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#ZIEL
2381Gerichtsstätte ist die Stätte, an der Gericht stattfindet. Sie befindet sich anfangs unter freiem Himmel (bei den Franken auf dem Malberg, [lat.] mallobergus). 809 empfiehlt Karl der Große Lauben. Seit dem 13. Jh. erscheinen in den Städten steinerene Gerichtslauben und danach Gerichtshäuser (z. B. Justizpaläste im 19. Jh.). Lit.: Planck, J., Das deutsche Gerichtsverfahren, Bd. 1 1879; Frölich, K., Stätten mittelalterlicher Rechtspflege, 1938; Funk, W., Alte deutsche Rechtsmale, 1940; Braun, E., Die Entwicklung der Gerichtsstätten in Deutschland, Diss. jur. Erlangen 1944; Klemmer, K. u. a., Deutsche Gerichtsgebäude, 1993; Dolch, M., Öffentliche Gerichtsstätten in mittelrheinischern Urkunden des Hoch- und Spätmittelalters (in) Archiv für hess. Gesch. N. F. 68 (2010), 1 (360 Angaben)
2382Gerichtsverfahren ist das vor und von →Gerichten durchgeführte Verfahren. Dabei wird bereits im altrömischen Recht zwischen Zivilverfahren und Strafverfahren und zwischen Erkenntnisverfahren und Voll-streckungsverfahren unterschieden. Allerdings setzt sich das G. nur langsam gegenüber der →Selbsthilfe des Verletzten durch. Mit der Entwicklung Roms zum Weltreich wird dabei die gerichtliche Tätigkeit des Staates immer umfassender. Umgekehrt ist auch in den germanischen Anfängen das G. gegenüber der →Selbsthilfe (→Fehde) selten. König und Kirche fördern das G. seit dem Frühmittelalter. Auf die Klage des Verletzten und die Klagantwort des Beklagten entscheiden die unter der Leitung des →Richters versammelten →Schöffen den Streit durch ein meist zweizüngiges →Urteil. Entlastet sich der Beklagte nicht (durch Eid), so siegt der Kläger. Die Vollstreckung führt der Kläger selbst durch. Eine Überprüfung des Urteils steht nur dem König zu. Wohl erst im Hochmittelalter (str.) treten Zivilverfahren und Strafverfahren auseinander. Im Strafverfahren gewinnt die amtliche Untersuchung an Bedeutung. Das Zivilverfahren wandelt sich unter oberitalienisch-kanonistischem Einfluss (Schriftlichkeit). Die Berufung (Appellation) an ein Obergericht wird möglich. In England ändert sich das G. am stärksten zwischen 1154 und 1272. In der Neuzeit erlangt eine Sonderstellung auch das Gebiet des sächsischen Rechtes. Im 19. Jh. beeinflusst das freiere Verfahren der französischen Gesetze Zivilprozess und Strafprozess in den deutschen Staaten. Lit.: Wetzell, G., System des ordentlichen Zivilprozesses, 1861, 3. unv. A. 1978; Planck, J., Das deutsche Gerichtsverfahren im Mittelalter, Bd. 1f. 1879, Neudruck 1973; Bartmann, J., Das Gerichtsverfahren vor und nach der Münsterischen Landgerichtsordnung von 1571, 1908; Döhring, E., Geschichte der deutschen Rechtspflege, 1953; Leiser, W., Der gemeine Zivilprozess in den badischen Markgrafschaften, 1961; Wesener, G., Das innerösterreichische Landschrannenverfahren, 1963; Schmidt, E., Einführung in die Geschichte der deutschen Strafrechtspflege, 1947, 3. A. 1965; Wiggenhorn, H., Der Reichskammergerichtsprozess, Diss. jur. Münster 1966; Markov, J., Das landrechtliche Gerichtsverfahren in Böhmen und Mähren bis zum 17. Jahrhundert, ZRG GA 83 (1966), 145; Bomsdorf, F., Prozessmaximen und Rechtswirklichkeit, 1971; Meyer, D., Gerichtsverfahren und Zivilprozess nach der Solmser Gerichtsordnung von 1571, Diss. jur. Göttingen 1972; Caenegem, R. van, History of European Civil Procedure, 1973; Nörr, K., Zur Stellung des Richters im gelehrten Prozess der Frühzeit, 1967; Fowler-Magerl, I., Ordo iudiciorum vel ordo iudicicarius, 1984; Green, F., Verdict According to Conscience, 1985
2383Gerichtsverfassung ist die grundsätzliche organisatorische Gestaltung der Rechtspflege im Sinne einer allgemeinen Verfasstheit. Sie ist anfangs ziemlich einfach, entwickelt sich aber seit dem hohen Mittelalter mit dem Übergang wesentlicher Teile der Gerichtsbarkeit vom König auf die Landesherren zu großer Vielfalt. 1877/1879 wird im Deutschen Reich die partikuläre G. durch das Gerichtsverfassungsgesetz vereinheitlicht (im Bereich der ordentlichen Gerichtsbarkeit Amtsgericht, Landgericht, Oberlandesgericht, Reichsgericht, in Österreich Jurisdiktionsnorm von 1895 mit Bezirksgerichten, Landesgerichten (bzw. Kreisgerichten), Oberlandesgerichten und Oberstem Gerichtshof [in Wien]). Veränderungen seit 1933 werden 1945 wieder beseitigt (Gesetz Nr. 4 des Alliierten Kontrollrats vom 30. 