Flodr, Miroslav, Nálezy brněnského městského práva. Svazek I. (–1389) [Urteile des Brünner Stadtrechts, Band I. (–1389)]. Archiv města Brna, Brno 2007. 256 S. Besprochen von Petr Kreuz. |
Ganzen Eintrag anzeigen I. Flodr, Miroslav, Brněnské městské právo po smrti notáře Jana (1359-1389) [Das Brünner Stadtrecht nach dem Tode des Notar Johann (1359-1389)]. Archiv města Brna, Brno 2006. 120 S.
II. Flodr, Miroslav, Nálezy brněnského městského práva. Svazek I. (–1389) [Urteile des Brünner Stadtrechts, Band I. (–1389)]. Archiv města Brna, Brno 2007. 256 S.
III. Flodr, Miroslav, Brněnské městské právo na konci středověku (1389–konec 15. století) [Das Brünner Stadtrecht am Ende des Mittelalters (1389–Ende des 15. Jahrhunderts)]. Archiv města Brna, Brno 2008. 160 S. Besprochen von Petr Kreuz.
Die rezensierten Publikationen, die in den Jahren 2006-2008 vom Archiv der Stadt Brünn (Archiv města Brna) herausgegeben wurden, stellen weitere bedeutsame Veröffentlichungen aus der Feder Miroslav Flodrs, des emeritierten Professors der Historischen Hilfswissenschaften an der Masaryk-Universität in Brünn, dar. Sie sind das Ergebnis seines mehr als zwei Jahrzehnte währenden Forschungsinteresses für die Problematik des hoch- und spätmittelalterlichen Brünner Stadtrechts. Angesichts der Tatsache, dass das Brünner Rechtsbuch des Schreibers Johann vom Ende der 1350er Jahre, das M. Flodr von Neuem in der ersten Hälfte der 90er Jahre in einer umfassenden dreibändigen modernen kritischen Edition zugänglich machte, eine sehr bedeutende mittelalterliche Rechtsquelle auch in breiterem (mittel)europäischem Kontext darstellt, erscheinen weitere Erkenntnisse über das Brünner Stadtrechts im Mittelalter als sehr wünschenswert und notwendig. Alle drei hier besprochenen Veröffentlichungen tragen wesentlich zur besseren Erkenntnis bei.
I. Im ersten Teil seiner sich mit dem Brünner Stadtrecht in den Jahren 1359-1389 befassenden Publikation bietet Flodr eine Charakteristik des Zustandes des Stadtrechts und eine Übersicht über die Rechtsentwicklung in Brünn in den drei dem Ableben des Schreibers (Notars) Johann fol |
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Fontana, Josef, Unbehagen. Band 2, Südtirol unter der Zivilverwaltung 1. August 1919-28. Oktober 1922. 2 Halbbände. Wagner, Innsbruck 2010. 1-348, 349-768 S. Besprochen von Gerhard Köbler. IT |
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Bereits im Londoner Geheimabkommen vom 26. April 1915 wurde dem 1861 entstandenen Königreich Italien als Lohn für die Unterstützung der Alliierten des ersten Weltkriegs die Brennergrenze und damit das Gebiet Südtirols zugesagt, in dem 1918 93 Prozent der Bewohner deutschsprachig, 4 Prozent ladinischsprachig und drei Prozent italienischsprachig waren und das Italien nach der Übernahme seit 1922 intensiv italienisierte. Josef Fontana wurde in Neumarkt in Südtirol 1937 geboren, besuchte dort die Volksschule, erlernte das Malerhandwerk, wurde 1961 auf Grund seiner Beteiligung an der Feuernacht verhaftet und 1964 zu einer langen Haftstrafe verurteilt, während der er sich auf die 1970 in Salzburg abgelegte Reifeprüfung vorbereitete. Nach seinem Studium der Germanistik, Geschichte und Tirol in Innsbruck veröffentlichte er zahlreiche Arbeiten zur neueren Geschichte Tirols.
Südtirol unterstand nach dem Ende des ersten Weltkriegs zunächst der italienischen Militärverwaltung, womit sich der erste, 2009 erschienene Band des insgesamt größeren, mit dem in den achtziger Jahren des 20. Jahrhunderts aufgekommenen Begriff Unbehagen (der Italiener nach dem Autonomiestatut und der Südtiroler nach der Trennung von Österreich) bezeichneten Werkes befasst. Noch vor der Unterzeichnung des Friedensvertrags von Saint Germain-en-Laye zwischen den alliierten Mächten und Österreich am 10. September 1919 wurde die Militärverwaltung im Sommer 1919 durch eine Zivilverwaltung unter dem auch für das Trentino zuständigen Generalzivilkommissar Luigi Credaro abgelöst, der bis zur faschistischen Machtübernahme im Oktober 1922 amtierte. Dementsprechend behandelt der von dem ausgezeichneten Sachkenner auf der Grundlage zahlreicher Artikel und Leserbriefe in der Tiroler und Trentiner P |
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Frankfurt im Schnittpunkt der Diskurse. Strategien und Institutionen literarischer Kommunikation im späten Mittelalter und in der frühen Neuzeit, hg. v. Seidel, Robert/Töpfer, Regina (= Zeitsprünge. Forschungen zur frühen Neuzeit 14 [2010], Heft 1/2). Klostermann, Frankfurt am Main 2010. 250 S. Besprochen von Gerhard Köbler. IT |
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An der Wende vom Mittelalter zur Neuzeit schuf die steigende Zahl der in einem begrenzten Raum zusammenlebenden Menschen in der Stadt zu einem neuen Bedarf an pragmatischer Schriftlichkeit. Er war bisher für die Reichsstadt Frankfurt am Main nicht gesondert untersucht. Aus diesem Grunde fand vom 9. bis 10. Oktober 2008 eine am Institut für deutsche Literatur und ihre Didaktik der Universität Frankfurt am Main in Verbindung mit dem Zentrum zur Erforschung der frühen Neuzeit veranstaltete Tagung über literarisches Leben statt, an der sich Germanisten, Judaisten, Historiker, Kunsthistoriker und Pädagogen beteiligten.
Die zugehörigen 18 Beiträge werden im vorliegenden Sammelband der Öffentlichkeit vorgestellt. Dabei wurden vier Abteilungen gebildet. Sie betreffen Literaturrezeption (Leser und Besitzer), Aufführungstradition (Spiel und Drama), Literaturproduktion (Messe und Buchdruck) und literarische Repräsentation (Selbt- und Fremdbilder).
Dabei beginnt Christoph mit dem anfangs sehr wenig ausgeprägten literarischen Profil Frankfurts im ausgehenden Mittelalter. Tina Ternahe zeigt dann aber Frankfurts Aufstieg zur Druckmetropole des 16. Jahrhunderts (Christian Egenolff, Sigmund Feyerabend), die noch heute in der Frankfurter Buchmesse nachwirkt. Insgesamt entsteht hierbei über Bürgerbibliotheken, Passionsspiele, jüdische Theaterkultur, Schwankbücher, die Historia von D. Johann Faust, Matthäus Merian, Historiographie, Frühhumanismus und Ständesatire ein vielseitiges literarisches Profil einer lange einer Universität entbehrenden deutschen Handelsstadt, das durch ein Register von Adelmann von Adelmannsfelden bis Zwingli erschlossen wird.
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Frei, Norbert/Ahrens, Ralf/Osterloh, Jörg/Schanetzky, Tim, Flick. Der Konzern, die Familie, die Macht, Blessing, München 2009. 912 S. Besprochen von Gerhard Köbler. IT |
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Friedrich Flick hat auf Grund seines Erfolges schon vielfach das Interesse auf sich gezogen. Beispielsweise hat Kim Christian Priemel 2007 ein Werk vorgelegt, das sich besonders der geschickten Anpassung an die jeweiligen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen widmet. 2008 haben Bähr, Johannes/Drecoll, Axel/Gotto, Bernhard/Priemel, Kim C./Wixforth, Harald den Flick-Konzern im Dritten Reicheindringlich beleuchtet (s. ZRG GA 126, 2009).
Nach Ansicht der Verfasser muss, wer die Geschichte von Flick verstehen will, dem Mann an der Spitze gebührende Aufmerksamkeit zollen und die unternehmerische Logik seiner Entscheidungen in den Mittelpunkt stellen. Er muss dazu das gesamte 20. Jahrhundert in den Blick nehmen. Dies versuchen die Verfasser in insgesamt vier Abschnitten, die sich nach der Einführung mit der Entstehung des Konzerns, dem Krieg und dem Prozess, der Rückkehr und der Auslösung befassen und abschließend auf eine deutsche Karriere zurückblicken.
Ausgangspunkt des auf viele Quellen gestützten unternehmensgeschichtlichen Werkes ist ein von einer Enkelin Friedrich Flicks angeregtes Forschungsprojekt. In dessen Rahmen hat Tim Schanetzky Teil 1 verfasst, Ralf Ahrens Teil 2, Jörg Osterloh Teil 3 und Norbert Frei Teil 4. Insgesamt erweisen die Autoren Friedrich Flick als einen skrupellosen Vertreter des modernen Kapitalismus, der beispiellos aufstieg, dessen Erben aber versagten, so dass der Konzern in den sich verändernden Rahmenbedingungen der Zeit nach dem zweiten Weltkrieg keine erfolgreichen Lösungen mehr fand und in den achtziger Jahren des 20. Jahrhunderts wie vieles Irdische unterging.
Innsbruck Gerhard Köbler
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Frenz, Thomas, Abkürzungen. Die Abbreviaturen der Lateinischen Schrift von der Antike bis zur Gegenwart (= Bibliothek des Buchwesens 21). Hiersemann, Stuttgart, 2010. VI, 217 S.. Besprochen von Hiram Kümper. |
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Der Umgang mit Abkürzungen gehört zu den zahlreichen handwerklichen Schwierigkeiten, mit denen gerade (aber beileibe nicht nur) jene zu kämpfen haben, die sich mit Texten der Vormoderne auseinandersetzen – zumal, wenn es lateinische sind. Entsprechend vielfältig sind die bereits vorliegenden Hilfsmittel zur Dechiffrierung solcher Abbreviaturen von Capelli und Santifaller bis Bischoff und Grun; zahlreiche weitere Handbücher zur allgemeinen Paläographie könnten genannt werden. Nun also noch ein neues, das sich aber ganz explizit und in langzeitlicher Perspektive den Abkürzungen zuwendet? Verfasst hat es der Passauer Ordinarius für Historische Grundwissenschaften Thomas Frenz, dessen Internetangebot (http://www.phil.uni-passau.de/histhw) schon seit einigen Jahren eine Fülle einschlägiger Hilfsmittel zu diesem und anderen hilfswissenschaftlichen Problemfeldern bereitstellt. Sie sei auch jeder Nutzerin und jedem Nutzer dieses Handbuches noch einmal wärmstens anempfohlen.
Den Handbuchcharakter nimmt der Verfasser sehr ernst: hier liegt nicht einfach nur eine Einführung oder ein Überblick vor – auch die einschlägige Spezialliteratur wird, zum Teil sehr kritisch, diskutiert, auf Überholtes und auf neue Erkenntnisse hingewiesen. Das erhöht den Wert dieses Buches ganz ungemein. Die klare Sprache, durchgängige Übersetzungen aller fremdsprachlichen Zitate und der saubere Satz tun dazu ein Übrigens. Chronologisch wird der ganze Zeitraum seit Einführung der lateinischen Schrift bis in unsere Gegenwart abgedeckt. Dabei geht es Frenz nicht um ausladende Tabellen, um Suspensionen und Kontraktionen mechanisch auflösen zu können, sondern um das Funktionieren von Abkürzungen und die praktische Arbeit damit. Die wichtigsten Typen werden aber immer |
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Fricke, Eberhard, Die westfälische Veme im Bild. Weitere Denkwürdigkeiten und Merkwürdigkeiten zur Geschichte der westfälischen Vemegerichtsbarkeit. Supplementband. Aschendorff, Münster 2011. 335 S. Besprochen von Wilhelm A. Eckhardt. |
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Dieser „Supplementband“ ist dem Echo auf Eberhard Frickes Buch “Die westfälische Veme im Bild” von 2002 (Besprechung von Bernhard Diestelkamp in ZRG GA 121, 2004, S. 673f.) zu verdanken, den Anregungen und den kritischen Bemerkungen, denen der Autor nun Rechnung trägt oder mit denen er sich auseinandersetzt. So ist er dem Wunsch nach einem Anmerkungsapparat dankenswerterweise gefolgt, aber er ist bei seiner Ansicht geblieben, dass man das Thema auch mit Abbildungen illustrieren könne, ja müsse, die eigentlich mit der Feme nichts zu tun haben. Und so bringt er in diesem neuen Band weitere 104 nummerierte Abbildungen (tatsächlich sind es noch mehr, weil manchmal mehrere Abbildungen unter einer Nummer zusammengefasst sind), von denen keine, wenn ich es richtig sehe, schon in dem Band von 2002 verwendet wurde. Das ist in mancher Hinsicht ein Gewinn. Die Abbildung 2 aus der Darmstädter Handschrift 1567 (Oppitz, Ulrich-Dieter, Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 2, Beschreibung der Handschriften, Köln, Wien 1990, Nr. 390), einem Westfälischen Femrechtsbuch von 1546, ist z. B. eine sehr viel bessere Illustration der Gründungslegende als die Bilder aus der wesentlich älteren Soester Handschrift (Oppitz Nr. 1354) und als alle anderen Karlsbilder, die 2002 Verwendung fanden. Das Darmstädter Bild Karls des Großen bei der Belehnung uber die hailig haimlich Echt zeigt nämlich die für die Feme typischen Attribute Gerichtsschwert und Strick. Hier ist also ein doppelter Bezug zur Feme gegeben: durch die Art der Handschrift und durch die Art der Darstellung.
Natürlich ist so eine „verbissene Konsequenz“, wie Fricke (S. 14) es nennt, nicht immer möglich und auch nicht immer nötig. In meiner Einleitung „Dorfgeric |
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Fried, Johannes, Das Mittelalter. Geschichte und Kultur, 2. Aufl. Beck, München 2009. 606 S., 70 Abb. Besprochen von Gudrun Pischke. IT |
Ganzen Eintrag anzeigen Fried, Johannes, Das Mittelalter. Geschichte und Kultur, 2. Aufl. Beck, München 2009. 606 S., 70 Abb. Besprochen von Gudrun Pischke. ZRG GA 129 (2012) 20
Inhärentes Anliegen des Verfassers ist es, das Mittelalter von dem Finsteren, das seit dem 18. Jahrhundert nachwirkend bis in die Gegenwart verunglimpfend damit verbunden wird (S. 537f.), zu befreien und dabei die in eben diesem Mittelalter begründeten Anfänge der Moderne aufzuzeigen. Erinnert sei in diesem Zusammenhang an die heute geläufige und weltweit übernommene Jahreszählung nach Christi Geburt. Johannes Frieds Betrachtungen umfassen zeitlich ein Jahrtausend, die Zeitspanne von etwa 500 bis etwa 1500 (S. 8), und räumlich das Abendland (S. 34). Er hat Europa mit seinen nationalen Entwicklungen im Blick wie auch Einwirken und Einflüsse darauf aus Kontakten mit Juden, (Nord)Afrika, Byzanz, Arabern oder Asien (Hunnen, Mongolen, China) – und dies im Sinne einer frühen Globalisierung, die im Widerstreit stand mit den Dogmen der Kirche. Deren Papsttum ist durchgängig präsent. Sein Einfluss ist allein durch die Wahl etlicher Kapitelüberschriften (2. „Gregor der Große und die neue Macht der Franken“, 6. „Der wahre Kaiser ist der Papst“, 7. „Das lange Jahrhundert der Papstschismen“, 8. „Der Stellvertreter Gottes“; 5. „Die Endzeit rückt bedrohlich nahe“, 12. „Erwartung des Jüngsten Gerichts und Wiedergeburt“) als mittelalterlich-weltbestimmend ausgewiesen.
