601 | beerbt (Adj.), mit einem (Abkömmling als) Erben versehen |
602 | Beeskow Lit.: Urkunden der Stadt Beeskow, bearb. v. Beck, F., 2003 |
603 | Befangenheit ist das Fehlen der Unvoreingenommenheit bzw. der sachlichen Einstellung unabhängig von persönlichen Neigungen. Insbesondere von Richtern wird schon früh verlangt, dass sie unparteilich vorgehen. Allgemein wird die B. erst im 18. Jh. erfasst. |
604 | Befestigung ist die künstliche Schutzvorrichtung (z. B. durch Mauern) eines Ortes gegenüber anderen. |
605 | Befestigungsrecht ist das bei den Franken vom König beanspruchte Recht, einen Ort mit einer künstlichen Schutzvorrichtung (z. B. Mauer) zu sichern. Mit der Entstehung des →Landes geht das B. vom König auf den Landesherrn über (1220 bzw. 1231). Danach erwerben auch die Städte ein B. Lit.: Schrader, E., Das Befestigungsrecht in Deutschland, 1909; Coulin, A., Befestigungshoheit und Befestigungsrecht, 1911; Isenburg, G., Die Befestigung der mittelalterlichen Stadt, 1997 |
606 | Begnadigung ist der auf Gnade beruhende teilweise oder völlige Erlass der Strafe eines einzelnen Täters nach Eintritt der Rechtskraft eines Strafurteils durch einen Herrn. Sie ist vermutlich ähnlich alt wie die Strafe . Im 20. Jh. wird sie durch Gnadenordnungen zunehmend verrechtlicht. Lit.: Lueder, C., Das Souveränitätsrecht der Begnadigung, 1860; Beyerle, K., Von der Gnade im deutschen Recht, 1910; Köstler, R., Huldentzug als Strafe, 1919, Neudruck 1965; Grewe, W., Recht und Gnade, 1936; Klees, K., Das Wesen der Gnade, 1953; Hupe, I., Das Gnadenrecht, 1954; Waldstein, W., Untersuchungen zum römischen Begnadigungsrecht, 1964; Schätzler, J., Handbuch des Gnadenrechts, 1976; Merten, D., Rechtsstaatlichkeit und Gnade, 1978; Mickisch, C., Die Gnade im Rechtsstaat, 1996; Bauer, A., Das Gnadenbitten in der Strafrechtspflege, 1996; Dimoulis, D., Die Begnadigung in vergleichender Perspektive, 1996; Vrolijk, M., Recht door gratie, 2004; Rehse, B., Die Supplikations- und Gnadenpraxis in Brandenburg-Preußen, 2008 |
607 | Begräbnis ist das Verbringen eines Toten unter die Erdoberfläche. Es ist schon in frühen Zeiten an vielen Orten üblich. Vielfach werden dem Begrabenen Beigaben für ein anderweitiges Fortwirken mitgegeben. Im Anschluss an die jüdische Bibel begraben die Christen ihre Toten im Hinblick auf die künftige Auferstehung des verklärten Leibes (1. Moses 38,24, 1. Korinther 15,42), wobei allmählich der Kirchhof zum wichtigsten Begräbnisplatz wird. Mit der zunehmenden Verdichtung wird das B. verrechtlicht. Die vom Christentum abgelehnte Verbrennung wird seit dem Ende des 18. Jh.s bedeutsamer. Lit.: Körner, A., Das kirchliche Beerdigungsrecht, 1906; Gaedke, J., Handbuch des Friedhofs- und Bestattungsrechts, 1963, 6. A. 1992, 9. A. 2004, 10. A. 2010; Ili, M., Wohin die Toten gingen, 1992; Fischer, N., Vom Gottesacker zum Krematorium, 1996; Bestattungsbefunde in ethnoarchäologischer Perspektive, hg. v. Noll, E. u. a., Ethnograph.-archäolog. Zs. 38 (1997), 287ff.; Engels, J., Funerorum sepulcrorumque magni-ficentia, 1998; Hassenpflug, E., Das Laienbegräbnis in der Kirche, 1999 |
608 | Begriff ist die von Sache und Wort zu trennende Vorstellung des Menschen von einer Gegegebenheit. Lit.: Begriffsgeschichte, hg. v. Bödeker, H., 2002; Koselleck, R., Begriffsgeschichten, 2006 |