10. 1945). 1950 folgt dem untergegangenen Reichsgericht der Bundesgerichtshof. Neben den ordentlichen Gerichten stehen Verfassungsgerichte, Verwaltungsgerichte, Arbeitsgerichte, Sozialgerichte und Finanzgerichte. Die Sonderentwicklungen in der sowjetischen Besatzungszone bzw. der Deutschen Demokratischen Republik (1949, Gesetz über die gesellschaftlichen Gerichte vom 11. 6. 1968, Gesetz vom 27. 9. 1974) werden 1990 rückgängig gemacht. Beeinflusst wird die nationale G. seit 1951/1952 auch zunehmend durch europäische Gerichte. →Gericht Lit.: Kaser §§ 80, 87; Söllner §§ 9, 17; Köbler, DRG 183, 200; Kühns, F., Geschichte der Gerichtsverfassung und des Prozesses der Mark Brandenburg, Bd. 1f. 1865ff., Neudruck 1969; Sohm, R., Die fränkische Reichs- und Gerichtsverfassung, 1871; Schröder, R., Die Gerichtsverfassung des Sachsenspiegels, ZRG GA 5 (1884), 1; Probst, K., Die Entwicklung der Gerichtsverfassung und des Zivilprozesses in Kurhessen, 1911; Meister, E., Ostfälische Gerichtsverfassung im Mittelalter, 1912; Lenel, P., Die Scheidung von Richter und Urteilern, ZRG RA 34 (1913), 440; Knapp, H., Alt-Regensburgs Gerichtsverfassung, Strafverfahren und Strafrecht, 1914, Neudruck 1978; Wohlhaupter, E., Hoch- und Niedergericht in der mittelalterlichen Gerichtsverfassung Bayerns, 1929; Blankenhorn, R., Die Gerichtsverfassung der Carolina, Diss. jur. Tübingen 1939; Baltl, H., Die ländliche Gerichts-verfassung Steiermarks, Archiv f. österreich. Gesch. 118 (1951); Schlesinger, W., Zur Gerichtsverfassung des Markengebietes östlich der Saale, Jb. f. d. Gesch. Mittel- und Ostdeutschlands 2 (1953); Beiträge zur Geschichte des Gerichtswesens im Lande Braunschweig, 1954; Kern, E., Geschichte des Gerichtsverfassungsrechts, 1954; Lohmann, U., Gerichtsverfassung und Rechtsschutz in der DDR, 1966; Weinkauff, H./Wagner, A., Die Umgestaltung der Gerichtsverfassung und des Verfahrens- und Richterrechts im nationalsozialistischen Staat, 1968; Weiss, U., Die Gerichtsverfassung in Oberhessen, 1978; Schubert, W., Die deutsche Gerichtsverfassung (1869-1877), 1981; Holthöfer, E., Ein deutscher Weg zu moderner und rechtsstaatlicher Gerichtsverfassung, 1997; Lück, H., Die kursächsische Gerichtsverfassung, 1997; Grilli, A., Die französische Justizorganisation am linken Rheinufer, 1998; Forster, M., Die Gerichtsverfassung und Zivilgerichtsbarkeit in Straubing, Diss. jur. Regensburg 1999; Schartl, R., Gerichtsverfassung und Zivilprozess in Frankfurt am Main im Spätmittelalter, ZRG GA 123 (2006), 136
2384Gerichtsverfassungsgesetz →Gerichtsverfassung
2385Gerichtsvollzieher ist seit dem 19. Jh. der mit den Zustellungen, Ladungen und Vollstreckungen zu betrauende Beamte (schon 1793/195 AGO Preußens Exekutoren). Zuvor werden seine Aufgaben vom Büttel, Fronboten oder Gerichtsdiener wahrgenommen. Vorbild des Gerichtsvollziehers ist der huissier des Code de procédure civile Frankreichs von 1806 (in Kraft 1807), der in Berg 1813 und in den Generalgouvernements Mittelrhein und Niederrhein 1814 in G. umbenannt wird (Baden 1851). 1877/1879 werden die territorial unterschiedlichen Gestaltungen grundsätzlich, 1964 entsprechend der früheren preußischen Regelung stärker vereinheitlicht. Lit.: Köbler, DRG 202; Schneider, E., Die rechtliche Stellung des Gerichtsvollziehers 1910; Schneider, J., Das Gerichtsvollzieherwesen in den deutschen Ländern, 1934; Ziegler, H., Die Stellung des Gerichtsvollziehers in der Zwangsvollstreckung nach dem Entwurf einer ZPO von 1931, Diss. jur. Freiburg im Breisgau 1936; Kern, E., Geschichte des Gerichtsverfassungsrechts, 1954; Deutsch, A., 200 Jahre modernes Gerichtsvollzieherwesen, DGVZ 2007, 1
2386Gerichtszeugnis ist vor allem die Aussage des →Gerichts (Richter und Schöffen) über Handlungen und Ereignisse vor Gericht. Das G. wird im Hochmittelalter häufig. Es erbringt vollständigen Beweis einer Behauptung und kann nicht gescholten werden. Sachlich kann ein G. auch in einer Gerichtsurkunde enthalten sein. Mit zunehmender Verschriftlichung des menschlichen Lebens einschließlich des Rechtes verliert das G. an Bedeutung. Nach § 291 ZPO bedürfen gerichtsbekannte Tatsachen keines Beweises. Lit.: Planck, J., Das deutsche Gerichtsverfahren im Mittelalter, Bd. 2 1897, 157; Brunner, H., Abhandlungen zur Rechtsgeschichte, 1985; Kornblum, U., Das Beweisrecht des Ingelheimer Oberhofes, Diss. jur. Frankfurt am Main 1960; Sellert, W., Prozessgrundsätze und Stilus Curiae am Reichshofrat, 1973; Battenberg, F., Reichsacht und Anleite, 1986
