Reinhardt, Volker, Blutiger Karneval. Der Sacco di Roma - eine politische Katastrophe. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2009. 144 S. Besprochen von Gerhard Köbler. IT |
Ganzen Eintrag anzeigen Reinhardt, Volker, Blutiger Karneval. Der Sacco di Roma - eine politische Katastrophe. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2009. 144 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Der in Rendsburg 1954 geborene, nach dem Studium der Geschichte und romanischen Philologie in Kiel, Freiburg im Breisgau und Rom 1981 mit einer Untersuchung über Kardinal Scipione Borghese (1605-1633) - Vermögen, Finanzen und sozialer Aufstieg eines Papstnepoten in Freiburg im Breisgau promovierte und 1989 mit dem Werk Überleben in der frühneuzeitlichen Stadt - Annona und Getreideversorgung in Rom 1563-1797 habilitierte, seit 1992 als ordentlicher Professor für allgemeine und Schweizer Geschichte der Neuzeit in Freiburg im Üchtland tätige Verfasser ist seitdem durch eine ganze Reihe von Arbeiten zur Schweizer und italienischen Geschichte der (frühen) Neuzeit hervorgetreten. Seine Geschichte der Schweiz liegt bereits in vierter Auflage vor, seine Geschichte Italiens in dritter Auflage. Innerhalb Italiens gilt sein besonderes Interesse Rom und den Päpsten sowie Florenz und den Medici.
Den am 6. Mai 1527 durch enttäuschte deutsche Landsknechte und spanische Söldner erfolgten Sacco di Roma ordnet er als blutigen Karneval und politische Katastrophe ein. In der kommentierten Bibliographie weist er besonders darauf hin, dass die neuere Forschung zu diesem Aufsehen erregenden und irgendwie auch neuartigen Ereignis und seinen Folgen nicht allzu umfangreich ist und größeres Interesse am ehesten in einer Grauzone zwischen Wissenschaft und Sensationsdarstellung besteht. Deswegen kann seine Behandlung durchaus eine Lücke im Forschungsstand schließen oder jedenfalls lindern.
Der Verfasser gliedert seine Darstellung in eine Präsentation, die Wege in die Katastrophe aus der Sicht des 21. Jahrhunderts, die langen Kampf, langes Schwanken, lange Angst, langen Marsch und am Ende den längsten Tag und die längste Nacht ermitteln lassen. Seine Bilder der Plünderung führen |
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Reuß, Robert M., Naturrecht oder positivistisches Konzept. Die Entstehung des Urheberrechts im 18. Jahrhundert in England und den Vereinigten Staaten von Amerika (= Schriften zum geistigen Eigentum und zum Wettbewerbsrecht 37). Nomos, Baden-Baden 2010. 510 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
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Die Arbeit ist die von Norbert P. Flechsig besonders inspirierte, von Horst-Peter Götting betreute, im Wintersemester 2009/2010 von der juristischen Fakultät der Technischen Universität Dresden angenommene Dissertation des Verfassers. Sie befasst sich mit der Frage, ob das Urheberrecht eine naturrechtliche Grundlage hat oder ob es ein rein positives interpersonales Recht ist, dessen seit John Locke von nahezu allen Kommentaren und Lehrbüchern propagierte naturrechtliche Rechtfertigung abzulösen ist. Ausgangspunkt ist dabei das Werk Heinrich Hubmanns, das seit langem von Horst-Peter Götting mit großem Erfolg fortgeführt wird.
Die interessante und wichtige Arbeit gliedert sich entsprechend ihrem die Grundfrage konretisierenden Untertitel in zwei Teile. Den Beginn bildet die Untersuchung der Entstehung des Urheberrechts in England, die in insgesamt drei Kapiteln den Gang der Dinge vom Act of Anne des Jahres 1710 bis zum Designers Copyright Act des Jahres 1798 verfolgt. Dem schließt sich die Betrachtung der Entstehung des Urheberrechts in den Vereinigten Staaten von Amerika im etwa gleichen Zeitraum vom Beginn des copyright movements bis zu dem Verfahren Wheaton v. Peters im Jahre 1834 an.
Sehr sorgfältig behandelt der Verfasser dabei die Entstehung des ersten Urheberrechtsgesetzes der Welt, für das er die Frage stellt, ob es sich um einen authors’ act oder um einen booksellers’ act handelt. Danach betrachtet er den sich anschließenden Kampf der Buchhändler bis zum Scheitern der Booksellers Bill im Jahre 1774 an Hand von Streitschriften und einzelnen Verfahren. Für die nachfolgende horizontale Diversifizierung des copyright-Schutzes macht e |
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Reutter, Wolfgang Paul, „Objektiv Wirkliches“ in Friedrich Carl von Savignys Rechtsdenken, Rechtsquellen und Methodenlehre (= Savignyana 10 = Studien zur europäischen Rechtsgeschichte 263). Klostermann, Frankfurt am Main 2011. XIX, 478 S. Besprochen von Gerhard Köbler. ZRG GA 129 (2012) 54. IT |
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Friedrich Carl von Savigny, der wohl berühmteste deutsche Jurist, starb im Alter von 82 Jahren in Berlin am 25. Oktober 1861. Zur 150. Wiederkehr seines Todestags wird seiner vielfältig rühmend gedacht. Deswegen fügt es sich trefflich, dass rechtzeitig vor diesem Zeitpunkt der Verfasser eine überarbeitete Fassung seiner von Andreas Hoyer vertrauensvoll unterstützten, im Sommersemester 2009 von der rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Kiel angenommene Dissertation im Druck vorlegen konnte, die der Herausgeber in Ermangelung eines anderen Interessenten wenigstens in wenigen Zeilen der Allgemeinheit vorstellen muss.
Gegliedert ist die selbständige beeindruckende Untersuchung klar in drei Teile, die von den Grundlagen des Rechtsdenkens bei Savigny ausgehen, wobei der Verfasser zwischen rechtsontologischen, rechtsepistemologischen sowie rechtsdogmatischen und rechtsmethodologischen Bereichen unterscheidet. Es folgt die Rechtsquellenlehre Savignys, bei welcher der Verfasser der allgemeinen Bedeutung des Begriffs der Rechtsquelle die besondere Bedeutung bei Savigny gegenüberstellt. Im dritten Teil untersucht der Verfasser die Methodenlehre Savignys und gelangt von der allgemeinen Bedeutung des Begriffs der juristischen Methode über die besondere Bedeutung des Begriffs der juristischen Methode bei Savigny zur besonderen Bedeutung des Begriffs der historischen Methode bei Savigny.
Im Ergebnis stellt der Verfasser - unabhängig von, aber in Übereinstimmung mit Joachim Rückert - ein umfassendes einheitliches Bild eines in objektiven Wirklichkeiten denkenden Savigny fest. Alles Recht ist danach bei Savigny als eine „objektive Idee“ bereits gegeben. Tatsächlic |
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Revista de dret històric català, Volum 7 (2006). Societat Catalana d’estudis jurídics. Filial de l’Institut d’estudis Catalans, Barcelona 2007. 316 S. Besprochen von Filippo Ranieri. |
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Revista de dret històric català, Volum 8 (2008). Societat Catalana d’estudis jurídics. Filial de l’Institut d’estudis Catalans, Barcelona 2009. 280 S. Besprochen von Filippo Ranieri.
Revista de dret històric català, Volum 9 (2011). Societat Catalana d’estudis jurídics. Filial de l’Institut d’estudis Catalans, Barcelona 2011. 386 S. Besprochen von Filippo Ranieri.
Angezeigt seien hier der siebte, der achte und der neunte Band der katalanischen rechtshistorischen Zeitschrift, die vom Institut d’estudis catalans in Barcelona herausgegeben wird. Über diese Publikationsreihe hat der Rezensent bereits mehrmals in der germanistischen Abteilung dieser Zeitschrift berichtet (siehe Bd. 124. 2007, S. 401-402; Bd. 125. 2008, S. 561; Bd. 126. 2009, S. 343-344). Zu den hier angezeigten Bänden siehe den ausführlichen Bericht von G. D. Guyon, in: Revue historique de droit français et étranger 88 (2010), S. 334-335. Neben einer Einführung und zahlreichen Rezensionen und Chroniken enthalten alle drei Bände etliche größere Beiträge. Sie betreffen sämtlich die katalanische Rechts- und Sozialgeschichte. Die Themen reichen vom Hochmittelalter bis zu Fragen der jüngsten Zeitgeschichte. Gemeinsam ist allen Beiträgen die unverkennbare Absicht, die Autonomie der katalanischen Rechtsentwicklung hervorzuheben. Der neunte Band stellt zugleich eine Gedächtnisschrift zur Ehre des katalanischen Juristen und Verfassungshistorikers Víctor Ferro Pomà (1936-2007) dar. (Zur Person mit einer Bibliographie seiner rechtshistorischen Veröffentlichungen siehe S. 61-70).
Saarbrücken Filippo Ranieri
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Revista de dret històric català, Volum 8 (2008). Societat Catalana d’estudis jurídics. Filial de l’Institut d’estudis Catalans, Barcelona 2009. 280 S. Besprochen von Filippo Ranieri. |
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Revista de dret històric català, Volum 8 (2008). Societat Catalana d’estudis jurídics. Filial de l’Institut d’estudis Catalans, Barcelona 2009. 280 S. Besprochen von Filippo Ranieri.
Revista de dret històric català, Volum 9 (2011). Societat Catalana d’estudis jurídics. Filial de l’Institut d’estudis Catalans, Barcelona 2011. 386 S. Besprochen von Filippo Ranieri.
Angezeigt seien hier der siebte, der achte und der neunte Band der katalanischen rechtshistorischen Zeitschrift, die vom Institut d’estudis catalans in Barcelona herausgegeben wird. Über diese Publikationsreihe hat der Rezensent bereits mehrmals in der germanistischen Abteilung dieser Zeitschrift berichtet (siehe Bd. 124. 2007, S. 401-402; Bd. 125. 2008, S. 561; Bd. 126. 2009, S. 343-344). Zu den hier angezeigten Bänden siehe den ausführlichen Bericht von G. D. Guyon, in: Revue historique de droit français et étranger 88 (2010), S. 334-335. Neben einer Einführung und zahlreichen Rezensionen und Chroniken enthalten alle drei Bände etliche größere Beiträge. Sie betreffen sämtlich die katalanische Rechts- und Sozialgeschichte. Die Themen reichen vom Hochmittelalter bis zu Fragen der jüngsten Zeitgeschichte. Gemeinsam ist allen Beiträgen die unverkennbare Absicht, die Autonomie der katalanischen Rechtsentwicklung hervorzuheben. Der neunte Band stellt zugleich eine Gedächtnisschrift zur Ehre des katalanischen Juristen und Verfassungshistorikers Víctor Ferro Pomà (1936-2007) dar. (Zur Person mit einer Bibliographie seiner rechtshistorischen Veröffentlichungen siehe S. 61-70).
Saarbrücken Filippo Ranieri
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Revista de dret històric català, Volum 9 (2011). Societat Catalana d’estudis jurídics. Filial de l’Institut d’estudis Catalans, Barcelona 2011. 386 S. Besprochen von Filippo Ranieri. |
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Revista de dret històric català, Volum 8 (2008). Societat Catalana d’estudis jurídics. Filial de l’Institut d’estudis Catalans, Barcelona 2009. 280 S. Besprochen von Filippo Ranieri.
Revista de dret històric català, Volum 9 (2011). Societat Catalana d’estudis jurídics. Filial de l’Institut d’estudis Catalans, Barcelona 2011. 386 S. Besprochen von Filippo Ranieri.
Angezeigt seien hier der siebte, der achte und der neunte Band der katalanischen rechtshistorischen Zeitschrift, die vom Institut d’estudis catalans in Barcelona herausgegeben wird. Über diese Publikationsreihe hat der Rezensent bereits mehrmals in der germanistischen Abteilung dieser Zeitschrift berichtet (siehe Bd. 124. 2007, S. 401-402; Bd. 125. 2008, S. 561; Bd. 126. 2009, S. 343-344). Zu den hier angezeigten Bänden siehe den ausführlichen Bericht von G. D. Guyon, in: Revue historique de droit français et étranger 88 (2010), S. 334-335. Neben einer Einführung und zahlreichen Rezensionen und Chroniken enthalten alle drei Bände etliche größere Beiträge. Sie betreffen sämtlich die katalanische Rechts- und Sozialgeschichte. Die Themen reichen vom Hochmittelalter bis zu Fragen der jüngsten Zeitgeschichte. Gemeinsam ist allen Beiträgen die unverkennbare Absicht, die Autonomie der katalanischen Rechtsentwicklung hervorzuheben. Der neunte Band stellt zugleich eine Gedächtnisschrift zur Ehre des katalanischen Juristen und Verfassungshistorikers Víctor Ferro Pomà (1936-2007) dar. (Zur Person mit einer Bibliographie seiner rechtshistorischen Veröffentlichungen siehe S. 61-70).
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Reynolds, Susan, Before Eminent Domain. Toward a History of Expropriation of Land for the Common Good. University of North Carolina Press, Chapel Hill 2010. VIII, 175 S. Besprochen von Susanne Jenks. |
Ganzen Eintrag anzeigen Reynolds, Susan, Before Eminent Domain. Toward a History of Expropriation of Land for the Common Good. University of North Carolina Press, Chapel Hill 2010. VIII, 175 S. Besprochen von Susanne Jenks.
