7761 | Zweigewaltenlehre ist die von Papst Gelasius I. (1. 3. 492–19. 11. 496) an Hand von Lukas 22,38 (in verfehlter) Auslegung entwickelte Lehre von zwei gleichberechtigten Gewalten. →Zweischwerterlehre |
7762 | Zweikammersystem ist das durch die Teilung des Parlaments in zwei Kammern gekennzeichnete politische System (z. B. Österreich seit 1848). Ursprünglich entsprechen die beiden Kammern z. B. in England (seit dem 14. Jh.) verschiedenen Ständen (Adel im Oberhaus, Nichtadlige im Unterhaus), später kann die zweite Kammer auch föderalistische Interessen sichern (z. B. Bundestag Deutschlands, Bundesrat Österreichs, Senat der Vereinigten Staaten von Amerika). In Österreich war 1861 das Herrenhaus die Vertretung der höheren Stände, das Abgeordnetenhaus die Vertretung der Län-der. Lit.: Kroeschell, DRG 3; Wedel, J. v., Zur Entwicklung des deutschen parlamentarischen Zweikammersystems, 2011 |
7763 | Zweikampf ist der verabredete Kampf zweier Menschen mit Waffen. Er wird im Mittelalter verschiedentlich zur Entscheidung eines Streites (z. B. über das Eintrittsrecht von Enkeln) auch im Gericht verwendet. Seit dem Hochmittelalter tritt er hinter dem Urteil zurück. Sein später Ausläufer ist (vom 16. Jh.) bis zum 19. Jh. das →Duell. Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 70; Gál, A., Der Zweikampf im fränkischen Prozess, ZRG GA 28 (1907), 236; Fehr, H., Der Zweikampf, 1908; Coulin, A., Der gerichtliche Zweikampf im altfranzösischen Prozess, 1906; Coulin A., Verfassung des offiziellen und Entstehung des privaten Zweikampfes in Frankreich, 1909; Fehr, H., Zur Geschichte des Zweikampfes, ZRG GA 34 (1913), 422; Bruun, H., Om Tvekampens Stilling i oldgermansk Rettergang, 1930; Levi, G., Il duello giudiziario, 1932; Wierschin, M., Meister Johann Liechtenauers Kunst des Fechtens, 1965; Hils, H., Der da sigelos wirt dem sleht man die hant ab, ZRG GA 102 (1985), 328; Baumgarten, R., Zweikampf §§ 201-210 a. F. StGB, 2002; Neumann, S., Der gerichtliche Zweikampf, 2010 |
7764 | Zweiplusvierverhandlungen sind die Verhandlungen der Vereinigten Staaten von Amerika, der Sowjetunion, Großbritanniens und Frankreichs mit der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokra-tischen Republik über den Beitritt der Deutschen Demokratischen Republik zur Bundesrepublik Deutschland im Jahre 1990. Sie enden mit dem Zweiplusviervertrag. Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 247; Müller, R., Der „2+4“-Vertrag, 1997 |
7765 | Zweischwerterlehre (Zweigewaltenlehre) ist (12./13. Jh.) die (in verfehlter Auslegung) an Lukas 22,38 (Herr [Jesu Christ], siehe, hier sind zwei Schwerter [zur Verteidigung]) anknüpfende Lehre von zwei Schwertern, die Gott den Menschen als Zeichen irdischer Herrschaftsgewalt gelassen habe. Nach imperialer Ansicht (z. B. Sachsenspiegel 1221-1224) stehen das geistliche Schwert des Papstes und das weltliche Schwert des Königs gleichberechtigt nebeneinander. Nach kurialistischer Ansicht (11. Jh., z. B. Bernhard von Clairvaux, Gregor IX., Innozenz IV., Bonifaz VIII., Schwaben-spiegel um 1275, str.) gibt Gott dem Papst zwei Schwerter, von denen der Papst eines dem Kaiser weitergibt. →Zweigewaltenlehre des Papstes Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 109 |
7766 | zweiseitig (Adj.) zwei Seiten betreffend (z. B. Rechtsgeschäft), bilateral |