2387Germane ist der Angehörige der Völker, die sich von den Indogermanen abgespaltet haben und die besondere gemeinsame Sprache Germanisch sprechen. Die Germanen werden vielleicht (in der ersten Hälfte des 2. Jt.s v. Chr. oder) in der Mitte des 1. Jt.s v. Chr. in Norddeutschland (und Südskandinavien) sichtbar. Sie lassen sich in mehrere Großgruppen (z. B. Nordgermanen, Ostgermanen, Westgermanen, im Einzelnen str.) und viele (bei Ptolemäus 68) kleinere, seit 325 v. Chr. im griechisch-römischen Schrifttum genannte Völker gliedern(, für die sich 54 Fälle von Bündnissen oder Feindschaften ermitteln lassen). Sie siedeln meist in Dörfern mit bis zu 20 Höfen mit bis zu 30 Metern langen Wohnstallhäusern. Ihr nicht sicher deutbarer Name ist um 90 v. Chr. bei dem antiken Schriftsteller Poseidonios erstmals bezeugt. Seit dem 1. Jh. v. Chr. dringen einzelne Gruppen nach Süden (Teutonen 102 v. Chr. bei Aix, Kimbern 101 v. Chr. bei Vercellae von den Römern geschlagen). Auf etwa 235 n. Chr. ist ein 2008 entdeckter römisch-germanischer Kampfplatz bei Northeim am Westrand des Harzes zu datieren. Im 4. Jh. überwinden sdie Germanen den ab 84 n. Chr. von den Römern gegen sie errichteten Grenzwall (lat. [M.] →limes) und brechen unter dem Druck der Hunnen ab 375 in der →Völkerwanderung in das weströmische Reich ein. 476 setzt der Söldnerführer →Odowakar den weströmischen Kaiser Romulus Augus-tulus ab. Es entstehen im Zuge einer Umgestaltung der römischen Welt verschiedene Reiche einzelner, aus den G. hervorgegangener Stämme (Franken, Goten, Burgunder, Alemannen, Langobarden, Vandalen, Angelsachsen). Das Wissen über die G. entstammt im Wesentlichen den römischen Schriftstellern (Caesar, Tacitus) und archäologischen Funden. Lit.: Köbler, DRG 66; Dahn, F., Die Könige der Germanen, Bd. 1ff. 1861ff.; Ross, D., The early history of landholding among the Germans, 1883; Rhamm, K., Die Großhufen der Nordgermanen, 1905; Grönbech, W., Kultur und Religion der Germanen, Bd. 1f. 1909ff. 1937ff., 13. A. 2002; Kossinna, G., Die Herkunft der Germanen, 1911; Reallexikon der germanischen Altertumskunde, hg. v. Hoops, J., 1911-1919, 2. A. 1973-2007 (35 Bände, 22358 Seiten, 5124 Artikel, 3376 Abbildungen, 952 Tafeln, 2 Registerbände, 1443 Autoren, zahlreiche Ergänzungsbände); Roessingh, D., Het gebruik en bezit van den grond, 1915; Mayer, E., Germanische Geschlechtsverbände und das Problem der Feldgemeinschaft, ZRG GA 44 (1924), 30; Frahm, F., Cäsar und Tacitus als Quellen für die altgermanische Verfassung, Historische Vierteljahrsschrift 24 (1928), 145; Koehne, C., Die Streitfragen über den Agrarkommunismus der germanischen Urzeit, 1928; Voltelini, H. v., Nordgermanische Grabfunde, ZRG GA 51 (1931), 111; Neckel, G., Liebe und Ehe, 1932; Schmidt, L., Geschichte der deutschen Stämme. Die Ostgermanen, 2. A. 1934; Höfler, O., Kultische Geheimbünde der Germanen, 1934; Gædeken, P., Retsbrudet, 1934; Wührer, K., Beiträge zur ältesten Agrargeschichte des germanischen Nordens, 1935; Eckhardt, K., Irdische Unsterblichkeit, 1937; Schultz, W., Altgermanische Kultur, 4. A. 1937; Germanische Altertumskunde, hg. v. Schneider, H., 1938; Schulz, W., Indogermanen und Germanen, 2. A. 1938; Meyer, H., Das Wesen des Führertums in der germanischen Verfassungsgeschichte, 1938; Schmidt, L., Geschichte der deutschen Stämme. Die Westgermanen, 1938; Eckhardt, K., Ingwi und die Ingweonen, ZRG GA 59 (1939), 1; Haller, J., Der Eintritt der Geermanen in die Geschichte, 1939; Paulsen, P., Axt und Kreuz bei den Nordgermanen, 1939; Kienle, R., Germanische Gemeinschaftsformen, 1939; Thaerigen, G., Die Nordharzgruppe der Elbgermanen, 1939; Eckhardt, K., Ingwi und die Ingweonen, 2. A. 1940; Kramer, K., Die Dingbeseelung in der germanischen Überlieferung, 1940; Rehfeldt, B., Recht, Religion und Moral bei den frühen Germanen, ZRG GA 71 (1954), 1; Scovazzi, M., Le origini del diritto germanico, 1957; Germanen, hg. v. Krüger, P., 5. A. 1988; Mildenberger, G., Sozial- und