41 | Abstimmung (Wort in Grimm Deutsches Wörterbuch 1691 bezeugt und – als Ansatz – in älteren deutschen Rechtsquellen nicht belegt sowie in Bestandteilen über das erschließbare Germanische mit dem Indogermanischen verbindbar, Verb abstimmen 1468) ist sachlich auch das durch Abgabe einzelner Stimmen oder Entscheidungen (Zustimmung, Ablehnung, Enthaltung) erfolgende Verfahren zu der Ermittelung des Willens (Gemeinwillens) einer Gesamtheit von zu einer Entscheidung zugelassenen Menschen oder Personen hinsichtlich einer bestimmten Frage. Als eine besondere Form der Abstimmung ist bereits in dem antiken Athen der Ostrazismus bekannt, bei dem der Angehörige des Volkes mittels je eines Tonscherbens (griech. ostrakon) darüber abstimmen kann, ob ein Bürger, der die politische Ordnung gefährdet, für 10 ... | Gierke, O. v. Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 3 1881; Stutz, U., Die Abstimmungsordnung der Goldenen Bulle, ZRG GA 43 (1922), 217; Stutz, U., Der Jüngste stimmt zuerst, ZRG GA 49 (1929), 435; Schubert, F., Die deutschen Reichstage, 1966; Scheuner, U., Das Mehrheitsprinzip, 1973; Schlaich, K., Mehrheitsabstimmung im Reichstag zwischen 1495 und 1613, 1983; Heun, W., Das Mehrheitsprinzip, 1983; Falter, J., Wahlen und Abstimmungen in der Weimarer Republik, 1986; Bleicken, J., Die Verfassung der römischen Republik, 2000 |
42 | abstrakt (Wort in Grimm Deutsches Wörterbuch 1477 bezeugt und in älteren deutschen Rechtsquellen – als Ansatz – nicht belegt sowie in den Bestandteilen über das Lateinische des Altertums mit dem Indogermanischen verbindbar, Adj.) allgemein, verallgemeinert | |
43 | Abstraktion (Wort in Grimm Deutsches Wörterbuch 1571 bezeugt und in älteren deutschen Rechtsquellen nicht – als Ansatz - belegt sowie in Bestandteilen über das Lateinische des Altertums mit dem Indogermanischen verbindbar, Adjektiv abstrakt 1477) ist sachlich die Lösung eines allgemeine Merkmale enthaltenden Umstands von einzelnen Erscheinungsformen. In dem 19. Jahrhundert setzt die →Pandektistik auf der Grundlage einer Entscheidung des römischen Juristen Julian/Iulianus (Hadrumetum um 100-um 170) in dem deutschen Recht die Trennung des →Verfügungsgeschäfts (→Übereignung, →Abtretung) von dem ihm als Grund (lat. [F.] causa) zugehörigen →Verpflichtungsgeschäft (wie Kauf, Schenkung) und die Trennung des Innenverhältnisses (Auftrag) von dem Außenverhältnis (Vollmacht) mit Hilfe des Prinzips de... | Buchholz, S., Abstraktionsprinzip und Immobiliarrecht, 1978; Landwehr, G., Abstrakte Rechtsgeschäfte, (in) Rechtsdogmatik und Rechtspolitik, 1990, 173; Eisenhardt, U., Die Entwicklung des Abstraktionsprinzips, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997; Ferrari, F., Vom Abstraktionsprinzip und Konsensualprinzip zum Traditionsprinzip, ZEuP 1993, 52; Rodríguez-Rosado, B., Abstraktionsprinzip und redlicher Erwerb als Mittel zum Schutze des Rechtsverkehrs, 2010; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010; Laborenz, M., Solutio als causa – Die Frage des Abstraktionsprinzips im römischen Recht, 2014; Stadler, A., Gestaltungsfreiheit und Verkehrsschutz durch Abstraktion, 2020 |