7767 | Zweiter Weltkrieg ist der am 1. 9. 1939 auf Grund der Ansprüche Adolf Hitlers auf mehr Lebensraum für die Deutschen entstehende Krieg Deutschlands, Italiens und Japans gegen die Alliierten (Großbritannien, Frankreich). Das Deutsche Reich greift nach einem Nichtangriffspakt mit der Sowjetunion nacheinander Polen, Dänemark, Norwegen, Frankreich, die Niederlande, Belgien und Luxemburg an, 1941 Jugoslawien, Griechenland, Bulgarien, Nordafrika und trotz des Nichtangriffspakts die Sowjetunion (Unter-nehmen Barbarossa - von Anfang an wohl aussichtslos -), womit es sich (zusätzlich zu inhomogener Führungsstruktur, Ressortegoismus der Teilstreitkräfte und allgemeiner Ressourcenunterlegenheit) kriegsentscheidend übernimmt. Japan greift am 7. 12. 1941 die Vereinigten Staaten von Amerika in Pearl Harbour an, worauf die Vereinigten Staaten von Amerika in den Krieg eintreten. Danach kommt der deutsche Vormarsch aus logistischen Gründen zum Stillstand (Stalingrad). In Italien wird 1943 Benito Mussolini gestürzt, worauf Italien dem Deutschen Reich den Krieg erklärt. Im Luftkrieg werden die deutsche Industrie und die deutsche Infrastruktur schwer beschädigt. 1944 landen Truppen der Alliierten in Frankreich. Am 8. 5. 1945 kapituliert das Deutsche Reich. Japan kapituliert nach dem Abwurf zweier Atombomben auf Nagasaki und Hiroshima durch die Vereinigten Staaten von Amerika am 2. 9. 1945. Insgesamt verursacht der zweite Weltkrieg den Tod von schätzungsweise 55-60 Millionen Menschen, darunter 5,3 Millionen Soldaten des Deutschen Reiches und 6 Millionen Juden. Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 244; Das deutsche Reich und der zweite Weltkrieg Bd. 1ff. 1979; Frieser, K., Blitzkrieg-Kegende, 1995, 2. A., 2. A. 1996, 3. A: 2005, 4. A. 2010;Gruchmann, L., Der zweite Weltkrieg, 9. A. 1999; Der Mord an den Juden im 2. Weltkrieg, hg. v. Jäckel, E. u. a., 1985; Hellwinkel, L., Der deutsche Kriegsmarinestützpunkt Brest, 2010; Hartmann, C., Unternehmen Barbarossa, 2011; Müller, R., Der Feind steht im Osten, 2011; Bachmann, K., Vergeltung, Strafe, Amnestie, 2011; Rickard, N., Advance and Destroy, 2011; Elliger, L., Das Massaker von Oradour, 2012; Müller, R., Hitlers Wehrmacht 1935-1945, 2012; Kennedy, P., Die Casablanca-Strategie, 2012; Manthe, B., Richter in der nationalsozialistischen Kriegsgesellschaft, 2013 |
7768 | Zweizüngiges Urteil ist das mittelalterliche Urteil, das den Ausgang des Verfahrens sowohl für den Fall des Gelingens des einem der Beteiligten aufgegebenen Beweises wie auch für den Fall des Misslingens festlegt. Der Beweis erfolgt nach dem Urteil. Der Ausgang der Beweisführung entscheidet darüber, welche der beiden um Urteil enthaltenen Möglichkeiten sich verwirklicht. Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 70 |
7769 | Zwickau Lit.: Das Zwickauer Stadtrechtsbuch, ZRG GA 38 (1917), 321; Die Zwickauer Stadtrechtsreformation 1539/69, hg. v. Berthold, H. u. a., 1935; Schultze, A., Zur Zwickauer Stadtrechtsreformation, ZRG GA 58 (1938), 709; Zwickauer Rechtsbuch, hg. v. Ullrich, G., 1941; Simm, H., Für Zwickau ergangene Leipziger Schöffensprüche, Diss. jur. Leipzig 1941 (masch.schr.); Das älteste Zwickauer Stadtbuch (1375-1481) und seine Sprache, hg. v. Protze, H., 2008; Urkundenbuch der Stadt Zwickau, hg. v. Kunze, J. u. a., Teil 2 2012; Steinführer, H., Urkundenbuch der Stadt Zwickau, Teil 1 2014 |
7770 | Zwing Lit.: Stutz, U., Zur Herkunft von Zwing und Bann, ZRG GA 57 (1937), 289 |
7771 | Zwingli Lit.: Köhler, W., Das Buch der Reformation Huldrych Zwinglis, 1926; Pribnow, V., Die Rechtfertigung obrigkeitlicher Steuer- und kirchlicher Zehnterhebung bei Huldrich Zwingli, 1996 |