609 | Begriffsjurisprudenz (Jhering 1884) ist die Richtung der Rechtswissenschaft, die davon ausgeht, dass die Rechtsordnung nicht eine zusammenhanglose Anhäufung einzelner Vorschriften ist, sondern ein sinnvolles, zusammenhängendes Ganzes und damit aus einem lückenlos geschlossenen System von Begriffen (Begriffspyramide) besteht, aus dem vor allem unter Ausschluss aller außerrechtlichen politischen und gesellschaftlichen Wertungen durch einen logischen Denkvorgang eine Lösung des gesetzlich nicht eindeutig geregelten Einzelfalls ermittelt werden könne und Lücken durch Begriffe und Grundsätze geschlossen werden, die aus dem Gesetz oder Gewohnheitsrecht (z. B. aus den Regeln des römischen Rechtes über den Irrtum bei dem Kauf) durch Abstraktion gewonnen werden (z. B. der Grundsatz, dass ein Irrtum eine Willenserklärung nichtig macht). Sie beruht geschichtlich auf der →historischen Rechtsschule (Savigny) und methodisch auf dem →Naturrecht (Christian Wolff). Wichtigster Vertreter ist Georg Friedrich →Puchta (1798-1846), der den Juristen auf ein hierarchisches System von rein juristischen, positiven und von der gesellschaftlichen Wirklichkeit (wie der Geschichte) gelösten Begriffen verpflichtet, aus dem nach vorgegebener, den Naturwissenschaften verwandter geometrischer Art für jede Frage konstruktiv die zutreffende Lösung gewonnen werden kann, ohne dass freilich auf der Suche nach Gerechtigkeit andere Gesichtspunkte völlig ausgeschlossen sind. Die B. wird in der zweiten Hälfte des 19. Jh.s vor allem von Rudolf von Ihering angezweifelt und danach allmählich von der →Interessenjurisprudenz verdrängt. Lit.: Kroeschell, DRG 1, 3; Köbler, DRG 188; Savigny, F. v., Vorlesungen über juristische Methodologie 1802-1842, hg. v. Mazzacane, A., 1993; Puchta, G., Cursus der Institutionen, 1841, Bd. 1, 9 A. 1881; Wilhelm, W., Zur juristischen Methodenlehre im 19. Jahrhundert, 1958; Krawietz, W., Theorie und Technik der Begriffsjurisprudenz, 1976; Schlosser, H., Grundzüge der neueren Privatrechtsgeschichte, 10. A. 2005, § 4; Bohnert, J., Über die Rechtslehre Georg Friedrich Puchtas, 1975; Falk, U., Ein Gelehrter wie Windscheid, 1989; Schröder, J., Recht als Wissenschaft, 2001, 2. A. 2012; Haferkamp, H., Georg Friedrich Puchta und die Begriffsjurisprudenz, 2004; Henkel, T., Begriffsjurisprudenz und Billigkeit, 2004 |
610 | Begründung →Urteilsbegründung Lit.: Horak, F., Rationes decidendi, 1969; Gudian, G., Die Begründung in Schöffenspüchen des 14. und 15. Jahrhunderts, 1960; Begründungen des Rechts, hg. v. Nembach, U. u. a., 1979; Köbler, G., Die Begründung von Rechtssätzen im Hoch- und Spätmittelalter, Archival. Z. 75 (1979), 86; Köbler, G., Die Begründungen der Lex Baiwariorum, Gedächtnisschrift W. Ebel, 1982, 69; Hensche, M., Teleologische Begründungen, 1998; Die Begründung des Rechts als historisches Problem, hg. v. Willoweit, D., 2000; Hocks, S., Gerichtsgeheimnis und Begründungszwang, 2002; Ratio decidendi. Guiding Principles of Judicial Decisions, hg. v. Bryson, W. u. a., 2006; Wunderlich, S., Über die Begründung von Urteilen am Reichskammergericht im frühen 16. Jahrhundert, 2010; Von der religiösen zur säkularen Begründung staatlicher Normen, hg. v. Siep, L. u. a. 2012; Harke, J., Argumenta Iuventiana - Argumenta Salviana - Entscheidungsbegründungen bei Celssus und Julian, 2012 |
