Suchoptionen
Suchart:
Ganzes Wort
Wortanfang
Wortteil
Andere Optionen:
nur zeichengetreue Treffer suchen
nur am Zeilenanfang suchen
Anzahl der Ergebnisse pro Seite:
10
20
50


Anzahl der Suchtreffer: 7773
PDF
#ZIEL
2301Gelegenheit macht Diebe. Lit.: Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprichwörter, hg. v. Schmidt-Wiegand, R., 1996, 71 (Pistorius 1716)
2302Gelehrter Richter ist der durch universitäre Ausbildung gekennzeichnete Richter. Der gelehrte Richter erscheint im 13. Jh. im kirchlichen Gericht (als →Offizial). Im königlichen Kammergericht des Reiches begegnen Doktoren der Rechte seit dem Beginn des 15. Jh.s. Im Reichskammergericht muss 1495 die Hälfte der Beisitzer gelehrt sein. Erst später wird es üblich, dass (auch) der Richter als der Vorsitzende gelehrt ist. Im Übrigen sind die Mitglieder der Gerichte (Urteiler, Schöffen) bis in das 18. Jh. vielfach Laien. Im 18. Jh. werden die Assessorstellen der Obergerichte mit nach besonderen Vorschriften geprüften Juristen besetzt. Lit.: Stölzel, A., Die Entwicklung des gelehrten Richtertums in deutschen Territorien, Bd. 1f. 1872; Lenel, P., Scheidung von Richter und Urteilern, ZRG RA 34 (1913), 440; Döhring, E., Geschichte der deutschen Rechtspflege, 1953, 53; Kern, E., Geschichte des Gerichtsverfassungsrechts, 1954; Fried, J., Die Entstehung des Juristenstandes im 12. Jahrhundert, 1974; Gelehrte im Reich, hg. v. Schwinges, R., 1996; Verger, J., Le gens de savoir, 1997
2303Gelehrtes Recht ist das an der Universität durch Lehre vermittelte Recht. G. R. ist demnach das römische (weltliche) Recht und das kirchliche (geistliche) Recht. Dem gelehrten Recht steht das einheimische Recht der einzelnen Rechtsgebiete gegenüber. In den Rechtsquellen der Neuzeit werden g. R. und einheimisches Recht in vielfältiger Weise zu neuen Einheiten verknüpft (→Reformation, →Kodifikation). Lit.: Coing, H., Römisches Recht in Deutschland, 1962; Trusen, W., Anfänge des gelehrten Rechtes in Deutschland, 1962; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Budischin, H., Der gelehrte Zivilprozess in der Praxis geistlicher Gerichte, 1974; Fried, J., Die Entstehung des Juristenstandes im 12. Jahrhundert, 1974; Nörr, K., Zum institutionellen Rahmen der gelehrten Rechte im 12. Jahrhundert, FS H. Coing 1982, 233; Gouron, A., Zu den Ursprüngen des gelehrten Strafrechts, FS H. Thieme 1986, 43; Trusen, W., Gelehrtes Recht, 1997 Geleit ist die Begleitung und meist auch sichere Führung eines Reisenden (oder einer Sache durch Bewaffnete gegen Entgelt, lat. [M.] conductus). Das G. zu gewähren ist im Mittelalter ein be-deutsames, Einkünfte und Gewalt vermittelndes Recht, das vom König auf den Landesherrn übergeht (Regal, Westfalen 1180). Im Einzelnen werden viele Arten von G. unterschieden. Im 19. Jh. schwindet das G. (Reichsdeputations-hauptschluss für Frankfurt, Deutscher Zollverein 1833/1834, Schweiz 1848). Freies G. ist das Recht auf ungehinderte Hinreise und Rückreise (z. B. im Rahmen eines Prozesses).; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 113; Kalisch, H., Über das Verhältnis des Geleitsregals zum Zollregal, Diss. jur. Berlin 1901; Fiesel, L., Zum früh- und hochmittelalterlichen Geleitsrecht, ZRG GA 41 (1920), 1; Wilhelm, R., Das Zollgeleit in der Grafschaft und im Herzogtum Württemberg, Diss. jur. Tübingen 1957; Wiederkehr, G., Das freie Geleit, 1977; Müller, U., Das Geleit, 1991