Kulturgeschichte der Germanen, 2. A. 1977; Uslar, R. v., Die Germanen, 1980; Steuer, H., Frühgeschichtliche Sozialstrukturen in Mitteleuropa, 1982; Germanenprobleme aus heutiger Sicht, hg. v. Beck, H., 1986; Jacoby, M., Germanisches Recht und Rechtssprache zwischen Mittelalter und Neuzeit, 1986; Picard, E., Germanisches Sakralkönigtum?, 1991; Price, A., The Germanic Warrior Clubs, 2. A. 1996; Wolfram, H., Die Germanen, 1995, 7. A. 2002, 8. A. 2005; Günnewig, B., Das Bild der Germanen und Britannier, 1998; Todd, M., Die Germanen, 2000; Pohl, W., Die Germanen, 2000; Ernst, P./Fischer, G., Die germanischen Sprachen, 2001; Krause, A., Die Geschichte der Germanen, 2002; Hermand, J./Niedermeier, M., Revolutio germanica. Die Sehnsucht nach der alten Freiheit der Germanen 1750-1820, 2002; Bemmann, K., Arminius und die Deutschen, 2002; Maier, B., Die Religion der Germanen, 2003; Simek, R., Religion und Mythologie der Germanen, 2003; Arminius und die Varusschlacht, hg. v. Wiegels, R. u. a., 3. A. 2003; Simek, R., Götter und Kulte der Germanen, 2004; Maier, G., Ämter und Aufträge in der Romania Gothica, 2004; Kakoschke, A., Germanen in der Fremde, 2004 (174 Fälle); Busch, J., Das Germanenbild der deutschen Rechtsgeschichte, 2004; Fruscione, D., Zur Frage eines germanischen Rechtswortschatzes, ZRG GA 122 (2005), 1; Rothenhöfer, P., Die Wirtschaftsstrukturen im südlichen Niedergermanien, 2005; Wiwjorra, I., Der Germanenmythos, 2006; Die Germanen in der Völkerwanderung, hg. v. Goetz, H. u. a., 2006; Timpe, D., Römisch-germanische Begegnung in der späten Republik und frühen Kaiserzeit, 2006 (Aufsätze); Simek, R., Die Germanen, 2006; Ausbüttel, F., Germanische Herrscher, 2007; Wells, P., Die Germanen sprechen 2007; Feindliche Nachbarn - Rom und die Germanen, 2008; Bleckmann, B., Die Germanen, 2009; Tausend, K., Im Inneren Germaniens, 2009; Mohr, A., Eheleute, Männerbünde, Kulttransvestiten, 2009; Ausbüttel, F., Die Germanen, 2009; Euler, W./Badenheuer, K., Sprache und Herkunft der Germanen, 2009; Kleineberg, A., Germania und die Insel Thule, 4. A. 2010, 2. unv. A. 2011 (!); Timpe, D., Die Varusschlacht HZ 294 (2012). 593
2388Germania (bzw. De origine et situ Germaniae) ist ein 98 n. Chr. (?) verfasstes Werk des römischen Schriftstellers Publius Cornelius Tacitus (um 55-nach 115, 97 Konsul) über die Germanen und das von ihnen bewohnte Gebiet (lat.) G. (zwischen Rhein, Donau, Weichsel und Ostsee), wobei die Römer zwischen ihren Provinzen (lat.) Germania superior und Germania inferior bzw. Germania I und Germania II sowie der nichtrömischen Germania im Nordosten trennen und der Name G. bezeugt ist bei Caesar, Cicero, Velleius Paterculus, Plinius maior, Pomponius Mela, Frontin, Tacitus, Plinius minor, Sueton, Ptolemaeus, Junianus Justinus, Ammianus Marcellinus, Historia Augusta u. s. w. sowie in den Digesten. Die G. schildert das Naturvolk der Germanen als ein gegen den Sittenverfall in Rom nachzuahmendes Vorbild. Deshalb bedürfen die Aussagen dieser für die germanische Zeit wichtigsten Geschichtsquelle sorgfältiger Prüfung. Überliefert ist die G. durch eine Hersfelder bzw. Fuldaer, 1455 nach Italien gebrachte und dort in ihrem die G. betreffenden Teil verschollene Sammelhandschrift des 9. oder 10. Jh.s. Lit.: Müllenhoff, K., Die Germania des Tacitus, 1900, neuer Abdruck 1920; Norden, E., Die germanische Urgeschichte in Tacitus’ Germania, 1920, 6. A.. 1974; Lintzel, M., Germanische Monarchien und Republiken in der Germania des Tacitus, ZRG GA 54 (1934), 227; Die Germania des Tacitus, hg. v. Much, R. u. a., 1937, 3. A. 1967; Melander, K., Tacitus Germania als Quelle der deutschen Frühgeschichte, 1940; Krapf, L., Germanenmythos und Rechtsideologie, 1979; Beiträge zum Verständnis der Germania des Tacitus, Teil 1f., hg. v. Jankuhn, H. u. a., 1989ff.; Gall, L., Die Germania als Symbol nationaler Identität, 1993; Altes Germanien, hg. v. Goetz, H. u. a., 1995; Germania, hg. v. Fuhrmann, M., 2000; Germania inferior, hg. v. Grünewald, T., 2001; Däumer, J., Aufstände in Germanien und Britannien, 2005; Krebs, C., Negotiatio Germaniae, 2005; Riemer, U., Die römische Germanienpolitik, 2006; Römische Präsenz und Herrschaft in Germanien, hg. v. Lehmann, G u. a., 2007; Schulz, M., Caesar zu Pferde, 2008; Roms vergessener Feldzug, hg. v. Pöppelmann, H. u. a., 2013
