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#ZIEL
7281Vertragsaufhebung ist die überall und jederzeit mögliche Beseitigung eines Vertrags durch einen zweiten Vertrag der Beteiligten. Lit.: Knütel, R., Contrarius consensus, 1968
7282Vertragsfreiheit (Wort 1860 belegt, Privatautonomie) ist die Freiheit in Abschluss, Form und Inhalt eines Vertrags. Sie ist als Grundsatz am Beginn des Rechtes vorauszusetzen, wird aber geschichtlich verschiedentlich eingeschränkt (z. B. durch Typenzwang, Höchstpreise, Zwangswirtschaft u. s. w.). Im römischen Recht bestehen demgegenüber viele Einschränkungen (z. B. Typenzwang). In der Kirche wird schon im Hochmittelalter die Verbindlichkeit aller Versprechen gefordert. Das Naturrecht (Hugo Grotius) fördert die V. Der Liberalismus des 19. Jh.s setzt sich erfolgreich für die V. ein (z. B. Art. 1134 Cc Frankreichs von 1804). Der Sozialismus schränkt andererseits aus gesellschafts-politischen Überlegungen die V. verschiedentlich ein. Auch Verbraucherschutz seit dem ausgehenden 20. Jh. bedeutet Beschränkung der V. Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3; Köbler, DRG 214, 240; Scherrer, W., Die geschichtliche Entwicklung des Prinzips der Vertragsfreiheit, 1948; Kaiser, A., Zum Verhältnis von Vertragsfreiheit und Gesellschaftsordnung, 1962; Wolter, U., Ius canonicum in iure civile, 1975; Atiyah, P., The Rise and Fall of Freedom of Contract, 1979; Höfling, W., Vertragsfreiheit, 1991; Hofer, S., Vertragsfreiheit am Scheideweg, 2006; Keiser, T., Vertragszwang und Vertragsfreiheit im Recht der Arbeit von der frühen Neuzeit bis in die Moderne, 2013
7283Vertragsrecht ist die Gesamtheit der einen →Vertrag betreffenden Rechtssätze. Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Stobbe, O., Zur Geschichte des deutschen Vertragsrechts, 1855; Dilcher, H., Der Typenzwang im mittelalterlichen Vertragsrecht, ZRG RA 77 (1960), 270; Landau, P., Hegels Begründung des Vertragsrechts, Archiv f. Rechts- und Sozialphilosophie 59 (1973), 117; Hausmaninger, H., Casebook zum römischen Vertragsrecht, 5. A. 1995; Mattiangeli, D., Vorteile der Romanistas im römischen Recht, 2009; Grundlagen eines europäischen Vertragsrechts, hg. v. Arnold, S., 2014
7284Vertragsstrafe (Wort 1897, lat. F. poena) ist die meist in Geld bestehende Leistung, die der Schuldner für den Fall der Nichterfüllung oder nicht gehörigen Erfüllung einer Verbindlichkeit verspricht. Die V. ist bereits dem römischen Recht als eine Art der →Stipulation bekannt. Im Frühmittelalter sichert sie die Erfüllung. Seit dem Spätmittelalter wird die V., gefördert von der Kirche, aus dem römischen Recht aufgenommen und allgemein anerkannt. Das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch (1900) bejaht sie unter Wahrung der vom Naturrecht begünstigten richterlichen Ermäßigungs-möglichkeit. Lit.: Kaser §§ 40 I 4b, 58 III 2; Hübner 552; Kroeschell, DRG 2; Loening, R., Der Vertragsbruch, 1876; Sjögren, W., Über die römische Konventionalstrafe und die Strafklauseln der fränkischen Urkunden, 1896; Boye, F., Über die Poenformeln, AUF 6 (1918), 77; Flineaux, A., L’evolution du concept du clause pénale, (in) Mélanges Fournier, 1929; Lang, H., Schadensersatz und Privatstrafe, 1955; Wieling, H., Interesse und Privatstrafe, 1970; Knütel, R., Stipulatio poenae, 1976; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Sossna, R., Die Geschichte der Begrenzung von Vertragsstrafen, 1993; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
7285Vertragsverletzung →Leistungsstörung, positive Forderungsverletzung Lit.: Harting, F., Die positive Vertragsverletzung, Diss. jur. Hamburg 1967
7286Vertrauenshaftung ist die in der zweiten Hälfte des 20. Jh.s geforderte Haftung für die Verletzung eines Vertrauens. →Treu und Glauben Lit.: Canaris, C., Die Vertrauenshaftung, 1971; Vertrauen, hg. v. Frebert, U., 2003 Vertrauensschaden ist der Schaden der darin besteht, dass ein Rechtsgeschäftspartner auf die Gültigkeit des (mangelhaften) Rechtsge-schäfts vertraut.