44 | Abt (Wort in Grimm Deutsches Wörterbuch um 800 bezeugt und aus älteren deutschen Rechtsquellen ohne Stellenangaben nur als aus lat. abbas, abbatem [Akk.] 4. Jahrhundert, „Abt, Vater“, Lehnwort gr. ábba, aram. abba, „Vater“, Lallwort bestimmt aufgenommen und – als Ansatz – nicht belegt) ist sachlich seit dem 4. Jahrhundert der Leiter einer rechtlich selbständigen Niederlassung eines christlichen →Ordens des weströmischen Gebiets. Er wird als geistlicher Vater (lat. pater [M.] spiritualis) verstanden. Die auf den Kirchenvater Augustinus (354-430) zurückgehende Ordensregel Benedikts von Nursia (480-547) legt Einzelheiten der Stellung genauer fest. Demnach erfordert die Weihe zu dem anfangs von dem Bischof eingesetzten, nach den Novellen Justinians von sämtlichen Mönchen gewählten Abt vorbildl... | Kroeschell, DRG 1, 2; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 1950, 5. A. 1972; Hegglin, B., Der benediktinische Abt, 1961; Salmon, P., L’abbé dans la tradition monastique, 1963; Seibert, H., Abtserhebungen, 1995; Wiech, M., Das Amt des Abtes im Konflikt, 1999 |
45 | Abtei (lat. [F.] abbatia, Wort in Grimm Deutsches Wörterbuch um 1160 als aus dem Lateinischen des Altertums aufgenommen bezeugt und in älteren deutschen Rechtsquellen ab 1335 sechsmal belegt sowie über das Lateinische und Griechische des Altertums mit dem Aramäischen verbindbar) ist seit der frühen Neuzeit die von der Stellung und Tätigkeit eines Abtes übernommene Bezeichnung für die von einem →Abt geleitete, rechtlich selbständige Niederlassung eines christlichen Ordens, die als (lat. [F.] persona ficta verstanden werden kann. Die Abtei kann →Reichsabtei, landsässige Abtei oder unmittelbar der römischen Kirche unterstellte freie Abtei sein. | Kroeschell, DRG 1; Schreiber, G., Kurie und Kloster im 12. Jahrhundert, 1910; Blume, K., Abbatia, 1919; Wehlt, H., Reichsabtei und König, 1970; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 1950, 5. A. 1972; Brandstetter, A., Die Abtei, 1999 |
46 | Äbtissin (Wort in Grimm Deutsches Wörterbuch um 1200 bezeugt und in älteren deutschen Rechtsquellen ab 1221-1224 an zehn Stellen belegt sowie über das Lateinischen des Altertums mit dem Griechischen und Aramäischen verbindbar, Äbtisse um 1150, F.) ist die Leiterin einer rechtlich selbständigen Niederlassung eines christlichen Frauenordens (des weströmischen Gebiets). →Abt | Klapp, S., Das Äbtissinnenamt in den unterelsässischen Frauenstiften, 2012; Schröder-Stapper, T., Fürstäbtissinnen, 2015 |
47 | abtreiben (Wort in Grimm Deutsches Wörterbuch um 1150 bezeugt und in älteren deutschen Rechtsquellen ab 1262 belegt sowie in Bestandteilen über das erschließbare Germanische mit dem Indogermanischen verbindbar, V.) wegtreiben | |
48 | Abtreibung (Wort in Grimm Deutsches Wörterbuch 1509 bezeugt und in älteren deutschen Rechtsquellen ab 1507/1532 in verschiedenen Bedeutungen neunmal belegt sowie in den Bestandteilen über das erschließbare Germanische mit dem Indogermanischen verbindbar, Verb abtreiben um 1150) ist sachlich auch der vielleicht seit den Hochkulturen des Altertums von Menschen künstlich herbeigeführte vorzeitige Abgang der (beseelten) menschlichen Leibesfrucht aus dem Mutterleib, der wegen der dabei betroffenen Interesssen unterschiedlich bewertet werden kann. Die Abtreibung ist nach römischem Recht zeitweise zulässig. Die →Kirche wertet sie zunächst in jedem Fall als →Mord, Gratian (um 1140) beurteilt aber die Abtreibung vor dem 40. Tag der Schwangerschaft auf Grund von Exodus 21,22-23 milder. Die Aufklärun... | Kroeschell, DRG 2, 3; Lewin, L., Die Fruchtabtreibung, 1899, 4. A. 1925; Huser, R., The Crime of Abortion, Diss. Washington 1942; Noonan, J., The Morality of Abortion, 1970; Jerouschek, G., Lebensschutz und Lebensbeginn. Kulturgeschichte des Abtreibungsverbots, 1988; Gante, M., § 218 in der Diskussion, 1991; Geschichte der Abtreibung, hg. v. Jütte, R., 1993; Onstein, H., Die Entwicklung der Straftatbestände der Abtreibung, Diss. jur. Münster 1996; Müller, W., Die Abtreibung, 2000 (2012 englisch); Jerouschek, G., Lebensschutz und Lebensbeginn, 2. A. 2002; Bett, J., Die Beurteilung der embryopathischen Indikation zum Schwangerschaftsabbruch, Diss. jur. Tübingen 2003; Putzke, S., Die Strafbarkeit der Abtreibung in der Kaiserzeit, 2003; Koch, C., Schwangerschaftsabbruch, 2004; Behren, D. v., D... |
