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#ZIEL
621Beisitz ist eine mindere Form einer Beteiligung. Im mittelalterlichen Recht bleibt nach dem Tode eines Hausvaters die Witwe mit den Kindern in ungeteilter Vermögensgemeinschaft auf dem Gut sitzen. Sie erzieht die Kinder und nutzt deren Vermögen durch B., bis dieser durch Abschichtung, Wiederverheiratung oder Tod beendet wird. Mit der Entwicklung des →Ehegattenerbrechts schwindet der noch im preußischen Allgemeinen Landrecht (1794, II 1 § 645) enthaltene B. Lit.: Hübner 693; Köbler, DRG 89; Brauneder, W., Die Entwicklung des Ehegüterrechts in Österreich, 1973
622Beisitzer →Assessor
623Beispruch ist im älteren deutschen Recht die Zustimmung des nächsten Erben des Veräußerers eines Gutes zur Veräußerung. Das Beispruchsrecht beruht auf der ursprünglichen Familiengebundenheit von Grund und Boden. Es ist zunächst ein vollständiges Recht auf Herausgabe der veräußerten Sache (Rückrufsrecht), schwindet im Laufe des Mittelalters aber in regionaler Verschiedenheit über ein Vorkaufsrecht allmählich gegenüber der Verfügungsfreiheit des Eigentümers. Lit.: Hübner 332; Fipper, C., Das Beispruchsrecht nach altsächsischem Recht, 1879; Freytagh-Loringhoven, A. v., Beispruchsrecht und Erbenhaftung, ZRG GA 28 (1907), 69; Agena, G., Grundbesitz, Beispruch und Anerbenrecht in Ostfriesland, 1938; Forster, G., Mitwirkungsrechte, 1952
624Beispruchsrecht →Beispruch
625Belagerungszustand ist der seit dem 19. Jh. verrechtlichte Zustand der (ursprünglich tatsächlichen) Belagerung (z. B. einer Stadt) durch einen Feind, in dem bestimmte Rechte eingeschränkt und die Zuständigkeit von Gerichten abgeändert werden kann. Lit.: Schudnagies, C., Der Kriegs- oder Belagerungszustand während des ersten Weltkriegs, 1994
626Beleidigung ist die nach außen dringende Kundgabe der Missachtung oder Nichtachtung eines anderen. Sie ist im altrömischen Recht in der (lat. [F.]) iniuria (Unrecht) des Zwölftafelgesetzes mit der Folge der Leistung von 25 Pfund Kupfer enthalten, die im klassischen römischen Recht zu einem Tatbestand erweitert wird, der jede bewusste Missachtung der Persönlichkeit eines anderen in Wort und Tat umfasst. Im Mittelalter hat die B. eher tatsächliche als rechtliche Folgen. Die peinliche Gerichtsordnung Karls V. von 1532 erfasst nur einzelne Sonderfälle. Bei Thomasius (1655-1728) werden Körperverletzung und tätliche B. voneinander geschieden. Im preußischen Allgemeinen Landrecht (1794) wird die B. als Straftatbestand angesehen. Das frühe 19. Jh. sondert die Verleumdung von der B., das Reichsstrafgesetzbuch des Jahres 1871 sieht B., Verleumdung und üble Nachrede als B. in weiterem Sinn an. Lit.: Köbler, DRG; Landsberg, E., Injuria und Beleidigung, 1886; Thieme, K., Iniuria und Beleidigung, 1905; Bartels, K., Die Dogmatik der Ehrverletzung in der Wissenschaft des gemeinen Rechts, Diss. jur. Göttingen 1959; Rüping, H./Jerouschek, G., Grundriss der Strafrechtsgeschichte, 1981, 5. A. 2007; Fuchs, R., Um die Ehre, 1998
627Belgien ist das Gebiet zwischen der kontinentalen Ärmelkanalküste und den Ardennen. Sein Name geht auf 51 v. Chr. von Caesar unterworfene keltisch-germanische Mischstämme zurück, die zusammenfassend als (lat. [M.Pl.]) Belgae bezeichnet werden. Sie geraten in der Völkerwanderung unter den Einfluss der vom Niederrhein einströmenden →Franken, die den nördlichen Teil sprachlich assimilieren (altniederfränkisch, flämisch). 