Dieser Essay deckt einen weiten geographischen (hauptsächlich Westeuropa und Amerika) und zeitlichen (Antike bis 1800) Bereich ab und argumentiert, dass der Ursprung des „eminent domain“ (ein von Hugo Grotius geprägter Begriff, der heute vornehmlich in Amerika Verwendung findet) nicht in einem übergeordneten Rechtsanspruch auf Land zu finden ist, der Feudalismus somit keine Rolle spielte, und dieses in Westeuropa schon vor dem 12. Jahrhundert zu findende Phänomen auch keinem neuen Gesetz und keiner neuen Idee von Gemeinwohl entsprang, also nicht „geboren“ wurde, sondern vielmehr seit frühester Zeit im Gemeinwesen vorhanden war. Die vor dem 12. Jahrhundert zu findenden Belege für Landenteignungen zum Wohle der Gemeinschaft sind weitverstreut, was entweder darauf schließen lässt, dass es in dieser Zeit wenig Landenteignungen gab oder dass diese als normal angesehen wurden und daher nicht begründet werden mussten. Die Zunahme der Belege im 12. Jahrhundert kann mit der besseren Überlieferung der Dokumente zusammen hängen und/oder mit einem Zuwachs an Enteignungen aufgrund wirtschaftlichen Wachstums und Städtegründungen und dem Bau von Befestigungsanlagen erklärt werden. Allerdings zeigen die ersten Belege für „eminent domain“ eine Frühform: so wurde für das der Kirche von den Karolingern zur Landesverteidigung des Landes genommene Land gegen eine jährliche Nutzungsgebühr nur geliehen, und frühe englische Beispiele zeigen, dass Land getauscht wurde, wenn es für das Gemeinwohl und den gemeinen Nutzen (beide Begriffe werden vor 1800 synonym benutzt) benötigt wurde, während unter „eminent domain“ der völlige Verlust aller Rechte auf das enteignete Land gegen Entschädigung verstanden wird. Warum das Enteignungsrecht gegen Kompensation so weitläufig |
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Richter, Martin, Kirchenrecht im Sozialismus. Die Ordnung der evangelischen Landeskirchen in der DDR (= Ius Ecclesiasticum 95). Mohr (Siebeck), Tübingen 2011. XIX, 259 S. Besprochen von Gerhard Köbler. IT |
Ganzen Eintrag anzeigen Richter, Martin, Kirchenrecht im Sozialismus. Die Ordnung der evangelischen Landeskirchen in der DDR (= Ius Ecclesiasticum 95). Mohr (Siebeck), Tübingen 2011. XIX, 259 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Der 1968 geborene, nach dem Studium der Rechtswissenschaft in Marburg und Hannover 1998 mit einer Dissertation über die Untersuchungsmaxime im älteren Verwaltungsprozess promovierte und seitdem in der kirchlichen Verwaltung tätige, derzeit das Referat für Kirchenrecht und Staatskirchenrecht im Konsistorium der evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz leitende Verfasser erhielt den Anstoß für seine Beschäftigung mit dem Recht der evangelischen Landeskirchen in der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik aus seiner beruflichen Praxis. In seiner Landeskirche galten lange und gelten teilweise auch heute noch alte ostdeutsche und westdeutsche Kirchenrechtsbestände. Vornehmlich interessiert hat ihn die Rolle des Kirchenrechts bei der Wahrung der Eigenständigkeit der Kirche in der DDR.
Schon 1933 mussten die Kirchen nach einem neuen Verhältnis zum Staat suchen. Während in den westlichen Besatzungszonen eine gewisse Rückkehr zu den früheren Gegebenheiten möglich war, setzte sich die Ablehnung von Religion und Kirche in der sowjetischen Besatzungszone in abgeänderter Art und Weise fort. Für das Recht war der Übergang zur sozialistischen Gesetzlichkeit kennzeichnend.
In einem ersten Teil schildert der Verfasser die schwierigen Rahmenbedingungen. In einem zweiten Teil überblickt er das Schrifttum des Kirchenrechts in der DDR, wobei etwa Manfred Stolpe eine gewisse Hervorhebung erfährt, und vertieft seine Einsichten durch drei Einzelstudien über das Mitgliedschaftsrecht, die kirchliche Verwaltungsgerichtsbarkeit und das Mitarbeitervertretungsrecht. Am Ende seiner eine Literaturlücke überzeugend schließenden Studie ermittelt er Differenzen und Parallelen zur Entwicklung in der Bundesrepublik und zeigt Anknüpfun |
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Rinck, Nadine, Max Rheinstein - Leben und Werk (= Studien zur Rechtswissenschaft 262). Kovač, Hamburg 2011. XXV, 423 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
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Die Arbeit ist die von Theodor Baums betreute, im Wintersemester 2009/2010 vom Fachbereich Rechtswissenschaft der Universität Frankfurt am Main angenommene Dissertation der Verfasserin. Sie betrifft den schweren, aber erfolgreichen Lebensweg Max Rheinsteins in Deutschland, in den Vereinigten Staaten von Amerika und in vielen weiteren Ländern. Sie beruht auf der Verwertung umfangreicher Literatur und Archivalien auch am wichtigsten Wirkungsort und zielt darauf ab, durch die Analyse von Leben und Werk Max Rheinsteins Leistung in der internationalen Rechtsentwicklung aufzuzeigen und dadurch die deutsche und amerikanische Rechtsgeschichte zu bereichern.
Der vorweg auf der Höhe seines Wirkens abgebildete Max Rheinstein wurde in Bad Kreuznach am 5. 7. 1899 als einziges, von kleineren körperlichen Anfälligkeiten geschwächtes Kind des in Münchweiler 1842 geborenen jüdischen Weinhändlers aus zweiter Ehe mit der Tochter eines jüdischen Rechtskonsulenten geboren und wuchs nach dem frühen Tod des Vaters (12. 4. 1904) in München in der Maxvorstadt im Haus der Großeltern in gutbürgerlichem Umfeld ohne finanzielle Sorgen auf. Nach Freiwilligenjahr, Kriegsdienst ohne Fronteisatz, Notreifeprüfung am 8. 5. 1918 und kurzem soldatischem Einsatz in Österreich nahm er am 25. 11. 1918 das Studium der Rechtswissenschaft an der Universität München auf, wo er im Frühjahr 1921 aus Interesse Bücherwart im Institut für Rechtsvergleichung Ernst Rabels und ab 1. 12. 1922 entlohnter Assistent wurde. Nach erster Prüfung und mit summa cum laude bewerteter Promotion über die Störung der freien Erwerbstätigkeit durch rechtswidrige Beeinflussung Dritter sowie der mit gut benoteten zweiten juristischen Staatsprüfung folgte er Ernst Rabel nach Berlin und wurde wissenschaftlicher Referent am Kaiser-Wilhelm-Institut f |
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Rinke, Stefan, Revolutionen in Lateinamerika. Wege in die Unabhängigkeit 1760-1830. Beck, München 2010. 392 S., 19 Abb., 7 Kart. Besprochen von Werner Augustinovic. |
Ganzen Eintrag anzeigen Rinke, Stefan, Revolutionen in Lateinamerika. Wege in die Unabhängigkeit 1760-1830. Beck, München 2010. 392 S., 19 Abb., 7 Kart. Besprochen von Werner Augustinovic.
Wenn im Jahr 2010 die Dekolonisation Lateinamerikas monographisch einer näheren Betrachtung unterzogen wird, so hat das seinen guten – nämlich jubilarischen – Grund im bicentenario: Denn vor gut 200 Jahren vollzogen sich in der Südhälfte des amerikanischen Kontinents jene umwälzenden Veränderungen, die heute gemeinhin als Geburt der Unabhängigkeit und nationalen Eigenständigkeit der südamerikanischen Staatenwelt gefeiert werden.
Mit Stefan Rinke hat sich ein ausgewiesener Südamerika-Experte des Themas angenommen, der sich seine Sporen beim Doyen dieses Forschungsbereichs, Hans-Joachim König, verdient und diesem auch die vorliegende Arbeit gewidmet hat. Geboren 1965, wurde er bei König in Eichstätt promoviert und 2003 für neuere und neueste Geschichte unter besonderer Berücksichtigung der Geschichte Lateinamerikas habilitiert; seit 2005 lehrt er als Professor am Lateinamerika-Institut sowie am Friedrich-Meinecke-Institut der Freien Universität Berlin, wo er bisher vor allem mit Studien zur Geschichte Chiles, einschlägigen Fachbeiträgen im Rahmen der „Enzyklopädie der Neuzeit“ und einer „Geschichte Lateinamerikas: Von den frühesten Kulturen bis zur Gegenwart“ (2010) an die Öffentlichkeit getreten ist.
Die hier zu besprechende Arbeit berichtet im klassischen Ton historischer Erzähltradition von den „wenig geradlinigen und oft widersprüchlichen Revolutionen […], mit denen die ersten europäischen Kolonialreiche der Neuzeit […] zu Fall kamen; sie will zeigen, „welche Faktoren ab etwa 1760 diesen Zerfall beschleunigten, wie sich die Unabhängigkeitsbewegungen in Lateinamerika entfalteten und welche Probleme sich um 1830 den neuen Staaten stellten“, und rückt die als zusammengehöriger, in transatlantische Verflechtungen eingebundener Prozess verstandenen Umbrüche in Sain |
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Ritter, Gerhard A., Der Sozialstaat. Entstehung und Entwicklung im internationalen Vergleich, 3. Aufl. Oldenbourg, München 2010. XII, 281 S. Besprochen von Markus Raasch. |
Ganzen Eintrag anzeigen Ritter, Gerhard A., Der Sozialstaat. Entstehung und Entwicklung im internationalen Vergleich, 3. Aufl. Oldenbourg, München 2010. XII, 281 S. Besprochen von Markus Raasch.
Gerhard A. Ritters Standardwerk liegt nunmehr in dritter Auflage vor. Text, Fußnotenapparat und Literaturverzeichnis wurden dabei in Relation zur 1990 erschienenen zweiten Auflage unverändert gelassen und lediglich um ein Nachwort ergänzt.
Die Stärken des Buches sind bekannt: Der vermutlich verdienteste Kenner der Materie umreißt Genese, Entwicklungsprozesse, Charakteristika und Zukunftsperspektiven des deutschen Sozialstaates im internationalen Vergleich. Er äußert sich zunächst ausführlich zu terminologischen Fragen, wobei er u. a. den der Tradition des aufgeklärten Absolutismus verpflichteten Begriff des „Wohlfahrtsstaates“ vom ihm historisch präziser erscheinenden „Sozialstaat“ abgrenzt. Sodann veranschaulicht er dessen Ausprägung als Derivat der modernen Industriegesellschaft, welche die überkommene einerseits christlich-karitativ geprägte, andererseits seit dem 16. Jahrhundert sich zusehends verstaatlichende Armenfürsorge zum Anachronismus werden lässt. Es wurden neue, umfassendere Formen sozialer Sicherung nötig, die sich etwa im Ausbau der Arbeiterschutzgesetzgebung manifestierten und vor allem in Gestalt der Sozialversicherung bis zum Beginn des Ersten Weltkriegs fast flächendeckend in Europa institutionalisierten. Für die Zeit zwischen 1918 und 1945 beschreibt Ritter u. a. im Seitenblick auf die USA die weitere Expansion sozialer Sicherungssysteme. Zugleich führt er die ersten signifikanten Krisenerscheinungen des Sozialstaates vor Augen, die er etwa am Versagen seiner Institutionen während der Weltwirtschaftskrise, aber auch an der machtpolitischen Instrumentalisierung durch den Nationalsozialismus festmacht. Der Sozialstaatsentwicklung zwischen dem Ende des Zweiten Weltkriegs und dem Zusammenbruch des Sowjetimperiums attestiert Ritter vor allem drei Ken |
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Ritter, Gerhard A., Wir sind das Volk! Wir sind ein Volk! Geschichte der deutschen Einigung (= becksche Reihe). Beck, München 2009. 191 S. Besprochen von Gerhard Köbler. IT |
Ganzen Eintrag anzeigen KöblerRitterwirsinddasvolk20110825 Nr. 13712 ZRG GA 129 (2012) 80
Ritter, Gerhard A., Wir sind das Volk! Wir sind ein Volk! Geschichte der deutschen Einigung (= becksche Reihe). Beck, München 2009. 191 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Zur Geschichte gehört trotz ständigen Werdens und Vergehens der Bestand ebenso wie der Wandel. Sie sind in ihrem Verhältnis zu einander nicht wirklich vorauszusehen. Für die meisten Zeitgenossen kam deswegen die 1989 erfolgte Wende der seit 1945 bestehenden Weltpolitik einigermaßen überraschend.
Gerhard A. Ritter, emeritierter Professor für neuere und neueste Geschichte an der Universität München, hat sie miterlebt. Sie hat ihn in ihren Auswirkungen auf die Deutschen so bewegt, dass er nicht nur den Preis der deutschen Einheit (2007) beschrieben hat, sondern auch die Geschichte der in Oktober 1989 sichtbar einsetzenden und bis 3. Oktober 1990 zumindest äußerlich abgeschlossenen Vereinigung der Deutschen Demokratischen Republik mit der Bundesrepublik Deutschland. Nach einem kurzen Vorwort hält er sie in drei Teilen mit 16 Abschnitten für jedermann gut verständlich dauerhaft fest.
Dabei schildert er zunächst die deutsche Vereinigung als Problem der internationalen Politik, in deren Rahmen Helmut Kohl die ihm eröffnete Möglichkeit nutzt. Auf dieser Grundlage vertieft er dann die aus der politischen Entscheidung erwachsende soziale Problematik. Ergänzt werden diese Überlegungen durch die Wirtschafts-, Finanz- und Verfassungspolitik, wobei sich am Ende die weitere Entwicklung nicht vorhersagen lässt, sodass der Verfasser sein mit Anmerkungen, Literaturhinweisen und einem Verzeichnis der gut 50 wichtigsten Personen von Attali bis Wiemer versehenes Werk nur mit der ungewissen Hoffnung auf ein stärkeres inneres Zusammenwachsen der Deutschen in Ost und West beschließen kann.
Innsbruck Gerhard Köbler
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Ritzke, Beate, Der ordo-soziale Wirtschafts- und Rechtsbegriff von Hermann Roesler (1834-1894) (= Europäische Hochschulschriften 2, 4971). Lang, Frankfurt am Main 2010. 231 S. Besprochen von Gerhard Köbler. IT |
Ganzen Eintrag anzeigen Ritzke, Beate, Der ordo-soziale Wirtschafts- und Rechtsbegriff von Hermann Roesler (1834-1894) (= Europäische Hochschulschriften 2, 4971). Lang, Frankfurt am Main 2010. 231 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Fragt man, wie die Verfasserin in ihrer Einleitung, nach Carl Friedrich Hermann Roesler, so können nur wenige über ihn und noch weniger über seine Werke Auskunft geben, was eine Betrachtung des Lebens und Werkes für die Verfasserin reizvoll macht. Zwar sind bereits zwei größere werkbiographische Arbeiten von Anton Rauscher 1969 und Anna Bartels-Ishikawa 2007, besprochen von Beate Ritzke in ZRG GA 126 (2009), erschienen. Eine umfassende Untersuchung zu Roeslers Rechts- und Wirtschaftsbegriff, wie sie die Verfasserin anstrebt, findet sich aber weder dort noch in sonstigen Werken über Roesler.
Die Verfasserin gliedert ihre eigene Untersuchung außer in Einleitung und Schluss in drei Sachkapitel. In ihnen behandelt sie zunächst Leben und Werk (Bücher, Aufsätze, Rezensionen) Roeslers, der von 1878 bis 1893 in Japan weilte, und zeigt unter Fazit und Ausblick Roesler als Menschen und als Wissenschaftler. Danach geht sie sorgfältig und ausführlich auf den ordo-sozialen Rechtsbegriff unter Trennung zwischen dem allgemeinen Rechtsbegriff und dem besonderen Rechtsbegriff des Verwaltungsrechts in Abgrenzung zu Privatrecht, Staatsrecht, Kirchenrecht, Strafrecht, Verfahrensrecht und Justiz ein und hebt davon den ordo-sozialen Rechtsbegriff ab.