„Menschen aus Fleisch und Blut“ sollen im Mittelpunkt stehen, „nicht bloß Trends und Strukturen“ (S. 8). Die Menschen, die Johannes Fried präsentiert, gehören zu einer Elite. Es sind überwiegend Herrscher/Könige und Denker/Geistliche, kaum hingegen die Bevölkerung schlechthin und ihre sich im Laufe des Jahrtausend wandelnden Lebensbedingungen. Soziale Strukturen werden kaum tangiert, denn: „Das einfache Volk fand selten Erwähnung, nur gelegentlich, wenn es von Seuchen oder Hunger heimgesucht oder Unterdrückung und Ausbeutung zu entkom |
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Frotscher, Werner/Pieroth, Bodo, Verfassungsgeschichte, 9. Aufl. Beck, München 2010. XXIV, 399 S. Besprochen von Ralf Lunau. |
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Wer unter der Rubrik Grundrisse einen übersichtlichen, flott zu lesenden Text zur deutschen Verfassungsgeschichte vom Spätmittelalter bis 1949 sucht, wird mit diesem Buch fündig. Dabei schaffen es die Autoren, in der gebotenen textlichen Verdichtung die Verbindung zwischen den historisch-politischen, geistesgeschichtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Entwicklungen sowie den verfassungsrechtlichen Etappen plausibel herzustellen. Besondere Erwähnung verdient die Arbeit der Autoren mit den Originaltexten. Die immer auszugsweise abgedruckten Quellen umfassen neben Urkunden verfassungsrechtlichen Charakters Gesetze, Urteile, Parlamentsreden, zeitgenössische Fachbücher und andere. Auswahl, Einordnung und Analyse konzentrieren sich auf das Wesentliche und verlieren dennoch den sprachlichen Duktus der Quellen nicht aus dem Blick, ja lenken zuweilen die Aufmerksamkeit des Lesers auf diesen interessanten Teil des Zeitkolorits. So ist die Lektüre geeignet, nicht nur Lesern mit juristischer Ausbildung die Besonderheit des Verfassungsrechts als Schnittstelle zwischen der tatsächlichen Verfasstheit des Gemeinwesens und der Normierung in Form exegetisch zu lesender Texte verständlich zu machen.
Entsprechend der von den Autoren in der Einleitung angekündigten Periodisierung und Stoffbegrenzung beginnt das Buch mit zwei Kapiteln, welche die beiden konstitutiven Elemente der modernen Verfassungsentwicklung in Deutschland skizzieren: Die Entstehung des Verfassungsrechts in den Vereinigten Staaten von Amerika und in Frankreich sowie der verfassungsrechtliche Status Deutschlands am Ausgang des 18. Jahrhunderts. Allein das erste Kapitel ist ein mit Gewinn zu lesender Abriss vieler bekannter historischer Ereignisse, die selten in einer solchen gedrängten und zugleich anschaulichen Form in einen Gesamtzusammenhang gestellt werden. |
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Frühe Neuzeit in Deutschland. Literaturwissenschaftliches Verfasserlexikon, hg. v. Kühlmann, Wilhelm/Müller, Jan-Dirk/Schilling, Michael/Steiger, Johann Anselm/Vollhardt, Friedrich. Redaktion Kipf, Klaus J. Band 1 Aal, Johannes-Chytraeus, Nathan. De Gruyter, Berlin 2011. XXIX S., 532 Sp. Besprochen von Gerhard Köbler. IT |
Ganzen Eintrag anzeigen Frühe Neuzeit in Deutschland. Literaturwissenschaftliches Verfasserlexikon, hg. v. Kühlmann, Wilhelm/Müller, Jan-Dirk/Schilling, Michael/Steiger, Johann Anselm/Vollhardt, Friedrich. Redaktion Kipf, Klaus J. Band 1 Aal, Johannes-Chytraeus, Nathan. De Gruyter, Berlin 2011. XXIX S., 532 Sp. Besprochen von Gerhard Köbler.
Das Werk schließt an das von Rudolf Stammler begründete Verfasserlexikon der deutschen Literatur des Mittelalters an, das seit 1978 in zweiter Auflage von Kurt Ruh bzw. Burghart Wachinger herausgegeben und von Franz Josef Worstbrock mit Bänden zum deutschen Humanismus (1480 bis 1520) ergänzt wurde. Allerdings ist es enger begrenzt auf die Literaturwissenschaft, nachdem ursprünglich das gesamte Schrifttum des 16. Jahrhunderts unter Einschluss des theologischen, juristischen, philosophischen, naturkundlichen, medizinischen, enzyklopädischen und historiographischen Wissens der Zeit (mit Ausnahme der Urkunden) erfasst werden sollte. In Absprache mit der Deutschen Forschungsgemeinschaft, deren finanzielle Mitwirkung die Arbeit am Verfasserlexikon zur frühen Neuzeit ermöglicht, musste der Plan aber in der geforderten Weise beschränkt werden.
Sollte ursprünglich in etwa 900 Artikeln der Zeitraum zwischen der Reformation (1517) und dem Dreißigjährigen Krieg (1618-1648) das lterarische, wissenschaftliche und konfessionelle Netz im Heiligen Römischen Reich erfasst und mit der verstreuten Sonderforschung verknüpft werden, so werden trotz der verbleibenden Möglichkeit interdisziplinärer Bezüge Theologie, Jurisprudenz und Geschichte aus der Literatur ausgeschieden. Dementsprechend sinkt die Zahl der geplanten Einträge mit 500 auf fast die Hälfte. Die zeitliche Begrenzung für die angestrebte Überprüfung der vorhandenen Daten und der Gewinnung neuer Erkenntnisse aus den Quellen bleibt demgegeüber unverändert.
Gegliedert ist jeder Artikel in Lemma mit Kurzcharakteristik, kurze Lebensbeschreibung, geordneten Aufriss des Werkes |
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Fuchs, Walter, Franz Exner (1881-1947) und das Gemeinschaftsfremdengesetz. Zum Barbarisierungspotenzial moderner Kriminalwissenschaft (= Hamburger Studien zur Kriminologie und Kriminalpolitik 44).LIT, Berlin 2009. IV, 119 S. Besprochen von Heinz Müller-Dietz. |
Ganzen Eintrag anzeigen Sebald, Andrea Elisabeth, Der Kriminalbiologe Franz Exner (1881-1947). Gratwanderung eines Wissenschaftlers durch die Zeit des Nationalsozialismus (= Rechtshistorische Reihe 380). Lang, Frankfurt am Main 2008. 423 S.
Fuchs, Walter, Franz Exner (1881-1947) und das Gemeinschaftsfremdengesetz. Zum Barbarisierungspotenzial moderner Kriminalwissenschaft (= Hamburger Studien zur Kriminologie und Kriminalpolitik 44).LIT, Berlin 2009. IV, 119 S.
Kruwinnus, Thorsten, Das enge und das weite Verständnis der Kriminalsoziologie bei Franz Exner. Eine vergleichend-werkimmanente Vorstudie (Hamburger Studien zur Kriminologie und Kriminalpolitik, Bd. 45). LIT Verlag, Münster 2009. 124 S. Besprochen von Heinz Müller-Dietz
In zunehmendem Maße werden Persönlichkeit und Werk von Strafrechtswissenschaftlern des 20. Jahrhunderts vorgestellt und analysiert, die in verschiedenen Epochen und Staatssystemen gelehrt und geforscht haben. In diesen Untersuchungen spielt namentlich die Frage eine bedeutsame Rolle, wie Gelehrte, die sich unter rechtsstaatlichem Vorzeichen – etwa im Geiste und Sinne der Weimarer Zeit – mit dem Strafrecht beschäftigt haben, sich mit Wissenschaft und Praxis der NS-Diktatur auseinandergesetzt haben. Die einschlägigen Studien über Eduard Kohlrausch, Edmund Mezger und Eberhard Schmidt sind gleichsam repräsentativ für diesen Zweig der zeitgeschichtlichen Forschung. Nunmehr ist auch der Strafrechtler und Kriminologe Franz Exner (1881-1947) in den Fokus dieser Forschungsrichtung geraten. Mehrere neuere Studien befassen sich mit seinem Leben und Werk im Ganzen oder sind gewichtigen Teilaspekten seiner wissenschaftlichen Arbeit gewidmet.
Umfassenden Charakter beansprucht die Darstellung Andrea Elisabeth Sebald, die aus einer Münchner Dissertation (2007) hervorgegangen ist. Sie schildert Leben und Werk Exners vor dem zeitgeschichtlichen Hintergrund verschiedener Epochen, die vom wilhelminischen Zeitalter über den ersten Weltkrieg, die Ära de |
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Gammerl, Benno, Untertanen, Staatsbürger und Andere. Der Umgang mit ethnischer Heterogenität im Britischen Weltreich und im Habsburgerreich 1867-1918 (= Kritische Studien zur Geschichtswissenschaft 189). Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2010. 400 S., 9 Abb., 5 Kart., 11 Tab. und Diagr. Besprochen von Martin Moll. |
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Die umfangreichen Migrationen in Europa während der letzten etwa zwei Jahrzehnte und die daraus resultierende Integrationsproblematik haben das Interesse der Forschung an historischen Wanderbewegungen, die zu ethnischer Heterogenität führten, intensiviert. Im Vordergrund steht häufig die Frage, wie das Staatsbürgerschaftsrecht nicht nur europäischer Staaten mit den Zugewanderten umging. Regelmäßig wurde dabei behauptet, ein westliches, auf dem ius soli beruhendes und folglich inklusives Modell sei dem mittel- und osteuropäischen, exklusiven Prinzip des ius sanguinis gegenüber gestanden.
Benno Gammerls nun gedruckte Dissertation, vorgelegt 2008 an der Freien Universität Berlin, stellt sowohl diesen Befund als auch und erst recht die daran geknüpften normativen Wertungen (westliche Modernität vs. östliche Rückständigkeit) radikal in Frage. Auf den ersten Blick scheinen die von ihm zu Vergleichszwecken ausgewählten Staaten, das Britische Weltreich und die Habsburgermonarchie, jeweils prototypisch für das beschriebene, bipolare Modell zu stehen. Eine nähere Untersuchung des britischen Herrschaftsbereichs außerhalb des Vereinigten Königreichs (Gammerl befasst sich insbesondere mit dem Dominion Kanada, der Kronkolonie Indien und dem Protektorat Britisch-Ostafrika) ergibt freilich ein völlig anderes Bild, denn dort ging es cum grano salis um die Aufrechterhaltung, ja Festigung der Vorherrschaft des „weißen Mannes“ nicht zuletzt mit den Mitteln des Rechts. Im Ergebnis verblieben Nicht-Weiße nicht allein in einem inferioren staatsbürgerschaftsrechtlichen Status, sie wurden teilweise sogar an unerwünschten Migrationen (etwa nach |
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Gans, Eduard, Briefe und Dokumente, hg. v. Braun, Johann. Mohr (Siebeck), Tübingen 2011. LXI, 494 S. Besprochen von Hans-Michael Empell. |
Ganzen Eintrag anzeigen Gans, Eduard, Briefe und Dokumente, hg. v. Braun, Johann. Mohr (Siebeck), Tübingen 2011.
LXI, 494 S. Besprochen von Hans-Michael Empell.
Das Buch ist einem Kapitel aus der Geschichte deutscher Juristen jüdischer Abstammung gewidmet, dem Leben und Wirken des 1797 in Berlin geborenen und 1839 dort gestorbenen Eduard Gans. Aus einer Reihe von Gründen hat Gans historische Bedeutung erlangt: Wie der Herausgeber in der Einleitung (S. IXff.) darlegt, war er nicht nur ein Vorkämpfer der Emanzipation der Juden in Preußen und Mitbegründer eines „Vereins für Kultur und Wissenschaft der Juden“, sondern auch Anhänger und einer der wissenschaftlichen Nachlassverwalter Hegels, ein Gegner der historischen Rechtsschule und ihres Oberhauptes Friedrich Carl von Savigny sowie ein Freund Heinrich Heines und Mitstreiter in der Literatengruppe des Jungen Deutschlands. Gans hat mehrere rechtswissenschaftliche Werke publiziert, darunter Abhandlungen zum römischen Recht und ein mehrbändiges, unvollendet gebliebenes „Erbrecht in weltgeschichtlicher Entwickelung“ (1824-1835). Gans war - nach seinem Übertritt zum christlichen Glauben - der erste ordentliche Rechtsprofessor jüdischer Abstammung in Preußen (1828). Das Buch „Naturrecht und Universalrechtsgeschichte“, das Johann Braun 2005 herausgegeben hat, enthält Mitschriften seiner Vorlesungen zur Rechtsphilosophie Hegels. Nicht so sehr als Jurist hat Gans jedoch Bedeutung erlangt, sondern als ein streitbarer philosophischer und politischer Kopf.
Anders als der Titel vielleicht nahe legt, enthält der Band nicht nur von Gans verfasste Briefe, sondern in großer Zahl auch solche, die an ihn gerichtet sind; außerdem werden ihn betreffende, zumeist amtliche Schriftstücke mitgeteilt. Der Herausgeber hat ein „Verzeichnis der abgedruckten und nicht abgedruckten Dokumente“ (S. XXXIXff.) zusammengestellt. Es folgen insgesamt 313 „Briefe und Dokumente“, zunächst der „Textteil“ (S. 1ff.), der die Briefe und Dokumente (g |
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Gebrauch und Missbrauch des Mittelalters, 19.-21. Jahrhundert. Uses and Abuses of the Middle Ages , 19th-21st Century. Usages and Mésusages du Moyen Age du XIXe au XXIe siècle, hg. v. Bak, János M./Jarnut, Jörg/Monnet, Pierre/Schneidmüller, Bernd, unter Mitarbeit v. Karthaus, Nicola/Lichtenberger, Katharina (= MittelalterStudien 21). Fink, München 2009. 365 S. Besprochen von Mark Tobias Wittlinger. |
Ganzen Eintrag anzeigen Gebrauch und Missbrauch des Mittelalters, 19.-21. Jahrhundert. Uses and Abuses of the Middle Ages , 19th-21st Century. Usages and Mésusages du Moyen Age du XIXe au XXIe siècle, hg. v. Bak, János M./Jarnut, Jörg/Monnet, Pierre/Schneidmüller, Bernd, unter Mitarbeit v. Karthaus, Nicola/Lichtenberger, Katharina (= MittelalterStudien 21). Fink, München 2009. 365 S. Besprochen von Mark Tobias Wittlinger.