843/877 gelangt ein Teil an den Westen (Frankreich), der übrige Teil an den Osten (Deutschland), 1384 das gesamte Gebiet an →Burgund und über Maria von Burgund 1477 an Habsburg, für das Karl V. 1531 die Aufzeichnung aller örtlichen Gewohnheitsrechte (coutumes) binnen sechs Monaten anordnet ([1750] 691). Bei der Teilung im Hause Habsburg (1521/1522/1526) fällt der Raum an →Spanien, ohne im Freiheitskampf der →Niederlande mit diesen sich (tatsächlich 1571-1581 und rechtlich 1648) aus der spanischen Herrschaft lösen zu können (spanische Niederlande). Nach dem spanischen Erbfolgekrieg (1713) wird das Gebiet an das habsburgische →Österreich gegeben (österreichische Niederlande), nach der Besetzung durch das bald seine Kodifikationen von 1804ff. unter Aufhebung älterer Gewohnheitsrechte und Gesetze einführende Frankreich (1793, 1795 Batavische Republik, 1797 Teil Frankreichs) 1815 aber Österreich auch rechtlich entzogen und mit den Niederlanden zum Königreich der Niederlande vereint. Unter der Einwirkung der französischen Revolution des Jahres 1830 erklärt das teils wallonische (romanische) Gebiet (im Südosten um [Brüssel,] Charleroi, Namur, Bastogne, 40 Prozent), teils flämische (niederländischsprachige) Gebiet (im Nordwesten um Ostende, Brügge, Gent, Antwerpen, Mechelen, 60 Prozent) am 18. 11. 1830 seine Unabhängigkeit. Die Verfassung vom 7. 2. 1831 legt eine konstitutionelle Monarchie fest (Einheits-staat). Das Recht ist deutlich von Frankreich geprägt. Die 1831/1839 garantierte Neutralität ist seit 1914/1919 beendet bzw. aufgehoben. Seit 1951/1952 ist B., in dem die sog. flämische Revolution die Vorherrschaft französischer Kultur mehr und mehr durchbricht, Kernland europäischer Einigung (1951/1952 Montan-union, 1957 Euratom, Europäische Wirtschaftsgemeinschaft), entwickelt sich als Folge des inneren sprachlichen Gegensatzes aber 1993 zu einem Bundesstaat. →Europäische Union Lit.: Recueil des anciennes ordonnances de la Belgique; Recueil des anciennes coutumes de la Belgique; Pirenne, H., Histoire de Belgique, Bd. 1ff. 1899ff., Neudruck 1975; Errera, P., Das Staatsrecht des Königreichs Belgien, 1909; Niemeyer, T., Belgien und seine Neutralisierung, 1917, Neudruck 2013; Marez, G. des, Le droit privé à Ypres, 1927; Vercauteren, F., Étude sur les civitates de la Belgique seconde, Mémoires publiés par l’académie royale de Belgique 1934; Niermeyer, J., Onderzoekingen over Luikse en Maastrichtse oorkonden, 1935; Dievoet, E. van, Het burgerlijk recht, 1943; Algemene Geschiedenis der Nederlanden, 1949ff.; Standen en Landen, Bd. 1ff. 1950ff.; Génicot, L., L’économie rurale Namuroise, 1960; Verhulst, A./Gysseling, M., Le compte général de 1187, 1962; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff. 3,1,1069, 3,2,2581, 3,3,3726,3794,3892,3973,4091; Ordonnances et autres actes juridiques concernant le duché de Bouillon, Bd. 2 1977; Gilissen, J., Introduction historique au droit, 1979; Smidt, J. de u. a., Chronologische Lijsten van de geentendeerde sententien, 1979; Gilissen, J., Historische Inleiding tot het recht, 1981; Liber sentenciarum van de officialiteit van Brussel 1448-1459, hg. v. Vleeschouwers, C. u. a., 1982; Cossart, A. v., Belgien, 1985; Dumont, G., Histoire de la Belgique, 1985; Godding, P., Le droit privé dans les Pays-Bas méridionaux, 1987; Costumen van de stad en van de kasselrij Kortrijk, hg. v. Monballyu, J., Bd. 2 1989; Schilling, J./Täubrich, R., Belgien, 1990; Holthöfer, E., Beiträge zur Justizgeschichte der Niederlande, Belgiens und Luxemburgs im 19. und 20. Jahrhundert, 1993; Hermsdörfer, W., Geschichte und Gegenwartsgestalt des Verhältnisses von Staat und Kirche in Belgien, 1998; Cook, B., Belgium, 3. A. 2002ff.; Delpérée, F., Le droit constitutionnel de la Belgique, 2000; Zedinger, R., Die Verwaltung der österreichischen Niederlande in Wien (1714-1795), 2000; Uyttendaele, M., Précis de droit constitutionnel belge, 2001; Geschiedenis van de Belgische Kamer van Volksvertegenwoordigers, red. v. Gerard, E. u. a., 