 | Zeuge (lat. [M.] testis) ist der Mensch, der über Tatsachen, die er wahrgenommen hat (Wahrnehmungszeuge), aussagen soll. Zeugen gibt es, sobald und solange es Menschen gibt. Die Bedeutsamkeit von Zeugen für den Beweis von Tatsachen ist zu unterschiedlichen Zeiten verschieden groß. Zu unterscheiden sind zufällige Zeugen (Zufallszeugen) und Ge-schäftszeugen (zu der Vornahme eines Geschäfts zugezogene Zeugen). Vielfach ist der Zeuge bewusst oder unbewusst unzuverlässig. Spätestens mit dem Inquisitionsprozess erscheint die Pflicht, in gerichtlichen Verfahren als Zeuge auszusagen. | Kaser §§ 7 I 1, 13 III, 58 IV 2a, 74 I 2c, 87 II 6; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 70, 86, 105, 116, 126, 155, 156, 202; Köbler, WAS; Ruth, R., Zeugen und Eidhelfer, 1922, Neudruck 1973; Karitzky, B., Die Geschichte des Zeugnisverweigerungsrechts, Diss. jur. Freiburg im Breisgau 1959; Kornblum, U., Das Beweisrecht des Ingelheimer Oberhofes, Diss. jur. Frankfurt am Main 1960; Gawlik, A., Intervenienten und Zeugen in den Diplomen Kaiser Heinrichs IV., 1970; Schlosser, H., Spätmittelalterlicher Zivilprozess, 1971; Schott, C., Ein Zeuge, kein Zeuge, FS F. Elsener, 1977, 222; Subjektivierung des justiziellen Be-weisverfahrens, hg. v. Gouron, A. u. a., 1994; Bogisch, M., Nemo testis in causa sua, 1998; Plassmann, A., Die Struktur des Hofes, 1998; Lepsius, S., Der Richter und die Zeugen, 2003;... |