2389Germanische Sprache ist die aus späterer Überlieferung germanischer bzw. germanistischer Sprachen (Gotisch, Burgundisch, Wandalisch, Altnordisch, Altenglisch, Altfriesisch, Altniederfränkisch, Altsächsisch, Althochdeutsch, Langobardisch bzw. Mittel-englisch, Mittelniederdeutsch, Mittelmitteldeutsch, Mittelhochdeutsch bzw. Schwedisch, Dänisch, Norwegisch, Isländisch, Färöisch, Englisch, Deutsch, Niederländisch, Friesisch, Afrikaans, Jiddisch und Amerikanisch) rückerschlossene gemeinsame Sprache der germanischen Völker (oder Germanen). Sie ist wie Altindisch, Altiranisch, Griechisch, Lateinisch, Keltisch oder Slawisch eine aus dem Indogermanischen entstandene Sprache. Besondere Kennzeichen sind Festlegung des ursprünglich freien Akzents auf die Stammsilbe und dadurch bedingte Kürzung der Endsilben, erste (germanische) Lautverschiebung, gram-matischer Wechsel, Beschränkung auf die Zeiten Gegenwart und Vergangenheit, Bildung schwacher Verb(form)en mittels eines Dentalsuffixes (ed) und schwache Formen bei Adjektiven nach dem Muster der Substantive. Der Vorgang des sprachlichen Umbaus vom Indogermanischen zum (Ur-)Germanischen wird auf Mitteleuropa bezogen (z. B. Aller, Elz, Ohm) und mit der Sesshaftwerdung (und der Schnurbandkeramik) verbunden. Das Germanische ist von anderen Sprachen beeinflusst (z. B. Latein, Keltisch, Baltisch, Griechisch) und hat andere Sprachen beeinflusst (z. B. Finnisch). Gegliedert wird es beispielsweise in Nordgermanisch, Westgermanisch, Südgermanisch und Ostgermanisch.i Lit.: Krahe, H., Sprache und Vorzeit, 1954; Sonderegger, S., Grundzüge deutscher Sprachgeschichte, 1979; Köbler, G., Germanisches Wörterbuch, 2. A. 1982; Germanische Rest- und Trümmersprachen, hg. v. Beck, H., 1986; Schmidt-Wiegand, R., Stammesrecht und Volkssprache, 1991; Scardigli, P., Der Weg der deutschen Sprache, 1994; Pohl, W., Die Germanen, 2000; Euler, W./Badenheuer, K., Sprache und Herkunft der Germanen. Abriss des Protogermanischen vor der ersten Lautverschiebung, 2009; Euler, W., Das Westgermanische, 2014
2390Germanisches Recht ist die Gesamtheit der bei den verschiedenen Stämmen der →Germanen geltenden Rechtssätze, deren Bestand aus unterschiedlichen Überlegungen verschiedentlich angezweifelt wird. Das germanische Recht ist infolge der bescheidenen Überlieferung nur teilweise (z. B. durch Caesar und Tacitus) bekannt oder (aus jüngeren Texten mit erheblicher Ungewissheit) erschließbar. Es ist vermutlich größtenteils als Gewohnheitsrecht entstanden, wenngleich auch einzelne Rechtssetzungsakte wahrscheinlich sind. Ein mythischer Gesetzgeber ist ebensowenig anzunehmen wie ein germanischer Rechtsgott. Die einzelne, in Raum und Zeit individuelle germanische Völkerschaft behandelt ihre allgemeinen Angelegenheiten in der von einem König oder mehreren Vornehmen geleiteten →Volksversammlung. Dort entstehen auch (Meinungen, Entscheidungen oder) Urteile in Streitigkeiten. Eine allgemeine Verfolgung findet nur bei wenigen Verhaltensweisen (Volksverrat, Unzucht) statt. In der Familie steht der Hausvater an der Spitze. Die Ehe ist grundsätzlich Einehe und wird vom Gewalthaber (Vater, Vormund) über die Frau mit dem Mann abgeschlossen. Sie kann durch Einverständnis der Eheleute oder durch Erklärung des Mannes aufgelöst werden. Beim Tod fallen die Güter an die Kinder oder weiteren Verwandten. Ein Testament gibt es nicht. Streitig ist, ob neben Haus und Hof auch Acker und Wiese einzeln zugeordnet sind und der Berechtigte über sie verfügen kann. Die wohl seltenen Tauschgeschäfte und Vergabungen erfolgen als Handgeschäfte. Unrechtserfolge ziehen die →Fehde nach sich, doch ist ein Ausgleich durch Leistungen, die teils an den Verletzten, teils an die Allgemeinheit gehen, möglich. Lit.: Wilda, W., Das Strafrecht der Germanen, 1842, Neudruck 1960; Grundriss der germanischen Philologie, hg. v. Paul, H., 1890 (Recht v. Amira, K. v.); Brunner, H., Deutsche Rechtsgeschichte, Bd. 1 2. A. 1906, Neudruck 1958; Schreuer, H., Altgermanisches Sakralrecht, ZRG GA 34 (1913), 313; Beyerle, F., Das Entwicklungsproblem im germanischen Rechtsgang, 1915; Amira, K., Die germanischen Todesstrafen, 1922; Sonderegger, S., Die ältesten Schichten einer germanischen Rechtssprache, FS K. S: Bader 1965, 419; Wiebrock, I., Die Sippe bei den Germanen der Frühzeit, 1979; Murray, Germanic Kinship Structure, 1983; Joswig, D., Die germanische Grundstücksübertragung, 1984; Kroeschell, K., Germanisches Recht als Forschungsproblem, FS H. Thieme, 1986; Landau, P., Prinzipien germanischen Rechts als Grundlage nationalistischer und völkischer Ideologie, (in) Zur Geschichte und Problematik der Nationalphilologien in Europa, hg. v. Fürbeth, F., 1999; Fruscione, D., Zur Frage eines germanischen Rechtswortschatzes, ZRG GA 122 (2005), 1