2003; Koll, J., Die belgische Nation, 2003; Politieke en sociale geschiedenis van justitie in Belgie, hg. v. Heirbaut, D. u. a., 2004; La Belgique, les petits Ètats et la construction européenne, hg. v. Dumoulin, M. u. a., 2003; Napoleons nalatenschap, hg. v. Heirbaut, D. u. a., 2005; Heirbaut, D., Hadden/hebben de Belgische ministers van Justitie een civielrechtelijk beleid?, 2005; Schaepdrijver, S. de, La Belgique et la première guerre mondiale, 2005; Heirbaut, D., Privaatrechtsgeschiedenis van de Romeinen tot heden, 2005; Vesentini, F., Pratiques pénales et structures sociales, 2005; Lejeune, C., Die Säuberung, Bd. 1ff. 2005ff.; Monballyu, J., Zes eeuwen strafrecht, 2006; Dupont-Bouchat, M. u. a., La Belgique criminelle, 2006; Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 971; Deferme, J., Uit de ketens van de vrijheid, 2007; Verfassungsdokumente Belgiens, Luxemburgs und der Niederlande 1789-1848, hg. v. Stevens, F., 2008; Heirbaut, D., Een beknopte geschiedenis van het sociaal, het economisch en het fiscaal recht in Belgie, 2009; Horvat, S., De vervolging van militairrechtelijke delicten tijdens Wereldoorlog I, 2009; Meinen, I., Die Shoah in Belgien, 2009; Monballyu, J., De jacht op de flaminganten, 2010; Kakoschke, A., Die Personennamen in der römischen Provinz Gallia Belgica, 2010; Debaenst, B., Een Proces van Bloed, Zweet en Tranen!, 2011; Stevens, W., Het leenhof van Dendermonde, 2013
628Belial (hebr. Bosheit, Widersacher Christi) ist in der Bibel (2. Kor. 6, 15) ein Teufel und im Spätmittelalter eine Lehrschrift ([lat.] Processus [M.] Luciferi contra Jesum coram iudice Salomone, Prozess Luzifers gegen Jesus vor dem Richter Salomo) des kanonistisch geschulten Archidiakons Jacobus (Paladinus) de Theramo (Teramo, 1382 Archidiakon in Aversa, 1391 Bischof von Monopoli, später von Florenz) von 1382. Ihre frühe deutsche Übersetzung ist ein Fall populärer, die Rezeption der gelehrten Rechte beschleunigender Literatur. Lit.: Hagemann, H., Der Processus Belial, FG M. Gerwig, 1960, 55; Ott, N., Rechtspraxis und Heilsgeschichte, 1983
629Beliebung →Dorfordnung, Siebenhardenbeliebung
630Bellapertica →Petrus de
631Bello, Andrés (1781-1865), der von 1810 an ein jahrelanges Rechtsstudium in London betreibt, ist der Verfasser des auf dem europäischen Kodifikationsgedanken und dem spanisch-römischen Sachmaterial eigenständig aufgebauten (span.) Codigo civil (Bürgerliches Gesetzbuch) de la república de Chile von 1855. Lit.: Nelle, D., Entstehung und Ausstrahlungswirkung des chilenischen Zivilgesetzbuches von Andrés Bello, 1988
632Bellot, Pierre François (1776-1836), seit 1819 bzw. 1823 Professor in Genf, ist der Redaktor des Zivilgesetzbuchs und Schöpfer des Prozessrechts in →Genf. Lit.: Elsener, W., Die Schweizer Rechtsschulen, 1975, 446
633bellum (lat. [N.]) Krieg
634Benedictus de Isernia ist ein in Benevent kurz vor 1200 geborener, 1252 in Neapel noch bezeugter Jurist (Glossen, Summen). Lit.: Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 496
635Benedictus Levita ist der selbstgewählte Name des (unbekannten) Verfassers einer in drei Bücher mit 405, 436 und 478 (bzw. insgesamt 1719 bzw. 1721) Kapiteln gegliederten, um 850 (vor 852?) wohl in der Erzdiözese Reims (nach eigenen Angaben im Archiv der Kirche von Mainz) entstandenen, zum Teil (mehr als drei Vierteln?) gefälschten oder verfälschten, zu einem beträchtlichen Teil aber echten, auf sehr guten Vorlagen beruhenden, vollständig nur durch zwei Handschriften überlieferten, nur mäßig erfolgreichen Rechtssammlung, die Kapitularien aus der Sammlung des →Ansegis, Bibeltexte, Kirchenväter, Kanones und andere Quellen kirchlichen wie weltlichen Rechtes (von den Volksrechten nur die [lat.] Lex Baiwariorum, Volksrecht der Bayern) ohne jede erkennbare Ordnung aneinanderreiht. Lit.: Ganshof, F., Was waren die Kapitularien? 1961; Fälschungen im Mittelalter, hg. v. Fuhrmann, H., Bd. 1ff. 1988ff.; Schmitz, G., Die Reformkonzilien von 813 und die Sammlung des Benedictus Levita, DA 56 (2000), 1; Fortschritt durch Fälschungen?, 2002; Lukas, V., Eine Sammlung von Kapitularien Karls des Großen bei Benedictus Levita, ZRG KA 90 (2004), 1