7287Vertreibung ist die durch Gewalt oder Drohung erreichte Entfernung von Menschen von einem von ihnen besessenen Ort (z. B. Entdeutschung in Mitteleuropa nach dem zweiten Weltkrieg im Umfang von vielleicht 12,5 oder 15 Millionen Menschen). Sie ist völkerrechtswidrig. Unrecht kann durch zuvor begangenes Unrecht nicht zu Recht werden und kein Opfer rechtfertigt ein anderes. Lit.: Dokumente der Vertreibung der Deutschen aus Ostmitteleuropa, hg. v. Bundesministerium für Vertriebene, Bd. 1ff. 1958ff.; Wenninger, M., Man bedarf keiner Juden mehr, 1980; Die Vertreibung der Deutschen aus dem Osten, hg. v. Benz, W., 1985; Nawratil, H., Schwarzbuch der Vertreibung, 4. A. 1999; Unsere Heimat ist uns fremd geworden, hg. v. Borodziej, W. u. a., Bd. 1ff. 2000ff.; Vertriebene in Deutschland, hg. v. Hoffmann, D. u. a., 2000; Erzwungene Trennung. Vertreibungen und Aussiedlungen in und aus der Tschechoslowakei 1938-1947 im Vergleich mit Polen, Ungarn und Jugoslawien, hg. v. Brandes D. u. a., 2000; Brandes, D. Der Weg zur Vertreibung 1938-1945, 2001; Nitschke, B., Vertreibung und Aussiedlung der deutschen Bevölkerung aus Polen 1945 bis 1949, 2003; Glotz, P., Die Vertreibung, 2003; Vertreibung europäisch erinnern, hg. v. Bingen, D. u. a., 2003; Urban, T., Der Verlust, 2004; Stickler, M., Ostdeutsch heißt gesamtdeutsch, 2004; Schwarz, M., Vertriebene und Umsiedlerpolitik, 2004; Definitionsmacht, Utopie, Vergeltung, hg. v. Brunnbauer, U. u. a., 2006; Lexikon der Vertreibungen, hg. v. Brandes, D. u. a., 2010; Beer, M., Flucht und Vertreibung der Deutschen, 2011; Steinbach, E., Die Macht der Erinnerung, 2. A. 2011; Douglas, R., Ordnungsgemäße Überführung, 2012; Schwartz, M., Ethnische Säuberungen in der Moderne, 2013
7288Vertreter (Wort 1390) s. Stellvertreter Lit.: Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
7289vertretbar (wegen der Bestimmung nach Zahl, Maß oder Gewicht ersetzbar, annehmbar) Lit.: Köbler, DRG 39; Rüfner, T., Vertretbare Sachen?, 1999
7290Vertretung (Wort um 1500) →Stellvertretung Lit.: Köbler, DRG 43, 44, 87, 116, 165, 208, 214; Gottwald, F., Die Vertretung des kleinen nichtadeligen Grundbesitzes, Diss. jur. Greifswald 1915; Henze, G., Das Handeln für andere vor Gericht im lübischen Recht, Diss. jur. Göttingen 1959; Ständische Vertretungen in Europa, hg. v. Gerhard, D., 1969; Müller, U., Die ständische Vertretung, 1984; Kunstreich, T., Gesamtvertretung, 1992; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
7291Vertriebener Lit.: Kossert, A., Kalte Heimat. Die Geschichte der deutschen Vertriebenen nach 1945, 2008; Integrationen, hg. v. Krauss, M., 2008; Fischer, W., Heimat-Politiker?, 2010; Amos, H., Vertriebenenverbände im Fadenkreuz, 2011; Schwartz, M., Funktionäre mit Vergangenheit, 2012; Müller, M., Die SPD und die Vertriebenenverbände 1949-1977, 1012