49 | abtreten (Wort in Grimm Deutsches Wörterbuch ab um 1200 bezeugt und in älteren deutschen Rechtsquellen ab 1290 belegt sowie in Bestandteilen über das erschließbare Germanische mit dem Indogermanischen verbindbar, V.) weggehen, verlassen (V.), übertragen (V.) | |
50 | Abtretung (lat. [F.] cessio) (Wort in Grimm Deutsches Wörterbuch 1360 bezeugt und in älteren deutschen Rechtsquellen ab 1443 belegt sowie in Bestandteilen über das erschließbare Germanische mit dem Indogermanischen verbindbar) ist die Übertragung einer Forderung von einem bisherigen →Gläubiger (Zedenten) auf einen anderen Berechtigten (Zessionar), der damit neuer Gläubiger wird, unter Aufrechterhaltung des Inhalts. Sie ist im römischen Recht ausgeschlossen, weil die Verbindlichkeit als höchstpersönliches Band zwischen Gläubiger und Schuldner betrachtet wird. Erst spät lässt das römische Recht mit Hilfe der Einrichtung des Prozessmandats (Geltendmachung der Forderung des Gläubigers durch einen Beauftragten) und der Novation in Form einer Stipulation zwischen Schuldner und Neugläubiger wenig... | Kaser § 55; Köbler, DRG 127, 165, 214; Mühlenbruch, C., Die Lehre von der Zession, 1817, 3. A. 1836; Buch, G., Die Übertragbarkeit von Forderungen im deutschen mittelalterlichen Recht, 1912; Schumann, H., Die Forderungsabtretung im deutschen, fran-zösischen und englischen Recht, 1924; Luig, K., Zur Geschichte der Zessionslehre, 1966; Huwiler, B., Der Begriff der Zession in der Gesetzgebung seit dem Vernunftrecht, 1975; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Hoop, G., Kodifikationsgeschichtliche Zusammenhänge des Abtretungsverbotes, 1992; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010; Scheffzek, S., Der Einfluss der Mühlenbruch’schen Zessionslehre auf ausgewählte Gerichte, 2011; Ebinger, B., Die Forderungsübertragung nach Code civil und bad... |
51 | Abtrieb (Wort in Grimm Deutsches Wörterbuch 1461 bezeugt und in älteren deutschen Rechtsquellen ab 1461 [Altenhauslau] belegt sowie in Bestandteilen über das erschließbare Germanische mit dem Indogermanischen verbindbar, M.) Abtreiben, Näherrecht | |
52 | Abtriebsrecht (Wort in Grimm Deutsches Wörterbuch nicht bezeugt und ab 1700 zweimal in älteren deutschen Rechtsquellen belegt sowie in Bestandteilen über das erschließbare Germanische mit dem Indogermanischen verbindbar, N.) ist das Recht der Angehörigen einer Siedlungsgemeinschaft, den Zuzug eines Fremden zu verhindern. Es ist sachlich in dem Titel XLV (De migrantibus, kat. Von Wandernden) des fränkischen Volksrechts (lst. [M.] Pactus legis Salicae, 507-511) bezeugt und besteht bis in das 19. Jahrhundert. Allerdings kann ein Herr einem Fremden ein Niederlassungsprivileg gewähren. | Zangen, K., Praktische Bemerkungen zu der Lehre vom Abtriebsrechte, 1800; Bader, K., Studien zur Rechtsgeschichte des mittelalterlichen Dorfes, Bd. 1ff. 1957ff.; Ebel, W., Das Stadtrecht von Goslar, 1968 |
53 | abzahlen (Wort in Grimm Deutsches Wörterbuch 1313 bezeugt und in älteren deutschen Rechtsquellen ab 1313 belegt sowie in Bestandteilen über das erschließbare Germanische mit dem Indogermanischen verbindbar, V.) wegzahlen, begleichen, zahlen | |