2391Germanist ist der sich mit den (Germanen und) Deutschen befassende Rechtswissenschaftler oder Sprachwissenschaftler (oder auch Historiker). Er steht in Gegensatz zum Romanisten. Die Unterscheidung entwickelt sich seit dem (17. Jh. [Conring, H.], De origine iuris Germanici, 1643, Hauschild 1741, Cg. [!] 1780 bzw.) 19. Jh. (Eichhorn, Grimm, Brunner). 1846 in Frankfurt am Main und 1847 in Lübeck treffen sich Germanisten der Staaten des Deutschen Bundes zu (auch politisch geprägten) Tagungen. Die für Nürnberg und das Jahr 1848 geplante Fortsetzung entfällt wegen der revolutionären Unruhen. Danach verliert die Gegenüberstellung von juristischen Germanisten und juristischen Romanisten allmählich mit der Positivierung, Kodifizierung und auch Internationalisierung des Rechtes an Bedeutung. Ab 1860 wird ein deutscher Juristentag veranstaltet, ab 1927 ein deutscher Rechtshistorikertag. Lit.: Gierke, O. v., Die historische Rechtsschule und die Germanisten, 1903; Marx, H., Die juristische Methode der Rechtsfindung aus der Natur der Sache, Diss. jur. Göttingen 1967; Röthewr, K., Die Germanistenverbände, 1980; Dilcher, G./Kern, B., Die juristische Germanistik des 19. Jahrhunderts, ZRG GA 101 (1984), 1; Zur Geschichte und Problematik der Nationalphilologien in Europa, hg. v. Fürbeth, F. u. a., 1999; Internationales Germanistenlexikon 1800 bis 1950, hg. v. König, C., 2003; Netzer, K., Wissenschaft aus nationaler Sehnsucht – Verhandlungen der Germanisten 1846 und 1847, 2006; Schäfer, F., Juristische Germanistik, 2008
2392Germanistik ist die (Germanen und) Deutsche betreffende Wissenschaft in Recht, (Sprache und Geschichte) in Gegensatz etwa zu Recht fremder Herkunft oder zu fremden Sprachen. Als Wissenschaft des einheimischen deutschen Rechtes wird sie 1699 von Christian Thomasius in seinem Summarischen Entwurf derer Grundlehren gefasst. Dem folgen bis etwa 1750 die protestantischen Universitäten (z. B. Halle, Göttingen, Erlangen), danach auch die katholischen. 1741 wird anscheinend erstmals von G. geschrieben. Wichtigste Inhalte sind deutsches Privatrecht (bis etwa 1970), partikulares einheimisches Recht (bis etwa 1918) und Handelsrecht und Wechselrecht (1847 bzw. 1861 durch gesetzliche Regelungen verselbständigt). Germanistische Juristen sind (nach Conring und Thomasius) etwa Beyer, Kestner, Senckenberg, Heineccius, Pütter, Selchow, Grimm, Eichhorn. Heise, Reyscher, Beseler, Mittermaier, Schmidt, Sohm, Gerber, Eugen Huber oder Gierke. Seit etwa 1900 betrifft G. hauptsächlich die Sprachwissenschaft Lit.: Gierke, O., Die historische Rechtsschule, 1903; Germanistik und deutsche Nation, hg. v. Müller, J., 1974, Neudruck 2000; Dilcher, G./Kern, B., Die juristische Germanistik des 19. Jahrhunderts, ZRG GA 100 (1984), 1; Schäfer, F., Juristische Germanistik, 2008; Schäfer, F., Zwischen BGB und Schützengräben, ZNR 2009, 52; Schäfer, F., Aufbruch in die Moderne, ZRG GA 129 (2011), 212
2393Gerüfte (Gerüft) ist im mittelalterlichen deutschen Recht die durch Rufen bzw. Geschrei erfolgende Verlautbarung eines (rechtswidrigen) Geschehens (z. B. einer Vergewaltigung) oder einer drohenden Gefahr. Dem G. ist zwecks Hilfestellung von vielen Folge zu leisten. Es befreit den Rufenden von dem Verdacht der Verheimlichung einer Tat (z. B. Vorwurf des Mordes bei Tötung [in Notwehr]). Lit.: Söllner § 8; Köbler, DRG 70; Köbler, WAS; Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, 1828, 4. A. 1899, Neudruck 1922, 1989, 1994, 190, 517; Meyer, H., Gerüft, Handhaftverfahren und Anefang, ZRG GA 37 (1916), 382; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1ff. 1920ff., Neudruck 1964