7292Verwahrung (Wort um 1495, lat. N. depositum, Verwahrungsvertrag 1784/1794) ist der entweder gegenseitige oder unvoll-kommen zweiseitig verpflichtende Vertrag, durch den sich der Verwahrer verpflichtet, eine ihm von dem Hinterleger übergebene bewegliche Sache aufzubewahren. Die V. ist dem römischen Recht als zunächst unentgeltlicher →Realvertrag bekannt (bei Entgeltlichkeit locatio conductio operis, Werkvertrag). Auch im Mittelalter findet sie sich vielfach. Seit dem Spätmittelalter wird das römische Recht aufgenommen. Danach ist entgeltliche V. ein zweiseitig verpflichtender Vertrag, unentgeltliche V. ein unvollkommen zweiseitig verpflichtender Vertrag. Bei unregelmäßiger V. (lat. depositum [N.] irregulare) wird der Verwahrer Eigentümer der verwahrten Sache (z. B. Geld in der Bank), ist aber zur Rückgabe gleichartiger Sachen (eventuell mit Zinsen) verpflichtet. Lit.: Kaser § 39 III; Söllner § 9; Kroeschell, DRG 1, 3; Köbler, DRG 45; Massetto, G., Ricerche sul deposito, SDHI 44 (1978), 219; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Bürge, A., Fiktion und Wirklichkeit, ZRG RA 104 (1987), 465; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
7293Verwaltung ist die auf längere Dauer gerichtete Besorgung einer Angelegenheit, insbesondere die Ausführung staatlicher Aufgaben. V. gibt es bereits im altrömischen Recht. Sie nimmt mit der Ausdehnung des römischen Reiches trotz Bevorzugung aristokratischer Herrschaftstechnik gegenüber bürokratischen Apparaten stetig an Umfang zu. Seit dem Übergang zum Prinzipat entwickelt sie bürokratische und von Zwangsmaßnahmen gekennzeichnete Formen. Demgegenüber betrifft die V. bei den Germanen nur wenige allgemeine Bereiche. Im Frühmittelalter erscheinen neben dem König, der seine Rechte im Reich im Umherziehen verwaltet (Reisekönigtum), die Träger von Hofämtern (Truchsess, Kämmerer, Marschall, Schenk, Kanzler) und die Grafen. Eine Verdichtung findet erst seit dem Hochmittelalter in den Ländern und Städten statt. Am Beginn der Neuzeit wird die V. in besonderen Ordnungen geregelt und rationaler gestaltet (z. B. maximilianische Verwaltungsreformen). Der Absolutismus beruht dann bereits auch auf einer vom Polizeigedanken geprägten vielgliederigen Verwaltungsorganisation mit zahlreichen Beamten, die mehr und mehr auf den Staat statt auf die Person des Fürsten ausgerichtet wird. Der Liberalismus des 19. Jh.s will zwar die V. auf die Herstellung von Sicherheit und Ordnung beschränken, Eingriffe der V. (Ein-griffsverwaltung) in die Freiheit des Einzelnen nur bei einer gesetzlichen Grund-lage zulassen und eher →Selbstverwaltung fördern, doch fordert die Gesamtheit der Staatsbürger umfangreiche Leistungen der Allgemeinheit (→Leis-tungsverwaltung z. B. Versorgung, Entsorgung, Verkehr, Bildung, soziale Sicherung). Aus diesem Grund werden immer mehr hierarchisch-bürokratisch strukturierte Behörden geschaffen. In der zweiten Hälfte des 19. Jh.s setzt sich die Vorstellung von der Überprüfung des Verwaltungshandelns durch ein Gericht (→Verwaltungsgericht) in Deutschland durch. Der Umfang der V. (um 1870 in Österreich etwa 80000 öffentlich Bedienstete, um 1910 400000) und damit auch ihre Kosten wachsen (bis in das Ende des 20. Jh.s) unvermindert oder kaum vermindert weiter. Lit.: Kaser § 62 II 3; Dulckeit/Schwarz/Waldstein; Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 14, 18, 31, 55, 20, 