54 | Abzahlung (Wort in Grimm Deutsches Wörterbuch 1530 bezeugt und ab 1573 nicht sehr häufig in älteren deutschen Rechtsquellen belegt sowie in Bestandteilen über das erschließbare Germanische mit dem Indogermanischen verbindbar, F., Verb abzahlen 1313) ist die planmäßig in kleineren Raten oder Teilbeträgen erfolgende Zahlung einer Schuld. | Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010 |
55 | Abzahlungsgesetz (Wort in Grimm Deutsches Wörterbuch nicht bezeugt und in älteren deutschen Rechtsquellen nicht belegt, N.) ist das Gesetz des Deutschen Reiches von dem 16. 5. 1894, das außerhalb des 1896/1900 geschaffenenen Bürgerlichen Gesetzbuchs die nach dem Vorbild der Vereinigten Staaten von Amerika seit etwa 1835 von dem Handel durch das Zugeständnis der Möglichkeit der Abzahlung des Gesamtpreises in einzelnen Raten umworbenen und verführten mittellosen Käufer beweglicher Sachen, die aus wirtschaftlichen Gründen etwa Nähmaschinen, Möbel oder Kleidung nur gegen Zahlung des Preises in Raten kaufen können, aber die Waren sofort nutzen wollen, vor Benachteiligung (beispielsweise durch Verfall d. h. Rücknahme der Kaufsache bei Zahlungsversäumnis, Einbehalt der bereits erhaltenen Raten un... | Kroeschell, DRG 2, 3; Benöhr, H., Konsumentenschutz vor 80 Jahren, ZHR 138 (1974), 492; Schubert, W., Das Abzahlungsgesetz von 1894, ZRG GA 102 (1985), 130; Fendel, R., Der Berliner Möbelleihvertrag, 1991; Lieck, M., Die wirtschaftliche Entwicklung des Abzahlungshandels und seine Regelung in Vertrag, Gesetz und Rechtsprechung von 1850 bis 1945, 1995; Bott, M., Das Abzahlungsgesetz (1894-1990) – Entstehung – Anwendung – Reformen - Abschaffung, 2019 |
56 | Abzahlungskauf (Wort in Grimm Deutsches Wörterbuch nicht bezeugt und in älteren deutschen Rechtsquellen nicht belegt sowie in den Bestandteilen über das erschließbare Germanische mit dem Indogermanischen verbindbar, M.) in Vereinigung des gemeinrechtlichen Eigentumsvorbehalts mit dem Ratenkaufgeschäft geschaffener Kauf unter ratenweiser Abzahlung des Preises →Abzahlungsgesetz | |
57 | abziehen (Wort in Grimm Deutsches Wörterbuch um 850 bezeugt und in älteren detutschen Rechtsquellen ab 1270 [Leobschütz] belegt sowie in Bestandteilen über das erschließbare Germanische mit dem Indogermanischen verbindbar, V.) wegziehen, entfernen | |
58 | Abzug (Wort 1309 in Grimm Deutsches Wörterbuch Neufassung A-F bezeugt und ab 1290 [Zürich] in verschiedenen Bedeutungen in älteren deutschen Rechtsquellen belegt sowie in den Bestandteilen über das erschließbare Germanische mit dem Indogermanischen verbindbar, M.) Verminderung, Nachlass, Wegzug | |
59 | Abzugsrecht (Wort in Grimm Deutsches Wörterbuch 1566 bezeugt und in älteren deutschen Rechtsquellen ab 1566 achtmal belegt sowie in Bestandteilen über das erschließbare Germanische mit dem Indogermanischen verbindbar) ist das Recht zu dem Abzug des Einzelnen aus bisherigen unfreien Rechtsverhältnissen wie beispielsweise einer Grundherrschaft, gegebenenfalls unter einer Geldleistung. Der Abzug findet sich in vielen spätmittelalterlichen Weistümern mit unterschiedlichen Einzelregelungen. Mit der allgemeinen Bauernbefreiung des frühen 19. Jahrhunderts wird das Abzugsrecht überflüssig. | |
60 | L.: Möhlenbruch, R., Freier Zug, ius emigrandi, Auswanderungsfreiheit, Diss. jur. Bonn 1977; Spieß, K., Zur Landflucht im Mittelalter, in: Die Grundherrschaft im späten Mittelalter, hg. v. Patze, H., Bd. 1 1983, 157ff. | |