Erschrecken und Empörung stehen am Anfang der Entstehungsgeschichte dieses Tagungsbandes, daraus macht János M. Bak in seinem Vorwort keinen Hehl. Das Erschrecken über die Indienstnahme nationaler Vorstellungen vom Mittelalter durch die Regierungen Ungarns und anderer osteuropäischer Staaten der Gegenwart hätten bei ihm und seinen Studenten das Bedürfnis nach wissenschaftlicher Reflexion geweckt. Das führte zunächst zu einer Arbeitstagung und einem Sommerkurs an der Central European University Budapest und im Frühjahr 2005 dann zu einer internationalen Tagung über „Gebrauch“ und „Missbrauch“ des Mittelalters. Daraus ging schließlich der nun erschienene Band hervor.
Dieser bewusst emotionale Zugang schlug sich dementsprechend auch in vielen der Untersuchungen nieder und führte zu subjektiven Wertungen der vorgefundenen Phänomene und zu gelegentlichen politischen Stellungnahmen der Historiker, was hier ausdrücklich erwünscht war. Subjektiv blieb auf analytischer Seite aber auch die Verwendung der beiden titelgebenden Kategorien „Gebrauch“ und „Missbrauch“, wie Bernd Schneidmüller am Ende des Bandes feststellt (S. 340). Die Definition und Unterscheidung beider Begriffe musste immer vom Standpunkt des Betrachters abhängig bleiben, sofern man sich nicht gleich ganz auf neutralere Termini wie „Muster der Verwendung“ zurückgezogen hat.
Dem offen emotionalisierenden Vorwort zur Seite gestellt ist die wissenschaftliche Verortung des Themas durch die Einleitung Pierre Monnets. Er gibt darin einige grundsätzliche Linien vor, die in den Ein |
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Gedenkstätten des NS-Unrechts und Bundeswehr. Bestandsaufnahme und Perspektiven, hg. v. Wrochem, Oliver von/Koch, Peter. Schöningh, Paderborn 2010. 253 S. Besprochen von Gerhard Köbler. IT |
Ganzen Eintrag anzeigen Gedenkstätten des NS-Unrechts und Bundeswehr. Bestandsaufnahme und Perspektiven, hg. v. Wrochem, Oliver von/Koch, Peter. Schöningh, Paderborn 2010. 253 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Nach den Schulklassen stellt die Bundeswehr nicht ganz unerwartet in den meisten deutschen Gedenkstätten an Opferorten wie Täterorten der nationalsozialistischen Herrschaft die größte institutionelle Besuchergruppe dar. Dies brachte den inzwischen verstorbenen ehemaligen Leiter des Studienzentrums der Konzentrationslagergedenkstätte Neuengamme 2005 auf den Gedanken, das bisher weitgehend unerforschte Verhältnis beider Einrichtungen zueinander zu ermitteln. Die zu diesem Zweck geplante Tagung fand in Herbst 2007 in Hamburg statt.
Die in diesem Zusammenhang erstatteten 17 Beiträge stellt der vorliegende Band der Öffentlichkeit vor. Sie sind in drei Abteilungen gegliedert, die Herausforderungen und Konfliktlinien, die historisch-politische Bildung und die Arbeit an Gedenkstätten von und mit Bundeswehrgruppen betreffen. Leider sind sie nicht durch ein Register erschlossen.
Die in diesen Zusammenhängen insgesamt von den engagierten Tagungsteilnehmern vorgetragenen Gedanken sind weitgespannt und anregend. Außer Neuengamme treten dabei etwa das Ehrenmal der Bundeswehr, der Sinn, Soldat zu sein, die Gedenkstätte Fünfeichen, das Konzentrationslager Dachau oder die militärischen Schlüsselbegriffe Treue und Kameradschaft im Selbstverständnis der SS besonders ins Blickfeld. Zusammenfassend ergibt sich als allgemeine Einsicht, dass es nicht nur auf die äußerliche Gestaltung der Erinnerungsorte ankommt, sondern auch auf die inhaltliche Art und Weise der dauerhaften und möglichst professionellen Vermittlung der dort veranschulichten Vergangenheiten in die Gegewart der heutigen Gesellschaft.
Innsbruck Gerhard Köbler
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Gehler, Michael, Europa. Ideen, Institutionen, Vereinigung. Olzog, München 2010. 750 S. Besprochen von Gerhard Köbler. IT. |
Ganzen Eintrag anzeigen Gehler, Michael, Europa. Ideen, Institutionen, Vereinigung. Olzog, München 2010. 750 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Der 1962 in Innsbruck geborene Verfasser wurde nach dem Abitur in Neustadt bei Coburg in Bayern und dem Studium von Geschichte und Germanistik in Innsbruck 1999 habilitiert und 2006 an die Universität Hildesheim berufen. Er hat insgesamt eine Vielzahl von Werken zur österreichischen, deutschen und europäischen Zeitgeschichte veröffentlicht. In einer umfangreichen Gesamtdarstellung greift er im vorliegenden Werk bis zu den Anfängen zurück, die auf der Umschlagseite vielleicht durch das Jahr 800 veranschaulicht werden sollen.
Dementsprechend gelangt die Spurensuche von der Antike als dem kulturellen Ausgangspunkt über Rom, Christen, Juden und Zionisten sowie Karl den Großen, das Reichskammergericht, Domschulen, Klöster und Universitäten als Prägestätten von Geist und Wissen rasch zu historischen Europa-Ideen Dantes, Dubois’, Georg Podiebrads, Sebastian Münsters, Erasmus’ von Rotterdam, Althusius’, Sullys, Penns, Leibniz’, Saint Pierres und Rousseaus, Kants, Giuseppe Mazzinis und Victor Hugos, Constantin Frantz’, Lenins, Naumann, Coudenhove-Calergis, Mayrischs, Briands und Churchills bis zur Fusion der Souveränität durch Institutionen der Supranationalität. Hier beginnt dann der Weg vom Europa der Institutionen zur Vereinigung des Kontinents in bisher 15 kleinen Schritten, die der Verfasser sorgfältig und detailliert nachzeichnet. Die nicht ausdrücklich gegenüber einer ersten Auflage des Jahres 2005 gekennzeichnete Neuauflage ergänzt und aktualisiert den Text.
Insbesondere sind Erasmus von Rotterdam, Leibniz und Lenin einbezogen und der Haager Gipfel des Jahres 1969 und die Balkankrisen und Balkankriege zwischen 1991 und 1999 verstärkt berücksichtigt. Unverändert ist das Gesamtziel, die Hintergründe und Zusammenhänge zwischen den älteren Europaideen und den nach 1945 verwirklichten Einrichtungen (Institutione |
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Gehrlein, Markus, Franz Schäfer. Ein Juristenleben vom Kaiserreich bis zum Bonner Grundgesetz (= Schriftenreihe des Rechtshistorischen Museums 20). Gesellschaft für kulturhistorische Dokumentation e. V:, Karlsruhe 2010. 76 S. Besprochen von Gerhard Köbler. IT. |
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Franz Schäfer wurde in Fredeburg im Sauerland am 1. März 1879 als Sohn eines katholischen, 1898 verstorbenen Landwirts und Schuhmachers geboren. Nach dem Besuch der Grundschule und der Rektoratsschule in Fredeburg sowie des Gymnasium Marianum in Warburg entscheid er sich für das Studium der Rechtswissenschaft in München, Freiburg im Breisgau, Berlin und Marburg. Die erste juristische Staatsprüfung bestand er in Kassel 1902, die zweite, durch die Freiburger Dissertation über die Einwirkung der nachfolgenden Unmöglichkeit der Leistung auf Schuldverhältnisse aus gegenseitigen Verträgen und den abgelegten Wehrdienst etwas verzögerte juristische Staatsprüfung 1907 in Berlin, wobei er jeweils die Note gut erhielt.
Danach trat er in den Justizdienst Preußens ein, der ihn 1809 an das Landgericht Saarbrücken führte. Nach der Kriegsteilnahme seit 1914 stieg er 1922 zum Landgerichtsdirektor und 1927 zum Landgerichtspräsidenten auf, wechselte aber 1937 als Reichsgerichtsrat nach Leipzig. Hier erlebte er den Zusammenbruch der nationalsozialistischen Herrschaft und gelangte nur unter abenteuerlichen Umständen nach Saarbrücken zurück.
Sein früherer Referendar Hans Neureuter, der als Nichtarier während der nationalsozialistischen Zeit mit einem Berufsverbot belegt worden, aber von der amerikanischen Besatzungsmacht in dem bereits am 4. Mai 1945 eingerichteten Regierungspräsidium zum Regierungspräsidenten bestimmt worden war, fügte ihn in die Justizabteilung des Regierungspräsidiums ein, aus der er am 30. Januar 1946 zum Präsidialdirektor aufstieg. Am 8. Oktober 1946 wurde er unter dem Oberlandesgerichtspräsidenten Neureuter Richter am neuen Oberlandesgericht in Saarbrücken, beantragte je |
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Geiss, Peter, Der Schatten des Volkes. Benjamin Constant und die Anfänge liberaler Repräsentationskultur im Frankreich der Restaurationszeit 1814-1830 (= Pariser historische Studien 95). Oldenbourg, München 2011. 368 S. Besprochen von Gerhard Köbler. IT |
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Die Arbeit ist die überarbeitete Fassung der von Gerd Krumeich betreuten, von Dieter Langewiesche unterstützten, im Wintersemester 2002 von der philosophischen Fakultät der Universität Düsseldorf angenommenen Dissertation des als Oberstudienrat in Bonn tätigen, im Wintersemester 2011/2012 eine Professur für Geschichte und ihre Didaktik in Wuppertal vertretenden Verfassers. Sie betrifft Henri-Benjamin Constand de Rebecque, der in Lausanne am 25. Oktober 1767 geboren wurde und in Paris am 8. Dezember 1830 im Alter von 63 Jahren verstarb. Er wirkte politisch als Abgeordneter und publizistisch als Verfassungstheoretiker oder Staatstheoretiker.
Der Verfasser gliedert seine detaillierte, Ideengeschichte, Sozialgeschichte und Kulturgeschichte erfolgreich verbindende Untersuchung in drei Bereiche mit insgesamt sechs Abschnitten, wobei er zunächst die Rahmenbedingungen liberaler Repräsentationskultur in Bezug auf Ideengeschichte und Verfassungsgeschichte untersucht. Danach geht er zu dem Verhältmis von liberaler Repräsentationskultur und Öffentlichkeit über. Das Schwergewicht liegt auf zwei Regionalstudien, die Constants Abgeordnetenmandat für das Departement Sarthe (1819-1822) und für das Departement Bas-Rhin (1827-1830) betreffen.
Im Ergebnis zeichnet der Verfasser überzeugend nach, wie das streng von der Basis ausgehende Repräsentationskonzept des Frankoschweizers Constant sowohl die Vorstellungen der jakobinischen Regierung wie Napoleons, das Gemeinwohl von oben her zu bestimmen, ablehnt. Er zeigt aber auch, dass der Versuch der Repräsentation der Gesellschaft durch Bezug auf kleinräumige Lebenswelten nur bedingt erfolgreich war und sein konnte. Dementsprechend wandte Constant sich |
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Generationen in spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Städten (1250-1750), hg. v. Häberlein, Mark/Kuhn, Christian/Hörl, Lina (= Konflikte und Kultur - Historische Perspektiven 20). UVK, Konstanz 2010. 220 S. Besprochen von Gerhard Köbler. IT |
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Der mit dem Abbild zweier Urururgroßeltern Martin II. Pfinzigs (von Jost Ammann 1568) geschmückte, handliche Band geht auf eine Tagung des Graduiertenkollegs Generationenbewusstsein und Generationenkonflikte in der Antike und im Mittelalter zurück, die im Februar 2009 an der Universität Bamberg stattfand. Seine Beiträge sind innerhalb eines enger gefassten Teilbereichs dementsprechend sachlich wir persönlich weit gefächert. Insgesamt handelt es sich um neun Detailuntersuchungen, welche die Einleitung der Herausgeber zusammenfasst.
Für das Spätmittelalter beginnt Benjamin Scheller mit der Betrachtung der konvertierten Juden und ihrer Nachkommen in der apulischen Hafenstadt Trani, die noch sehr lange unter sich heiraten. Heinrich Lang befasst sich mit den Medici in Florenz, Maximilian Schuh mit dem Verhältnis von alten Bürgern und jungen Studenten in Ingolstadt. Christian Kuhn vergleicht Albertis Della Famiglia von 1433/1441) mit der Familiengeschichtsschreibung Christoph Scheurls im Jahre 1542.
Britta Schneider stellt fuggerische Generationenkonflikte vor Gericht vor, Mark Häberlein Generationenbewusstsein und Generationenkonflikte im Spiegel einer patrizischen Familienkorrespondenz des frühen 17. Jahrhunderts. Nach dem Ausgriff auf Frankreich (Pia Claudia Doering) und England (Corinna Flügge) wendet sich Gesa Ingendahl den Witwenhaushalt in der frühneuzeitlichen Stadt zu und zeigt, dass neben dem Augenblick auch die Dauer in den Überlegungen der Menschen auch dieser Zeit erhebliche Bedeutung hatten. Ingesamt vermitteln die Beiträge in ihrer Gesamtheit ein vielfältiges, ansprechendes Bild der sozialkulturellen Regeln und Gewohnheiten der vorindustriellen Stadt.
Innsbruck |
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Gerste, Ronald D., Roosevelt und Hitler. Todfeindschaft und totaler Krieg. Schöningh, Paderborn 2011. 312 S. 16 S. Bildteil. Besprochen von Gerhard Köbler. IT |
Ganzen Eintrag anzeigen Gerste, Ronald D., Roosevelt und Hitler. Todfeindschaft und totaler Krieg. Schöningh, Paderborn 2011. 312 S. 16 S. Bildteil. Besprochen von Gerhard Köbler.
Der 1957 geborene, nach dem Studium von Humanmedizin und Geschichte an der Universität Düsseldorf mit einer Dissertation über die Entwicklung der Anästhesie im Spiegel der medizinischen Fachzeitschriften des 19. Jahrhunderts promovierte, seit 2001 als hauptberuflicher Wissenschaftskorrespondent und Sachbuchautor in Washington, D. C. lebende Verfasser ist bereits durch eine ganze Reihe von an ein weiteres Publikum gerichteten
Darstellungen hervorgetreten. Folgerichtig stellt er nun Vereinigte Staaten von Amerika und Deutsches Reich zwischen 1933 und 1945 gegenüber. Personifiziert ist der Gegensatz in dem etwas größeren Roosevelt (oben) und dem etwas kleineren Hitler (unten) auf dem Umschlagbild.