83, 112, 150, 196, 225, 232, 251, 258; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 7 1992, 1; Marquardt, J., Römische Staatsverwaltung, Bd. 1ff. 2./3. A. 1884ff., Neudruck 1952; Below, G., Die städtische Verwaltung des Mittelalters, HZ 75 (1895), 396; Beidtel, J., Geschichte der österreichischen Staatsverwaltung, Bd. 1f. 1898; Cam, H., Local government in Francia and England, 1912; Köttgen, A., Deutsche Verwaltung, 3. A. 1944; Forsthoff, E., Die Verwaltung als Leistungsträger, 1938; Samse, H., Die Zentralverwaltung in den südwelfischen Landen, 1940; Hausherr, H., Verwaltungseinheit und Ressorttrennung, 1953; Planitz, H., Die deutsche Stadt, 5. A. 1980; Koselleck, R., Preußen zwischen Reform und Revolution, 1967; Badura, P., Das Verwaltungsrecht des liberalen Rechtsstaates, 1967; Knemeyer, F., Regierungs- und Verwaltungsreformen in Deutschland zu Beginn des 19. Jahrhunderts, 1970; Damkowski, W., Die Entstehung des Verwaltungsbegriffs, 1969; Der deutsche Terrritorialstaat im 14. Jahrhundert, hg. v. Patze, W., Bd. 1f. 1970f.; Janssen, W., Landesherrliche Verwaltung und landständische Vertretung in den niederrheinischen Territorien 1250-1350, 1971; Engelhaupt, H., Die Einführung hessen-darmstädtischer Verwaltung im nördlichen Teil des Departements Donnersberg, 1971; Schwab, D., Die Selbstverwaltungsidee des Freiherrn vom Stein, 1971; Entwicklungsfragen der Verwaltung in Mitteleuropa, 1972; Verwaltungshistorische Studien, Bd. 1f. 1972; Grundriss der deutschen Verwaltungsgeschichte, hg. v. Hubatsch, W., Bd. 1ff. 1975ff.; Anderhub, A., Verwaltung im Regierungsbezirk Wiesbaden 1866-1885, 1977; Entwicklung der städtischen und regionalen Verwaltung in den letzten 100 Jahren in Mittel- und Osteuropa, hg. v. d. Eötvös Lórand-Universität Budapest, 1978; Maier, H., Die ältere deutsche Staats- und Verwaltungslehre, 2. A. 1980; Histoire comparée de l’administration, hg. v. Paravicini, W. u. a., 1980; Hattenhauer, H., Geschichte des Beamtentums, 1980; Deutsche Verwaltungsgeschichte, hg. v. Jeserich, K. u. a., Bd. 1ff. 1983ff.; Wissenschaft und Recht der Verwaltung seit dem ancien régime, hg. v. Heyen, E., 1984; Asch, R., Verwaltung und Beamtentum, 1986; Stolleis, M., Geschichte des öffentlichen Rechts, Bd. 1ff. 1988ff.; Süle, T., Preußische Bürokratietradition, 1988; Die Verwaltung und ihre Ressourcen, ( red. v. Dilcher, G.), 1991; Schulz, A., Herrschaft durch Verwaltung, 1991; Verfassung und Verwaltung. Festschrift für Kurt G. A. Jeserich zum 90. Geburtstag, 1994; Bürsch, M., Die Modernisierung der deutschen Landesverwaltungen, 1996; Willoweit, D., Begriff und Wege verwaltungsgeschichtlicher Forschung, Zs f. bay. LG. 61 (1998), 7; Ausbüttel, F., Die Verwaltung des römischen Kaiserreiches, 1998; Die öffentliche Verwaltung im totalitären System, hg. v. Heyen, E., 1998; Die deutsche Verwaltung unter 50 Jahren Grundgesetz, hg. v. König, K. u. a., 2000; Raphael, L., Recht und Ordnung. Herrschaft durch Verwaltung, 2000; Hoeck, J., Verwaltung, Verwaltungsrecht und Verwaltungs-rechtsschutz in der Deutschen Demokratischen Republik, 2003; Verwaltungslehre in Hamburg 1962-2002, hg. v. Bull, H., 2003; Grau, U., Historische Entwicklung und Perspektiven des Rechts der öffentlichen Aufträge, 2004; Ernst, A., Die Einführung des napoleonischen Steuer- und Verwaltungssystems in Lüneburg, 2004; Cancik, P., Verwaltung und Öffentlichkeit in Preußen, 2007; Kramer, S., Vom lästigen Publikum zum mündigen Darsteller, 2008; Herstellung und Darstellung von Entscheidungen, hg. v. Stollberg-Rilinger u. a., 2010