Wichtigste Konsequenz des ordo-sozialen Rechtsbegriffs ist anschließend die „neue“ ordo-soziale Nationalökonomie. Hier kann die nach dem Studium der Rechtswissenschaft in Frankfurt am Main an der Swansea University in Wales graduierte, 2009 während ihrer Tätigkeit als wissenschaftliche Mitarbeiterin Joachim Rückerts 2009 mit der vorliegenden Dissertation promovierte Verfasserin zeigen, dass Roesler in einem frühen Stadium des Aufeinandertreffens von Rechtswissenschaft und Volkswirtschaft im Rahme |
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Rogg, Matthias, Armee des Volkes? Militär und Gesellschaft in der DDR (= Militärgeschichte der DDR 15). Links, Berlin 2008. XIV, 687 S. Besprochen von Gerhard Köbler. IT |
Ganzen Eintrag anzeigen Rogg, Matthias, Armee des Volkes? Militär und Gesellschaft in der DDR (= Militärgeschichte der DDR 15). Links, Berlin 2008. XIV, 687 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Die Armee des Volkes war anfangs nicht das Wunschthema des in Wittmund 1963 geborenen, 1983 in die Bundeswehr als Berufssoldat eintretenden, von 1989 bis 1993 in Freiburg im Breisgau neuere/neueste Geschichte, Kunstgeschichte und mittlere Geschichte studierenden, von 1994 bis 1998 bei dem Aufbau des Museums des Dreißigjährigen Krieges in Wittstock an der Dosse, der flächenmäßig sechstgrößten Stadt Deutschlands, tätigen, 1998 über Soldatenbilder - Studien zur bildlichen Darstellung von Kriegsleuten im 16. Jahrhundert promovierten Verfassers. Die Vielschichtigkeit des Themas und die Möglichkeit einer anregenden Teamarbeit im Militärgeschichtlichen Forschungsamt überzeugten ihn jedoch. Als Frucht intensiver langjähriger Bemühungen konnte er im Jahre 2008 seine fragende Untersuchung über die Armee des Volkes vorlegen, auf Grund deren er als erster habilitierter Militärhistoriker, der zugleich aktiver Soldat der Bundeswehr (derzeit Oberstleutnant) war, im Fach neuere Geschichte der philosophischen Fakultät der Universität Potsdam habilitiert wurde.
Ausgangpunkt war die interessante Frage, ob die Landesverteidigung der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik, in der schließlich etwa jeder fünfte Bürger im erwerbstätigen Alter in einer (para)militärischen Organisation erfasst war, real oder nur verbal eine Sache des ganzen Volkes war. Ihr widmet sich der Verfasser vor allem auf der Grundlage von mehr als 4000 unveröffentlichten, teilweise erstmals ausgewerteten Akten. Er gliedert dabei nach einer Fragestellung, Forschungsstand, Quellendiskussion , Methode und Aufbau beschreibenden Einleitung in acht Sachkapitel über Selbstbild, Freundbild, Feindbild, Strukturen der wehrpolitischen Mobilisierung, Motivation, Systemwelt und Lebenswelt in der Kaserne, Lebenswelt am Standort |
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Rohrßen, Benedikt, Von der „Anreizung zum Klassenkampf“ zur „Volksverhetzung“ (§ 130 StGB). Reformdiskussion und Gesetzgebung seit dem 19. Jahrhundert (= Juristische Zeitgeschichte, Abteilung 3 Beiträge zur modernen deutschen Strafgesetzgebung 34). De Gruyter, Berlin 2009. XVII, 342 S. Besprochen von Gerhard Köbler. IT |
Ganzen Eintrag anzeigen Rohrßen, Benedikt, Von der „Anreizung zum Klassenkampf“ zur „Volksverhetzung“ (§ 130 StGB). Reformdiskussion und Gesetzgebung seit dem 19. Jahrhundert (= Juristische Zeitgeschichte, Abteilung 3 Beiträge zur modernen deutschen Strafgesetzgebung 34). De Gruyter, Berlin 2009. XVII, 342 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Die Arbeit ist die von Thomas Vormbaum betreute, im Mai 2008 an der rechtswissenschaftlichen Fakultät der Fernuniversität Hagen angenommene Dissertation des bei sämtlichen Mitgliedern des Lehrstuhls herzlich aufgenommenen Verfassers. Sie ist als Baustein des größeren Vorhabens der sorgfältigen Erforschung der modernen deutschen Strafgesetzgebung gedacht. Dementsprechend schließt die gelungene Studie für ihren Bereich eine dort bisher bestehende Lücke.
Gegliedert ist sie insgesamt in die drei Teile Grundlagen, Entwicklung seit 1870 und Zusammenfassung. Während der Verfasser zunächst Problemstellung, Forschungsstand, Methode und Fragestellungen sowie Darstellungsweise erörtert, schließt er bei seiner historischen Grundlegung gesetzliche Vorläufer im deutschen und französischen Recht, Rahmenvorgaben des Deutschen Bundes und einschlägige Bestimmungen der Partikularstrafgesetzgebung an, wobei Preußen im Mittelpunkt steht. Das Schwergewicht seiner Überlegungen ist im zweiten Teil enthalten.
Hier behandelt der Verfasser das Strafgesetzbuch, die Reformen und Reformversuche bis zum Beginn der Strafrechtsreform, den Beginn der Strafrechtsreform, die Weimarer Republik mit ihren Versuchen der Verschmelzung der §§ 111 und 130 RStGB, die Zeit des Nationalsozialismus, die Reformdiskussion und Gesetzgebung nach 1945 und die Reformüberlegungen und deren Realisierung seit den Achtzigerjahren in chronologischer Reihung sehr sorgfältig und formuliert dazu zahlreiche Zwischenergebnisse. Danach fasst er seine Erkenntnisse zusammen und stellt dabei insgesamt fest, dass erste Vorgänger der Vorschrift erst in der Mitte des 19. Jahrhund |
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Rom, Recht, Religion. Symposion für Udo Ebert zum siebzigsten Geburtstag, hg. v. Kühl, Kristian/Seher, Gerhard (= Politika 5). Mohr (Siebeck), Tübingen 2011. XI, 653 S. Besprochen von Tilman Repgen. |
Ganzen Eintrag anzeigen Rom, Recht, Religion. Symposion für Udo Ebert zum siebzigsten Geburtstag, hg. v. Kühl, Kristian/Seher, Gerhard (= Politika 5). Mohr (Siebeck), Tübingen 2011. XI, 653 S. Besprochen von Tilman Repgen.
Die Festschrift für Udo Ebert spiegelt das breite wissenschaftliche Interesse des Jubilars wieder. Das Recht wird aus den Blickwinkeln verschiedenster Disziplinen betrachtet als eine Grundvoraussetzung gelingenden Lebens in menschlicher Gemeinschaft. Aus dem ganz und gar bunten Munusculum seien ein paar Beiträge herausgehoben, ohne damit sagen zu wollen, die anderen „Blumen“ im Strauß seien es nicht wert, betrachtet zu werden. Hervozuheben ist, dass jeder Aufsatz in nützlicher Weise mit einer handlichen Bibliographie abschließt.
Dietrich V. Simon schreibt über den „Einfluss des Christentums auf die Gesetzgebung Kaiser Konstantins des Großen“ (S. 73-88) und damit über ein geradezu traditionelles Thema, wenn man an den Text des Prologs des Sachsenspiegels denkt, der in Konstantin das Muster christlicher Gesetzgebung sah. Simon begründet anhand reicher Beobachtungen, dass Konstantin trotz aller Begünstigung der Kirche keine systematische Umgestaltung des römischen Rechts vorgenommen habe. Soweit Simon davon spricht, der christliche Glaube sei unter Theodosius „Staatsreligion“ geworden (S. 73), könnte das zu Missverständnissen führen. Von einer staatlichen Lenkung der Geschicke der Kirche konnte man im vierten Jahrhundert wohl eher nicht sprechen. Sehr schnell sind so bedeutende Theologen wie der Mailänder Bischof Ambrosius auf Distanz und Trennung verschiedener Sphären bedacht gewesen.
Der evangelische Theologe Ulrich Kühn beschäftigt sich mit dem „Gesetzesbegriff des Thomas von Aquin“ (S. 89-98). Er sieht im „System des Thomas von Aquin“ eine „kulturelle… Synthese ersten Ranges“ (S. 89), worin dem Autor durchaus beizupflichten ist. Der Traktat über das Gesetz, so erklärt Kühn, finde sich inhaltlich und äußerlich ungefähr in der Mi |
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Rome II Regulation. Pocket Commentary, hg. v. Huber, Peter. Sellier, München 2011. XVIII, 470 S. Besprochen von Gerhard Köbler. IT |
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In seinem kurzen Vorwort beschreibt der in Mainz tätige Herausgeber, wie er ursprünglich nach Erlass der Verordnung (EG) Nr. 864/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Juli 2007 über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht einen Kurzkommentar allein verfassen hatte wollen. Wegen familiärer Veränderungen erkannte er aber rasch, dass er dafür nicht genügend Zeit finden werde. Deswegen entschied er sich für eine erfolgreiche Arbeitsteilung.
Dementsprechend verblieb ihm selbst im Wesentlichen die Aufgabe der Organisation. Die eigentliche Ausführung übernahmen Markus Altenkirch und Ivo Bach in Mainz sowie Angelika Fuchs in Trier und Martin Illmer in Hamburg. Von ihnen übernahm Martin Illmer die Einleitung und die Artikel 5-6, 8-9, 13 und 27-32, Ivo Bach die Artikel 1-4, 12, 14-15, 17 und 20, Angelika Fuchs die Artikel 7, 16, 26, Markus Altenkirch die Art. 18-19 und 21-25, während der Herausgeber bei den Artikeln 10 und 11 mit Ivo Bach zusammenwirkte.
Das gemeinsame Werk ist der erste Band einer Reihe von Taschenkommentaren des Verlages zu europäischen Verordnungen und internationalen Vertragswerken im Bereich des Kollisionsrechts. Seine Handlichkeit und seine graphische Gestaltung werden Interessenten vorteilhaft ansprechen. Der durch einen kurzen Index aufgeschlossene, auch auf die geschichtliche Entwicklung eingehende Sachinhalt kann ihnen eine große Hilfe sein.
Innsbruck Gerhard Köbler
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Rosenblum, Warren, Beyond the Prison Gates. Punishment & Welfare in Germany, 1850-1933 (= Studies in Legal History). The University of North Carolina Press, Chapel Hill 2008. XII, 326 S. Besprochen von Heinz Müller-Dietz. |
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Die Untersuchung Warren Rosenblums ist einer Fragestellung gewidmet, die in dieser Form bisher, wenn überhaupt, nur wenig oder am Rande thematisiert worden ist. Sie spürt Zusammenhängen zwischen der Kriminalpolitik sowie fürsorgerischen und wohlfahrtsstaatlichen Tendenzen in Deutschland in den verschiedenen Epochen von 1850 bis 1933 nach. Der Verfasser will anhand der kriminalpolitischen Praxis, insbesondere von Konzepten privater Fürsorge und Wohlfahrt, die in den Bereichen der Justiz, des Strafvollzugs und der Strafentlassenenhilfe verwirklicht worden sind, den Nachweis dafür erbringen, welchen Einfluss in jenem Zeitraum liberale und christliche Vorstellungen auf den staatlichen und gesellschaftlichen Umgang mit Straftätern genommen haben. Insgesamt wollten sie an die Stelle degradierender und infantilisierender Formen der Bestrafung aus humanitären wie präventiven Gründen sozialintegrative Reaktionen und Hilfen setzen. Rosenblum knüpft dabei nicht nur an die Bestrebungen und Tätigkeit der Vereine und Organisationen der Straffälligenhilfe, die ja im 19. Jahrhundert zunehmend an Bedeutung gewonnen haben, sondern auch an Einrichtungen wie die Soziale Gerichtshilfe an, die in der Weimarer Zeit die Gerichte mit Informationen über Tatverdächtige und Straftäter mit Hilfen zur sozialen Eingliederung unterstützt haben. Die Verflechtungen und Querverbindungen, die er zwischen Justiz, Strafvollzug sowie Wohlfahrtseinrichtungen und Wohlfahrtsprojekten an praktischen Beispielen aufzeigt, geben ein anderes Bild von sozialer Kontrolle und Kriminalpolitik als das von der neueren Forschung vielfach vermittelte. Damit blendet Rosenblum kriminalpolitische Reformbestrebungen in Politik und Wissenschaft keineswegs aus; sie stehen abe |
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Rotenburg an der Fulda (1170) 1248-1574. Quellen zur Geschichte einer hessischen Stadt. Digitale Beilage mit Quellen bis 1648, bearb. v. Löwenstein, Uta (= Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Hessen 73). Historische Kommission für Hessen, Marburg 2010. LXIX, 772 S., 16 Abb. Besprochen von Gerhard Köbler. |
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Die zur Feier des 750. Geburtstags der Stadt Rotenburg an der Fulda im Jahre 1998 vorgelegten Gaben eines zweibändigen Findbuchs des Rotenburger Stadtarchivs und einer zweibändigen Ausgabe von Chroniken veranlassten die Bearbeiterin nach ihrem kurzen Vorwort zum Nachdenken über ein weiteres passendes Geburtstagsgeschenk. Als sinnvolles Vorbild erschienen ihr die von Karl August Eckhardt 1954 für Witzenhausen und 1959 für Eschwege geschaffenen Sammlungen der städtischen Rechtsquellen. Mit gut begründeter Verspätung ist dieser Plan erfreulicherweise nunmehr in einer stattlichen Form gelungen, wenngleich für die insgesamt 4200 Manuskriptseiten eine pragmatische Lösung erforderlich wurde.
In ihrer kurzen, wichtigen Abbildungen folgenden Einleitung berichtet die Bearbeiterin über Land und Herrschaft, wobei sie besonders darauf hinweist, dass der Name Rotenberg bereits in einer 1170 von Abt Willibold von Hersfeld ausgestellten Urkunde für den Hersfelder Ministerialen Wigand von der thüringischen Vogteiburg Rotenberg bezeugt ist, sowie von Stadtentwicklung und Stadtverwaltung. Danach legt sie ihre vor allem im Staatsarchiv Marburg, daneben aber auch im Staatsarchiv Darmstadt, im Landeshauptarchiv Sachsen-Anhalt und im Landeskirchlichen Archiv Kassel aufbewahrten Quellen einschließlich der unveröffentlichten Literatur dar. Die in 531 Nummern gegliederte, um zwei Nachträge ergänzte Edition beginnt dann mit einem Regest der Ersturkunde von 1170 und endet mit einem Auszug aus dem Verzeichnis der Schweinehecken im Forst Rottenberg von 1574.
Ein sehr ausführlicher Index erschließt den Band. Eine CD erweitert die durch die |
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Roth, Harald/Gündisch, Konrad, Fünfkirchen/Pécs. Geschichte einer Europäischen Kulturhauptstadt. Böhlau, Wien 2010. 170, 16 S., Ill. Besprochen von Gerhard Köbler. IT |
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Fünfkirchen oder ungarisch Pécs ist bereits in römischer Zeit ein wichtiger Ort (Sopianae, später Quinque Basilicae). Nur zwei Jahre nach Wien wurde es Sitz einer Universität und 1664 sah ein ungarischer Offizier die Innenstadt mit 16 Moscheen sogar als größer an als Wien. Anlässlich der Wahl zu einer Kulturhauptstadt Europas (neben Essen und Istanbul) für das Jahr 2010 legen die Verfasser einen mit 21 Abbildungen ausgestatteten knappen Überblick über die reiche und wechselvolle Geschichte der bedeutenden, durch zahlreiche Sehenswürdigkeiten ausgezeichneten Stadt vor.