Beide kommen etwa gleichzeitig zu Beginn des Jahres 1933 an die Macht. Beide sterben im April 1945 im Abstand von nur wenigen Tagen. Trotz dieser äußeren Gemeinsamkeiten bestehen politische Unterschiede, wie sie größer kaum sein könnten, so dass das gegenseitige Verhältnis sich einleuchtend plakativ als Todfeindschaft beschreiben lässt.
Der Verfasser reiht insgesamt 20 Abschnitte in etwa chronologisch aneinander und geht dabei davon aus, dass Roosevelt die von Hitler ausgehende Gefahr früher als viele andere erkannte und sein Land zielstrebig auf die ihm unvermeidlich erscheinende Auseinandersetzung mit dem Deutschen Reich vorbereitete. Deutlich wird dabei das ambivalente Verhältnis beider Politiker zu Josef Stalin herausgearbeitet, den keiner von beiden je nach Bedarf scheute. 16 Abbildungen, einige Anmerkungen, eine Zeittafel, eine Bibliographie und ein Personenregister von Armour bis Zangara runden die flüssig und eingängig formulierten Darlegungen ab.
Innsbruck Gerhard Köbler
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Geschichte der Stadt Prenzlau, im Auftrag der Stadt Prenzlau hg. v. Neitmann, Klaus/Schich, Winfried (= Einzelveröffentlichungen der brandenburgischen historischen Kommission 16). Geiger-Verlag, Horb am Neckar 2009. 460 S. Besprochen von Gerhard Günther. |
Ganzen Eintrag anzeigen Geschichte der Stadt Prenzlau, im Auftrag der Stadt Prenzlau hg. v. Neitmann, Klaus/Schich, Winfried (= Einzelveröffentlichungen der brandenburgischen historischen Kommission 16). Geiger-Verlag, Horb am Neckar 2009. 460 S. Besprochen von Gerhard Günther.
Das gesamte Werk ist in elf Abschnitte verschiedener Autoren gegliedert: Ur- und Frühgeschichte bis zu den Anfängen der Stadt im 13. Jahrhundert (Matthias Schulz). Von der Stadtwerdung bis zum Ende der Askanierherrschaft (1150-1320) (Winfried Schich). Unter wechselnden Dynastien (1320-1500) (Heidelore Böcker). Von der Reformation bis zum 30jährigen Krieg (1500-1648) (Klaus Neitmann). Zeit des Absolutismus (1648-1806) (Frank Göse) Von der Steinschen Städtereform bis zum Ersten Weltkrieg (1806/08-1914/18) (Wolfgang Radtke). Weimarer Republik und Nazidiktatur (Frank Schmidt). Prenzlau in der SBZ und der DDR (Harald Engler). Siegel und Wappen der Stadt (Werner Heegewaldt). Mittelalterliche Kunst und Architektur (Ernst Badstübner/Dirk Schumann). Garnisonsstadt (Martin Winter).
Im Vorwort dieses Sammelbandes bieten die beiden Herausgeber einen Überblick zur Prenzlauer Chronistik und Geschichtsschreibung. Die Forschungslage machte es notwendig, insbesondere für die letzten drei Jahrhunderte auch ungedruckte Quellen aus Archiven zu verwenden. Meiner Meinung nach sollte man versuchen, das im Vorwort (S. 13) anklingende Lagerdenken zu überwinden und nicht eine Ideologie durch eine andere ersetzen.
Die Stadt Prenzlau ist die Hauptstadt der Uckermark. Ihre Geschichte ist daher auch für die Geschichte der anderen uckermärkischen Städte von Bedeutung. Andererseits kann die Geschichte einer uckermärkischen Stadt Hinweise für Prenzlau liefern. Wenn meine verehrte Lehrerin Lieselott Enders schreibt, dass die askanischen Markgrafen 1273 der Stadt Lychen „als erster uckermärkischer Stadt die Ober- und Untergerichtsbarkeit“ verliehen haben (L. Enders, Die Uckermark. Weimar 1992, S. 73f.), dan |
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Gewohnheit. Gebot. Gesetz. Normativität in Geschichte und Gegenwart - eine Einführung, hg. v. Jansen, Nils/Oestmann, Peter. Mohr (Siebeck), Tübingen 2011. XX, 366 S. Besprochen von Gerhard Köbler. IT |
Ganzen Eintrag anzeigen Gewohnheit. Gebot. Gesetz. Normativität in Geschichte und Gegenwart - eine Einführung, hg. v. Jansen, Nils/Oestmann, Peter. Mohr (Siebeck), Tübingen 2011. XX, 366 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Der einladende, durch sein kleines Format sehr handliche, durch ein Autorenregister, ein Personenregister und ein Sachregister vorteilhaft erschlossene Band entstammt den Bemühungen des geisteswissenschaftlichen Exzellenzclusters Religion und Politik in den Kulturen der Vormoderne und der Moderne in Münster, das seine Arbeit am Ende des Jahres 2007 aufgenommen hat. In einer Ringvorlesung unter dem Titel Gewohnheit, Gebot, Gesetz haben im Sommersemester 2010 Historiker, Juristen, Theologen und Philosophen Ergebnisse ihrer Diskussionen einem breiteren studentischen Publikum präsentiert, wobei fast alle Beteiligten Mitarbeiter oder Gäste am Exzellencluster waren und die Vorlesungen in Taschenbuchform dem Leser insgesamt eine Einführung in das Thema Normativität in Geschichte und Gegenwart vermitteln sollen. Da sich für diese grundlegenden Überlegungen leider keine Interessenten gefunden haben, muss sie der Herausgeber wenigstens in einzigen Zeilen der Allgemeinheit vorstellen.
Vereint sind insgesamt 13 interessante Einzelstudien. Sie reichen vom göttlichen Gesetz und der göttlichen Gewalt (Ulrich Berges) bis zu theologischer Normativität und religiösem Pluralismus (Perry Schmidt-Leukel). Sie führen demtentsprechend in etwa chronologisch von den Anfängen bis zur Gegenwart und verknüpfen dabei viele und vielfältige Gedankengänge zu Normativität in ansprechender interdisziplinarischer Weise.
Zu diesem Zweck befasst sich etwa Wolfgang Kaiser sorgfältig mit einem Brief des Papstes Johannes des VIII. an König Ludwig III., beschreibt Sita Steckel die Häresie im Spannungsfeld zwischen Recht und Religion und schildert Peter Oestmann eindrucksvoll die Rechtsvielfalt. Nils Jansen behandelt Dogmatisierungsprozesse in Recht und Religion, Thomas B |
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Gierke, Otto von, Deutsches Privatrecht. Vierter Band Familienrecht. Aus dem Nachlass hg. v. Kroeschell, Karl/Nehlsen-von Stryk, Karin. Duncker & Humblot, Berlin 2010. XII, 468 S. Besprochen von Heinz Holzhauer. |
Ganzen Eintrag anzeigen Gierke, Otto von, Deutsches Privatrecht. Vierter Band Familienrecht. Aus dem Nachlass hg. v. Kroeschell, Karl/Nehlsen-von Stryk, Karin. Duncker & Humblot, Berlin 2010. XII, 468 S. Besprochen von Heinz Holzhauer.
In den 1890er Jahren übernahm es Otto von Gierke, für Bindings „Systematisches Handbuch der deutschen Rechtswissenschaft“ eine Gesamtdarstellung des deutschen Privatrechts zu verfassen. Schon 1895 erschien der erste Band „Allgemeiner Teil und das Personenrecht“, 1905 als zweiter Band das „Sachenrecht“ und 1917 in 2 Teilbänden der dritte Band „Schuldrecht“. Den vierten Band Familienrecht hatte Gierke, als er mit 1921 starb, bis auf das Vormundschafts- und Pflegschaftsrecht so gut wie vollendet. Das Manuskript gelangte 1974 aus der Hand von Nachkommen Gierkes an Karl Kroeschell, der es, nach seiner Emeritierung zusammen seiner Lehrstuhlnachfolgerin Karin Nehlsen-von-Stryk, zum Druck vorbereitete. Außer dem unvollendet gebliebenen Teil fehlen nur einzelne Textabschnitte; darüber hinaus sind kleinere Lücken in Text und Anmerkungen offenbar durch Blattverlust verursacht.
Die Kodifikation des Bürgerlichen Gesetzbuchs befand sich 1895 noch in der parlamentarischen Beratung, doch gliedert sich das Systematische Handbuch bereits in die 5 Bücher des künftigen BGB, denen jeweils ein Band gewidmet sein sollte; der Band Erbrecht ist nie erschienen. Der erste Band bietet den traditionellen Stoff des Lehr- und Literaturfachs „Deutsche Privatrecht“; nur am Rande wird auf das „Zukunftsrecht“ des BGB hingewiesen. In den nach 1900 erschienenen Bänden läuft die chronologische Behandlung des deutschen Privatrechts jeweils auf eine ausführliche Darlegung des geltenden Rechts des BGB hinaus. Dem Familienrecht hat Gierke eine vierseitige Darstellung der „Geschichtlichen Grundlagen" sowie einzelnen Abschnitten Unterabschnitte über die Geschichte, bei den Güterständen bezeichnend über „Geschichte und Wesen“ vorangestellt. Außerdem enthalte |
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Girndt, Uwe, Das Justizdrama des Carl Hau - eine Hypothese zur Ermordung von Josephine Molitor am 6. November 1906 in Baden-Baden. Helmesverlag, Karlsruhe 2009. 217 S. Besprochen von Gerhard Köbler. IT |
Ganzen Eintrag anzeigen Girndt, Uwe, Das Justizdrama des Carl Hau - eine Hypothese zur Ermordung von Josephine Molitor am 6. November 1906 in Baden-Baden. Helmesverlag, Karlsruhe 2009. 217 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
In Baden-Baden wurde am 6. November 1906 die Medizinalratswitwe Josephine Molitor erschossen. Wegen dieser Tat wurde ihr Schwiegersohn, der in Großlittgen am 3. 2. 1881 als Sohn eines Bankdirektors geboren, in Tivoli in Italien am 5. 2. 1926 gestorbene, zeitweise an Lungentuberkulose erkrankte, in Washington D. C. zum Bachelor of Law graduierte und als Anwalt wirkende Karl (oder amerikanisch Carl) Hau auf Grund von Indizien zum Tode verurteilt, dann zu lebenslanger Zuchthausstrafe begnadigt und nach 17 Jahren Haft auf Bewährung freigelassen, doch wurde die Aussetzung der Strafe nach Veröffentlichung zweier Bücher Haus (Das Todesurteil, Lebenslänglich) im Ullstein-Verlag 1925 widerrufen. Der wissenschaftlich bisher nicht hervorgetretene Verfasser entwickelt für den trotz verschiedener Urteile nicht eindeutig geklärten, aber Leser noch immer durchaus interessierenden Fall eine eigene, abweichende, mit Literaturverzeichnis und Anmerkungen versehene These, für die jedermann die Möglichkeit gegeben wird, die vielfältigen Verwicklungen zu verfolgen und selbst kritisch zu beurteilen.
Innsbruck Gerhard Köbler
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Gironde-Verfassungsentwurf aus der französischen Revolution vom 15./16. Februar 1793. Deutschsprachige Übersetzung mit einer Einleitung und kommentierenden Anmerkungen, hg. v. Kley, Andreas/Amstutz, Richard (= Europäische Rechts- und Regionalgeschichte 14).. Nomos, Baden-Baden 2011. VIII, 214 S. Besprochen von Werner Schubert. |
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Der Verfassungsentwurf der Gironde vom Februar 1793, dessen Hauptverfasser Condorcet war, ist niemals vom Convent gebilligt worden und wurde abgelöst durch einen Verfassungsentwurf der Jakobiner, der in einem Verfassungsreferendum vom 10. 8. 1793 gebilligt und anschließend als neue Verfassung verkündet wurde. Er wurde jedoch im Hinblick auf den Kriegszustand, in dem sich Frankreich befand, suspendiert. Da der Gironde-Entwurf Vorbild für die Verfassung vom August 1793 war, ist die Kenntnis der Februar-Vorlage aus verfassungshistorischer Sicht unumgänglich. Die Edition des Züricher Rechtslehrers Kley und seines Mitarbeiters Amstutz gibt den am 20. 2. 1793 publizierten Text in der französischen und einer ins Deutsche übersetzten Fassung wieder. Insoweit handelt es sich um eine „moderne, vollständige und greifbare Übersetzung“ des Verfassungsentwurfs vom Februar 1793, dies es bisher nicht gab. Die Übersetzung von Alfred Kölz, Quellenbuch zur neueren Verfassungsgeschichte, Bern 1992, S. 33ff., beruht nicht primär auf dem offiziellen Entwurfstext des Verfassungskomitees des Convents, sondern auf einer Version, die eine „,Mittellösung’ unter allen verfügbaren Drucken“ der Pariser Nationalbibliothek darstellt (S. 36). Auch die von Daniel Schulz 2010 (in: Marquis de Condorcet, Freiheit, Revolution, Verfassung. Kleine Politische Schriften) publizierte Version des Entwurfs entspricht nicht vollständig dem Text vom 20. 2. 1793 (S. 37). Erstmals vollständig wird in einer deutschen Edition der umfangreiche Bericht des Verfassungskomitees in französischer Sprache (Übersetzung bei Daniel Schulz) wiedergegeben. Die Einleitung der Herau |
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Gli inizi del diritto pubblico, 2 Da Federico I a Federico II - Die Anfänge des öffentlichen Rechts, 2 Von Friedrich I. bis Friedrich II., hg. v. Dilcher, Gerhard/Quaglione, Diego (= Annali dell’Istituto Storico Italo-Germanico in Trento/Jahrbuch des italienisch-deutschen historischen Instituts in Trient, Contributi/Beiträge 21). Società Editrice il Mulino/Duncker & Humblot, Bologna/Berlin 2008. 421 S. Besprochen von Arno Buschmann. |
Ganzen Eintrag anzeigen Gli inizi del diritto pubblico, 2 Da Federico I a Federico II - Die Anfänge des öffentlichen Rechts, 2 Von Friedrich I. bis Friedrich II., hg. v. Dilcher, Gerhard/Quaglione, Diego (= Annali dell’Istituto Storico Italo-Germanico in Trento/Jahrbuch des italienisch-deutschen historischen Instituts in Trient, Contributi/Beiträge 21). Società Editrice il Mulino/Duncker & Humblot, Bologna/Berlin 2008. 421 S. Besprochen von Arno Buschmann.
Der vorliegende Band enthält die Druckfassung der Vorträge, die auf der zweiten Tagung des italienisch-deutschen historischen Instituts über die Anfänge des öffentlichen Rechts im September 2007 gehalten worden sind. Bei dieser Tagung handelt es sich um die Fortsetzung der Tagung, die im Juni 2006 zum selben Thema gehalten wurde und deren Tagungsband in dieser Zeitschrift Band 127 (2009) vom Rezensenten besprochen worden ist. Wiederum geht es um die Frage nach den Anfängen eines öffentlichen Rechts in staufischer Zeit und wiederum sind es bestimmte Themenbereiche, die bei der Tagung behandelt wurden und deren Abfolge die Einteilung des Sammelbandes in insgesamt vier Abschnitte bestimmt.
Der erste, einem allgemeinen Überblick über Fragestellung und Untersuchungsgegenstand der Tagung gewidmete Abschnitt beginnt mit einer Studie Gerhard Dilchers über Herrschaft und Rechte des Herrschers in der Zeit von Friedrich Barbarossa zu Friedrich II. von Hohenstaufen. In ihr werden die Ergebnisse der ersten Tagung zusammengefasst und die daraus resultierenden und weiter zu verfolgenden Fragestellungen formuliert. Wichtigstes Ergebnis für die Zeit Friedrich Barbarossas ist nach Dilchers Ansicht die allmähliche Abgrenzung der Rechte des Reiches von den persönlichen Rechten des Herrschers, die Konzentration der Gerichtsgewalt in dessen Person und die obligatorische Delegation bei deren Ausübung durch nachgeordnete Amtsträger, die Arrogation einer herrscherlichen Gesetzgebungsgewalt nach dem Vorbild des römischen Kais |
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Glienke, Stephan Alexander, Die Ausstellung „Ungesühnte Nazijustiz“ (1959-1962) - zur Geschichte der Aufarbeitung nationalsozialistischer Justizverbrechen (= Nomos-Universitätsschriften Geschichte 20). Nomos, Baden-Baden 2008. 349 S. Besprochen von Gerhard Köbler. IT |
Ganzen Eintrag anzeigen Glienke, Stephan Alexander, Die Ausstellung „Ungesühnte Nazijustiz“ (1959-1962) - zur Geschichte der Aufarbeitung nationalsozialistischer Justizverbrechen (= Nomos-Universitätsschriften Geschichte 20). Nomos, Baden-Baden 2008. 349 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Im Spätherbst 1954 zog der 24jährige Reinhard Strecker, dessen Großvater als Kommissionspräsident an der Erarbeitung des deutschen Bürgerlichen Gesetzbuchs beteiligt gewesen und dessen Vater Kammergerichtsrat gewesen war, nach Berlin, holte das Abitur nach, nahm an der Freien Universität das Studium der indogermanischen Sprachwissenschaften auf, trat in die deutsch-israelische Studiengruppe ein, erfuhr von israelischen Kommilitonen von der Tätigkeit zahlreicher ehemaliger Funktionsträger der nationalsozialistischen Herrschaft in der Bundesrepublik Deutschland und bereitete daraufhin mit anderen eine Petition an den Bundestag zur Frage der Wiederbeschäftigung schwer belasteter Ärzte, Juristen und anderer vor. Mit diesem Vorgang und seinen Folgen befasst sich die von Joachim Perels betreute, im April 2006 von der philosophischen Fakultät der Universität Hannover angenommene Dissertation des Verfassers. Sie gliedert sich außer in Einleitung und Schlussbemerkung in sieben Abschnitte.
Zunächst beschreibt sie Planung und Präsentationen, die von vielen Hindernissen begleitet waren, aber Interesse in den Niederlanden und Großbritannien erweckten und zu Nachrecherchen in Osteuropa führten. Danach wendet sie sich der Strafbarkeit von Handlungen der Justizjuristen zu, deretwegen durch den Sozialistischen Deutschen Studentenbund bzw. Reinhard Strecker und Wolfgang Koppel am 22. 1. 1960 Strafanzeigen gegen 43 Richter wegen Verdachts der Rechtsbeugung in Tateinheit mit Totschlag gestellt wurde, und schildert als Beispiele betroffener Urteile die Fälle Kulesa, Hopfe und Holländer sowie als Beispiel für die Behandlung Niedersachsen und als wesentliches Ergebnis die Einstellung der Ermittl |
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Globalgeschichte 1800-2010, hg. v. Sieder, Reinhard/Langthaler, Ernst. Böhlau, Wien 2010. 588 S. Besprochen von Werner Augustinovic. |
Ganzen Eintrag anzeigen Globalgeschichte 1800-2010, hg. v. Sieder, Reinhard/Langthaler, Ernst. Böhlau, Wien 2010. 588 S. Besprochen von Werner Augustinovic.
Die immer engmaschigere Vernetzung unserer Welt hat sich, genährt aus einem Bedürfnis nach ganzheitlicher Betrachtung zwecks Erkenntnis und Darlegung maßgeblicher Interdependenzen und ihrer Genese, als separate Disziplin in den Geschichtswissenschaften längst einen festen Platz erobert. Seit geraumer Zeit kursieren in der Branche unterschiedliche Labels für diese integrativen Forschungsansätze: Da ist die Rede von „Globalgeschichte“, aber auch von „Weltgeschichte“, „Transnationaler Geschichte“, „Histoire croisée“, „Makrogeschichte“ und „Universalgeschichte“. Reinhard Sieder und Ernst Langthaler, die beide am Institut für Wirtschafts- und Sozialgeschichte der Universität Wien lehren, bemühen sich im einführenden Text zum vorliegenden Sammelwerk zunächst um die Klärung der Begriffe: Globalgeschichte im weiteren Sinn rekonstruiere vor allem „die verschiedenen Transfers und Vernetzungen über politische und geografische Grenzen hinweg“ und sei daher „am besten multi-, inter- und transdisziplinär – kurz: fächerübergreifend – anzulegen“; sie bedürfe „der Teambildung einer Reihe von Spezialistinnen und Spezialisten für die diversen Aspekte“ (S. 11f.). Mit diesem Diktum grenzen sich die Gestalter des Bandes, neben der Ausweitung des Zeithorizonts bis in die unmittelbare Gegenwart, auch arbeitsmethodisch von Jürgen Osterhammel ab, der mit seiner „Verwandlung der Welt“ (2009) in vielerlei Hinsicht neue Maßstäbe vorgegeben, sein Opus aber als beeindruckende Einzelleistung ins Werk gesetzt hat.
Von Europa aus betrieben, sei Globalgeschichte zwar nicht eurozentristisch, aber dennoch zwangsläufig eurozentrisch, indem sie ihre Kategorien und ihre Wissenschaftslogik der westlichen Wissenstradition entnehme; dazu trete ein Theorien-Pluralismus (genannt werden: Historischer Materialismus, Modernisierungs-, Dependenz-, Re |
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Golowitsch, Helmut, Für die Heimat kein Opfer zu schwer. Folter - Tod - Erniedrigung - Südtirol 1961-1969. Athesia, Bozen 2009. 715 S., 500 Abb. Besprochen von Gerhard Köbler. IT |
Ganzen Eintrag anzeigen Golowitsch, Helmut, Für die Heimat kein Opfer zu schwer. Folter - Tod - Erniedrigung - Südtirol 1961-1969. Athesia, Bozen 2009. 715 S., 500 Abb. Besprochen von Gerhard Köbler.
Der 1942 geborene Verfasser war nach dem Studium der Publizistik und Volkskunde in Wien als Sonderberichterstatter zweier österreichischer Tageszeitungen und Redakteur einer Wochenzeitung, später als Kaufmann und Publizist tätig. Er ist seit 1985 teilweise mit anderen durch eine Reihe populärwissenschaftlich-publizistischer Veröffentlichen hervorgetreten. Dazu gehören etwa die Titel Und kommt der Feind ins Land herein - Schützen verteidigen Tirol und Kärnten (1985), Kapitulation in Paris 1946 (1989), Wo man mit Blut die Grenze schrieb (1990), Chronik Südtirol (1996) oder der König der deutschen Alpen und seine Helden (2005).
Der jetzige Titel ist inspiriert durch einen Satz aus einem Brief eines gefolterten Häftlings aus dem Gefängnis, in dem dieser für sich und seine Kameraden erklärt: Die Opfer hier und die Opfer bei meiner Familie zuhause sind schwer, aber nicht zu schwer, wenn sie Früchte bringen. Mit dieser Zielsetzung will der Verfasser vor allem der jüngeren Generation das Leid und die Opfer junger Südtiroler zwischen 1961 und 1969 in Erinnerung rufen und zugleich das Bewusstsein vermitteln, dass Wachsamkeit und Einsatz den Erhalt von Heimat und die Wahrung von Rechten wie etwa der Selbstbestimmung fördern können. Zu diesem Zweck stellt der Verfasser den leidvollen Kampf politischer Gegangener an Hand von teilweise erstmals veröffentlichten Briefen und anderen Dokumenten von der Feuernacht 1961bis zur Aussendung von Mördern und Menschenräuber so eindringlich wie möglich dar.
Innsbruck Gerhard Köbler
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Goltermann, Svenja, Die Gesellschaft der Überlebenden. Deutsche Kriegsheimkehrer und ihre Gewalterfahrungen im Zweiten Weltkrieg. Deutsche Verlags-Anstalt, München 2009. 592 S. Besprochen von Werner Augustinovic. |
Ganzen Eintrag anzeigen Goltermann, Svenja, Die Gesellschaft der Überlebenden. Deutsche Kriegsheimkehrer und ihre Gewalterfahrungen im Zweiten Weltkrieg. Deutsche Verlags-Anstalt, München 2009. 592 S. Besprochen von Werner Augustinovic.
Wie ausnehmend schwierig die Beantwortung der einfach anmutenden Frage, ob die im Zuge von kriegerischen Auseinandersetzungen erfahrene Gewalt ursächlich verantwortlich sein könne für später auftretende ernst zu nehmende psychische Leiden oder ob diese Leiden auf anlagebedingte physiologische Ursachen zurückzuführen seien, ausfallen kann, stellt die Freiburger Privatdozentin und Historikerin Svenja Goltermann in diesem Buch dar, das mit dem renommierten Preis des Verbandes der Historiker und Historikerinnen Deutschlands gewürdigt worden ist. Der Zeitraum, den die Untersuchung ins Visier nimmt, reicht vom Ende des Zweiten Weltkriegs 1945 bis in die beginnenden siebziger Jahre des 20. Jahrhunderts, ihren materiellen Ausgangspunkt bildet ein Bestand an Krankenakten der Psychiatrischen und Neurologischen Abteilung der von Bodelschwinghschen Anstalten Bethel bei Bielefeld, verwahrt - wie im Quellen- und Literaturverzeichnis nachzulesen - im dortigen Hauptarchiv.
Im ersten Teil beschäftigt sich die Verfasserin mit der Interpretation von privaten Erinnerungsfragmenten, die sie aus methodischen Gründen auf die Jahre 1945 bis 1949/1950 beschränkt, denn „in der ‚Zusammenbruchsgesellschaft‘ herrschten andere Sagbarkeitsregeln vor als nach der Etablierung von Versorgungsansprüchen, bei denen die Antragsteller von Kriegsopferrenten mit ihren Schilderungen auch einen ganz spezifischen Zweck verfolgten“ (S. 27). Anschließend widmet sie sich im zweiten Abschnitt eingehend der Produktion des psychiatrischen Wissens und den Triebkräften für dessen Wandlung. Der dritte und letzte Teil beleuchtet die Rolle der Medien in diesem Prozess.
Diese Gliederung des Bandes macht augenscheinlich, dass Svenja Goltermann der Falle monokausaler Erk |
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Grabowski, Hans-Ludwig, Kleiner deutscher Papiergeldkatalog von 1871 bis heute. Battenberg, Regensburg 2010. 240 S. Besprochen von Gerhard Köbler. IT |
Ganzen Eintrag anzeigen Grabowski, Hans-Ludwig, Kleiner deutscher Papiergeldkatalog von 1871 bis heute. Battenberg, Regensburg 2010. 240 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Mit der Einführung des Euro als Bargeld am 1. Januar 2002 endeten die eigenständigen Geldausgaben der an der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion teilnehmenden Mitgliedstaaten der Europäischen Union. An die Stelle bisheriger Geldscheine in Deutscher Mark oder österreichischem Schilling traten neue Gemeinschaftspapiergeldscheine. Dieser Zeitpunkt ist daher für eine Bilanz des bisherigen deutschen Papiergelds gut geeignet.
Mit dem für die Erarbeitung erforderlichen zeitlichen Abstand legt der Verfasser auf Glanzpapier den von ihm geschaffenen Katalog vor. Er enthält alle Papiergeldscheine des Deutschen Reiches von 1871, des Großdeutschen Reiches der nationalsozialistischen Herrschaft, der Bundesrepublik Deutschland, der Deutschen Demokratischen Republik, Österreich-Ungarns, des geplanten Donaustaats, der Republik Deutschösterreich und des Fürstentums Liechtenstein( sowie der Europäischen Union mit deren Ausgaben für Deutschland und Österreich). Er ist nach Auskunft des Vorworts streng am historischen Kontext sowie nach Ausgabedaten (mit tatsächlichen Umlaufzeiten) und Gestaltungsmerkmalen aufgebaut.
Er beginnt mit dem Deutschen Reich von 1871, dem Weimarer Republik, Drittes Reich, Deutschland unter alliierter Besatzung, Deutsche Demokratische Republik und Bundesrepublik Deutschland folgen. Dem wird in gleicher Weise Österreich (von 1866 an) angeschlossen und Liechtenstein (von 1920 an) angefügt. Ein kleines Literaturverzeichnis ermöglicht die eigenständige Vertiefung des leider die Schweiz nicht berücksichtigenden, übersichtlichen und informativen Hilfsmittels.
Innsbruck Gerhard Köbler
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Gräfe, Ulrike, Leo Rosenberg. Leben und Wirken (1879-1963). Duncker & Humblot, Berlin 2011. 402 S. Besprochen von Werner Schubert. |
Ganzen Eintrag anzeigen Gräfe, Ulrike, Leo Rosenberg. Leben und Wirken (1879-1963). Duncker & Humblot, Berlin 2011. 402 S. Besprochen von Werner Schubert.