7772 | Zwölftafelgesetz (lat. duodecim tabulae [F.Pl.] legum bzw. lex [F.] duodecimarum legum) ist das am Beginn der römischen Gesetz-gebungsgeschichte (auf zwölf Tafeln) stehende, wohl für den Ausgleich zwischen Patriziern und Plebejern bestimmte Gesetz von 451/50 v. Chr. Es ist zu etwa einem Drittel in 40 wörtlichen Bruchstücken in Gesetzesform haupt-sächlich durch Varro, Cicero, Gellius und Festus überliefert und danach an Hand weiterer [etwa 120 bzw. 200] inhaltlicher Hinweise von der neuzeitlichen Wissenschaft (in etwa 120 teilweise fragmentarischen Sätzen mit weniger als 500 lateinischen Wörtern) wiederhergestellt (rekonstruiert). Nach den Vorbildern →Lykurgs (Sparta 8. Jh. v. Chr.), →Drakons und →Solons (Athen 621, 594) (oder süditalienischer griechischer Tochterorte) legt es in seinen erst 10, dann 12 Tafeln, die eine Zehnmännerkommission (lat. [M.Pl.] decemviri) zur Annahme als Gesetz (lat. [F.] →lex) vorbringt, das Recht in sehr verschiedenen Angelegenheiten für alle erkennbar fest. Dabei wird teils nur aufgezeichnet, teils neu gesetzt. Die Sätze folgen nicht systematisch, sondern assoziativ auf einander. Erfasst sind vor allem Zivilprozess, Familienrecht, Erbrecht, Vermögensrecht, Deliktsrecht und Sakralrecht, wobei teils manches vertieft angesprochen wird, anderes nur oberflächlich. Das Z. wird in Bronze(, Holz oder Elfenbein) auf dem Forum (Markt) Roms aufgestellt. Seine Auslegung (lat. [F.] interpretatio) betreibt die Priesterschaft als eine Geheimwis-senschaft, aus der sich später die →Jurisprudenz (Rechtsklugheit) entwickelt. Vielleicht werden die Tafeln von Kelten um 390 v. Chr. zerstört. Noch kurz vor der Zeitenwende (Cicero) lernen die jungen römischen Bürger das Z. auswendig. Das Z. wird niemals förmlich außer Kraft gesetzt. Den ersten noch unvollkommenen Rekonstruktionsversuch veröffentlicht 1515 Aymar du Rivail (Aymarus Rivallius). Lit.: Kaser §§ 1 II 1, 2 I 2; Dulckeit/Schwarz/Waldstein; Köbler, DRG 17; Wieacker, F., Solon und die XII-Tafeln, (in) Studi in onore di E. Volterra, Bd. 4 1971, 757; Behrends, O., Der Zwölftafelprozess, 1974; Wieacker, F., Römische Rechtsgeschichte, Bd. 1 1988; Das Zwölftafelgesetz, hg. v. Düll, R., 7. A. 1995; Flach, D., Die Gesetze der frühen römischen Republik, 1994, 109; Das Zwölftafelgesetz, hg. v. Flach, D., 2004; Flach, A., Fortgeltung des Zwölftafelrechts, 2004 |
7773 | Zypern ist die drittgrößte, im Nordosten gelegene Insel des Mittelmeeres. Sie wird im ausgehenden 2. Jt. v. Chr. von Griechen besiedelt und 58 v. Chr. von den Römern erobert. Zwischen 688 und 965 steht Z. unter ge-meinsamer Herrschaft Ostroms (→Byzanz) und der →Araber. Über Venedig (1489) gelangt es an die Türken (1573) bzw. Osmanen. 1878 übernimmt Großbritannien die Verwaltung und annektiert 1923 Z. 1959 wird Z. unabhängig. 1974 besetzt die Türkei 40% des Gebiets im Norden und Nordosten (1985 Türkische Republik Nordzypern). Das Recht Zyperns ist dementsprechend nacheinander griechisch, römisch, arabisch, türkisch und westlich geprägt. 2004 tritt Zypern (in seinem griechischen Teil) der Europäischen Union (1993) bei. Lit.: Reden, S. v., Zypern, 2. A. 1974; Hitchins, C., Cyprus, 1984; Shermann, A., Zypern. Insel des Leids, 1998; Südosteuropahandbuch, Bd. 8 Zypern, hg. v. Grothusen, K. u. a., 1998; Anstötz, S., Perspektiven zur staatlichen Neuordnung Zyperns, 2003; Cyprus, hg. v. Nicolaou-Konari, A. u. a., 2005; Tezcan, T., Der Zypernkonflikt vor dem Europäischen Menschenrechtsgerichtshof, 2006; Stöwsand, H., Zyperns Beitritt zur Europäischen Union, 2007; The Formation of Cyprus in the 2nd Millenium B. C., hg. v. Hein, I., 2009; Schollmeyer, P., Das antike Zypern, 2009; Fujii, T., Imperial Cult and Imperial Representation in Roman Cyprus, 2013 |