2304Gelnhausen ist der 1133 erstmals bezeugte Ort (der Reginbodonen, 1158 Erzbischof von Mainz, 1160 Kaiser Friedrich Barbarossa, 1170 Stadtrecht) im unteren Kinzigtal, in dessen Pfalz 1180 das Verfahren gegen Herzog →Heinrich den Löwen stattfindet, in dem er nach Landrecht in Acht getan und nach Lehnrecht seiner Herzogtümer →Sachsen und →Bayern verlustig erklärt wird, so dass die Herzogtümer in →Länder aufgeteilt werden können. Die Reichsstadt G. wird mehrfach verpfändet und verliert 1803 die Reichsunmittelbarkeit. →Konrad von G. Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Junghans, F., Versuch einer Geschichte der freien Reichsstadt Gelnhausen, 1886; Güterbock, F., Die Gelnhäuser Urkunde und der Prozess Heinrichs des Löwen, 1920; Schmerbach, K., Der Oberhof Gelnhausen, Geschichtsbll. f. Gelnhausen 1966, 13ff.; Der Reichstag von Gelnhausen, hg. v. Patze, H., 1981; Zunft- und Handwerksurkunden der freien Reichsstadt Gelnhausen, hg. v. Weyrauch, T., 1996; Zieg, M., Gelnhäuser Regesten, 2008
2305Gelöbnis ist die Erklärung, mit der jemand zustimmt (z. B. →Erbenlaub) oder verspricht. Das G., dem im römischen Bereich die (lat.) sponsio (F.) entspricht, erscheint bereits im Frühmittelalter (z. B. Urteils-erfüllungsgelöbnis) und kann von Gebärden begleitet sein. Die Folgen des Bruches des Gelöbnisses hängen von verschiedenen Umständen ab und reichen von der Leistungsklage über die Schadensersatzklage, die Buße und die Geldstrafe bis zur →Strafe an Leib und Leben. In der Neuzeit wird das. G. durch die Bezeichnung Versprechen zurückgedrängt, doch werden noch immer (feierliche) Gelöbnisse abgegeben. Lit.: Hübner 521, 632, 677; Köbler, DRG 15; Puntschart, P., Schuldvertrag und Treugelöbnis, 1896; Gierke, O., Schuld und Haftung, 1910; Reincke, H., Die Bedeutung der Gelöbnisgebärde, ZRG GA 40 (1919), 280; His, R., Schlichtes Gelöbnis und Gelöbnis auf Treue, ZRG GA 41 (1920), 386; Strätz, H., Treu und Glauben, 1974; Nanz, K., Die Entstehung des allgemeinen Vertragsbegriffs im 16. und 18. Jh., 1985
2306Geltung ist die Anwendbarkeit und die Anwendung. Ein Rechtssatz gilt rechtsdogmatisch, wenn eine entsprechende Sollensanforderung besteht. Er gilt rechtssoziologisch, wenn er tatsächlich angewendet wird. Lit.: Vienken, T., Die Geltungsdauer rechtlicher Dokumente im früh- und hochmittelalterlichen Reich, 1942; Luig, K., Der Geltungsgrund des römischen Rechtes im 18. Jahrhundert, (in) Formazione storica, Bd. 2 1977, 819; Nehlsen, H., Aktualität und Effektivität der ältesten germanischen Rechtsaufzeichnungen, (in) Vorträge und Forschungen 23 1977, 449; Wagner, W., Geltungsbereiche ausländischer Kodifikationen im Deutschen Reich, Ius commune 14 (1987), 203; Wesener, G., Einflüsse und Geltung des römisch-gemeinen Rechts in den altösterreichischen Ländern, 1989
2307Gemara (F.) →Mischna
2308Gemeinde ist die einfache unmittelbare kommunale(, dem Staat eingegliederte) Gebietskörperschaft mit (vom Staat abgeleiteter) Gebietshoheit zur Selbstverwaltung universal überlassener örtlicher (eigener) Aufgaben und zur Fremdverwaltung zugewiesener (staatlicher) Aufgaben. Als solche Gemeinden sind im Altertum außer Rom (und anderen Stadtstaaten) die Provinzstädte anzusehen, für welche die Kaiser Gemeindeordnungen erlassen (z. B. Salpensa, Malaca, Irni[um]). Im Mittelalter findet sich die G. wohl zuerst in Italien (Mailand 11. Jh.). Im Heiligen römischen Reich erscheint die G. (Stadt, Dorf) seit dem Hochmittelalter (12./13. Jh.). Sie hat eigene Organe. Befugnisse und Mittel (z. B. Allmende). In der frühen Neuzeit verliert sie ihre älteren Rechte durch (vereinheitlichende) Maßnahmen des absoluten Staates (und der Grundherrschaft). Insbesondere unter Napoleon werden in den von ihm beherrschten Gebieten (1797-1813) die Gemeinden zu untersten Behörden des Staates. Im 19. Jh. erhält die G. (wieder) →Selbstverwaltung (Preußen 19. 11. 1808 Städteordnung, 17. 3. 1831 revidiert, Bayern 1818/1839, Württemberg 1822, Baden 1831 Gemeindegesetz, Sachsen 1832, Kurhessen 1834, Braun-schweig 1834, Hannover 1851, Westfalen 1841 Landgemeindeordnung, Rhein-provinz 1845 Gemeindeordnung, Preußen 30. 9. 1853 Städteordnung, Bayern 1869 Gemeindeordnung, Preußen 1872 Kreisordnung, 1875 Provinzialordnung, 3. 