Innsbruck Gerhard Köbler
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Rotthege, Konrad M., Die Entstehung des Arzneimittelgesetzes vom 16. Mai 1961 unter besonderer Berücksichtigung der historischen Entwicklung arzneimittelrechtlicher Bestimmungen und des Verkehrs mit Arzneimitteln. Lang, Frankfurt am Main 2011. XX, 342 S. Besprochen von Gerhard Köbler. ZRG GA 129 (2012) 83. IT |
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Die Arbeit ist die von Werner Schubert angeregte und betreute, im Wintersemester 2010/2011 von der rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Kiel angenommene Dissertation des in München, London und Hamburg ausgebildeten Verfassers. Sie behandelt mit Hilfe auch archivalischer Unterlagen einen Ausschnitt aus der jüngeren Rechtsquellengeschichte. Dadurch erweitert sie das allgemeine Wissen an einem interessanten einzelnen Punkt.
Sie gliedert sich chronologisch in fünf Teile und setzt dabei mit ersten arzneimittelrechtlichen Bestimmungen und ihrer Entwicklung seit dem 12. Jahrhundert ein. Wirklich größere Bedeutung erlangt das Arzneumittel aber erst mit der modernen medizinischen und chemischen Wissenschaft und der technischen Möglichkeit der industriellen Herstellung. Dementsprechend werden als erste umfassendere Rechtsquellen die preußische Medizinalordnung von 1725, das Allgemeine Landrecht von 1794 und die (revidierte) Apothekerordnung Preußens von 1801 besonders behandelt.
Allerdings gelingt ein eigenes Arzneimittelgesetz trotz des erkennbaren Regelungsbedarfs bekanntlich weder zwischen 1918 und 1933 noch zwischen 1933 und 1945. Das danach einsetzende Ringen um eine gesetzliche Regelung schildert der Verfasser sehr detailliert. Er bewertet das Ergebnis überzeugend als nicht vollständig gelungen und deshalb rasch der Korrektur durch das Arzneimittelgesetz von 1976 bedürftig und gibt einige Quellen im Anhang seiner von kleineren formalen Mängeln nicht freien Arbeit wieder.
Innsbruck Gerhard Köbler
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Rottleuthner, Hubert, Karrieren und Kontinuitäten deutscher Justizjuristen vor und nach 1945 (= Justizforschung und Rechtssoziologie 9).. Berliner Wissenschafts-Verlag, Berlin 2010. 395 S., CD-ROM. Besprochen von Gerhard Köbler. IT |
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Der 1944 geborene, nach dem Studium der Rechtswissenschaft, Philosophie und Soziologie in Frankfurt am Main 1972 zum Dr. phil. promovierte, seit 1975 als Professor für Rechtsphilosophie und Rechtssoziologie am Fachbereich Rechtswissenschaft der Freine Universität Berlin tätige Verfasser ist seit langem durch Arbeiten zur empirischen Rechtssoziologie, zur juristischen Zeitgeschichte, zur Rechtstheorie und Rechtsphilosophie bedeutsam hervorgetreten. Der vorliegende Band befasst sich mit zwei unterschiedlichen, von der Deutschen Forschungsgemeinschaft finanzierten Großprojekten. Sie sind im Buch wie in der beigegebenen CD-ROM handlich vereint.
Das erste Projekt erscheint als Titel. Es verzeichnet aus zeitgenössischen Dokumentationen mehr als 34000 Menschen, die zwischen 1933 und 1964 in der deutschen Justiz tätig waren. Nicht alle von ihnen waren furchtbare Juristen, doch waren sie mit oder neben solchen tätig. Nach 1945 sind einge von ihnen auf der Strecke geblieben, doch setzten viele ihre Karriere bis in hohe Ränge fort, wobei eine strafrechtliche Verfolgung trotz ausländischer Hinweise kaum statt fand.
Das zweite Projekt erfasst an Hand der Personalakten mehr als 580 Justizjuristen, die vor und nach 1945 in Hamburg wirkten. Insgesamt sind die behandelten Gesamtvorgänge in vielen Punkten bereits bejannt, doch weist der Verfasser völlig zu Recht darauf hin, dass seine Dokumentation eine bisher nicht erreichte Geschlossenheit und Durchdringung erreicht. In einzelnen Bereichen gelingt über diese bereits sehr beeindruckende Leistung hinaus noch eine überzeugende Vertiefung (z. B. Kammergericht, Volksgerichtshof, Rechtsbeugung), so dass das Werk in seiner vielfältigen, durch zahlreiche Tabellen und Graph |
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Rousso, Henry, Frankreich und die „dunklen Jahre“. Das Regime von Vichy in Geschichte und Gegenwart. Aus dem Französischen von Brüll, Christoph (= Jena Center Geschichte des 20. Jahrhunderts, Vorträge und Kolloquien 8). Wallstein, Göttingen 2010. 190 S. Besprochen von Martin Moll. |
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Das hier vorzustellende, sorgfältig ins Deutsche übersetzte Bändchen stellt keinen Text aus einem Guss dar, sondern vereinigt mehrere – teils ganz neue, teils schon etwas ältere – Beiträge des 1954 geborenen Pariser Historikers Henry Rousso. Die Herkunft ist nicht immer angegeben; der erste von vier Beiträgen stellt die schriftliche Fassung eines Vortrags dar, den Rousso 2009 als Gastprofessor am Jena Center Geschichte des 20. Jahrhunderts gehalten hat. Die übrigen sind in einem französischen Kontext entstanden, doch sind die teilweise recht detailliert referierten Zusammenhänge der dortigen Diskussion auch für den deutschsprachigen Leser verständlich beschrieben; auf jeden Fall erhält man faszinierende Einblicke in die in mancherlei Hinsicht doch ziemlich eigenwillige historische Debattenkultur Frankreichs.
Das von Marschall Philippe Pétain (der trotz zahlreicher Nennungen seltsamerweise im Personenverzeichnis nicht aufscheint) geführte Regime von Vichy (benannt nach dem südfranzösischen Badeort, der als Regierungssitz diente) steht als Chiffre für die während der deutschen Besatzung Frankreichs 1940-1944 betriebene französische Staatskollaboration, der – wie sich herausgestellt hat – gar nicht so wenige Franzosen eine Chance zu geben bereit waren. Lange weitgehend verdrängt, setzte sich erst in den 1980er Jahren die Erkenntnis durch, dass die Grande Nation keineswegs nur aus Widerstandskämpfern gegen die Okkupanten bestand. In den letzten drei Jahrzehnten fand eine Reihe spektakulärer Prozesse gegen hochrangige französische Kollaborateure statt, die den Wechsel der Perspektive, insbesondere die Anerkenntnis einer gewissen Mitschuld Frankreichs am Holocaus |
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Röwekamp, Marion, Die ersten deutschen Juristinnen. Eine Geschichte ihrer Professionalisierung und Emanzipation (1900-1945) (= Rechtsgeschichte und Geschlechterforschung 11). Böhlau, Köln 2011. 880 S. Besprochen von Werner Schubert. |
Ganzen Eintrag anzeigen Röwekamp, Marion, Die ersten deutschen Juristinnen. Eine Geschichte ihrer Professionalisierung und Emanzipation (1900-1945) (= Rechtsgeschichte und Geschlechterforschung 11). Böhlau, Köln 2011. 880 S. Besprochen von Werner Schubert.
Mit dem Werk Röwekamps liegt erstmals eine umfassende Geschichte der deutschen und österreichischen Juristinnen über deren rechtswissenschaftliches Studium, über die Zulassung zu den juristischen Berufen sowie über ihre Berufstätigkeit und Tätigkeitsfelder vor. Die Untersuchungen ordnet Röwekamp mehreren historischen Methoden zu, u. a. der Sozial-, Mentalitäts- sowie der Rechts- und Ideengeschichte (S. 20). Die Arbeit beruht auf 2224 Datensätzen von Studentinnen und Juristinnen bis 1945 (S. 21). Zu der Längsschnittuntersuchung von Studentinnen an 17 Universitäten hat Röwekamp u. a. die Immatrikulationsverzeichnisse und die Promotionsakten (einschließlich der Bewertungen durch die Professoren) herangezogen. Einen wichtigen Quellenbereich machen die Oral-History-Interviews, die unveröffentlichten Autobiographien von zumeist jüdischen Juristinnen in US-Archiven sowie Aufzeichnungen und Tagebücher von Juristinnen aus Privatbesitz aus. Hinzu kommen noch die, soweit feststellbar, erstmals in voller Breite ausgewerteten archivalischen Überlieferungen insbesondere zu dem Gesetz vom 25. 4. 1922 über die Heranziehung von Frauen zum Schöffen- und Geschworenenamt sowie zum Gesetz vom 11.7.1922 über die Zulassung von Frauen zu den Ämtern und Berufen der Rechtspflege.
Im ersten Teil geht es um die Zulassung zum rechtswissenschaftlichen Studium und die ersten Jurastudentinnen (familiärer Hintergrund, Studienmotivation, Statistiken [Daten über die soziale Herkunft, das Alter und die Vorbildung], Wahl der Universitäten und Studienalltag) und die rechtswissenschaftlichen Promotionen (S. 25-179). Die Zulassung von Frauen zu den juristischen Fakultäten erfolgte zwischen 1900 und 1908 (1900 Baden, 1903 Bayern, 1904 Württembe |
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Rupnow, Dirk, Judenforschung im Dritten Reich. Wissenschaft zwischen Politik, Propaganda und Ideologie (= Historische Grundlagen der Moderne 14). Nomos, Baden-Baden 2011. 494 S. Besprochen von Martin Moll. |
Ganzen Eintrag anzeigen Rupnow, Dirk, Judenforschung im Dritten Reich. Wissenschaft zwischen Politik, Propaganda und Ideologie (= Historische Grundlagen der Moderne 14). Nomos, Baden-Baden 2011. 494 S. Besprochen von Martin Moll.
Nach Jahrzehnten weitgehenden Desinteresses an der sogenannten NS-Judenforschung, die nach 1945 zunächst schon deshalb kaum Aufmerksamkeit fand, weil sie nicht (mehr) als Wissenschaft galt, sind 2011 zeitgleich zwei Bände auf den Markt gekommen, die sich beide genau mit diesem Thema befassen. Horst Jungingers „Die Verwissenschaftlichung der ‚Judenfrage’ im Nationalsozialismus“ (vgl. meine Besprechung in dieser Zeitschrift) konzentriert sich jedoch so stark auf die protestantische Theologie, insbesondere an der Universität Tübingen, dass der wesentlich breiter angelegte Zugang Dirk Rupnows unbedingt vorzuziehen ist.
Deutlicher als Junginger verweist Rupnow, der mit dieser Arbeit 2009 an der Universität Wien habilitiert wurde, auf die Sinnlosigkeit des verständlichen Unterfangens, die Judenforschung des „Dritten Reiches“ als Pseudowissenschaft von Scharlatanen zu ignorieren. Rupnow interpretiert sie vielmehr als eine für die Verhältnisse der 1930er und 40er Jahre durchaus moderne Meta-Disziplin mit der Historie als Leitwissenschaft und breit gestreuten Kooperationen bis hin zu den Naturwissenschaften (Biologie usw.). Sie usurpierte die zuvor nahezu ausschließlich von Juden selbst betriebenen jüdischen Studien; deren Vertreter wurden gewaltsam von Subjekten des Forschens zu deren Objekten gemacht, die von jenen geleisteten Vorarbeiten jedoch schamlos ausgebeutet. Die NS-Judenforschung verstand sich zwar als wissenschaftlich und objektiv, machte aber weder aus ihren antisemitischen Prämissen noch ihrer extremen Nähe zu Politik und Propaganda jenes Staates, dem sie ihr Entstehen verdankte, das geringste Hehl.
Rupnow befasst sich zuerst mit Fragen der Begrifflichkeit (jüdische Studien, Judaistik, Judenforschung usw.), geht dann |
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Ryback, Timothy W., Hitler’s Private Library. The books that shaped his life. Alfred A. Knopf Publisher, New York 2008. 278 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen Ryback, Timothy W., Hitler’s Private Library. The books that shaped his life. Alfred A. Knopf Publisher, New York 2008. 278 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Welche Bücher das Leben Adolf Hitlers geprägt haben, ist eine vermutlich viele Menschen bewegende Frage, hat er doch die Weltgeschichte des 20. Jahrhunderts in vielen Verderben und Vernichtung bringenden Zügen beeinflusst oder gestaltet. Dementsprechend ist Timothy Rybacks Werk auf das Interesse verschiedener Gelehrter gestoßen. Leider hat der Verleger keine Möglichkeit gesehen, ein Rezensionsexemplar zur Verfügung zu stellen, so dass der Herausgeber hilfsweise mit einigen Zeilen auf das Buch hinweisen muss.
Der an der Harvard University, am Salzburg Seminar (1990) und zuletzt an der Académie Diplomatique Internationale in Paris tätige Verfasser beginnt seine Studie mit dem Hinweis, dass Hitler nach eigenen Angaben mindestens ein Buch pro Nacht las oder anlas, und kommt im Laufe seiner Betrachtungen zu dem Ergebnis, dass Hitler ein unsystematisch vorgehender Sammler war, der seine einst etwa 16000 Bände umfassende Buchsammlung niemals in die Hände eines ausgebildeten Bibliothekars gab. Am Ende seines Lebens hatte er Bestände in Berlin, München und auf dem Obersalzberg, von denen allerdings kein vollständiger Katalog vorhanden ist, aber mehr als 1200 Stücke in der Library of Congress der Vereinigten Staaten von Amerika aufbewahrt sind.