611 | Begünstigung ist die Hilfeleistung an einen anderen, der eine rechtswidrige Tat begangen hat, in der Absicht, ihm die Vorteile der Tat zu sichern. Sie wird erst in der Neuzeit als solche verselbständigt. Lit.: Dersch, G., Begünstigung, Hehlerei und unterlassene Verbrechensanzeige, 1980; Rüping, H./Jerouschek, G., Grundriss der Strafrechtsgeschichte, 5. A. 2007; Wolff, B., Begünstigung, Strafvereitelung und Hehlerei, 2002 |
612 | Behörde ist die organisatorisch selbständige Stelle, die (als unselbständiges Organ des Staates oder sonstigen selbständigen Verwaltungsträgers) Aufgaben öffentlicher →Verwaltung wahrnimmt. Dementsprechend entstehen Behörden, sobald die Verwaltung eine gewisse Größe überschreitet. Dies ist insbesondere seit der Entwicklung des modernen Staates im Spätmittelalter der Fall. Frühe Ansatzpunkte sind Kanzlei, Hofgericht, und Raitkammer. Im 19. Jh. erfolgt ein rational-bürokratischer Aufbau aller Behörden, wobei monokratische und kollegiale Behörden möglich sind. →Bürokratie Lit.: Köbler, DRG 150, 197, 233, 258; Biedermann, H., Geschichte der landesfürstlichen Behörden in und für Tirol, Archiv f. Gesch. Tirols 2 (1866); Mommsen, T., Römisches Staatsrecht, Bd. 1ff. 3. A. 1887, Neudruck 1963; Wintterlin, F., Geschichte der Behördenorganisation in Württemberg, 1904; Walther, A., Die Ursprünge der deutschen Behördenorganisation, 1913; Walther, A., Die Ursprünge der deutschen Behördenorganisation im Zeitalter Maximilians I., 1913; Bär, M., Die Behördenverfassung der Rheinprovinz seit 1815, 1919; Freitag, D., Das schlesische Behördenwesen, Diss. jur. Breslau 1937; Ohnsorge, W., Die Verwaltungsreform unter Christian, Neues Archiv f. sächs. Gesch. 63 (1943), 26ff.; Bernhard, W., Die Zentralbehörden des Herzogtums Württemberg und ihre Beamten 1520-1629, Bd. 1f. 1973; Histoire comparée de l’administration, hg. v. Paravicini, W. u. a., 1980; Deutsche Verwaltungsgeschichte, hg. v. Jeserich, K. Bd. 1ff.1983ff. |
613 | Beichtstuhljurisprudenz ist die sich auf die spätantike Ohrenbeichte (lat. [F.] paenitentia privata, private Beichte) gründende, in Westeuropa seit dem 6. Jh. (Toledo 589, Irland E. 6. Jh., Châlon-sur-Saône 644-656) sichtbare, seit dem 12. Jh. an Gewicht gewinnende Lehre vom Verhalten des christlichen Beichtvaters gegenüber einem Sünder hinsichtlich der Entscheidung für und gegen die Lossprechung. Hierzu entstehen im Frühmittelalter besondere Bußbücher (Columban, Liber paenitentiarum mensura taxanda [Luxueil um 573], Iudicia Theodori Cantuariensis [Canterbury? Ende 7. Jh.]) und im Hochmittelalter Beichtsummen (lat. Sum-mae [F.Pl.] confessorum) wie z. B. die Summa de poenitentia des Raymund von Peñafort (vor 1238) oder die Summa confessorum des Johannes von Freiburg (vor 1290?). Die auftretenden Rechtsprobleme des sog. (lat.) →forum (N.) internum werden dabei nach den Regeln des Rechtes bzw. der gelehrten Rechte behandelt. Am päpstlichen Hof entwickelt sich die apostolische Poenitentiarie als für Gewissenssachen und Gnadensachen zuständige Behörde. Während die Reformation dem Beichtvater die