7294Verwaltungsakt ist die formlos mögliche Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechtes trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist (z. B. Bauerlaubnis, Steuerbescheid). Der urteilsähnliche V. entsteht mit der →Verwaltung. Das Wort V. tritt anscheinend erstmals 1821 bei dem bayerischen Regierungsrat Anton Kurz auf. Als allgemeine Erscheinung wird der V. nach älteren Vorarbeiten 1895 von Otto →Mayer nach französischem Vorbild (acte administratif) erfasst. Gesetzlich geregelt wird er in Verwaltungsverfahrensgesetzen (Österreich 1925, Deutschland 1976) Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 199, 259; Schmitthenner, F., Grundlinien des allgemeinen oder idealen Staatsrechts, 1845; Mayer, F., Grundsätze des Verwaltungsrechts, 1862; Loening, E., Lehrbuch des deutschen Verwaltungsrechts, 1884; Mayer, O., Deutsches Verwaltungsrecht, 1895/1896; Badura, P., Das Verwaltungsrecht des liberalen Rechtsstaates, 1967; Erichsen, H., Verfassungs- und verwaltungsgeschichtliche Grundlagen der Lehre vom fehlerhaften belastenden Verwaltungsakt, 1971; Hueber, A., Otto Mayer, 1981; Schmidt de Caluwe, R., Der Verwaltungsakt in der Lehre Otto Mayers, 1998; Engert, M., Die historische Entwicklung des Rechtsinstituts Verwaltungsakt, 2002; Lieb, T., Privileg und Verwaltungsakt, 2004
7295Verwaltungsgemeinschaft ist der Güterstand des Ehegüterrechts, bei dem ein Ehegatte (Ehemann) die Güter der Ehegatten (allein) gemeinschaftlich verwaltet. Die V. findet sich bereits sehr früh. Die V. mit Widerrufsmöglichkeit der Ehefrau ist von 1812 bis 1978 der ordentliche Ehegüterstand des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuchs Österreichs (verschämte V.), die V. ohne Widerrufsmöglichkeit der ordentliche gesetzliche Ehegüterstand in Deutschland von 1900 bis 1953 (Nutznießung und Verwaltung). Die V. entfällt mit der Gleichstellung der Frau in der zweiten Hälfte des 20. Jh.s (Deutschland 1953 Gütertrennung. 1957 Zugewinngemein-schaft, Österreich 1978). Lit.: Hübner 669ff.; Schröder, R., Geschichte des ehelichen Güterrechts, Bd. 1f. 1863ff., Neudruck 1967; Offen, J., Von der Verwaltungsgemeinschaft des BGB von 1896 zur Zugewinngemeinschaft, 1994
7296Verwaltungsgericht ist das verwaltungsrechtliche Streitigkeiten (vor allem zwischen Staat und Bürger) entscheidende Gericht. Bereits im 18. Jh. kann sich der Untertan mit dem Verlangen nach Rechtsschutz gegenüber dem Landesherrn an ein Gericht wenden, wenn er sich auf ein wohlerworbenes Recht oder ein Privileg berufen kann. In der ersten Hälfte des 19. Jh.s wird die gerichtliche Überprüfbarkeit des Verwaltungshandelns zu einer politischen Forderung, weil die