7. 1891 Landgemeindeordnung [, Österreich 4. 3. 1849 provisorisches Gemeindegesetz, 5. 3. 1862 Reichsgemeindegesetz], Neuregelung Art. 115-120 B-VG 12. 7. 1962). Vorübergehend beseitigen das Dritte Reich, in dem sich anscheinend die Gemeinden den Zielen des Nationalsozialismus zumindest teilweise öffnen, und die Deutsche Demokratische Republik die in Art. 127, 17 II WRV (und 28 GG) verfassungsmäßig garantierte Selbstverwaltung. Insgesamt bleibt die G. aber in durch Verwaltungsreformen vergrößertem Umfang bestehen. Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 32 I 4; Köbler, DRG 197; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 2 1975, 726; Köbler, WAS; Gierke, O., Das deutsche Genossenschaftsrecht, 1868ff.; Bilinski, L. v., Die Gemeindebesteuerung und deren Reform, 1878, Neudruck 2013; Ryffel, H., Die schweizerischen Landsgemeinden, 1904; Schrötter, R., Die rechtliche Natur der sogenannten Gemeindenutzungen in Bayern, 1934; Bader, K., Studien zur Rechtsgeschichte des mittelalterlichen Dorfes, Bd. 1ff. 1957ff.; Heider, J., Von der Gemain zur politischen Gemeinde, Schwäbische Blätter für Heimatkunde 9 (1958), 70; Siegrist, J., Die Gemeinde Unterkulm, 1957; Die Anfänge der Landgemeinde und ihr Wesen, hg. v. Mayer, T., Bd. 1f. 1964; Heffter, H., Die deutsche Selbstverwaltung im 19. Jahrhundert, 1969; Handbuch der bayerischen Ämter, Gemeinden und Gerichte 1799-1980, hg. v. Volkert, W., 1983; Ogris, W., Die Entwicklung des österreichischen Gemeinderechts im 19. Jahrhundert, (in) Die Städte Mitteleuropas, hg. v. Rausch, W., 1983, 83; Blickle, P., Gemeindereformation, 1985; Steiner, P., Die Gemeinden, Räte und Gerichte im Nidwalden des 18. Jahrhunderts, Diss. jur. Basel 1986; Weiß, J., Die Integration der Gemeinden in den modernen bayerischen Staat, 1986; Wunder, H., Die bäuerliche Gemeinde in Deutschland, 1986; Ennen, E., Die europäische Stadt des Mittelalters, 4. A. 1987; Goetz, H., Gottesfriede und Gemeindebildung, ZRG GA 105 (1988), 122; Landgemeinde und Stadtgemeinde, hg. v. Blickle, P., 1991; Nolte, P., Gemeindebürgertum und Liberalismus in Baden 1800-1850, 1994; Schachner-Blazizek, A., Gemeinderecht und Gemeindeverwaltung, 1995, Gemeinde und Staat im alten Europa, hg. v. Blickle, P., 1998; Information, Kommunikation und Selbstdarstellung in mittelalterlichen Gemeinden, hg. v. Haverkamp, A., 1998; Gemeindeleben, hg. v. Rudert, T. u. a. 2001; Gotto, B., Nationalsozialistische Kommunalpolitik, 2006; Die Gemeinde - FS Heiko Faber, hg. v. Frank, F. u. a., 2007; Land, Dorf und Kirche - Gemeindebildung vom Mittelalter bis zur Neuzeit in Nordwestdeutschland, hg. v. Vogtherr, T. u. a., 2009; Lutterbeck, K., Politische Ideengeschichte als Geschichte administrativer Praxis, 2011
2309Gemeinderecht ist die Gesamtheit der die →Gemeinde betreffenden Rechtssätze. Im römischen Altertum erhalten die einzelnen Gemeinden in Italien zunächst eine ziemlich verschiedene Stellung als (lat.) oppidum (N.), colonia (F.) oder municipium (N.) mit teils eigener, teils römischer Verwaltung, bis vermutlich unter Caesar eine in Magistrate, Senat (lat. ordo [M.] decurionum, Gemeinderat) und Volksversammlung gegliederte, einheitliche Kommunalverfassung eingerichtet wird ([lat.] lex [F.] Iulia munici-palis, julisches Stadtgesetz). Im deutschen Reich ist das G. unterschiedlich. Umfassende staatliche Regelungen werden erst im 19. Jh. geschaffen. 1935 wird eine einheitliche Deutsche Gemeindeordnung erlassen. Nach 1945 ist das G. wieder Landesrecht, so dass es sich von Land zu Land unterscheidet. Lit.: Köbler, DRG 197, 198, 234, 259; Haase, C., Die oldenburgische Gemeindeordnung von 1855, Oldenburger Jahrbuch 55 (1955), 1; Oberndorfer, P., Gemeinderecht und Gemeindewirklichkeit, 1971; Engeli, C./Haus, W., