7301 | Verwandter ist der Mensch, der zu einem anderen Menschen oder zu einem gemeinsamen dritten Menschen in einem Abstammungs-verhältnis steht (z. B. Vater, Sohn, Tante, Nichte). Die Verwandtschaft (Wort 1493 belegt) ist vom Beginn des Rechtes an von Bedeutung. Die väterliche Gewalt erfasst grundsätzlich nur Verwandte. Das →Erbrecht ist zunächst Verwandtenerbrecht. Darüber hinaus kann sich ein Verhältnis als Verwandter auch anderweitig auswirken (z. B. Ehehindernis, Zeugnisverweigerungsrecht, Blutschande). Künstliche Verwandtschaft kann beispielsweise durch →Adoption hergestellt werden. Unterschieden werden kann innerhalb der Verwandten zwischen →Agnaten (über Männer Blutsverwandte einschließlich der Adoptierten, aber ausschließlich der Emanzipierten) und →Kognaten (Blutsverwandte). Lit.: Kaser §§ 12 I, 15 I, 61 I; Hübner; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 89, 162, 210, 267; Stutz, U., Das Verwandschaftsbild des Sachsenspiegels, 1890; Heymann, E., Die Grundzüge des gesetzlichen Verwandtenerbrechts, 1896; Pappenheim, M., Über künstliche Verwandtschaft im germanischen Rechte, ZRG GA 29 (1908), 304; Murray, A., Germanic Kinship Structure, 1983; Althoff, G., Verwandte, Freunde, Getreue, 1990; Haibach, U., Familienrecht in der Rechtssprache, 1991, 176; Spieß, K., Familie und Verwandtschaft im deutschen Hochadel des Spätmittelalters, 1993; Peters, U., Dynastengeschichte und Verwandtschaftsbilder, 1999; Leurs, E., Die Rechtsstellung der Großeltern gegenüber den Enkelkindern, 2003; Harders. A., Suavissima Soror, 2008; Verwandtschaft, Freundschaft, Brüderschaft, hg. v. Krieger, G., 2009; Vogt, H., The Function of Kinship in Medieval Nordic Legislation, 1010; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010; Mitterauer, M., Historische Verwandtschaftsforschung, 2013 |
7302 | Verwendung (Wort 1477) ist die bereits dem römischen Recht bekannte Vermögensaufwendung, die einen Erstattungsanspruch begründen kann. Lit.: Kaser § 49 II 1b; Köbler, DRG 61; Verse, D., Verwendungen im Eigentümer-Besitzer-Verhältnis, 1999; Greiner, D., Die Haftung auf Verwendungsersatz, 2000; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010 |
7303 | Verwertung ist die Umsetzung eines Gegenstands in einen anderen Wert (z. B. Geld). Lit.: Schulze, E., Geschätzte und geschützte Noten. Zur Geschichte der Verwertungsgesellschaften, 1995 |
7304 | Verwirkung ist der im 20. Jh. (1905) neben der Verjährung anerkannte, aus Treu und Glauben folgende Verlust eines Rechtes infolge unterlassener oder verspäteter Geltendmachung. Lit.: Köbler, DRG 240; Siebert, W., Verwirkung und Unzulässigkeit der Rechtsausübung, 1934 |
7305 | Verzicht ist die rechtsgeschäftliche Aufgabe eines Rechtes oder eines rechtlichen Vorteils. Der V. ist bereits dem römischen Rechtes bekannt. Vermutlich unabhängig hiervon tritt er auch im Frühmittelalter auf. Auffällig sind die Verzichte (Renuntiationen) auf römische Einreden in hochmittelalterlichen und spätmittelalterlichen Urkunden. Eine allgemeine Regelung ist nirgends erfolgt. Ein Sonderfall des Verzichts ist der Erbverzicht. Lit.: Kaser §§ 28 II 2, 29; Hübner 790; Cohn, L., Erlass und Verzicht, Gruchots Beiträge 47 (1903), 221; Müller, U., Das Aufkommen der Rechtsverzichtsformeln, Diss. phil. München 1948; Schlosser, H., Die Rechts- und Einredeverzichtsformeln, 1963; Köbler, G., Verzicht und Renuntiation, ZRG GA 85 (1968), 211; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff. |
7306 | Verzug (Wort 1286, lat. F. mora) ist die rechtswidrige Verzögerung der fälligen und möglichen Leistung durch den Schuldner. Der V. ist bereits dem römischen Recht als Leistungsstörung bekannt, wobei ein Verschulden nicht erforderlich ist. Eine Mahnung verdeutlicht die Ursächlichkeit des Schuldners und ist bei Terminschulden nicht nötig. Der V. wird durch ein Leistungsangebot beendet. Seit dem Spätmittelalter wird der V. aufgenommen und mit deutschrechtlichen Einrichtungen (z. B. Geld auf Grund einer Vertragsabrede bei einem Dritten auf Schaden des Schuldners nehmen) verschmolzen. Folgen des Verzugs sind die Verpflichtung zur Zahlung von Verzugszinsen und zum Ersatz des Verzugsschadens sowie die Schadenstragung bei zufälligem Untergang des Leistungsgegenstands. Das Naturrecht anerkennt ein Rücktrittsrecht. Lit.: Kaser §§ 34 IV, 37 II; Hübner 552; Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 44, 214; Mitteis, H., Die Rechtsfolgen des Leistungsverzugs beim Kaufvertrag nach niederländischen Quellen des Mittelalters, 1913; Heymann, E., Das Verschulden beim Erfüllungsverzug, 1913; Dilcher, H., Die Theorie der Leistungsstörungen, 1960; Scherner, K., Rücktrittsrecht wegen Nichterfüllung, 1965; Hoffmann-Burchardi, H., Die geschichtlichen Grundlagen der Vorschriften des BGB bei Leistungsstörungen, Diss. jur. Münster 1974; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Würthwein, S., Zur Schadensersatzpflicht wegen Vertragsverletzungen, 1990; Ebert, I., Pönale Elemente im deutschen Privatrecht, 2004; Harke, J., Mora debitoris und mora creditoris im klassischen römischen Recht, 2005; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010 |
7307 | Veßra ist das im frühen 12. Jh. von den Grafen von Henneberg in Ostfranken gegründete Hauskloster. Lit.: Das Prämonstratenserkloster Veßra - Urkundenregesten 1130-1873, hg. v. Wölfing, G., 2009 |
7308 | vestigii minatio (F.) (mlat.) Spurfolge |
7309 | vestitura (lat./mlat. F.) Kleidung, Bekleidung, Einkleidung, Gewere Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, LAW; Köbler, G., Die Herkunft der Gewere, TRG 1975, 195 |
7310 | Veto (lat. ich verbiete) ist der Einspruch gegen ein Verhalten, insbesondere gegen einen Beschluss oder eine Maßnahme. Das aus einem Recht (Interzessionsrecht) römischer Magistrate (z. B. Volkstribune) gegen Maßnahmen (z. B. Senatsbeschlüsse) erwachsene V. erscheint an unterschiedlichen Stellen (z. B. V. des englischen Königs gegen ein vom Parlament beschlossenes Gesetz im 16. und 17. Jh., suspensives V. des Kaisers Österreichs nach dem Kremsierer Entwurf von 1849, suspensives V. des Reichsoberhauptes nach der Entwurf gebliebenen deutschen Verfassung von 1849, absolutes Veto des Kaisers Österreichs nach der Dezemberverfassung von 1867, suspensives V. des Präsidenten der Vereinigten Staaten gegen Gesetzgebungsbeschlüsse, V. der ständigen Mitglieder im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen). Lit.: Mommsen, T., Römisches Staatsrecht, Bd. 1 3. A. 1887, Neudruck 1963; Schade, H., Das Vetorecht, Diss. jur. Halle-Wittenberg 1929; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 1950, 5. A. 1972 |
7311 | vi (lat.) durch Gewalt Lit.: Kaser § 21 I |
7312 | via (lat. F.) Weg, Wegerecht (als Vorform der lat. F. servitus) Lit.: Kaser § 28 I 2a; Köbler, DRG 26 |
7313 | via (F.) lacina (mlat.-afrk.) Wegsperre |
7314 | Vicarius (lat. M.) ist im spätrömischen Recht der Stellvertreter des Kaisers in der Reichsdiözese. Im fränkisch-deutschen Reich erscheint in ähnlicher Weise verschiedentlich ein Reichsvikar. Daneben gibt es (lat.) vicarii (M.Pl.) auch für weniger bedeutende Aufgaben und Vikare als Berechtigte auf Dauer eingerichteter Pfründen. Lit.: Kaser § 87 II, 2, 8; Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 55, 84; Köbler, LAW; Prange, W., Vikarien und Vikare in Lübeck bis zur Reformation, 2003; Arnswaldt, A. v., De vicariatus controversia, 2004 |
7315 | vicinus (lat. M.) Nachbar |
7316 | vicus (lat. M.) Viertel, Gasse, Dorf, Siedlung Lit.: Köbler, LAW; Köbler, G., Vicus und thorf, (in) Das Dorf der Eisenzeit, hg. v. Jankuhn, H. u. a., 1977, 136 |
7317 | Vidal de Canellas, nach Studium des Rechtes in Bologna (um 1221) Bischof von Huesca (1236-1252) und Kanzler König Jaimes I. von Aragón, erstellt eine erweiterte Fassung (lat. maior compilatio) des Fuero von Aragón von 1247. Lit.: Vidal Mayor, hg. v. Tilander, G., 1956 |
7318 | Vidalín, Pall Jónsson (1667-1727) wird nach dem Studium in Kopenhagen Lehrer an der Domschule in Skálholt/Island, Amtmann und Richter. Nach 1719 verfasst er einen Entwurf für ein isländisches Gesetzbuch. Lit.: Danske og Norske Lov i 300 ar, hg. v. Tamm, D., 1987, 350 |
7319 | Videant consules ne quid detrimenti res publica capiat (lat.). Die Konsuln mögen achthaben (bzw. zusehen), dass der Staat keinen Schaden nimmt. Lit.: Mendner, S., Videant consules, Philologies 109 (1965), 258; Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007 (Cicero 106-43 v. Chr., Erste Rede gegen Catilina § 4) |
7320 | vidimus (lat.) wir haben gesehen (Beglaubigungsvermerk für Abschriften im Mittelalter) Lit.: Brandt, A. v., Werkzeug des Historikers, 17. A. 2007 |