Verwaltungstätigkeit während der gesamten frühen Neuzeit zunimmt und der Rechtsstaatsgedanke die gerichtliche Über-prüfbarkeit allen Handelns nahelegt. Die von manchen angestrebte verwaltungs-interne Überprüfung wird bereits in der Entwurf gebliebenen Verfassung des Deutschen Reichs von 1849 als unzureichend abgelehnt. Im Streit um eine Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte (Otto →Bähr 1864) oder die Einrichtung besonderer Verwaltungsgerichte (Robert von Mohl, Johann Kaspar Bluntschli, Rudolf von →Gneist 1857, 1872, Vorbild Frankreich) werden die unterschiedlichen Vorschläge, vermehrt um das süddeutsche Modell des Ver-walungsrechtsschutzes zu einem neuen Gericht verbunden. Dementsprechend entsteht das besondere V. (Baden 1863 [Gesetz die Organisation der inneren Verwaltung betreffend vom 5. 10. 1863 mit Wirkung vom 1. 10. 1864] Enumerationsprinzip, Bezirksräte unter einem letztinstanzlichen, aber auch erstinstanzlich zuständigen Verwaltungsgerichtshof, Preußen 1872, Oberverwaltungsgericht, §§ 140-165 Kreisordnung, 1875 VVG, Hessen 1874 (1875/1879), Österreich [Verwaltungsgerichtshof] 1875, Württemberg 1876, Bayern 1878, Anhalt 1888, Braunschweig 1895, Sachsen-Meiningen 1897, Lippe 1898, Sachsen 1900, Oldenburg 1906, (Thüringen 1910, Reuß 1911, ) Lübeck 1916, anders bis nach 1918 noch Hamburg, Mecklenburg-Schwerin (1922), Mecklenburg-Strelitz (1922), Bremen, Waldeck-Pyrmont, Schaumburg-Lippe). Die dabei eintretende Zersplitterung wird erst durch die deutsche Verwaltungsgerichtsordnung (21. 1. 1960) beseitigt, die an die Spitze der Verwaltungsgerichtsbarkeit das 1952 geschaffene Bundesverwaltungsgericht stellt. Österreich kennt bis 2013 keine unabhängigen Verwaltungsgerichte, sondern nur (sog. unabhängige Verwaltungssenate und seit 1875/1876) einen einzigen Verwaltungsgerichtshof (1934 Bundesgerichtshof, 1945 wiedererrichtet, Prüfung von Verwaltungsakten auf Gesetzmäßigkeit, nicht auf Verfassungsmäßigkeit), doch werden unter grundsätzlicher Überführung von Bediensteten und anhängigen Sachen zum 1. 1. 2014 ein Bundesverwaltungsgericht, ein Bundesfinanzgericht (mit 9 Außenstellen) und 9 Landesverwaltungsgerichte eingerichtet.. Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 200, 234, 261; Bähr, O., Der Rechtsstaat, 1864; Gneist, R. v., Der Rechtsstaat, 1872, Neudruck 1968; Poppitz, J., Die Anfänge der Verwaltungsgerichtsbarkeit, Archiv f. öff. Recht N. F. 33 (1943), 158; Eyermann, E., Verwaltungsgerichtsgesetz für Bayern, 1950; Sellmann, M., Entwicklung und Geschichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit in Oldenburg, 1957; Rüfner, W., Verwaltungsrechtsschutz in Preußen, 1962; Neunzig Jahre Verwaltungsgerichtsbarkeit in Österreich, hg. v. Verwaltungsgerichtshof, 1966; Die Entwicklung der österreichischen Verwaltungsgerichtsbarkeit, hg. v. Lehne, F. u. a., 1976; Stump, U., Preußische Verwaltungsgerichtsbarkeit, 1980; Stolleis, M., Die Verwaltungsgerichtsbarkeit im Nationalsozialismus, FS C. Menger, 1985, 57; Kimminich, O., Die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Weimarer Republik, Vwbll. f. Baden-Württemberg, 