2394Gesamtgläubigerschaft ist die Gläubigerschaft, bei der jeder Gläubiger die gesamte Schuld verlangen kann, der Schuldner aber nur einmal zu leisten verpflichtet ist. Lit.: Riedler, A. Gesamt- und Teilgläubigerschaft, 1998
2395Gesamthand (1864, gesamte Hand um 1275 Deutschenspiegel) ist die Mehrheit von Menschen, denen ein Sondervermögen in besonderer Art und Weise (gesamthänderisch) zusteht. Vielleicht fällt in einfachen Gesellschaften der Nachlass eines Menschen an mehrere Erben allgemein in der Art und Weise an, dass der einzelne Beteiligte über seinen Anteil (am Nachlass und einzelnen Nachlassgegenständen) nicht (allein) verfügen kann. Jedenfalls deuten die mittelalterlichen Rechtsquellen auf eine derartige Gestaltung (zu gesamter Hand) in Deutschland (→Ganerbschaft, →Gemeinderschaft, →Handels-gesellschaft). In der frühen Neuzeit behandelt die Rechtswissenschaft diese Verbindungen meist als (lat. [F.]) →societas oder →communio. Daneben entwickelte sich seit dem Ende des 17. Jh.s für eheliche Gütergemeinschaft, Gesamtbelehnung, Ganerbschaft und Markgenossenschaft auch eine Vorstellung eines (lat.) dominium (N.) plurium in solidum (Eigentum mehrerer als Einheit). Im 19. Jh. versteht Georg →Beseler (1809-1888, Lehre von den Erbverträgen 1835, [lat.] dominium plurium in solidum, Juristenrecht und Volksrecht 1843, System des gemeinen deutschen Privatrechts, 1847) unter der G. eine Gemeinschaft, die für bestimmte Beziehungen die Grenzen der Persönlichkeit ihrer Glieder aufhebt und dieselbe gleichmäßig über die den Gliedern gemeinsam gewordene Rechtssphäre erweitert, ohne dass jedoch ein neues selbständiges Rechtssubjekt in der Vereinigung begründet wird. In der Schweiz anerkennt Johann Caspar Bluntschli für das Privatgesetzbuch Zürichs (1854/1856) neben dem Miteigentum ein Gesamteigentum (vgl. Art. 652ff. ZGB 1907/1911). Nach dem Protest Otto von →Gierkes (1888/1889), dass ein Bürgerliches Gesetzbuch, das deutsch sein wolle, den deutschen, sozialen Gemeinschaftsgedanken nicht aus dem Recht weisen dürfe, wird auf Grund von Vorschlägen des Stettiner Rechtsanwalts Emil von Boyens die G. als Prinzip, als dessen Kennzeichen die gemeinsame Verfügung der mehreren Beteiligten über den Gegenstand und die Anwachsung der Berechtigung beim Wegfall eines Beteiligten (an die Berechtigungen der Verbleibenden) angesehen werden, an einzelnen Stellen noch in die in Kraft gesetzte Fassung des deutschen →Bürgerlichen Gesetbuchs (1. 1. 1900) aufgenommen (Gesellschaft, eheliche Gütergemeinschaft, Erbengemeinschaft). Die G. ist nicht juristische Person. Ihre rechtliche Gestaltung ist lange streitig. 2001 spricht der Bundesgerichtshof Deutschlands der nach außen im Rechtsverkehr auftretenden Gesellschaft des bürgerlichen Rechtes als Gesamthand Rechtsfähigkeit zu, womit die G. von ihren geschichtlichen Wurzeln gelöst wird. Lit.: Hübner 154, 250, 570, 680; Kroeschell, DRG 2, 3; Köbler, DRG 122, 207; Gierke, O., Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 2 1873, 923; Frommhold, G., Zur Geschichte der gesamten Hand, ZRG GA 37 (1916), 504; Breitbach, H., Gesamthand und Unternehmen, Diss. jur. 1929; Steinbach, R., Die deutschen Rechtsgemeinschaften zur gesamten Hand, Diss. jur. 1936; Buchda, G., Geschichte und Kritik der deutschen Gesamthandlehre, 1936; Schulze-Osterloh, J., Das Prinzip der gesamthänderischen Bindung, 1972; Seif, U., Die Gesamthand als Konstruktion der Germanistik, ZRG GA 118 (2001), 302; Wächter, T., Die Aufnahme der Gesamthandsgemeinschaften in das Bürgerliche Gesetzbuch, 2002; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
2396Gesamtrechtsnachfolge (Universalsukzession) ist die Nachfolge in einen Inbegriff oder eine Gesamtheit von Vermögensgegenständen ohne einzelne Übertragungsakte. Sie ist schon dem römischen Recht bei der →Erbfolge bekannt. An tatsächlicher Bedeutung wird sie aber von der im Übrigen vorgesehenen Einzelrechtsnachfolge (z. B. durch Übereignung) übertroffen. Lit.: Kaser § 65 II; Köbler, DRG 37, 59, 210; Eisenhardt, U., Deutsche Rechtsgeschichte, 4. A. 2004