In neun Kapiteln schreitet der Verfasser vom Jahre 1915 bis zum Jahre 1945 voran. Auf diesem Wege begegnen beispielsweise Goethe, Shakespeare, Osborn, Adolf Meyer, Peer Gynt, Anton Drexler, Ernst Jünger, Fichte, Hans F. K. Günther, Moeller van den Bruck (nicht Moeller von den Bruck), Alois Hudal, Alfred Rosenberg, Geheime Wissenschaften des 17. Jahrhunderts, Max Riedel, Hugo Rochs, Heigls’ (nicht Hiegl’s) Taschenbuch der Tanks und Historien vom alten Fritz in anschaulicher Hervorhebung neben vielem Anderen. Zwar gelingen dem Verfasser dam |
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Sauer, Barbara/Reiter-Zatloukal, Ilse, Advokaten 1938 - Das Schicksal der in den Jahren 1938 bis 1945 verfolgten österreichischen Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte, hg. v. Verein zur Erforschung der anwaltlichen Berufsgeschichte der zwischen 1938 und 1945 diskreditierten Mitglieder der österreichischen Rechtsanwaltskammern. Manz, Wien 2010. 386 S. Besprochen von Werner Schubert. |
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Mit dem vorliegenden Werk werden in Kurzbiographien alle verfolgten österreichischen Rechtsanwälte erfasst, die in der NS-Zeit aufgrund ihrer jüdischen Herkunft (1830 Rechtsanwälte) oder aus politischen und sonstigen Gründen (89 Rechtsanwälte) ihre Zulassung zur Advokatur verloren. Das Werk geht zurück auf einen Beschluss des Österreichischen Rechtsanwaltskammertages im Jahre 2008, in dem auch der im Buchtitel genannte Verein begründet wurde. Erarbeitet wurde das Werk von Ilse Reiter-Zatloukal (Institut für Rechts- und Verfassungsgeschichte an der Universität Wien) und der Historikerin Barbara Sauer (S. 14). Im ersten Einleitungsteil beschreibt Reiter-Zatloukal die österreichische Rechtsanwaltschaft von 1918 bis 1938 (S. 1-31). Nach einem Abschnitt über den Antisemitismus seit dem Fin de siècle behandelt sie die schlechte wirtschaftliche Lage der Anwaltschaft in der Ersten Republik und unter dem Austrofaschismus, deren Organisation und Berufsausübung sowie die „Anwälte in öffentlichrechtlichen Funktionen“. Seit 1851 bestanden in Österreich Rechtsanwaltskammern; seit 1869 war die freie Advokatur gewährleistet, die in Preußen erst 1879 mit der Reichsrechtsanwaltsordnung eingeführt wurde. Erste Eingriffe in die Standesautonomie fanden bereits 1935 statt (S. 25). Mit dem „Anschluss“ Österreich an das Deutsche Reich wurde die deutsche Gesetzgebung zur Rechtsanwaltschaft inhaltlich sukzessive eingeführt (Texte S. 28 im Beitrag von Sauer).
Seit einer Verordnung vom 31. 3. 1938 konnte der Reichsjustizminister jüdischen Rechtsanwälten und Verteidigern in Strafsache |
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Schaller, Karlheinz, Fabrikarbeit in der NS-Zeit. Arbeiter und Zwangsarbeiter in Chemnitz 1933-1945. Verlag für Regionalgeschichte, Gütersloh 2011. 175 S., 51 sw. Abb. Besprochen von Gerhard Köbler. IT |
Ganzen Eintrag anzeigen Schaller, Karlheinz, Fabrikarbeit in der NS-Zeit. Arbeiter und Zwangsarbeiter in Chemnitz 1933-1945. Verlag für Regionalgeschichte, Gütersloh 2011. 175 S., 51 sw. Abb. Besprochen von Gerhard Köbler.
Das Werk ist der vierte Band des Geschichtsprojekts der Chemnitzer Verwaltungsstelle der IG Metall. Verfasst ist es von dem langjährigen Bearbeiter der Geschichte der Chemnitzer Arbeiterschaft, der sich 2001 mit der Geschichte der Chemnitzer Arbeiterschaft vom Ende des 18. Jahrhunderts bis zum ersten Weltkrieg, 2003 mit der Zeit vom ersten Weltkrieg bis zur Inflation und 2007 unter dem Stichwort Sechstagerennen mit dem Alltag Chemnitzer Fabrikarbeiter in der Weimarer Republik befasst hat. Damit ist auf der Grundlage vielfältiger, dichter Quellen des sächsischen Staatsarchivs Chemnitz, des Stadtarchivs Chemnitz und des Chemnitzer Industriemuseums eine beeindruckende Geschichte der Arbeit in Chemnitz von der Industrialisierung bis zum Ende des zweiten Weltkriegs vorgelegt.
Der Verfasser beginnt nach einem kurzen Geleitwort mit Hakenkreuzen über Chemnitz und schließt daran die nationalsozialistische Arbeitsordnung samt der Betriebsgemeinschaft in der Praxis, die Risse wie Kitt aufweist, an. Von hier aus geht er zur Arbeitsordnung im zweiten Weltkrieg über und schildert den Wandel der Belegschaftsstruktur im Wege des Ersatzes von Stammbelegschaften durch Zwangsarbeiter. Am Ende wendet er sich dem von Denunziation, Verrat und Solidarität sowie Verfall der Arbeitsdisziplin gekennzeichneten Fabrikalltag im Krieg zu.
Im Ergebnis ermittelt er eine absolute Verfügungsgewalt über die Arbeitskräfte anstrebende Arbeitsordnung, mit welcher der Verfasser eine skrupellose, in vielem verbrecherische Maschinerie verbindet. Trotz aller Bemühungen unterlief der Arbeitsalltag dieses System aber an vielen Stellen, so dass erhebliche Widersprüche zu den Zwängen der industriellen Produktion entstanden. Möge diese interessante, durch Abbildungen und ein |
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Scharnhop, Christopher, Das Lüneburger Notariat im 19. Jahrhundert. Eine Untersuchung zum öffentlichen Notariat unter besonderer Berücksichtigung der Notariatsinstrumente. Berliner Wissenschaftsverlag, Berlin 2011. XXI, 375 S. Besprochen von Werner Schubert. |
Ganzen Eintrag anzeigen Scharnhop, Christopher, Das Lüneburger Notariat im 19. Jahrhundert. Eine Untersuchung zum öffentlichen Notariat unter besonderer Berücksichtigung der Notariatsinstrumente. Berliner Wissenschaftsverlag, Berlin 2011. XXI, 375 S. Besprochen von Werner Schubert.
Regionalgeschichtliche Untersuchungen über das Notariat insbesondere für das 19. Jahrhundert gehören noch immer zu den Desiderata der rechtshistorischen Forschung. Es ist deshalb zu begrüßen, dass Scharnhop sich in seiner Hamburger Dissertation dieser Thematik für das Lüneburger Notariat angenommen hat. Hierbei konnte er auf eine breite, wenn auch wegen der Kriegsverluste reduzierte Quellengrundlage zurückgreifen. Insgesamt sind 258 Jahrgänge von Notariatsinstrumenten von 18 (der insgesamt 44) Lüneburger Notare aus dem Untersuchungszeitraum überliefert. Insbesondere sind die Urkundenoriginale aus der französischrechtlichen Zeit fast vollständig erhalten geblieben.
Im ersten Teil seines Werks stellt Scharnhop die für das Notariat im 19. Jahrhundert allgemeinen historischen und rechtlichen Entwicklungen dar (S. 21-91). Öffentliche Notare lassen sich für Lüneburg ab 1352 nachweisen (S. 23). Seit 1705 bildete Lüneburg einen Teil des Großherzogtums Hannover und war somit dem Oberappellationsgericht Celle unterworfen. Die Oberappellationsgerichtsordnung von 1713 verlangte von den durch die Hofpfalzgrafen kreierten Notaren außer einer Prüfung die Immatrikulation am Celler Obergericht. Das Notariat war in der Regel mit der Advokatur verbunden (1803: 8 Notare in Lüneburg). 1810 wurde das Notariatsrecht des Königreichs Westphalen, 1811 das französische Notariatsrecht (Ventôse-Gesetz von 1803) eingeführt, was zur Etablierung des Nurnotariats und zu einer erheblichen Verringerung der Zahl der Notare führte (Nachweise S. 324ff.). 1814/15 wurde der alte Rechtszustand mit Weitergeltung der Reichsnotarordnung von 1512 wiederhergestellt. Eine Verordnung von 1822 untersagte die Kreierung von Nota |
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Schätz, Harald, Die Aufnahmeprivilegien für Waldenser und Hugenotten im Herzogtum Württemberg. Eine rechtsgeschichtliche Studie zum deutschen Refuge (= Veröffentlichungen der Kommission für geschichtliche Landeskunde in Baden-Württemberg, Reihe B Forschungen 177). Kohlhammer, Stuttgart 2010. XXVIII, 448 S. Besprochen von Gerhard Köbler. IT |
Ganzen Eintrag anzeigen Schätz, Harald, Die Aufnahmeprivilegien für Waldenser und Hugenotten im Herzogtum Württemberg. Eine rechtsgeschichtliche Studie zum deutschen Refuge (= Veröffentlichungen der Kommission für geschichtliche Landeskunde in Baden-Württemberg, Reihe B Forschungen 177. Kohlhammer, Stuttgart 2010. XXVIII, 448 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Die durch Bilder der 1721 erbauten Kirche von Pinache und des Wappens der Waldenser geschmückte, durch verschiedene Abbildungen veranschaulichte Arbeit ist die von Michael Stolleis und Barbara Dölemeyer betreute, in Frankfurt am Main im Frühjahr 2007 angenommene und am 7. Mai 2007 verteidigte rechtswissenschaftliche Dissertation des Verfassers. Auf der Grundlage der einschlägigen Literatur behandelt sie in detaillierter Analyse und zeitlicher Reihenfolge insgesamt die Quellen der Privilegien-Projekte von 1685 und 1687/1688 (Waldenser) und der Privilegien von 1698, 1699 und 1700. Betroffen sind nach der knappen Einleitung etwa 3000 Menschen, die in das Herzogtum Württemberg zuwanderten (zum durch den Verfasser gebotenen Vergleich Brandenburg-Preußen 18000-20000, Hessen-Kassel 3800-4000, Südhessen 3500-4000, Franken 3500-4000, Kurpfalz vorübergehend etwa 3400, Braunschweig 2500, Hansestädte 1500, Baden-Durlach 500, Kursachsen 250, von den 160000-170000 französischen Reformierten [ungefähr ein Fünftel ihrer Gesamtheit], die im Zuge der Glaubensverfolgung ins Exil gingen, kamen zwischen 1680 und 1730 etwa 40000 in die deutschen Territorien).
Zu Beginn erläutert der Verfasser das im Titel verwendete Refuge als die Gesamtheit der Asylländer französisch-reformierter Konfessionsimmigranten. Danach schildert er Erkenntnisinteressen, Forschungsstand und Methode. Dabei erläutert er überzeugend die bisher noch bestehende, von ihm dann geschlossene Forschungslücke.
Augsangspunkt für seine Problematik ist der Widerruf des Edikts von Nantes Heinrichs IV. von Frankreich vom 13, April 1598 durch Ludwig XIV. a |
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Scheibelreiter, Georg, Die Babenberger. Reichsfürsten und Landesherren. Böhlau, Wien 2010. 416 S. Besprochen von Werner Augustinovic. |
Ganzen Eintrag anzeigen Scheibelreiter, Georg, Die Babenberger. Reichsfürsten und Landesherren. Böhlau, Wien 2010. 416 S. Besprochen von Werner Augustinovic.
Obwohl das Geschlecht der Babenberger die Grundlagen der Herrschaft Österreich schuf, bevor in ihrer Nachfolge die Dynastie der Habsburger das Land über mehr als sechs Jahrhunderte beherrschen und sich damit auch in der Erinnerungskultur eine überragende Exklusivstellung sichern sollte, existiert wohl zu einzelnen herausragenden Persönlichkeiten eine umfangreichere Literatur, um Gesamtdarstellungen ist es hingegen weniger gut bestellt. Zu verweisen ist in diesem Zusammenhang nur auf die mehrfach aufgelegte, aber bereits 35 Jahre alte Monographie Karl Lechners („Die Babenberger. Markgrafen und Herzöge in Österreich 976-1246“) aus dem Jahr 1976. Es ist daher hoch an der Zeit und kann nur begrüßt werden, dass sich mit Georg Scheibelreiter, Professor für mittelalterliche Geschichte und historische Hilfswissenschaften an der Universität Wien und Mitglied des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung, ein Experte des Themas wiederum angenommen hat und dieses auf dem Stand der Forschung und auf einem hohen sprachlichen Niveau zur Darstellung bringt.
Der Verfasser sieht seine Aufgabe dabei nicht darin, seine Leser „mit Wissen um mittelalterliche Fürsten und mittelalterliche Ereignisse gleichsam zu durchtränken, um sie zuletzt verunsichert zurückzulassen“; stattdessen bemühe er sich, „den in modernen Kategorien denkenden und in modernen Wertvorstellungen befangenen, weitgehend säkularisierten Menschen von heute […] eine andere, fremde, aber ebenso fragwürdige Welt“ vor Augen zu führen, „in der sich der Mensch bewähren musste, ohne die vielen Hilfsmittel unserer Tage, aber mit der Kraft und Ausdauer gebenden Überzeugung von der persönlichen Durchsetzungsfähigkeit, dem Wissen um den Rückhalt in Sippe und Verwandtschaft, dem Glauben an die sinnvolle Ordnung des Sichtbaren als eigentümlicher Grundlage der |
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Scheifele, Angelika, Zivilprozessrecht in Baden 1803-1864 (Elektronische Ressource. Entwicklung des Zivilprozessrechts und der Stellung des Zivilrichters im Verfahren - Darstellung und Erklärungsansätze. Diss. jur. Konstanz 2008. urn:nbn:de:bsz:352-opus-73317). Besprochen von Gerhard Köbler. IT |
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Die Arbeit ist die von Hans-Wolfgang Strätz betreute, am 10. Juli 2008 vom Fachbereich Rechtswissenschaft der Universität Konstanz angenommene Dissertation der Verfasserin. Sie betrifft einen wichtigen Ausschnitt aus der partikularen deutschen Zivilprozessrechtsgeschichte des 19. Jahrhunderts. Für sie hatte sich früh ein ausgezeichneter Sachkenner interessiert, der aber nach Kenntnis der Veröffentlichungsart die weitere Kenntnisnahme unterließ, so dass der Herausgeber auf Grund eines ausgeliehenen Ausdrucks mit einigen Worten auf die Studie hinweisen darf.
Die Verfasserin gliedert ihre anerkennenswerte Arbeit in vier Teile und ein Literaturverzeichnis. Nach Schilderung des Forschungsstands beschreibt sie knapp und klar den historischen Kontext von Staat, Verwaltung, Gerichtsorganisation und Zivilprozess. Im Hauptteil untersucht sie sorgfältig die Entwicklung der Prozessgesetze (1752, 1803, 1831, 1851, 1864) in Bezug auf Zuständigkeit, Gerichtsverfassung, Prozessgrundsätze, Verfahrensgestaltung, Beweisverfahren, Beweismittel, Beweisregeln, Beweiswürdigung, Urteil und Rechtsmittel.
Im Ergebnis stellt sie einleuchtend fest, dass sich das Prozessrecht im 19. Jahrhundert in allgemeinen Merkmalen und einzelnen Details vom gemeinrechtlichen zum modernen Prozess entwickelte. Hinsichtlich der Erklärung entscheidet sie sich gegen eine politische Deutung und für eine systemtheoretische Deutung. Dabei nimmt sie abschließend an, dass in einer Zeit gesellschaftsstrukturellen Umbruchs die tatsächlichen Einflussmöglichkeiten der Gesetzgeber auf den Prozess und das Rechtssystem im Einzelnen geringer waren als die Wechselwirkungen des gesetzten Rechtes |
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Scheller, Benjamin, Memoria an der Zeitenwende. Die Stiftungen Jakob Fuggers des Reichen vor und während der Reformation (ca. 1505-1555) (= Veröffentlichungen der schwäbischen Forschungsgemeinschaft, Reihe 4, 28 = Studien zur Fuggergeschichte 37 = Stiftungsgeschichten 3). Akademie, Berlin 2004. 350 S. Besprochen von Gerhard Köbler. IT |
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Jakob Fugger von der Lilie wurde in Augsburg am 6. März 1459 als Sohn des gleichnamigen Kaufmanns Jakob Fugger des Älteren geboren, wurde ab 1473 in Venedig ausgebildet, war zugleich Kleriker und bestimmte seit 1487 die Geschäftspolitik des Handelshauses Fugger. Zwischen 1495 und 1525 war er der bedeutendste Kaufmann Europas.