1988, 10; Ule, C., Zu den Anfängen der Verwaltungsgerichtsbarkeit, Verwaltungsarchiv 1989, 303; Kohl, W., Das Reichsverwaltungsgericht, 1991; Das sächsische Oberverwaltungsgericht, 1994; Huden-mann-Simon, C., L’Ètat et la santé, 1995; Liessem, P., Verwaltungsgerichtsbarkeit im späten Zarenreich, 1996; Bauer, I., Von der Administrativjustiz bis zur Verwaltungsgerichtsbarkeit, 1996; 50 Jahre bayerisches Verwaltungsgericht Ansbach, 1996; Heil, T., Die Verwaltungsgerichtsbarkeit in Thüringen, 1996; 50 Jahre schleswig-holsteinisches Verwaltungsgericht, 1996; Emmert, R., Die Entwicklung der Verwaltungsgerichtsbarkeit in Bayern, Bay. VwBll. 1997, 8; Verwaltungsgericht Karlsruhe, 1997; Recht ohne Grenzen. Grenzen des Rechts, hg. v. Polaschek, M. u. a., 1997; Mandahbileg, B., Rechtsschutz durch richterliche Reichsbehörden, Diss. jur. Heidelberg 1998; Dorfverwaltungsgerichtsbarkeit im Wandel, hg. v. Thiemel, R., 1999; Olechowski, T., Die Ein-führung der Verwaltungsgerichtsbarkeit in Österreich, 1999; Sydow, G., Die Verwaltungsgerichtsbarkeit des ausgehenden 19. Jahrhunderts, 2000; Nowatius, N., Die Einführung der Verwaltungsgerichtsbarkeit in Preußen, Diss. jur. Bonn 2000; Müller, O., Die Verfassungsbeschwerde nach der bayerischen Verfassung von 1818, 2000; Montag, M., Die Entwicklung der Verwaltungsgerichtsbarkeit in Baden und Württemberg von 1945 bis 1960, 2001; Hoeck, J., Verwaltung, Verwaltungsrecht und Verwaltungsrechtsschutz in der Deutschen Demokratischen Republik, 2003; Hackel, F., Die Entstehung einer eigenständigen bayerischen Verwaltungsgerichtsbarkeit, 2011; Hien, E., 150 Jahre deutsche Verwaltungsgerichtsbarjkeit, 2013 (Vortrag); Pagenkopf, M., 150 Jahre Verwaltungsgerichtsbarkeit in Deutschland, 2014
7297Verwaltungsgerichtshof ist in Deutschland ein Obergericht (Oberverwaltungsgericht) der Verwaltungsgerichtsbarkeit, in Österreich das einzige Verwaltungsgericht (ab 2. 7. 1876, 1934 mit dem Verfassungsgerichtshof zum Bundesgerichtshof verschmolzen, 1945 wiedererrichtet). Lit.: Olechowski, T., Der österreichische Verwaltungsgerichtshof, 2001
7298Verwaltungsrecht ist die Gesamtheit der die öffentliche Verwaltung betreffenden Rechtssätze. V. entsteht in ersten Ansätzen wohl bereits mit der Ausbildung von →Verwaltung. Als Einheit innerhalb der älteren Polizeiwissenschaft erfasst wird es erst in der Mitte des 19. Jh.s. Eine gesetzliche Festlegung des Verwaltungsverfahrens erfolgt im 20. Jh. (Österreich 1925, Deutschland 1976). Kernstück des Verwaltungshandelns ist der →Verwaltungs-akt. Zu gliedern ist das V. in einen allgemeinen Teil und zahlreiche besondere Gebiete (Beamtenrecht, Gemeinderecht, Baurecht, Polizeirecht, Gewerberecht, Gesundheitsrecht, Schulrecht, Straßenrecht, Steuerrecht, Sozialrecht u. s. w.). Lit.: Köbler, DRG 8, 199; Mohl, R. v., Staatsrecht des Königreichs Württemberg, 1831; Mohl, R. v., Polizeiwissenschaft, 1832/1833; Gerber, C., Über öffentliche Rechte, 1852; Mayer, F., Grundsätze des Verwaltungsrechts, 1862; Bornhak, C., Geschichte des preußischen Verwaltungsrechts, Bd. 1ff. 1884ff.; Mayer, O., Deutsches