Entscheidungsgewalt abspricht, stellt die katholische Kirche die Entscheidung der Beichtväter (1551) einem Urteil gleich. Nach 1558 wird das Beichtverfahren in die geistliche Gerichtsbarkeit überführt. Lit.: Stintzing, R., Geschichte der populären Literatur des römisch-kanonischen Rechtes in Deutschland, 1867, Neudruck 1959; Trusen, W., Anfänge des gelehrten Rechtes in Deutschland, 1962; Michaud-Quantin, P., Sommes de casuistique et manuels de confession au moyen âge, 1962; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,1,999; Trusen, W., Zur Bedeutung des geistlichen forum internum und externum für die spätmittelalterliche Gesellschaft, ZRG KA 76 (1991), 254ff.; Prosperi, A., Tribunali della coscienza, 1996; Das Konzil von Trient und die Moderne, hg. v. Reinhard, W., 2001; Alle origini del pensiero giuridico moderno, hg. v. Cavina, M., 2004 |
614 | Beichtsumme →Beichtstuhljurisprudenz Lit.: Michaud-Quantin, P., Sommes de casuistique, 1962; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,1,1828 |
615 | Beigeordneter ist in einigen Bundesländern Deutschlands der vom zuständigen Organ einer kommunalen Körperschaft auf Zeit gewählte führende →Beamte. Lit.: Wolter, H., Der Beigeordnete, 1978 |
616 | Beihilfe ist die Unterstützung eines Menschen insbesondere bei einer Straftat oder hinsichtlich einer Entlohnung für eine Tätigkeit. Zwischen Tätern und Gehilfen wird erst im Spätmittelalter gelegentlich unter-schieden. Danach wird die B. als allgemeine Erscheinung erfasst. Die finanzielle B. entwickelt sich mit dem Ausbau des Rechtes der →Beamten. Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 119; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1f. 1920ff., Neudruck 1964; Deutsche Verwaltungsgeschichte, hg. v. Jeserich, K. u. a., Bd. 1ff. 1983ff. |
617 | Beil ist das aus metallener Klinge und hölzernem Griff zusammengesetzte, hauptsächlich einhändig dem Zerkleinern von Holz dienende Gerät. Es ist in Altertum und Mittelalter auch ein Kennzeichen für herrschaftliche Gewalt und wird zum Vollzug von Todesstrafen und Leibesstrafen verwendet. Seit dem 14. Jh. erscheint das Fallbeil, das in Frankreich 1792 nach Vorschlag des Arztes J. Guillotin zur Guillotine weiterentwickelt wird. Lit.: Funk, W., Alte deutsche Rechtsmale, 1940; Maisel, W., Rechtsarchäologie Europas, 1992 |
618 | Beilager ist der Beischlaf bzw. die öffentliche Beschreitung des Ehebetts als Voraussetzung für die vollzogene →Eheschließung, deren rechtliche Notwendigkeit in der germanischen Zeit in der Wissenschaft streitig ist. Lit.: Kroeschell, DRG 1; Eckhardt, K., Beilager und Muntübergang zur Rechtsbücherzeit, ZRG GA 47 (1927), 174; Carlsson, L., Das Beilager im altschwedischen Recht, ZRG GA 75 (1958), 348; Hemmer, R., Über das Beilager im germanischen Recht, ZRG GA 76 (1959), 292; Carlsson, L., Vom Alter und Ursprung des Beilagers im germanischen Recht, ZRG GA 77 (1960), 310; Hemmer, R., Nochmals über das Beilager im germanischen Recht, ZRG GA 78 (1961), 298 |
619 | Beirut →Berytos |
620 | Beisasse ist (vor allem in der mittelalterlichen Stadt) der nicht vollberechtigte Bewohner (Bürger). Lit.: Planitz, H., Die deutsche Stadt im Mittelalter, 1954, 5. A. 1980, 275ff.; Vits, B., Hüfner, Kötter und Beisassen, 1993 |