Berühmt wurde er dauerhaft vor allem durch seine Stiftungen. Sie betrafen vor allem die Grabkapelle bei St. Anna, die Prädikatur bei St. Moritz und die Armensiedlung Fuggerei in der östlichen Vorstadt. Sie sind der sorgfältig untersuchte Gegenstand der Arbeit des Verfassers, die er nach einer Einleitung in drei chronologisch geordnete Teile gliedert.
Dabei beginnt er mit den Stiftungen Jakob Fuggers bis 1521, schließt deren Schicksal in der unruhigen und schwierigen Reformationszeit bis 1547/1548 an und beendet seine Darstellung mit der Zeit zwischen 1548 und 1555. Sein vorrangiges Ziel, neben einer Gesamtdarstellung unter dem Gesichtspunkt der Stiftungswirklichkeit zu zeigen, dass die Verflechtung von Sozialgeschichte und Kulturgeschichte, Mikrogeschichte und Makrogeschichte neue Erkenntnisse ermöglicht, hat er ansprechend erreicht. Alle drei Stiftungen bestehen heute noch, wenngleich nur die Stiftung der Fuggerei niemals unterbrochen wurde, so dass nach der abschließenden Ansicht des Verfassers weitere Geschichten von Abbruch, Wiederbeginn und Wandel des menschlichen Wunsches nach Gedenken und Gegenwart unter den Lebenden über den Tod (Jakob Fuggers in Augsburg am 30. Dezember 1525) hinaus bis in die Jetztzeit geschrieben werden könnten.
Innsbruck |
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Schieder, Wolfgang, Der italienische Faschismus 1919-1945. Beck, München 2010. 127 S. Besprochen von Christoph Schmetterer. |
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Wolfgang Schieder beginnt seine Geschichte des italienischen Faschismus mit einer Analyse von dessen Entstehungsbedingungen. Hier nennt er drei Faktoren: den italienischen Nationalismus, die Besonderheiten des italienischen Parteiensystems unmittelbar nach dem 1. Weltkrieg (Liberale, Sozialisten und Katholiken konnten jeweils nicht alleine regieren, waren aber auch nicht koalitionsbereit) und die Umstellungsschwierigkeiten von der Kriegs- auf die Friedenswirtschaft.
Für die Zeit von 1919 bis 1922 behandelt Schieder den Faschismus als politische Bewegung. Er beschreibt zwei Wurzeln des Faschismus, nämlich einerseits die fasci in den Städten und andererseits den ländlichen Agrarfaschismus. Erst durch die Kombination beider Elemente konnte der Faschismus zur Massenbewegung werden. Benito Mussolini wurde spätestens auf dem Parteitag von 1922 der eindeutige Anführer (duce) der Faschisten. Er setzte, um an die Regierung zu gelangen, eine bewusste Doppelstrategie ein, indem er einerseits immer seine persönliche Verfassungstreue betonte, andererseits aber stets die Drohung eines Putsches durch die gewaltbereiten Faschisten aufrecht erhielt. Mit dieser Doppelstrategie gelang ihm auch die tatsächliche Übernahme der Regierung, indem er sich selbst als möglichen Ministerpräsidenten für eine Koalitionsregierung darstellte, gleichzeitig aber mit dem Marsch auf Rom drohte. Tatsächlich war die erste Regierung Mussolini eine breite Koalitionsregierung, in der nur fünf (wenn auch zentrale) von fünfzehn Ressorts von Faschisten besetzt waren.
Für die Jahre von 1922 bis 1929 beschreibt Schieder die schrittweise Entwicklung einer faschistischen Diktatur. Noch 1922 konnte Mussolini ein (zunächst befristetes) Ermächtigungsgesetz und ein neues Wahlrecht durchsetzen, wobei letzteres die Partei mit der relativen Mehrheit überpro |
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Schild, Wolfgang, Folter, Pranger, Scheiterhaufen. Rechtsprechung im Mittelalter. Bassermann, München 2010. 192 S., zahlr. Abb. Besprochen von Reinhard Schartl. |
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Der Verfasser, Ordinarius für Strafrecht und Rechtsgeschichte in Bielefeld, hatte bereits mit dem in den achtziger Jahren des letzten Jahrhunderts in zwei Auflagen erschienenen Werk „Alte Gerichtsbarkeit“ die Strafrechtspraxis des Spätmittelalters und der frühen Neuzeit in Text und Bildern dargestellt. Nunmehr legt er eine neu geschriebene und konzipierte dritte Auflage vor, wobei er im Vorwort darauf hinweist, dass der geänderte Titel vom Vrlag vorgegeben worden sei. Dies bemerkt er nicht ohne kritischen Unterton, da mit den Schlagworten „Folter, Pranger und Scheiterhaufen“ zwar das Interesse des Lesers geweckt, der Inhalt des Buches jedoch nicht annähernd ausgeschöpft wird. Gleiches trifft auch für den Untertitel zu, der den behandelnden Zeitraum insofern verkürzt, als die Darstellung bis ins 17. Jahrhundert hineinreicht. Gleichfalls im Vorwort legt der Verfasser Wert auf die Feststellung, dass unsere Vorfahren jener Jahrhunderte nicht, wozu die zeitgenössischen Abbildungen verführen könnten, kindlich naiv aufzufassen seien, sondern denkende und handelnde, jedoch in ein anderes Weltbild eingebundene Subjekte waren. Das in fünf Kapitel gegliederte Buch, das sich nicht nur an den juristisch gebildeten Leser wendet, erläutert im ersten Kapitel das christlich-religiöse Rechtsverständnis. Hier weist der Verfasser auf die Gottbezogenheit des Rechts hin, die bereits in der bekannten Sachsenspiegelstelle „Gott ist selber recht(lich)“ ihren Ausdruck gefunden hat. Schild stellt aber ebenso klar, dass sich die Menschen nicht allein und primär auf die Bibel stützen konnten, weil die dortigen Vorschriften zu allgemein formuliert, oft in ihrem Inhalt umstritten waren und einer genaueren Bestimmung der irdischen Gesetzgeber bedurften. In der Praxis seien deshalb die menschlichen Gesetze in den Vo |
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Schmitt, Carl, „Solange das Imperium da ist“. Carl Schmitt im Gespräch mit Klaus Figge und Dieter Groh 1971, hg., kommentiert und eingel. v. Hertweck, Frank/Kisoudis, Dimitrios in Zusammenarbeit mit Giesler, Gerd. Mit einem Nachwort v. Groh, Dieter. Duncker & Humblot, Berlin 2010. 198 S. Besprochen von Bernd Rüthers. |
Ganzen Eintrag anzeigen Schmitt, Carl, „Solange das Imperium da ist“. Carl Schmitt im Gespräch mit Klaus Figge und Dieter Groh 1971, hg., kommentiert und eingel. v. Hertweck, Frank/Kisoudis, Dimitrios in Zusammenarbeit mit Giesler, Gerd. Mit einem Nachwort v. Groh, Dieter. Duncker & Humblot, Berlin 2010. 198 S. Besprochen von Bernd Rüthers.
Klaus Figge (1934, Redakteur beim Südwestfunk) und Dieter Groh (1932, Historiker) wurden 1971 von dem Staatsrechtslehrer Carl Schmitt zu einem ausführlichen Interview über seine Sicht der NS-Zeit empfangen. Schmitt war einer der sehr wenigen Rechtsprofessoren, denen in der Bundesrepublik die Rückkehr auf einen Lehrstuhl nach 1945 wegen ihres Engagements im Dienste des NS-Regimes nicht gelungen war. Figge und Groh lebten für das Interview mehrere Tage in Schmitts Haus in Plettenberg mit Schmitt zusammen. Aus dem umfangreichen Mitschnitt der Gespräche entstand eine etwa einstündige Sendung im Südwestfunk, die am 6. Februar 1972 ausgestrahlt wurde. Der Deutschlandfunk sendete sie am 16. Oktober 1972. Gedruckt wurde der Text bei Piet Tommissen, in: „Over en in zake Carl Schmitt“, Brüssel 1975.
Jetzt haben die Herausgeber Hertweck und Kisoudis (1981) die im häuslichen Rahmen von Schmitts „San Casciano“ bei Kerzenlicht, gemeinsamen Mahlzeiten und Moselwein geführten Gespräche nach den Tonbändern des SWR-Archivs originalgetreu in voller Länge publiziert. Sie gehen davon aus, dass es sich bei den Gesprächen um „ein auto-biographischen Dokument ersten Ranges“ handele. Es sei, so meinen sie, „in der Sicherheit des Schweigens“[1] geführt worden, „um ins unsichere Medium des Hörfunks eingespeist zu werden“ (S. 10). Schmitt wollte also nicht verschwiegen bleiben, er suchte, verbannt in die Isolation des Sauerlandes, die (schmerzlich entbehrte?) Öffentlichkeit. Der damals Dreiundachtzigjährige ergriff die Gelegenheit, noch einmal seine Sicht auf seinen Werdegang, seine Sicht der Rechtsentwicklung in der Weimarer und der NS-Zeit |
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Schmitz, Christian, Die Vorschläge und Entwürfe zur Realisierung des preußischen Verfassungsversprechens 1806–1819. Eine rechtliche Bilanz zum Frühkonstitutionalismus der Stein-Hardenberg’schen Reformzeit (= Beiträge zu Grundfragen des Rechts, Bd. 3). V&R unipress, Göttingen 2010. 461 S. Besprochen von Hans-Christof Kraus. |
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Der von Heinrich von Treitschke vor eineinhalb Jahrhunderten so bezeichnete „erste preußische Verfassungskampf“, die heftige Auseinandersetzung um das zuerst verkündete, später aber nicht mehr eingehaltene Verfassungsversprechen König Friedrich Wilhelms III., zählt zu den wichtigsten Themen der preußischen Geschichte des 19. Jahrhunderts. Aus der politischen Entwicklung des Vormärz und vor allem aus der Vorgeschichte der Revolution von 1848/49 ist dieser brisante politische Konflikt kaum fortzudenken. Insofern ist es auch nicht verwunderlich, dass bereits seit langem wichtige und z. T. auch materialreiche Arbeiten hierüber vorliegen; angefangen bei Adolf Stern und Paul Haake über Hans Haußherr und Ernst Walter Zeeden bis hin zu Ernst Rudolf Huber, Reinhart Koselleck und Herbert Obenaus. Tatsächlich hat sich Schmitz vorgenommen, in seiner rechtshistorischen (von Jörg-Detlef Kühne betreuten) Dissertation noch einmal im besten Sinne ad fontes zu gehen und besonders diejenigen Materialien in den heute wieder uneingeschränkt zugänglichen Beständen des früheren preußischen Staatsarchivs noch einmal genauer in den Blick zu nehmen, die bisher nur partiell oder auch gar nicht ausgewertet oder die in ihrer Bedeutung verkannt worden sind. So ist eine im besten Sinne mikrohistorisch vorgehende rechts- und verfassungsgeschichtliche Spezialstudie entstanden, in der nicht die einzelnen historischen Akteure im Mittelpunkt stehen, sondern, wie der Verfasser selbst im Vorwort sagt, „sämtliche Vorschläge und Entwürfe eine preußische Verfassung betreffend anhand einheitlicher Untersuchungspunkte“ (S. 9) eingehend und im Detail rekon |
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Schmitzberger, Johanna Gertrude, Das nationalsozialistische Nebenstrafrecht 1933 bis 1945 (= Rechtshistorische Reihe 376). Lang, Frankfurt am Main 2009. XVII, 404 S. Besprochen von Thomas Vormbaum. |
Ganzen Eintrag anzeigen Schmitzberger, Johanna Gertrude, Das nationalsozialistische Nebenstrafrecht 1933 bis 1945 (= Rechtshistorische Reihe 376). Lang, Frankfurt am Main 2009. XVII, 404 S. Besprochen von Thomas Vormbaum.
Mit ihrer von Arno Buschmann betreuten Dissertation bewegt die Verfasserin sich im Überschneidungsbereich zweier Themenfelder: der Entwicklung des Nebenstrafrechts und der nationalsozialistischen Gesetzgebung. Die Arbeit schließt an Werke an, mit denen in den vergangenen Jahren große Teile beider Felder bereits aufgehellt worden sind. So hat Robert Weber 1999 die Entwicklung des Nebenstrafrechts von 1871 bis 1914 dargestellt[1]. Das 1991 erschienene Werk Stefan Werners über „Wirtschaftsordnung und Wirtschaftsstrafrecht im Nationalsozialismus“ [2] geht sachlich und zeitlich weit über seine Themenstellung hinaus und behandelt auch zahlreiche Tatbestände des Nebenstrafrechts und Ordnungswidrigkeitenrechts vor 1933. Zur Gesetzgebung des Nationalsozialismus insgesamt liegt seit 2000 eine Dokumentation von Arno Buschmann vor[3], und Gerhard Werle hat bereits 1989 eine voluminöse Studie über Justiz-Strafrecht und polizeiliche Verbrechensbekämpfung im Dritten Reich vorgelegt, in deren Rahmen er alle wesentlichen Strafgesetze, die in der Zeit von 1933 bis 1945 ergangen sind, dargestellt und analysiert hat[4]. Es fehlte aber noch eine Darstellung, die sich ausschließlich und erschöpfend mit der Nebenstrafgesetzgebung des Nationalsozialismus befasste. Diese legt nun die Verfasserin vor.
Angesichts der erwähnten Vorläufer sind Überschneidungen, vor allem mit dem Werk Werles, unvermeidlich. Dennoch ist es verdienstlich, dass eine erschöpfende Darstellung dieses Bereichs für die Zeit der NS-Herrschaft nunmehr vorliegt, denn jede nähere Betrachtung zeigt, dass die über das 20. Jahrhundert hinweg sich vollziehende numerische und inhaltliche Expansion des Strafrechts nicht nur im Bereich der Kodifikation(en), sondern stärker noch im Nebenstrafrechts stat |
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Schmoeckel, Mathias, Rechtsgeschichte der Wirtschaft. Seit dem 19. Jahrhundert. Mohr (Siebeck), Tübingen 2008. XVII, 486 S. Besprochen von Siegbert Lammel. |
Ganzen Eintrag anzeigen Schmoeckel, Mathias, Rechtsgeschichte der Wirtschaft. Seit dem 19. Jahrhundert. Mohr (Siebeck), Tübingen 2008. XVII, 486 S. Besprochen von Siegbert Lammel.