636Benedikt XIV. (Prospero Lambertini, Bologna 1694-1754), seit 1740 Papst, ist auf Grund seines Werkes (lat.) De synodo dioecesana (Über die Diözesansynode) der früheste Vertreter einer geschichtlichen Kirchenrechtswissenschaft. Lit.: Haynes, R., Philosopher King. The Humanist Pope Benedict XIV, 1970
637Benediktiner ist der Angehörige des von Benedikt von Nursia (um 480-547) zunächst in Subiaco und nach 529 in Montecassino (bei Neapel) geleiteten ältesten abendländischen Mönchsordens, der nach der von Benedikt verfassten, sich im fränkischen Reich durchsetzenden Klosterregel lebt. Bedeutende Klöster der B. sind neben Montecassino vor allem Luxeuil, Cluny, Corbie, Fontenelle, Stablo, Malmédy, Bobbio, Farfa, Echternach, Prüm, Hirsau, Reichenau, Sankt Gallen, Weißenburg im Elsass, Lorsch, Maria Laach, Fulda, Corvey, Benediktbeuern, Wessobrunn, Beuron, Ettal, Tegernsee, Mondsee, Gorze, Melk, Bursfeld, Sankt Blasien, Weingarten, Sankt Emmeram und Göttweig. Als Zweigorden der B. lassen sich Kamaldulenser, Vallumbrosaner, Zisterzienser, Silvestriner, Cölestiner und Olivetaner verstehen. In Frankreich werden alle Klöster der B. 1789 aufgehoben, im Heiligen Reich alle Klöster 1803 säkularisiert, doch werden im 19. Jh. viele wiederbegründet. Seit 1893 gibt es einen weltweiten Zusammenschluss mit derzeit 21 Kongregationen und rund 200 Klöstern.→regula Benedicti Lit.: Hilpisch, S., Geschichte des benediktinischen Mönchtums, 1929; Schmitz, P., Geschichte des Benediktinerordens, Bd. 1ff. 1947ff.; Holtz, L., Geschichte des christlichen Ordenslebens, 1986; Engelbert, P., Geschichte des Benediktinerkollegs Sankt Anselm in Rom, 1988; Dartmann, C., Die Benediktiner, 2014
638Benediktinerregel →regula Benedicti
639Benediktion Lit.: Franz, A., Die kirchlichen Benediktionen im Mittelalter, 1909
640Beneficium (lat. [N.] Wohltat, gute Tat) ist im römischen Recht jede (, vor allem kaiserliche) Gunst (z. B. Übertragung des Rechtes an einer Sache [u. a. b. excussionis sive ordinis, b. divisionis, b. cedendarum actio-num, b. dationis in solutum, b. abstinendi, b. inventarii, b. separationis bonorum, b. cessionis bonorum, b. competentiae]), im Frühmittelalter unter anderem die besonders vorteilhafte →Leihe. Als solche gilt jedenfalls seit 743/744 auch die Leihe (z. B. säkularisierten Kirchenguts) gegen Leistung von Kriegsdienst. Später werden als b. auch Ämter und in Anerkennung an spätrömische Vorbilder sogar Kirchen oder Pfründengüter (Amtspfründen) verliehen. Im Süden Frankreichs spricht man seit dem Ende des 9. Jh.s auch von fevum, feodum, feudum, später allgemein volkssprachig von →Lehen. Im 13. Jh. tritt in Deutschland das Wort b. ebenfalls zurück. Im Rahmen des römischen Rechtes wird es mit dessen Aufnahme seit dem Spätmittelalter wieder verwendet. Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, LAW; Stutz, U., Geschichte des kirchlichen Benefizialwesens, 1895, Neudruck 1972; Mitteis, H., Lehnrecht und Staatsgewalt, 1933; Ganshof, F., Was ist das Lehnswesen?, 1961, 6. A. 1983, 7. A. 1989; Wesener, G., Rechtswohltat, HRG Bd. 4 1986, 423; Reynolds, S., Fiefs and Vassals, 1994; Mönchtum - Kirche - Herrschaft, hg. v. Bauer, D. u. a., 1998; Erdmann, J., Quod non est in actis, 2007
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