Ziel des Werks Ulrike Gräfes ist es, die Erinnerung an Leo Rosenberg „wachzuhalten“ (S. 17), den wohl bedeutendsten Zivilprozessrechtslehrer und Zivilprozessdogmatiker des 20. Jahrhunderts in der Nachfolge der drei bedeutenden Leipziger Zivilprozessrechtler Adolf Wach, Friedrich Stein und Richard Schmidt. Das in zwei Teile gegliederte Werk beginnt mit dem „Leben Leo Rosenbergs“ (S. 19-125), gefolgt vom zweiten Hauptteil: „Das Werk von Leo Rosenberg“ (S. 126-297). Rosenberg (geb. 1879) entstammte einer jüdischen Kaufmannsfamilie in Fraustadt (Regierungsbezirk Posen) und studierte nach dem Abitur am dortigen Gymnasium Rechtswissenschaften von 1896-1899. Nach der Promotion 1899 und der Habilitation 1906 (in Göttingen) wurde er 1912 zum außerordentlichen Prof. der Universität Gießen berufen (dort Ernennung zum Ordinarius 1916). 1920 begründete er mit drei Kollegen die Vereinigung Deutscher Zivilprozessrechtslehrer, die sich u. a. mit rechtspolitischen Fragen aus Anlass der unter Emminger geschaffenen Zivilprozessnovelle von 1924 befasste. 1932 wechselte Rosenberg an die Universität Leipzig als Nachfolger Richard Schmidts. Bereits im Sommer 1934 wurde er aufgrund seiner jüdischen Abstammung (nicht aus Ersparnisgründen) nach § 6 des Berufsbeamtengesetzes zwangspensioniert. Da er in einer sog. privilegierten jüdischen Mischehe lebte, konnte er die nationalsozialistische Judenverfolgung – seit Ende 1938 zurückgezogen im Allgäu lebend – überleben. Da ihm eine Rückkehr nach Leipzig von der dortigen Juristenfakultät verwehrt wurde (S. 90ff.), übernahm er im April 1946 die kommissarische Verwaltung des Lehrstuhls Heinrich Langes. Erst nach langjährigen Widerständen des bayerischen Finanzministeriums wurde Rosenberg zum ordentlichen Professor ernannt, jedoch aus Altersgründen bereits mit Ablauf des Wintersemesters 19 |
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Gräwe, Svenja Lena, Die Entstehung der Rechtsinformatik. Wissenschaftsgeschichtliche und -theoretische Analyse einer Querschnittsdisziplin (= Schriftenreihe zum Datenschutz- und Informationsrecht 4). Kovač, Hamburg 2011. LXIII, 292 S. Besprochen von Gerhard Köbler. IT |
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Mit der Aufklärung beginnen auch die Überlegungen zu einer Geometrisierung oder Mathematisierung des natürlichen menschlichen Daseins einschließlich des auf seiner Grundlage gebildeten Rechtes. Erst nach dem Ersten Weltkrieg waren die hierauf aufbauenden Lochkartenmaschinen aber so weit fortgeschritten, dass Post und Bahn im Deutschen Reich sie für einfache Vorgänge praktisch verwenden konnten, doch waren diese Geräte noch nicht in der Lage mehrere Vorgänge ohne menschlichen Eingriff in einem Durchlauf zu bearbeiten. Erst 1947 wurde an der Pennsylvania University in Philadelphia ein elektronischer Rechner gebaut, der komplizierte Operationen in kurzer Zeit in Simultanarbeit in einem Durchlauf bearbeiten konnte, und erst 1957 wurden Elektronenrechner auch in der Verwaltung der Bundesrepublik Deutschland eingesetzt.
Mit der anschließenden Entwicklung befasst sich die von Thomas Hoeren angeregte und betreute, in das Forschungsprojekt Die Geschichte des Informationsrechts der Deutschen Forschungsgemeinschaft eingebundene, im Wintersemester 2010/2011 von der rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Münster angenommene Dissertation der am Lehrstuhl des Betreuers beschäftigen Verfasserin, die ihrem Werk einen bunten Wirbel der Erscheinungen Justus Wilhelm Hedemanns als Motto vorausstellt. Gegliedert ist die Untersuchung in insgesamt fünf Teile. Sie betreffen Ziel und Gang der Untersuchung, Methode, Entwicklungsgeschichte der Rechtsinformatik, Strukturierung des rechtsinformatorischen Entstehungsprozesses und Rechtsinformatik als wissenschaftliche Disziplin.
Mit beachtlichem theoretischem Aufwand erörtert die Verfasserin Wissenschaftstheorie, Wissenschaftsg |
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Gray, Richard T., Money Matters. Economics and the German Cultural Imagination 1770-1850. University of Washington Press, Seattle 2008. 476 S. Besprochen von Gerhard Köbler. IT |
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Der 1952 geborene, an der Universität von Virginia germanistisch ausgebildete Verfasser ist als Professor der Germanistik an der Universität Washington tätig. Er ist bereits seit 1977 durch verschiedene Beiträge und Werlken etwa zu Lessing, Nietzsche oder Kafka hervorgetreten. 1995 veröffentlichte er Stations of the divided subject an Hand der deutschen bürgerlichen Literatur zwischen 1770 und 1914, 2005 Überlegungen zu deutschen Physiognomielehren zwischen Lavater und Auschwitz.
Im vorliegenden Werk thematisiert er das Verhältnis von Wirtschaft und Literatur im deutschen Raum in der Zeit des frühen Liberalismus. Dazu gliedert er seine Untersuchungen in zwei gleich gewichtige Teile. Teil 1 befasst sich mit der Beziehung zwischen Wirtschaft und geistiger Kultur, Teil 2 mit wirtschaftlichen Vorgängen innerhalb der Literatur.
Im Einzelnen geht er dabei näher auf Adam Müller, Johann Gottlieb Fichte, die Physiokraten, Johann Heinrich Jung-Stilling, Adalbert von Chamisso, Annette von Droste-Hülshoff und Adalbert Stifter ein. Im Ergebenis stellt er durchaus gewisse Verbindungen fest, wie etwa die Parallelität des Übergangs von der agrarischen zur frühindustriellen Gesellschaft zum Wechsel vom bloßen Metallgeld zum Papiergeld und zum Aufblühen von Literatur und Philosophie. Bereichert werden diese verständlichen, das Recht nur ganz am Rande tangierenden Gedankengänge durch angehängte Anmerkungen, eine vielfältige Bibliographie und einen Index von Aaron (in der Judenbuche) bis zu Zwölf Reden über die Beredsamkeit (Müllers).
Innsbruck Gerhard Köbler
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Griebl, Ludwig, Die Behandlung von Verschwendern und Geisteskranken im frühneuzeitlichen Territorialstaat (1495-1806). Eine Darstellung der privatrechtlichen und policeylichen Maßnahmen im Kurfürstentum Mainz und Herzogtum Württemberg (= Rechtsgeschichtliche Studien 40). Kovač, Hamburg 2010. 328 S. Besprochen von Gerhard Köbler. IT |
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Die Arbeit ist die von Andreas Roth angeregte und betreute, im Sommersemester 2010 vom Fachbereich Rechts- und Wirtschaftswissenschaften der Universität Mainz angenommene Dissertation des Verfassers, die sich auch der Recherchearbeit Karl Härters sehr verpflichtet weiß. Sie behandelt einen kleineren Ausschnitt der frühneuzeitlichen Privatrechtsgeschichte an Hand zweier ausgewählter territorialer Bereiche. Dabei geht sie erfreulicherweise auch besonders auf die Übereinstimmung von Sollen und Sein ein.
In seiner Einleitung beschreibt der Verfasser seinen Untersuchungsgegenstand, die Quellen, bei denen er insbesondere die von Kunkel und anderen vorgelegten Teileditionen , aber auch einige ungedruckte Texte aus Frankfurt am Main, Mainz, Stuttgart, Wiesbaden und Würzburg verwertet, und den Forschungsstand sowie die Methode und den Gang der Darstellung als einer qualitativen Fallstudie. Im Anschluss daran legt er allgemeine Grundsätze des Vormundschaftsrechts und der Ausgestaltung der rechtlichen Fürsorge für Erwachsene nach gemeinem Recht dar, wobei er auf die bekannten allgemeinen Darstellungen des deutschen Privatrechts eher zu verzichten scheint.. Kapitel C und Kapitel D betreffen dann mit Mainz und Württemberg den besonderen Untersuchungsgegenstand.
Insgesamt kommt der Bearbeiter zu einer bemerkenswerten Abweichung von dem in der Literatur bisher gezeichneten Bild der rechtlichen Fürsorge für Erwachsene während der frühen Neuzeit. Während die Literatur in erster Linie auf das vom römischen Recht beeinflusste Vormundschaftsrecht abstellte, erkennt er in der Praxis deutliche polizeirechtliche Elem |
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Grundlagen der österreichischen Rechtskultur. Festschrift für Werner Ogris zum 75. Geburtstag, hg. v. Olechowski, Thomas/Neschwara, Christian/Lengauer, Alina. Böhlau Wien 2010. XII, 606 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
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Als die Grundlagen der österreichischen Rechtskultur Werner Ogris aus Anlass seines 75. Geburtstags in Wien feierlich überreicht wurden, wurde in allen Ansprachen deutlich, dass Werner Ogris österreichische Rechtskultur der Gegenwart in höchster Vollendung ist. Dazu gehört nicht nur, dass er auf zahlreichen Feldern zahllose neue Erkenntnisse gewonnen hat, sondern auch, dass er selbst im Augenblick vollkommener Ehrung einen Augenblick auch darüber nachgedacht hat, was er alles sonst noch hätte leisten können. Als kluger Lebenskünstler hat er sich freilich damit abgefunden, dass auch für kommende Generationen noch Aufgaben zur Bewältigung zur Verfügung stehen müssen.
In Wien am 9. Juli 1935 geboren absolvierte Werner Ogris das Studium der Rechtswissenschaft in seiner Geburtsstadt in beeindruckender Kürze und war 1958 nicht nur bereits wissenschaftliche Hilfskraft, sondern auch promoviert und wissenschaftlicher Assistent. Nicht einmal vier Jahre später war er am 16. Februar 1962 unter Betreuung und Förderung durch Hans Lentze auch schon habilitiert. Noch im gleichen Jahr wurde der erfolgreiche Gelehrte an die Universität Berlin berufen und damit in der europäischen Gelehrtenwelt so ausgezeichnet, dass ihn die heimatliche alma mater bei erstmöglicher Gelegenheit zurückberief.
Seit 1966 wurde er rasch zum Inbegriff österreichischer Rechtsgeschichte. Lagen die Anfänge noch im Mittelalter, so machte sich der Gelehrte rasch auch die Neuzeit völlig zu eigen. Er erschloss die Rechtsentwicklung in Österreich von 1848 bis 1918 ebenso wie das Personenrecht und widmete sich großen Österreicherinnen und Österreichern wie Maria Theresia, Mozart oder Leo Graf Thun-Hohenstein ebenso wie großen Nichtösterrreichern. Darüber hin |
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Grüner, Christian, Quantität und Qualität der europäischen Rechtsetzung (= Schriften zum internationalen und zum öffentlichen Recht 92). Lang, Frankfurt am Main 2011. XII, 530 S., 2 Abb., 1 Tab., zahlr. Graf. Besprochen von Gerhard Köbler. IT |
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Die Gründung der europäischen Gemeinschaften hatte in erster Linie Kontrolle zum Ziel. Das bedeutete größtmöglichen Machtgewinn bei gleichzeitig geringstmöglichem Machtverlust. Dementsprechend wollten die beteiligten Gründerstaaten den Gemeinschaften nur so viel Zuständigkeit gewähren, wie für eine gegenseitige Kontrolle unabdingbar erschien.
Allerdings entwickelt ein Geschehen in seinem Verlauf vielfach auch eine Eigene Dynamik. Die mit Macht begabten Organe streben aus eigenem Interesse nach Ausweitung ihrer Zuständigkeiten. Dieser Vorgang erfordert von Zeit zu Zeit eine Überprüfung, wie sie für die Rechtsetzung der Verfasser in seiner von Gilbert Gornig betreuten, im Sommersemester 2010 vom Fachbereich Rechtswissenschaft der Universität Marburg einleuchtend vorgenommen wird.
Dabei zeigt sich beispielsweise, dass die Zahl der geltenden Rechtsetzungsakte pro Jahr seit etwa 1995 stärker steigt als in den Jahren zuvor, wobei in absoluten Zahlen ausgedrückt die Verordnungen unangefochten den Spitzenplatz belegen und durchschnittlich 340 neuen Verordnungen etwa 32 neue Richtlinien gegenüberstehen. Inhaltlich zeigt der Verfasser erhebliche inhaltliche Mängel auf, die auf vielfältigen Ursachen beruhen. Realistischerweise hält er eine Optimierung allein auf juristischer Ebene für ausgeschlossen, schlägt aber dessenungeachtet eine vorrangige Thematisierung auf juristischer Ebene vor, für die er eigene Anregungen gibt.
Innsbruck Gerhard Köbler
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Gsänger, Johannes, Das Berufsrecht der Reichsnotarordnung vom 13. Februar 1937 und die Auswirkungen auf die Selbständigkeit der notariellen Standesvertretung - unter besonderer Berücksichtigung der Notare im Rheinland (= Schriften zum Notarrecht 17). Nomos, Baden-Baden 2010. 214 S. Besprochen von Gerhard Köbler. IT |
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Die Arbeit ist die von Mathias Schmoeckel freundschaftlich betreute, im Herbst 2009 durch die rechts- und staatswissenschaftliche Fakultät der Universität Bonn angenommene Dissertation des Verfassers. Sie befasst sich nach den Worten des Autors mit der Entwicklung des Notariatsrechts im „Dritten Reich“ und den Maßnahmen der NS-Regierung zur „Gleichschaltung“ der notariellen Standesvertretung, die bis heute kaum Gegenstand wissenschaftlicher Darstellung gewesen seien. Seine Arbeit soll diese Lücke schließen.
Gegliedert ist sie einschließlich der Einleitung und der Zusammenfassung in insgesamt fünf Abschnitte, die im Kern zeitlich aufeinanderfolgen. Deswegen schildert der Verfasser zunächst Notarrecht und Zustand der notariellen Standesvertretung vor 1933. Das Schwergewicht legt er danach überzeugend auf die Rechtsvereinheitlichung und Gleichschaltung der notariellen Standesvertretung in den Jahren 1933-1937 und stellt dabei die Reichsnotarordnung vom 13. Februar 1937, deren Entstehung Werner Schubert an vom Verfasser nicht ausreichend zitierter Stelle bereits erörtert hatte, als „Kodifikation“ in den Mittelpunkt, verfolgt darüber hinaus aber unter der Überschrift „Rezeption“ den weiteren Ablauf bis zur Bundesnotarordnung vom 24. Februar 1961.
Im Ergebnis sollte die Verordnung „als numerus clausus“ die vielfältigen Notariatsgesetze der nach 1806 souverän gewordenen Länder ablösen, die ihrerseits der Notariatsordnung Kaiser Maximilians I. von 1512 gefolgt waren und die frühere Rechtseinheit beseitigt hatten. Beachtet wurde dabei in der Sache vor allem ein von dem jüdischen Berliner Rechtsanwalt und Notar Hermann Obern |
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Gschwend, Lukas/Ingber, Karin/Wehrle, Stefan, 150 Jahre Schweizerischer Juristenverein (1861-2011) (= Jubiläumsschrift/Publication commémorative/Pubblicazione commemorativa von ZDR/RDS). Helbing Lichtenhahn Verlag, Basel 2011. 242 S. Besprochen von Gerhard Köbler. IT |
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Am 7. Juli 1861 wurde in Luzern der Schweizerische Juristenverein gegründet. Lukas Gschwend nahm dies zusammen mit Mitarbeitern zum Anlass, in einer eleganten Jubiläumsschrift die hundertfünfzigjährige Geschichte der wichtigen Berufsvereinigung bis zur Gegenwart zusammenzufassen. Dazu gliedert er sein Werk in insgesamt vier Teile.
Zunächst behandelt er auf der Grundlage des 1848 geschaffenen Bundesstaats die Gründung unter Federführung Philipp Willis, Nikolaus Rietschies und Johannes Ambergs im Kreise von insgesamt 45 Juristen aus verschiedenen Kantonen. Danach verfolgt er sorgfältig die erhebliche Bedeutung des Vereins für die Entwicklung des Privatrechts, des Strafrechts und des Prozessrechts einschließlich der Annäherungen an staats- und verwaltungsrechtliche Themen und der Schwerpunkte der Tätigkeit seit der Einhundertjahrfeier. Am Ende gibt er einen wertvollen Überblick über die Sammlung schweizerischer Rechtsquellen.