2397Gesamtschuld (Gesamtschuldner 1807) ist die Schuld, die mehrere in der Weise schulden, dass jeder die ganze Leistung zu bewirken verpflichtet, der Gläubiger aber die Leistung insgesamt nur einmal zu fordern berechtigt ist. Sie ist bereits im klassischen römischen Recht (lat. [N.] [debitum] in solidum) zumindest in den Wurzeln angelegt (Celsus D. 31, 16 frühes 2. Jh., Papinian E. 2. Jh.) und in der Kompilation Justinians (527-534) von der Stipulation aus verallgemeinert. Wegen ihrer Brauchbarkeit für den Gläubiger mehrerer Schuldner hat sie sich bis zur Gegenwart behauptet. Lit.: Kaser § 56 II 1; Köbler, DRG 44; Ehmann, H., Die Gesamtschuld, 1972; Winter, H., Teilschuld, Gesamtschuld und unechte Gesamtschuld, 1985; Wesenberg, G./Wesener, G., Neuere deutsche Privatrechtsgeschichte, 4. A. 1985, 51 (Solidarität); Schmieder, P., Duo rei. Gesamtobligationen im römischen Recht, 2007; Meier, S., Gesamtschulden, 2010; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privat-rechtswortschatzes, 2010
2398Gesandter ist der diplomatische Vertreter eines Staates bei einem anderen Staat oder einer internationalen Organisation. Bereits im römischen Recht ist der fremde Gesandte wegen der Wichtigkeit auswärtiger Beziehungen unverletzlich. Im 15. Jh. wird in Italien der ständige Gesandte geschaffen. Seit dem 19. Jh. wird das Völkerrecht bezüglich des Gesandten bzw. der Gesandtschaft (z. B. Unbetretbarkeit des Gebäudes) genauer ausgestaltet (Wiener Reglement vom 19. 3. 1815, Aachener Protokoll vom 21. 11. 1818, danach Wiener Übereinkommen vom 18. 4. 1961). Lit.: Krauske, O., Zur Entwicklung der ständigen Diplomatie, 1885; Menzel, V., Deutsches Gesandtschaftswesen im Mittelalter, 1892; Borgolte, M., Der Gesandtenaustausch der Karolinger mit den Abbasiden, 1976; Cuttino, G., English Medieval Diplomacy, 1985; Ziegler, K., Völkerrechtsgeschichte, 1994, 2. A. 2007; Gesandtschafts- und Botenwesen im spätmittelalterlichen Europa, hg. v. Schwinges, R. u. a., 2003; Aus der Frühzeit europäischer Diplomatie, hg. v. Zey, C. u. a., 2008
2399Geschäft (um 765 belegt) Lit.: Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
2400Geschäftsfähigkeit (1779, geschäftsfähig 1573) ist die Fähigkeit, mit rechtlicher Wirkung durch eigene Handlung Rechtsgeschäfte vorzunehmen. Sie wird bereits vom römischen Recht dem Kind (lat. [M.] infans) (unter 7) (und dem Geisteskranken sowie dem Verschwender) abgesprochen. Der etwas ältere Unmündige (lat. [M.] impubes infantia maior) kann rechtlich unvorteilhafte Geschäfte nur mit Einverständnis des Vormunds vornehmen. Um 200 v. Chr. sieht eine (lat.) lex (F.) Laetoria vor, dass die noch nicht 25jährigen (lat. minores) geschützt werden, woraus die Möglichkeit entwickelt wird, durch Wiederherstellung des früheren Zustands (lat. in integrum restitutio [F.]) die Leistungen und sonstigen benachteiligenden Maßnahmen wieder rückgängig zu machen. Im germanischen Recht steht das Kind bis zu seiner Verselbständigung unter der Hausgewalt des Hausvaters oder bis zur Wehrhaftmachung bzw. Geschlechtsreife unter der Hausgewalt des Vormunds. Zwar sind die Geschäfte von Unmündigen wohl an sich wirksam, aber die Unmündigen können die von ihnen oder vom Inhaber der Personalgewalt getätigten Geschäfte nach Erreichen der Mündigkeit widerrufen und umgekehrt Geschäfte, durch die sie verpflichtet werden, nicht erfüllen, solange ihr Vermögen von einem Gewalthaber verwaltet wird. Mit der Aufnahme des römischen Rechtes seit dem Spätmittelalter werden dessen Regeln (abgeändert) übernommen. Geschäfte der Geschäftsunfähigen sind nichtig (Kinder unter 7, Entmündigte, Geisteskranke), Geschäfte der beschränkt Geschäftsfähigen bedürfen der Genehmigung des gesetzlichen Vertreters, soweit sie nicht lediglich rechtlich vorteilhaft sind. Der Ausdruck G. wird am 12. 7. 1875 in Preußen verwendet. Die unbeschränkte G. tritt nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (1. 1. 1900) mit 21 Jahren ein, in der Deutschen Demokratischen Republik (1950) mit 18 Jahren und in der Bundesrepublik Deutschland 1975 auch mit 18 Jahren(, vgl. auch § 105a BGB von 2002). Lit.: Kaser § 14 I; Hübner 55; Köbler, DRG 160, 207; Knothe, H., Die Geschäftsfähigkeit der Minderjährigen, 1983; Wolter, U., Termingeschäftsfähigkeit kraft Information, 1991; Benöhr, H., Über Udo Wolters Buch zu Termingeschäftsfähigkeit kraft Information, ZRG GA 112 (1995), 413; Minzenmay, S., Die Wurzeln des Instituts der Geschäftsfähigkeit im Naturrecht des 17. Jahrhunderts, 2003; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
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