Anlass für diese Darstellung war nach dem Vorwort das Studienprogramm für die Schwerpunktausbildung im Bereich Rechtswissenschaft an der Universität Bonn. Darin ist vorgesehen, dass für die Schwerpunktbereiche (2) Unternehmen, Kapitalmarkt und Steuern, (3) Wirtschaft und Wettbewerb sowie (4) Arbeit und soziale Sicherung jeweils die geschichtlichen Grundlagen des Europäischen Privatrechts unter spezieller Berücksichtigung des Schwerpunktthemas dargeboten werden sollen. Mangels entsprechender umfassender (Lehr-)Bücher entschloss sich Schmoeckel , sein Vorlesungsmanuskript auszuarbeiten und zu veröffentlichen. Thematisch sollten alle wirtschaftlich relevanten Rechtsmaterien erfasst werden, alles, was die Freiheit der Wirtschaftenden auf dem Markt betrifft (so im Vorwort). Als These sollte die prägende Kraft des Kaiserreichs zugrunde liegen, in dieser Zeit sei eine spezifisch deutsche Wirtschaftsordnung entstanden, eine dominierende Mitwirkung des Staates (so Vorwort S. VI). Dementsprechend werden - nach einführenden Teilen bis zur Entstehung des freien Marktes und dem Markt als Wirtschaftsprinzip – als Materien behandelt die Entwicklung des Handelsrechts, gewerblicher Rechtsschutz, Gesellschaftsrecht, Sozial- und Verwaltungsrecht, Kartellrecht, Steuerrecht, Arbeitsvertragsrecht, Tarifvertragsrecht, Recht der betrieblichen Mitbestimmung und schließlich das mit einem Fragezeichen versehenen Weltwirtschaftsrecht; abgeschlossen wird das ganze mit einem Resümee über die politischen Konzepte zur Rechtsordnung der Wirtschaft.
Nun kann man sicher sehr unterschiedlicher Auffassung darüber sein, ob „Wirtschaft“ erst mit der Industrialisierung im 19. Jahrhundert begonnen hat. Dazu bedarf es aber einer Klärung des Ausgangspunktes, ob Wirtschaft oder Wirtschaftsrecht genommen wird. Auch die Au |
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Schmuhl, Elisabeth, Richard Loening (1848-1913) - Ein Strafrechtsgelehrter der „historischen Schule“ - Leben und Werk (= Jenaer Schriften zum Recht 44). Boorberg, Stuttgart 2011. XIII, 189 S. Besprochen von Ralf Lunau. |
Ganzen Eintrag anzeigen Schmuhl, Elisabeth, Richard Loening (1848-1913) - Ein Strafrechtsgelehrter der „historischen Schule“ - Leben und Werk (= Jenaer Schriften zum Recht 44). Boorberg, Stuttgart 2011. XIII, 189 S. Besprochen von Ralf Lunau.
Das „goldene Zeitalter der Sicherheit“ nannte Stefan Zweig jene Epoche vor dem Ersten Weltkrieg, die Biographien wie die Richard Loenings ermöglichte: Bildungsbürger zwischen selbstverständlicher Teilnahme am Feldzug 1870/1871 und Gedichtdeklamationen auf Wanderungen in der Natur, Jude zwischen Emanzipation – wenn auch um den Preis von Assimilation und Konversion – und Antisemitismus im Alltag, Jurist zwischen Paulskirchenverfassung, Historischer Schule und Ernennung zum Geheimen Rat. Die Autorin widmet ihre Arbeit dem Leben dieses Mannes, das schon wegen des Geburts- und Sterbejahres wie eine idealtypische Periodisierung wirkt und aufschlussreiche Fakten zur Entwicklung der bürgerlichen Gesellschaft in Deutschland von der gescheiterten Revolution 1848 bis zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs verspricht. Darüber hinaus erinnert sie an einen Gelehrten, der zuweilen aus dem Blick gerät wegen der Aufmerksamkeit, die seinem Vater geschenkt wird, dem bedeutenden Verleger des deutschen Vormärz und Gründer des Verlages Rütten & Loening, sowie seinem Sohn Hellmuth Loening, dem Präsidenten des Thüringischen Oberverwaltungsgerichts, des ersten deutschen Oberverwaltungsgerichts, das nach dem Untergang des Nationalsozialismus seine Tätigkeit aufnahm. Die Autorin stellt diese und andere familiäre Verbindungen in ihrer Arbeit ausdrücklich her und gestattet einen exemplarischen Einblick in eine liberale Denktradition, die sich selbst weniger an programmatische Leitlinien bindet, denn als eine Art innere Aristokratie in die Pflicht nimmt. Insofern trägt die Arbeit zu recht den Untertitel Leben und Werk.
Das erste Kapitel der Arbeit widmet sich unter der Überschrift „Vita und Universität Jena“ neben der familiären Herkunft und dem B |
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Schneider, Silke, Verbotener Umgang. Ausländer und Deutsche im Nationalsozialismus. Diskurse um Sexualität, Moral, Wissen und Strafe (= Historische Grundlagen der Moderne 2). Nomos, Baden-Baden 2010. 308 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen Schneider, Silke, Verbotener Umgang. Ausländer und Deutsche im Nationalsozialismus. Diskurse um Sexualität, Moral, Wissen und Strafe (= Historische Grundlagen der Moderne 2). Nomos, Baden-Baden 2010. 308 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Die Arbeit ist die von Peter Steinbach betreute und am Arbeitsbereich Historische Grundlagen der Politik am Otto-Suhr-Institut für Politikwissenschaft den institutionellen Rahmen und das forschungspolitische Umfeld findende, im Juli 2008 vom Fachbereich Politik und Sozialwissenschaft der Freien Universität Berlin angenommene Dissertation der Verfasserin. Sie ist durch einen Ausschnitt aus Frau und Mutter. Lebensquell des Volkes, hg. v. Hagemeyer (1943) veranschaulicht. Sie nimmt einen zwar bekannten, aber bisher wenig beachteten Gegenstand in den Mittelpunkt ihrer Betrachtung und gliedert sich in insgesamt sieben Sachabschnitte.
Zunächst leitet die Verfasserin in die Umgangsdelikte ein und beschreibt Fragestellung, Vorgehen und Aufbau ihrer Arbeit. Vertieft nimmt sie unter der Frage Diskurse in der Diktatur zur Methode Stellung. Danach untersucht sie die völkisch-nationale Literatur (Ferdinand Hoffmann, Ratgeber und Broschüren), juristische Schriften, „kodifizierte“ Umgangsverbote in Gesetzen, Verordnungen, Befehlen und vor Gericht sowie schließlich die Berichte des Sicherheitsdienstes.
Im Ergebnis bejaht sie den diskursanalytischen Zugriff nach dem Vorbild Michel Foucaults. Durch ihre Untersuchung macht sie zugleich den Einfluss historisch sich ändernder Wissensordnungen auf Politik und Bevölkerungsverhalten im Nationalsozialismus sichtbar. Als Ursachen der menschenrechtswidrigen, nur bedingt erfolgreichen Kriminalisierung bestimmten Umgangs ermittelt sie ansprechend die rassenpolitische bzw. rassenhygienische Ausrichtung der nationalsozialistischen Politik, die Verknüpfung privatrechtlicher mit strafrechtlichen Folgen und schließlich die verschärfenden Bedingungen des Krieges, so dass sie |
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Schönfelder, Heinrich, Deutsche Gesetze. Gebundene Ausgabe I/2011. Beck, München 2011. 4256 S. Besprochen von Gerhard Köbler. IT |
Ganzen Eintrag anzeigen Schönfelder, Heinrich, Deutsche Gesetze. Beck, München 2011. 4256 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Heinrich Schönfelder stammt nicht nur von einem schönen Feld, sondern hat auch sein eigenes Feld schön bestellt. Obwohl der in Nossen in Sachsen am 16. Juli 1902 als Sohn eines Wäschefabrikanten geborene, nach dem Studium der Rechtswissenschaft in Tübingen und Leipzig mit einer Dissertation über die italienische Wahlrechtsreform des Jahres 1923 promovierte Burschenschaftler in seiner fünfzehnjährigen Berufslaufbahn nur zum Amtsgerichtsrat und Kriegsgerichtsrat aufstieg, hatte er die außerordentlich erfolgreichen Ideen einer praktikablen Sammlung deutscher Gesetze und einer Reihe, mit der jeder Student selbst sein Wissen prüfen können sollte. Beides hat über lange Zeit Deutschlands Juristen sichtlich geprägt, für die der sehr rote Schönfelder gewissermaßen zum leuchtenden Kennzeichen wurde.
Seine ersten deutschen Reichsgesetze führen ein Vorwort aus dem Jahre 1931 und sind 1932 erstmals erschienen. In den Jahren, in denen Geld knapp und Zeit vorhanden war, wurden sie auf Grund der relativen Beständigkeit des Rechts ab der vierten Auflage des Jahres 1935 in eine kostensparende aber pflegeintensive Loseblattausgabe umgewandelt, deren Auflagenzahl in die Hunderttausende reichen dürfte. 80 Jahre nach dem ersten Vorwort kehrt der Verlag ohne Angabe von Gründen wieder zur ursprünglichen Form zurück, neben der die Loseblattausgabe „weiterhin lieferbar“ ist.
Die gebundene Ausgabe entspricht in Inhalt und Systematik dem hergebrachten Stand. Ob und wie weit sie bei reichlich Geld und wenig Zeit die Loseblattausgabe ersetzen oder verdrängen wird, muss sich noch wohl auch für den Verlag erst noch erweisen. Trotz aller Vorzüge der Digitalisierung sei dem in Canossa/Provinz Massa Carrara am 3. Juli 1944 kurz vor Vollendung des zweiundvierzigsten Lebensjahrs bei einem Partisanenangriff um sein Leben gekommenen Heinrich Schönfelder gewünscht |
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Schorn-Schütte, Luise, Konfessionskriege und europäische Expansion. Europa 1500-1648 (= beck’sche reihe). Beck, München 2010. 276 S. Besprochen von Gerhard Köbler. IT |
Ganzen Eintrag anzeigen Schorn-Schütte, Luise, Konfessionskriege und europäische Expansion. Europa 1500-1648 (= beck’sche reihe). Beck, München 2010. 276 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Im Rahmen der vom Verlag C. H. Beck organisierten Geschichte Europas in zehn Bänden ist der vierte Band von Luise Schorn-Schütte bearbeitet. Die in Osnabrück 1949 geborene, nach dem Studium der Rechtswissenschaft, Geschichtswissenschaft und Politikwissenschaft in Göttingen, Marburg an der Lahn und Münster 1981 mit ihrer Dissertation über Karl Lamprecht - Kulturgeschichtsschreibung zwischen Wissenschaft und Politik promovierte, danach als Hochschulassistentin in Osnabrück und Gießen tätige, 1992 mit der Schrift über evangelische Geistlichkeit der Frühneuzeit - deren Anteil an der Entfaltung frühmoderner Staatlichkeit und Gesellschaft, dargestellt am Beispiel des Fürstentums Braunschweig-Wolfenbüttel, der Landgrafschaft Hessen-Kassel und der Stadt Braunschweig habilitierte, 1993 nach Potsdam und 1998 für neuere allgemeine Geschichte unter besonderer Berücksichtigung der frühen Neuzeit nach Frankfurt am Main berufene Verfasserin ist dafür bestens ausgewiesen. Dass ihr Werk nicht die gesamte frühe Neuzeit umfasst, ist durch die Verlagsplanung vorgegeben.
Gegliedert ist das Taschenbuch in insgesamt sieben Teile. Nach dem Zeit, Raum, Wirtschaft, Recht und Religion behandelnden Prolog zu Europa um 1500 behandelt die Verfasserin sachkundig und klar die Verfassung und soziale Ordnung mit dem König an der Spitze, das Verhältnis von Religion und Politik mit der Frage, ob die Reformation als Umbruch verstanden werden kann, die europäischen Konfessionskonflikte seit der Mitte des 16. Jahrhunderts bis zum Dreißigjährigen Krieg, Lebensphasen wie Kindheit, Jugend, Ehe und Alter, Lebensformen wie Bildung, Regionalität und Konfession und schließlich weit ausgreifend die Anfänge europäischer Kolonialbildungen mit einem Schwergewicht auf Nordamerika. Der Epilog zieht danach eine zweite Bila |
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Schraten, Jürgen, Die kollektive Erinnerung von Staatsverbrechen - eine qualitative Diskursanalyse über die parlamentarische Bewertung der SED-Diktatur. Nomos, Baden-Baden 2007. 182 S. Besprochen von Gerhard Köbler. IT |
Ganzen Eintrag anzeigen Schraten, Jürgen, Die kollektive Erinnerung von Staatsverbrechen - eine qualitative Diskursanalyse über die parlamentarische Bewertung der SED-Diktatur. Nomos, Baden-Baden 2007. 182 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Die Arbeit ist die von dem 1946 geborenen Soziologen Helmut Dubiel betreute Gießener Dissertation des Verfassers. Sie will sechzehn Jahre nach dem Beitritt der Deutschen Demokratischen Republik zum Staatsgebiet der Bundesrepublik Deutschland eine Antwort auf die Frage geben, auf welcher Grundlage zwei über Jahrzehnte gegensätzlich geprägte und in expliziter Abgrenzung zueinander entwickelte Gesellschaften in einem demokratischen Staatswesen kollektive Handlungen legitimieren können. Dabei fragt der Verfasser danach, wie parlamentarisches Handeln, das vor der Bevölkerung der gesamtdeutschen Bundesrepublik als gerechtfertigt gelten kann, unter diesen oberflächlich konfliktträchtig erscheinenden Voraussetzungen möglich ist.
Der Verfasser gliedert seine schlanke Untersuchung nach einer Einleitung über die deutsche Einheit als Problemstellung demokratischer Legitimation in drei Teile, von denen die Diskursanalyse der debatten (!) der Enquete-Kommission „Aufarbeitung von Geschichte und Folgen der SED-Diktatur in Deutschland“ und „Überwindung der Folgen der SED-Diktatur im Prozess der deutschen Einheit“ am Beginn steht und in 7 Unterpunkte geteilt das Schwergewicht bildet. Dem schließt sich die Betrachtung der Logik der Argumentationen in den Debatten der Enquete-Kommission an. Am Ende behandelt der Verfasser die vollständige Delegitimierung der sozialistischen DDR-Vergangenheit im Zuge der Etablierung eines antitotalitären Konsenses.