Verwaltungsrecht, 1895/6; Tezner, F., Verwaltungsrechtspflege in Österreich, 1897ff.; Linder, O., Die Entstehung der Verwaltungsrechtspflege des geheimen Rats in Württemberg, 1940; Bülck, H., Zur Dogmengeschichte des europäischen Verwaltungsrechts, FS Hermann Krause, 1964, 29; Magerl, H., Verwaltungsrechtsschutz in Württemberg in der Zeit von 1760-1950, Diss. jur. Freiburg im Breisgau 1966; Badura, P., Das Verwaltungsrecht des liberalen Rechtsstaates, 1967; Feist, H., Die Entstehung des Verwaltungsrechts als Rechtsdisziplin, 1968; Heyen, E., Otto Mayer, 1981; Hueber, A., Otto Mayer, 1982; Geschichte der Verwaltungsrechtswissenschaft in Europa, hg. v. Heyen, E., 1982; Wyduckel, D., Ius publicum, 1984; Wissenschaft und Recht der Verwaltung seit dem ancien régime, hg. v. Heyen, E., 1984; Stolleis, M., Geschichte des öffentlichen Rechts, Bd. 1f. 1988; Schwarz, J., Europäisches Verwaltungsrecht, Bd. 1f. 1988; Ishikawa, T., Friedrich Franz von Mayer, 1992; Lepsius, O., Verwaltungsrecht unter dem Common Law, 1997; Mannori, L./Sordi, B., Storia del diritto administrativo, 2001; Weidenfeld, K., Les origines médiévales du contentieux administratif, 2002; Hoeck, J., Verwaltung, Verwaltungsrecht und Verwaltungsrechtsschutz in der Deutschen Demokratischen Republik, 2003; Müller, R., Verwaltungsrecht als Wissenschaft. Fritz Fleiner 1867-1937, 2006; Jellinghaus, L., Zwischen Daseinsvorsorge und Infrastruktur, 2006; Schütte, C., Progressive Verwaltungswissenschaft auf konservativer Grundlage, 2006; Schröder, R., Verwaltungsrechtsdogmatik im Wandel, 2007; Grundlagen des Verwaltungsrechts, hg. v. Hoffmann-Riem, W. u. a., Bd. 1ff. 2007; Cancik, P., Verwaltung und Öffentlichkeit in Preußen, 2007; Schmoeckel, M., Rechtsgeschichte der Wirtschaft, 2008
7299Verwaltungsreform ist die bewusste Umgestaltung einer bestehenden →Verwaltung, wie sie sich bereits im römischen Altertum und dann spätestens wieder seit Beginn der Neuzeit findet (u. a. Maximilian 1497, 2. H. 20. Jh. Bundesrepublik Deutschland). Lit.: Kroeschell, DRG 3; Ohnsorge, W., Die Verwaltungsreform, Neues Archiv f. sächs. Gesch. 63 (1943), 26; Knemeyer, F., Regierungs- und Verwaltungsreformen, 1970
7300Verwaltungsverfahren ist die nach außen wirkende Tätigkeit der Behörden, die auf die Prüfung der Voraussetzungen, die Vorbereitung und den Erlass eines Verwaltungsakts oder auf den Abschluss eines öffentlich-rechtlichen Vertrags gerichtet ist. Das V. wird seit der zweiten Hälfte des 19. Jh.s von der Rechtswissenschaft erfasst und in Österreich 1925 (Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz, in Kraft 1926) infolge internationalen Druckes zwecks Verwaltungsvereinfachung als Voraussetzung einer Völkerbundanleihe sowie in (Thüringen 1926 Landesverwaltungsordnung, Württemberg 1931 Entwurf einer Verwaltungsrechtsordnung, Bremen 1943 Verwaltungsgesetz und allgemein in) Deutschland 1976 gesetzlich geordnet. Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 259; Baltl/Kocher; Pakeruut, W., Die Entwicklung der Dogmatik des verwaltungsrechtlichen Vertrags, 2000
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