Trotz anfangs schwieriger Finanzierung konnten bis 1970 insgesamt 53 gediegene, bibliophile Bände ediert werden, die sich allerdings auf Bern und den Aargau konzentrierten, während die übrige Westschweiz, die gesamte Innerschweiz, Basel, Thurgau, Appenzell und das Tessin noch immer große weiße Flächen bildeten. 1980 errichtete die Schweizerische Juristenvereinigung eine Rechtsquellenstiftung mit Sitz in Lausanne, deren Zweck die Herausgabe der Schweizerischen Rechtsquellen ist. Infolge dieser Unterstützung konnten in den letzten 25 Jahren mehr als drei Dutzend neue Bände herausgegeben werden und sind unter dem jetzigen Präsidenten Lukas Gschwend 13 Projekte mit 14 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Gang, so dass ein weiterer glücklicher Fortg |
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Güde, Wilhelm, Der Rechtshistoriker Guido Kisch (1889-1985) (= Schriftenreihe des Rechtshistorischen Museums 18). Gesellschaft für kulturhistorische Dokumentation e. V., Karlsruhe 2010. 70 S. Besprochen von Hiram Kümper. |
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Dieses schmale Bändchen stellt die um einen umfangreichen Anmerkungsapparat und vier Quellenbeilagen ergänzte Schriftform eines Vortrags des Verfassers vom Oktober 2008 in der Badischen Landesbibliothek Karlsruhe dar. Güde, der in den 1960er Jahren zeitweise Guido Kischs Assistent in Basel war, zeichnet darin mit viel Sympathie den Lebensweg des berühmten Rechtshistorikers nach. Jener zeigte bekanntlich keinen Mangel an Selbstbewusstsein, ebenso wenig wie an kritischer Distanz zu sich: immer wieder hat er sich autobiographisch und selbstreflexiv in den Vorworten seiner Werke und an anderer Stelle geäußert, schließlich 1975 auch seine Memoiren unter dem Titel „Lebensweg eines Rechtshistorikers“ vorgelegt. Neben diese zahlreichen Ego-Dokumente und das beredte Zeugnis seiner Arbeiten treten die Erinnerungen einer langen Reihe von Gelehrten, mit denen Kisch in Korrespondenz stand oder die sich aus anderen Zusammenhangen seiner erinnern. Hier wäre sicher noch einiges zu heben. Vor allem der umfangreiche Teilnachlass im Frankfurter Max-Planck-Institut für Europäische Rechtsgeschichte etwa ist noch praktisch unerforscht; auch hier wird er nicht genutzt. Güdes warmherziges Portrait ist insofern sicher nicht das abschließende Werk zur Biographie des großen Gelehrten. Zu viel schlummert noch in den Archiven. Aber es ist ein Baustein unter vielen. Vor allem die vielen persönlichen Erinnerungen des Verfassers tragen weiter zu dem Bild bei, das uns von Guido Kisch überliefert ist. Bei den vier beigefügten Beilagen handelt es sich um Nachdrucke von anderweitig, zum Teil aber entlegener publizierten Beiträgen Kischs, die mehr illustrativen Charakter haben. Auch ein Beitrag aus dieser Zeitschrift (Schöffenspruchsammlungen, in: ZRG GA 39, 19 |
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Gudmundsson, Óskar, Snorri Sturluson - Homer des Nordens. Eine Biographie. Aus dem Isländischen übersetzt v. Jucknies, Regina. Mit einem Vorwort v. Simek, Rudolf. Böhlau, Köln 2011. 447 S. Besprochen von Martin Moll. |
Ganzen Eintrag anzeigen Gudmundsson, Óskar, Snorri Sturluson - Homer des Nordens. Eine Biographie. Aus dem Isländischen übersetzt v. Jucknies, Regina. Mit einem Vorwort v. Simek, Rudolf. Böhlau, Köln 2011. 447 S. Besprochen von Martin Moll.
Die bis 1945 beliebte Schwärmerei für alles Germanisch-Nordische liegt nun so weit zurück, dass außerhalb Islands heute nur mehr Wenige Snorri Sturluson (1178 oder 1179-1241) als den berühmtesten und produktivsten Schöpfer der mittelalterlichen Isländer-Sagas identifizieren können. Vor diesem Hintergrund ist es zu begrüßen, dass der in Reykjavik tätige Historiker Óskar Gudmundsson eine ins Deutsche übersetzte Biographie des Skalden Snorri vorlegt, die ausweislich ihres wissenschaftlichen Apparates auf einer breiten, meist in isländischer Sprache verfassten Forschungsliteratur basiert.
Leider stellt dieses wohl für die mit der Thematik besser vertrauten Landsleute des Verfassers geschriebene Buch für deutschsprachige Leser eine überaus trockene, schwer verständliche Kost dar, die durch das Fehlen von Abbildungen und aussagekräftigen Landkarten noch unverdaulicher wird. Dies liegt nicht an der Übersetzerin, die sich um eine lebendige, gegenwartsnahe Ausdrucksweise bemüht hat, wenngleich nicht einsichtig ist, warum sie die Orkney-Inseln mit dem völlig ungebräuchlichen „die Orkaden“ übersetzt. Die Kritik richtet sich an den Verfasser, der keine Biographie im eigentlichen Wortsinn vorlegt, sondern eine im Stil mittelalterlicher Annalen gehaltene, jahresweise Schilderung der Lebensstationen Snorris. Konsequenterweise setzt das Buch ein, als der dreijährige Snorri zu Zieheltern gegeben wurde, und endet ebenso abrupt mit dessen Ermordung im September 1241. Lediglich das Vorwort Rudolf Simeks geht kurz auf die Bedeutung des Literaten Snorri ein, der Haupttext beinhaltet weder eine einleitende Darlegung von Fragestellung, Methoden und Quellen noch eine abschließende Würdigung.
Auf rund 350 Seiten Text folgt der Leser buc |
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Hackel, Freimut Alexander, Die Entstehung einer eigenständigen bayerischen Verwaltungsgerichtsbarkeit. Eine Analyse der Judikatur des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes zwischen 1879 und 1919 anhand ausgewählter Fragestellungen (= Rechtsgeschichtliche Studien 42). Kovač, Hamburg 2011. 378 S. Besprochen von Gerhard Köbler. IT |
Ganzen Eintrag anzeigen Hackel, Freimut Alexander, Die Entstehung einer eigenständigen bayerischen Verwaltungsgerichtsbarkeit. Eine Analyse der Judikatur des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes zwischen 1879 und 1919 anhand ausgewählter Fragestellungen (= Rechtsgeschichtliche Studien 42). Kovač, Hamburg 2011. 378 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Die Arbeit ist die von Rainer Arnold betreute Regensburger Dissertation des Verfassers. Sie widmet sich vertiefend einem territorialen Teilbereich der Einrichtung einer besonderen Verwaltungsgerichtsbarkeit innerhalb des Deutschen Reiches. Damit kann sie über die Baden, Württemberg und Bayern gemeinsam betreffende Quellenstudie Gernot Sydows trotz schwieriger Quellenlage hinausgelangen.
Der Verfasser gliedert seine Untersuchung in sechs Kapitel, in die er jeweils vorweg einführt. Er beginnt mit den Vorläufern (Hofrat, geheimer Rat, Staatsrat) bis zur Errichtung des dem badischen und preußischen Vorbild (von 1863 bzw. 1875) folgenden bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (ohne eigene Untergerichte) nach dem Gesetz vom (12. Juli 1878/)8. August 1878, das gleichzeitig mit dem Reichsgerichtsverfassungsgesetz vom 27. Januar 1877 in Kraft treten sollte und erst durch Gesetz vom 23. September 1946 aufgehoben wurde, skizziert dann das Wesen der bayerischen Verwaltungsgerichtsbarkeit, beschreibt die sachliche Zuständigkeit der Verwaltungsgerichtsbarkeit und behandelt den Schutz subjektiv-öffentlicher Rechte sowie die Überprüfung des verwaltungsbehördlichen Ermessens. Am Ende fasst er seine Ergebnisse zusammen.
In den ersten 25 Jahren des Bestehens des Verwaltungsgerichtshofs fielen nach Ausweis der älteren Literatur 11435 Streitsachen an, in den folgenden 25 Jahren 13737. Mit Friedrich Merzbacher bewertet der Verfasser den Verwaltungsgerichtshof als eine Einrichtung, die für die Erfüllung der Aufgaben des modernen Rechtsstaats und für die neuzeitliche Verwaltungsrechtspflege unentbehrlich werden sollte. Allerd |
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Haeberli, Simone, Der jüdische Gelehrte im Mittelalter. Christliche Imaginationen zwischen Idealisierung und Dämonisierung (= Mittelalter-Forschungen 32). Thorbecke, Ostfildern 2010. XII, 332 S. Besprochen von J. Friedrich Battenberg. |
Ganzen Eintrag anzeigen Haeberli, Simone, Der jüdische Gelehrte im Mittelalter. Christliche Imaginationen zwischen Idealisierung und Dämonisierung (= Mittelalter-Forschungen 32). Thorbecke, Ostfildern 2010. XII, 332 S. Besprochen von J. Friedrich Battenberg.
In diesem Buch geht es nicht eigentlich um eine Geschichte des Rabbinats als des die jüdische Gelehrtenwelt verkörpernde Institution. Vielmehr geht es um Projektionen des christlichen Mittelalter, das sich in Dichtung und Chronistik manifestierte, um eine Darstellung des Jüdischen in der christlichen Gedankenwelt und damit um Abgrenzungsstrategien zur Selbstvergewisserung. Insofern bietet diese 2008 im Fach „Mediävistische Germanistik“ geschriebene Berner Dissertation keine Darstellung von Entwicklungen der jüdischen Kultur im Mittelalter, und schon gar nicht rechtshistorischer Konstrukte, die allein Gegenstand einer Rezension in dieser Zeitschrift sein sollten. Dies mindert aber den Wert dieser Arbeit in keiner Weise, und auch auf dem Umweg über Imaginationen erfährt man Mansches über das Geistesleben der Juden im Mittelalter. Schon einleitend macht die Autorin den Unterschied deutlich. Wenn der jüdische Gelehrte als eine durch Schriftkenntnis und intellektuelle Fähigkeiten herausragende Person verstanden wird, die in besondere Weise die jüdische Welt zu repräsentieren in der Lage ist, so wird in der christlichen Umwelt gerade dies in Frage gestellt. Ihm wird vielmehr Verstocktheit unterstellt, da er bei tieferem Nachdenken im Rahmen von Disputationen in der Lage sein sollte, die Wahrheit des christlichen Glaubens zu erkennen. Auf diesen Widerspruch hin analysiert die Autorin lateinische und volkssprachliche Texte unterschiedlichster Art. Die dort erkennbar werdenden Imaginationen verbleiben für die Autorin allerdings nicht im Imaginären, sondern gelangen über das menschliche Handeln in die ‚Welt des Tatsächlichen’ und lösen damit Handlungen aus. Zudem sind die tradierten Judenbilder in der Zeit von 1150 bis 1 |
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Haft, Fritjof, Aus der Waagschale der Jurisprudenz. Eine Reise durch 4000 Jahre Rechtsgeschichte,. 4. Aufl. Beck, München 2009. XI, 324 S. Besprochen von Gerhard Köbler. IT |
Ganzen Eintrag anzeigen Haft, Fritjof, Aus der Waagschale der Jurisprudenz. Eine Reise durch 4000 Jahre Rechtsgeschichte,. 4. Aufl. (Beck im) dtv, München 2009. XI, 324 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Fritjof Haft, emeritierter Ordinarius für Strafrecht, Strafprozessrecht, Rechtsphilosophie und Rechtsinformatik in Tübingen hat sich während seines ganzen Lebens durch ungewöhnliche Vielseitigkeit ausgezeichnet, die den 2005 eigentlich pensionierten Rechtslehrer zur Gründung der Normfall GmbH in München zwecks Entwicklung computergestützter Werkzeuge für Juristen und 2011 auf den Lehrstuhl für Rechtsinformatik und Strafrecht der European Business School (Law School Wiesbaden) geführt hat. Auf diesem interessanten Wege ist auch eine bemerkenswerte Frucht für die Rechtsgeschichte entstanden. Erstmals 1986 legte Haft nämlich im deutschen Taschenbuchverlag ein Lesenbuch aus 2000 Jahren Rechtsgeschichte im Umfang von 250 Seiten vor.
Dieses traf den Publikumsgeschmack so genau, dass es in leicht veränderter Form 1990 in zweiter Auflage und in durchgesehener Form 2001 in dritter Auflage erscheinen konnte. Seitdem ist aus 2000 Jahren Lesebuch eine 4000 Jahre umfassende Zeitreise geworden. Die Eckpunkte sind trotz der Erweiterung des Umfangs auf 324 Seiten zu Recht gleich geblieben.
Dem Verfasser geht es vor allem darum, die „Sache Recht“ in all ihrer Vielfalt, ihren Höhen und Tiefen und ihren Wahrheiten und Irrtümern lebendig zu machen. Dazu verwendet er (jetzt) 12 Ideen von der schwarzen Katze im Sack der Jurisprudenz bis zur modernen, vom Verfasser an Hand eines unvergesslichen Beispiels illustrierten, aus Amerika rezipierten Mediation, 13 Klassiker des Rechtsdenkens von den Sophisten bis zu Oliver Wendell Holmes, Jr., 12 davon anscheinend verschiedene Rechtswissenschaftler von Savigny bis Arthur Kaufmann, 12 Gesetze (!) vom Codex Hammurapi über den Sachsenspiegel bis zum Einigungsvertrag, 12 Gerichte von ihrer Erfindung mit Hilfe zweier Pfunde Goldes b |
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Hagemann, Hans-Rudolf, Vielschichtiges Recht. Zivilrechtspflege im neuzeitlichen Basel. Schwabe, Basel 2009. 269 S. Besprochen von Reinhard Schartl. |
Ganzen Eintrag anzeigen Hagemann, Hans-Rudolf, Vielschichtiges Recht. Zivilrechtspflege im neuzeitlichen Basel. Schwabe, Basel 2009. 269 S., 1 Umschlagbild,1 Karte. Besprochen von Reinhard Schartl.
Der Verfasser, ehemaliger Ordinarius der Universität Basel, ist bereits in den 1980er Jahren durch seine zweibändige Untersuchung des Basler Rechtslebens im Mittelalter hervorgetreten. Er legt nunmehr eine Fortsetzung dieser Darstellung für die Zeit bis 1800 vor. Mit dem Titel will er darauf hinweisen, dass in Basel mehrere Rechtsschichten zusammentrafen: eine Anspruchsordnung zwischen gleichgeordneten Einzelnen mit einer durch sitten- und wohlfahrtspolizeiliche Vorschriften den Einzelnen auferlegte Pflichtenordnung, die auch durch die Baseler Universität geförderte Aufgeschlossenheit gegenüber dem gelehrten Recht einerseits, die starke Verhaftung der Gerichtsverfassung und Rechtspflege im mittelalterlichen Schöffenrecht andererseits sowie die fortschreitende Verwissenschaftlichung des städtischen Rechtslebens gegenüber den herkömmlichen Rechtsgewohnheiten der Landschaft. Es ist aber nicht zu verkennen, dass derartige Schichten gleichermaßen in anderen Städten des Reiches aufeinander trafen, so dass Basel nur ein Beispiel von vielen sein kann. Über das neuzeitliche Basler Recht liegen monographische Behandlungen einzelner Themen vor, die Hagemann ebenso auswertet wie die bereits im 19. Jahrhundert von Johannes Schnell herausgegebenen „Rechtsquellen von Basel. Stadt und Land“. Daneben arbeitet er ungedruckte Quellen des kantonalen Staatsarchivs ein. Die in vier Kapitel gegliederte Untersuchung beschreibt im ersten Kapitel die Stadt Basel und ihr Territorium, das sich durch seit dem späten 14. Jahrhundert erworbene Herrschaften im Umkreis bildete. Im zweiten Kapitel stellt der Verfasser die Basler Rechtsquellen dar. Beginnend mit der Gesetzgebung stellt er zunächst fest, dass die Zivilgesetzgebung des Basler Rates zu einer Rechtsvereinheitlichung im gesamten Territ |
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Hahn, Eva/Hahn, Hanns Henning, Die Vertreibung im deutschen Erinnern. Legenden, Mythos, Geschichte. Schöningh, Paderborn 2010. 839 S. 29 Abb., 32 Tab. Besprochen von Gerhard Köbler. IT. |
Ganzen Eintrag anzeigen Hahn, Eva/Hahn, Hanns Henning, Die Vertreibung im deutschen Erinnern. Legenden, Mythos, Geschichte. Schöningh, Paderborn 2010. 839 S. 29 Abb., 32 Tab. Besprochen von Gerhard Köbler.
Die in Prag geborene, seit 1968 in der Bundesrepublik Deutschland lebende, zunächst als wissenschaftliche Mitarbeiterin im Collegium Carolinum in München tätige, bis 1993 unter dem Namen Eva Schmidt-Hartmann publizierende, dann als unabhängige Historikerin in Oldenburg wirkende Verfasserin und ihr 1947 in Zwickau geborener, bei Theodor Schieder in Köln 1976 promovierter, 1986 habilitierter, seit 1992 in Oldenburg als Professor für moderne osteuropäische Geschichte lehrender Ehemann befassen sich seit vier Jahrzehnten mit der Geschichte der deutsch-polnischen und deutsch-tschechischen Beziehungen sowie mit dem Erinnern an die Vertreibung in Deutschland, Polen und dem heutigen Tschechien. Ihr Interesse an ihrem Thema entspringt hauptsächlich der Überlegung, dass derjenige, der verzerrte Bilder der Vertreibung im Kopf hat, die Geschichte des Zweiten Weltkriegs nicht verstehen kann, und wer sie nicht versteht, sich in der europäischen Geschichte des 20. Jahrhunderts nicht orientieren kann. Dementsprechend vertreten sie zutreffend die Überzeugung, dass es der Traditionen der deutschen Geschichtswissenschaft nicht angemessen ist, die Schicksale der Vertriebenen mit einem Schleier nebulöser Legenden zu überdecken, worin sie sich nicht zuletzt durch das große Interesse Oldenburger Studierender an der Vorlesung über die Vertreibung im Sommersemester 2005 bestens bestätigt sehen.
Gegliedert ist das gewichtige, auf seiner Vorderseite mit einer Gedenkbriefmarke der deutschen Bundespost an zwanzig Jahre Vertreibung im Jahre 1965 auf einem Ausschnitt einer Mitteleuropakarte des Jahres 1943 geschmückte, die Anmerkungen gesammelt am Ende anfügende Werk in vier Teile. Teil 1 behandelt in einer Galerie der Erinnerungsbilder die Vertreibung nach 60 Jahren, Teil 2 verdrängt |
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Hallama, Peter, Zwischen Volksfront und Blockbildung. Die Wiener Tschechen und die KSČ 1948-1952. StudienVerlag, Innsbruck 2010. 215 S. Besprochen von Gerhard Köbler. IT |
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Der durch die Ablichtung einzelner Dokumente und einige Fotos bereicherte Taschenbuchband gibt die vom Verfasser nach dem Studium der Geschichte und Politikwissenschaft in Wien und Prag in Wien vorgelegte Diplomarbeit wieder. Sie behandelt auf der Grundlage umfangreicher Archivstudien die nach der Machtübernahme der Kommunisten in der Tschechoslowakei unter den in Wien lebenden Tschechen entstehenden Konflikte, die beeinflusst von der Kommmunistischen Partei sowohl der Tschechoslowakei wie auch Österreichs erst seit der Wende im Jahre 1989 an Bedeutung verloren. Damit schließt der Verfasser ansprechend eine bisher bestehende Lücke, wiw sie in ähnlicher Weise an vielen Stellen noch besteht und durch vergleichbare Arbeiten geschlossen werden könnte.
Innsbruck Gerhard Köbler
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Hammacher, Klaus, Rechtliches Verhalten und die Idee der Gerechtigkeit. Ein anthropologischer Entwurf. Nomos, Baden-Baden 2011. 689 S. Besprochen von Walter Pauly. |
Ganzen Eintrag anzeigen Hammacher, Klaus, Rechtliches Verhalten und die Idee der Gerechtigkeit. Ein anthropologischer Entwurf. Nomos, Baden-Baden 2011. 689 S. Besprochen von Walter Pauly.
Unter verlockendem Titel wie Untertitel unternimmt der emeritierte Aachener Philosoph explizit in der „Tradition des historischen Rechtsdenkens“ (S. 21) einen Streifzug durch die gesamte Welt des Rechts. Seinem Selbstverständnis nach handelt es sich um eine Rechtsphilosophie, der Konzeption nach um den „zweiten Teil einer Praxis als Verhaltenslehre“ (S. 15). Nicht nur aus dem historischen Kontext, sondern zugleich in handlungslogischer Einbettung unter Einbeziehung der Wissenschaft vom Menschen sollen das Recht und seine Begriffe verstanden werden. Ansatz und Methode erläutern die der Kapitelfolge vorangestellten „Prolegomena“ im Sinne einer „transzendierenden Analyse“, welche die Erkenntnisse der vergleichenden Verhaltenslehre aus einer transzendentalen Perspektive erschließen will, wobei „hinter aller Rechtsentwicklung“ als regelndes Prinzip die „Idee der Gerechtigkeit“ stehe und diese sich wiederum inhaltlich aus der religiösen „Erfahrung der Transzendenz“ (S. 31) speise. Am Ende der Ausführungen folgen, wie dann auch bei den einzelnen Kapiteln, hochgelehrte Exkurse, hier etwa zu Karl-Otto Apels Transzendentalpragmatik, Gehlens Anthropologie und Luhmanns Emergenzbegriff. Das erste Kapitel entfaltet die das „Rechtsverhältnis bildenden Grundbegriffe“, was bereits in der Formulierung auf Fichte verweist, der neben Kant und noch vor Spinoza zu den am häufigsten herangezogenen Autoren gehört und dessen Lehre von der „Aufforderung“ über den Erwartungs- und Vertrauensbegriff mit dem „beständigen Willen“ verknüpft wird, der seinerseits „die grundlegende anthropologische Voraussetzung des Rechts“ bilde (S. 43f.). Die damit zentrale Festigkeit und Beständigkeit des Willens im Sinne eines „elementaren Sich-Verlassens“ lasse sich nur durch einen Transzendenzbezug sicherstellen, weshalb auc |
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Hammel-Kiesow, Rolf/Puhle, Matthias/Wittenburg, Siegfried (Fotos), Die Hanse. Primus, Darmstadt 2009. 280 S., 120 Abb. Besprochen von Gerhard Köbler.. IT |
Ganzen Eintrag anzeigen Hammel-Kiesow, Rolf/Puhle, Matthias/Wittenburg, Siegfried (Fotos), Die Hanse. Primus, Darmstadt 2009. 280 S., 120 Abb. Besprochen von Gerhard Köbler.
Edinburgh, Bergen, Oslo, Abo, Novgorod, Smolensk, Krakau, Halle, Göttingen, Köln und London grenzen auf der im vorderen Innendeckel des stattlichen Dokumentationsbandes wiedergegebenen Landkarte die Hanse (im Jahr 1554) ein. Der in Stuttgart 1949 geborene, nach dem Studium von Geschichte, Germanistik und politischer Wissenschaft in Heidelberg bei Hermann Jakobs promovierte, seit 1978 in Lübeck tätige, spätestens seit etwa 2000 als führender Hansekenner profilierte Rolf Hammel-Kiesow und der 1955 in Braunschweig geborene, nach dem Studium von Geschichte, Germanistik, Philosophie und Pädagogik in Braunschweig 1984 über die Politik der Stadt Braunschweig innerhalb des sächsischen Städtebundes und der Hanse im späten Mittelalter promovierte, seit 1980 in seiner Heimatstadt und seit 1991 in Magdeburg tätige Matthias Puhle wollen gemeinsam ein umfassendes Bild dieser gemeineuropäischen Einrichtung auf der Grundlage der vorliegenden Literatur zeichnen. Zahlreiche, überwiegend farbige Abbildungen veranschaulichen ihre gut lesbaren, sachkundigen Ausführungen.
Das Werk beginnt mit dem Präludium Europa im Aufbruch, in dem Rolf Hammel-Kiesow das nördliche Europa zwischen 1000 und 1150 beschreibt und in einem Exkurs Soest als Ursprung der Hanse in Westfalen versteht. In unregelmäßiger Abwechslung befassen sich beide Autoren dann in 16 Einzelabschnitten mit der Entstehung der Hanse, der Organisation der Hanse, dem hansischen Handel, der Hanse im europäischen Konzert und mit dem Erbe der Hanse. In Exkursen gehen sie dabei nacheinander auf Visby, Wismar, Riga, Bergen, Zwolle, Stralsund, Lübeck, Köln, Thorn, Lüneburg, Bremen, Hamburg, Braunschweig, Danzig, Münster und Reval näher ein.
Das Buch wendet sich insgesamt an einen möglichst großen Leserkreis. Es stellt daher naheliegenderweise den ge |
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Hammerstein, Notker, Geschichte als Arsenal. Ausgewählte Aufsätze zu Reich, Hof und Universitäten der Frühen Neuzeit, hg. v. Maaser, Michael/Walther, Gerrit (= Schriftenreihe des Frankfurter Universitätsarchivs 3). Wallstein, Göttingen 2010. 437 S., Ill. Besprochen von Hans-Christof Kraus. |
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Unter dem Titel „Res publica litteraria“ erschien im Jahr 2000 ein erster Band mit ausgewählten Studien Notker Hammersteins, dem Doyen der deutschen Universitäts-, Bildungs- und Wissenschaftsgeschichte der Frühen Neuzeit. Der Frankfurter Emeritus gehört – das beweist jener erste Band ebenso wie die soeben erschienene zweite Sammlung – zu den leider nur selten anzutreffenden wissenschaftlichen Autoren, die man nicht nur deshalb gerne liest, weil sie wirklich etwas, und zwar immer etwas Neues, Originelles und Interessantes, zu sagen haben, sondern auch, weil sie vorzüglich, nämlich deutlich, eingängig und gut verständlich schreiben können. So greift man zu diesem Band besonders gern – und das auch dann, wenn man einige der darin abgedruckten Studien früher schon einmal gelesen hat. Nachgerade klassische Abhandlungen finden sich darin, etwa der Aufsatz über das „vierte Weltreich“ in der Lehre der Reichsjuristen von 1987, als deren intimer Kenner Hammerstein seit der Veröffentlichung seiner bis heute grundlegenden Habilitationsschrift „Jus und Historie“ bekannt ist. Erhellend und gedanklich durchdringend zugleich sind auch seine Einzelstudien zu Leibniz, Thomasius, Wolff, Möser und besonders seine schon 1971 in der „Historischen Zeitschrift“ publizierte Antrittsvorlesung über das politische Denken des jüngeren Moser. In der gesamten Frühen Neuzeit ist Hammerstein zuhause, und es fällt ihm ebenso leicht, klug und kenntnisreich über das politische Denken der oberdeutschen Humanisten zu reflektieren oder über Staatsanschauungen im Kontext der Konfessionalisierung zu handeln wie über italienische Architekturtraktate der Renaissance, über die adlige Musikpraxis an |
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Hamza, Gábor, Entstehung und Entwicklung der modernen Privatrechtsordnungen und die römischrechtliche Tradition, in sprachlicher Hinsicht gemeinsam mit Buzády, Csongor verfasst (= ELTE Rechtswissenschaft 5). ELTE Eötvös Univ. Verlag, Budapest 2009. 826 S. Besprochen von Gunter Wesener. |
Ganzen Eintrag anzeigen Hamza, Gábor, Entstehung und Entwicklung der modernen Privatrechtsordnungen und die römischrechtliche Tradition, in sprachlicher Hinsicht gemeinsam mit Buzády, Csongor verfasst (= ELTE Rechtswissenschaft 5). ELTE Eötvös Univ. Verlag, Budapest 2009. 826 S. Besprochen von Gunter Wesener.
Nur zwei Jahre nach dem Erscheinen von Hamzas „Wege der Entwicklung des Privatrechts in Europa“, Passau 2007 (dazu meine Besprechung in dieser Zeitschrift 125, 2008, 595f.), liegt nun eine sehr stark erweiterte Neubearbeitung dieses Buches vor. Manche Abschnitte sind völlig neu, so der gesamte IV. Teil.
In einem einführenden Abschnitt „Harmonisierung des Privatrechts und die römischrechtliche Tradition in Europa“ wird zu Recht die wichtige Rolle des römisch-gemeinen Rechts bei einer Vereinheitlichung der europäischen Privatrechte hervorgehoben. Nicht zutreffend ist aber wohl die Feststellung, dass die Vertragsfreiheit zu den Grundprinzipien des römischen Rechts zu zählen sei (S. 22). Im klassischen römischen Recht bestand zunächst eine Typengebundenheit. Sie wurde erst allmählich auf verschiedenen Wegen gelockert (durch prätorische actiones utiles und in factum, durch Anerkennung von klagbaren pacta, durch Ausbildung der Innominatkontrakte). Die grundsätzliche Anerkennung der materiellen Vertragsfreiheit (Gestaltungsfreiheit) erfolgte aber erst nach bedeutenden Entwicklungen im kanonischen Recht und im Usus modernus durch das Naturrecht[1].
Der erste Teil (S. 38-56) hat „die Anfänge des Privatrechts in Europa“, insbesondere die justinianische Gesetzgebung, zum Gegenstand, der zweite Teil (S. 57-174) „die Entwicklung des Privatrechts in Europa im Mittelalter“, wobei auch das kanonische Recht Berücksichtigung findet (S. 63ff.).
Der umfangreiche dritte Teil (S. 175-601) behandelt „die Entwicklung und die Kodifikation des Privatrechts in Europa und im Kaukasus in der Neuzeit“, ausgehend vom Usus modernus pandectarum über Naturrecht |