Insgesamt kann der Verfasser auf der Grundlage eines etwa 20 Titel umfassenden Literaturverzeichnisses nach seiner Ansicht zeigen, dass die kritische Auseinandersetzung mit der eigenen Vergangenheit eine mögliche Quelle für die Herausbildung konsensualer normativer Hintergrundannahmen dar |
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Schreiber, Horst, Im Namen der Ordnung. Heimerziehung in Tirol, mit Beiträgen von Arora, Steffen/Plangger, Sascha/Seifert, Oliver/Schlosser, Hannes/Schönwiese, Volker (= transblick 6). StudienVerlag, Innsbruck 2010. 405 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen Schreiber, Horst, Im Namen der Ordnung. Heimerziehung in Tirol, mit Beiträgen von Arora, Steffen/Plangger, Sascha/Seifert, Oliver/Schlosser, Hannes/Schönwiese, Volker (= transblick 6). StudienVerlag, Innsbruck 2010. 405 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Die Erde ist voll von Vulkanen, in denen es beständig brodelt, aus denen die gefährliche Glut aber selten und dann überraschend zum Ausbruch kommt. Seit vielen Jahrhunderten gibt es zahllose Rechtsbrüche in der sich selbst mit dem Mantel der Nächstenliebe umhüllenden christlichen Kirche wie in zahlreichen anderen menschlichen Einrichtungen auch und doch bedurfte es eines einzelnen Bischofs gewissermaßen als Katalysator, bis die Hülle für einmal ein wenig stärker aufgerissen wurde und sexueller Missbrauch in Kirche und Heimen in Deutschland zumindest so lange Gegenstand öffentlicher Diskussion werden konnte, bis die Erregung erkaltete und das öffentliche Interesse sich wieder anderen neuen Themen zuwandte. Eine gewisse Auswirkung hatte diese unerwartete und vielfach unerwünschte Eruption auch in Österreich, wo plötzlich zumindest vereinzelt eine Erörterung über Heimerziehung möglich wurde.
Ergriffen wurde diese Chance von einer um den Zeithistoriker Horst Schreiber in Innsbruck versammelten Autorengruppe, der es gelang, Politiker für sich und ihr Anliegen zu gewinnen. Auf den Hinweis, dass in den geschlossenen Erziehungsheimen in Tirol eine systematische und strukturelle Missachtung der Menschenrechte in den Formen von Schlagen, Demütigen und Missbrauchen vor sich ging, richtete der zuständige Landesrat eine Steuerungsgruppe und eine Opferstelle des Landes ein, an die sich ehemalige Heimkinder wenden konnten. Wohl nur als kleine Spitze eines Eisbergs meldeten sich daraufhin 79 Betroffene mit ihren zwischen 1950 und 1985 gemachten beschämenden Erfahrungen, die sie im Namen der Ordnung hinnehmen mussten, ohne sich in irgendeiner menschenwürdigen Art und Weise dagegen wehren zu können.
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Schrenck-Notzing, Albert Freiherr von, Unerlaubte Bedingungen in letztwilligen Verfügungen (= Schriften zum bürgerlichen Recht 391). Duncker & Humblot, Berlin 2009. 132 S. Besprochen von Adrian Schmidt-Recla. |
Ganzen Eintrag anzeigen Schrenck-Notzing, Albert Freiherr von, Unerlaubte Bedingungen in letztwilligen Verfügungen (= Schriften zum bürgerlichen Recht 391). Duncker & Humblot, Berlin 2009. 132 S. Besprochen von Adrian Schmidt-Recla.
„Grundrechtskitsch“. Das Wort fällt auf S. 47 und es bleibt haften. Es liefert den Bezugsrahmen der leichten und doch mitten ins Herz des Erbrechts zielenden Studie Albert Freiherr v. Schrenck-Notzings, die als Passauer Dissertationsschrift angefertigt wurde. Dabei ist der Verfasser so klug gewesen, das Wort sich nicht ausdrücklich anzueignen, sondern es bei Josef Isensee zu entlehnen und durch das Zitat zu sprechen. Aber genau darum geht es ihm im Kern: Die Lehre von den unzulässigen Potestativbedingungen in einseitig errichteten Verfügungen von Todes wegen in Abgrenzung zur derzeit herrschenden Ansicht vom Prokrustesbett der Drittwirkung der Grundrechte zu befreien und anhand dem Privatrecht entnommener Prinzipien und Wertungen zu einer Lösung bei der Anwendung von § 138 Abs. 1 BGB auf diese Bedingungen zu gelangen. Auslöser der Untersuchung dürfte der unter preußischen Prinzen vor deutschen Gerichten geführte „Hohenzollern-Streit“ gewesen sein. Schon dadurch erhält die Studie ein rechtshistorisches Kolorit. Natürlich spannt der Verfasser den Bogen weiter und bezieht weitere klassische Streitlagen der Potestativbedingungen in die Betrachtung ein.
Der Autor beginnt seine Untersuchung, die ihren dogmatischen Schwerpunkt im ersten Teil („Schranken der Testiermacht“) hat, mit der Frage, ob Potestativbedingungen gegen § 2065 BGB verstießen und wendet sich dann der Frage nach dem Verstoß gegen § 134 und § 138 BGB zu. Bei der Prüfung des § 138 BGB bildet ein historischer Rückblick auf die von Friedrich Carl von Savigny, Georg Friedrich Puchta und Bernhard Windscheid vertretenen Positionen zur Streitfrage den ersten Schwerpunkt. v. Schrenck-Notzing hält sich hier nicht lange mit Vorreden und Einleitungen auf, sondern bezieht sich |
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Schulz, Gerhard, Mitteldeutsches Tagebuch. Aufzeichnungen aus den Anfangsjahren der SED-Diktatur 1945-1950, hg. v. Wengst, Udo (= Biographische Quellen zur Zeitgeschichte 25). Oldenbourg, München 2009. 269 S. Besprochen von Gerhard Köbler.. IT |
Ganzen Eintrag anzeigen Schulz, Gerhard, Mitteldeutsches Tagebuch. Aufzeichnungen aus den Anfangsjahren der SED-Diktatur 1945-1950, hg. v. Wengst, Udo (= Biographische Quellen zur Zeitgeschichte 25). Oldenbourg, München 2009. 269 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
In der letzten Nacht ist der erste Schnee gefallen, so beginnt in Mahlis zwischen Leipzig, Dresden und Chemnitz am 15. November 1945 das Tagebuch des am 24. August 1924 in Sommerfeld in der schlesischen Niederlausitz als Sohn des Leiters der dortigen Stadtwerke geborenen Gerhard Schulz, den der Gedanke an „unser gutes Haus, die warmen Stuben und die Geborgenheit daheim wehmütig stimmt und manches Mal Tränen in die Augen treten lässt“. Drei Tage später führt er aus: „Je öfter ich in unsere heutigen Zeitungen schaue, desto verlogener und falscher erscheinen mir die kommunistischen Parolen und Phrasen vom Nationalbewusstsein, Zusammengehörigkeitsgefühl des deutschen Volkes, von der Betonung des Eigentumsprinzips und der Ablehnung des bolschewistischen Kollektivgedankens. Die Kommunisten tarnen sich“.
Am 28. April 1950 hält er fest: „Wenn ich jemals gemeint habe, Bürokratie zu kennen, so bin ich in der letzten Woche eines Besseren belehrt worden“. Aber er ist jetzt Berliner Einwohner, genießt Asylrecht und ist Student der Freien Universität, freilich noch unter Vorbehalt. Hier wird er im Oktober 1952 mit der von Hans Herzfeld betreuten Dissertation über die deutsche Sozialdemokratie und die Entwicklung der auswärtigen Beziehungen vor 1914 promoviert und nach Wechseln an die Deutsche Hochschule für Politik und in die historische Abteilung des Instituts für politische Wissenschaft der Freien Universität (1955) im November 1960 über Verfassungspolitik und Reichsreform in der Weimarer Republik der Jahre 1919 bis 1930 unter der Betreuung durch Hans Herzfeld habilitiert.
In der kurzen Einleitung schildert sein Schüler Udo Wengst den weiteren Werdegang des von 1961/1962 bis zu seinem Tode im April 2 |
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Schulze, Hans K., Grundstrukturen der Verfassung im Mittelalter. Band 4 Das Königtum (= Urban Taschenbuch 464). Kohlhammer, Stuttgart 2011. 230 S. Besprochen von Gerhard Köbler. IT |
Ganzen Eintrag anzeigen Schulze, Hans K., Grundstrukturen der Verfassung im Mittelalter. Band 4 Das Königtum (= Urban Taschenbuch 464). Kohlhammer, Stuttgart 2011. 230 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Der bekannte Marburger Mediävist befasst sich seit langem mit den Grundstrukturen der Verfassung im Mittelalter. Deren erster Band betrifft Stammesverband, Gefolgschaft, Lehnswesen und Grundherrschaft und erschien 2004 in aktualisierter vierter Auflage. Der zweite Band behandelte Familie, Sippe und Geschlecht, Haus und Hof, Dorf und Mark, Burg, Pfalz und Königshof sowie die Stadt (3. verbesserte Auflage 2000).
1998 schritt der Verfasser zu Kaiser und Reich weiter. Der vierte, bereits 2004 angekündigte Band, mit dem die Reihe abgeschlossen werden soll, befasst sich mit wichtigen Aspekten der mittelalterlichen Königsherrschaft in systematischer Form. Er beruht nach Angabe des Verfassers auf einer Reihe von in Marburg in den letzten Semestern gehaltenen Vorlesungen und will die Möglichkeit bieten, verfassungsgeschichtliche und rechtsgeschichtliche Sachverhalte kennen zu lernen und sich mit geschichtswissenschaftlichen Fachbegriffen vertraut zu machen.
Das Taschenbuch beginnt mit Ursprung und Begriff des Königtums und erörtert danach die frühmittelalterlichen Grundlagen der Königsherrschaft, Thronfolge und Königswahl mit den Sonderfällen Regentschaft, Reichsverweserschaft und Reichsvikariat, den Königshof als Zentrum der (modern formulierten) Reichsregierung, das Reisekönigtum als (modern formulierter) Regierungsform, den (modern formulierten) Aktionsraum des fränkischen und deutschen Königtums, den Königsschatz und das Königsgut oder Reichsgut. Obwohl an sich jedes Kapitel in sich abgeschlossen ist und deshalb auch ohne Kenntnis der anderen Kapitel benutzt werden kann, empfiehlt der Verfasser doch zur Ergänzung des vierten Bandes die Benutzung des dritten Bandes. Wer insgesamt alle Bände der erfolgreichen Reihe sorgfältig zur Kenntnis nimmt, wird reich |
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Schulze, Renate, Justus Henning Böhmer und die Dissertationen seiner Schüler. Bausteine des Jus Ecclesiasticum Protestantium (= Jus Ecclesiaticum 90). Mohr (Siebeck), Tübingen 2009. X, 213 S. Besprochen von Arno Buschmann. |
Ganzen Eintrag anzeigen Schulze, Renate, Justus Henning Böhmer und die Dissertationen seiner Schüler. Bausteine des Jus Ecclesiasticum Protestantium (= Jus Ecclesiaticum 90). Mohr (Siebeck), Tübingen 2009. X, 213 S. Besprochen von Arno Buschmann.
Die vorliegende Studie, eine von Michael Stolleis betreute Frankfurter rechtsgeschichtliche Dissertation, ist einem Rechtsgelehrten gewidmet, der von Vielen als der Vater des evangelischen Kirchenrechts angesehen wird und der zu den wenigen Vertretern der von Savigny verachteten gemeinrechtlichen Jurisprudenz des 18. Jahrhunderts zählt, die vor seinen kritischen Augen Gnade fanden. Im Zentrum der Arbeit der Verfasserin steht Böhmers Rolle bei der Ausbildung des protestantischen Kirchenrechts und hier vor allem die Untersuchung seines kirchenrechtlichen Hauptwerkes „Jus Ecclesiasticum Protestantium“ und dessen Verhältnis zu den zahlreichen kirchenrechtlichen Dissertationen, die unter dem Vorsitz von Böhmer entstanden sind. Im Sinne der modernen Disputationsforschung will sie zu klären versuchen, wie sich Themen und Thesen der Dissertationen zum Inhalt der fünf Bände des „Ius Ecclesiasticum Protestantium“ verhalten und welche Funktion diese im Hinblick auf Entstehung und Inhalt des Werkes einnahmen. Zugleich möchte sie herausfinden, ob und in welchem Umfang sich in diesen kirchenrechtliche Streitfragen und Ordnungsprobleme der Zeit spiegeln und welche Lösungsvorschläge formuliert wurden. Schließlich möchte sie einen Beitrag zur Antwort auf die bekannte Frage liefern, ob und inwieweit das „Ius Ecclesiasticum Protestantium“ eine Übertragung der Methode des Usus modernus Pandectarum auf das protestantische Kirchenrecht darstellt oder nicht.
Die Verfasserin beginnt ihre Darstellung mit einer Schilderung der Anfänge der juristischen Fakultät der Universität Halle im 18. Jahrhundert und der Stellung des protestantischen Kirchenrechts im Rahmen des vor allem von Thomasius’ Vorstellungen und Zielen beeinflussten akademische |
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Schulze, Ursula, Studien zur Erforschung der deutschsprachigen Urkunden des 13. Jahrhunderts. Erich Schmidt, Berlin 2011. 248 S. Besprochen von Hans Hattenhauer. |
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Nachdem im Jahre 2004 das 1907 von Friedrich Wilhelm (1882-1939) begonnene große Werk des „Corpus der altdeutschen Originalurkunden bis zum Jahr 1300“ zum Abschluss gebracht werden und auch ins Internet gestellt konnte, liegt seit 2010 nun auch das darauf gegründete und zuletzt von Ursula Schulze betreute, dreibändige „Wörterbuch der Mittelhochdeutschen Urkundensprache“ (WMU) vollständig vor. Die hier vorgelegte Sammlung der von der Ursula Schultze zu diesem Vorhaben verfassten Aufsätze ist gewissermaßen ein Nachwort zu den beiden Großprojekten. Es war ein Glücksfall, dass das Corpus der altdeutschen Originalurkunden allen Widerständen zum Trotz zustande hat gebracht werden können. Wer davon und von den Bedingungen und Schwierigkeiten der Forschungsförderung zur Zeit der Ordinarienuniversität etwas erfahren will, lese Friedrich Wilhelms Vorrede zu Band I (1932) und Richard Newalds Nachruf auf Friedrich Wilhelm in der Vorrede zu Band II (1943) des Corpus. Ohne Wilhelms um der Edition willen erlittenen akademischen Kränkungen und seine Opfer an Vermögen und Gesundheit gäbe es das Corpus heute nicht. Die meisten der darin vereinigten Urkunden behandeln Gegenstände der Rechtspraxis, insbesondere die Beurkundung von Rechtsgeschäften und Setzung von Rechtsnormen. Dem entspricht das reiche Rechtsvokabular des Wörterbuchs. So können beide auch von den Rechtshistorikern für die Erforschung der mittelalterlichen Rechtsgeschichte als reiche Quellen genutzt werden, wenn unsere Zunft sie denn wahrnimmt. Hier lässt sich die Geographie des Aufkommens und der Ausbreitung der deutschen Rechtssprache mit Händen greifen, findet sich reiches Material zum lateinisch-deutschen Übersetzungsproblem, lassen sich deutschsprachige Neuschöpfungen entdecken und anderes mehr. Das Wörterbuch ist eine hilfreiche |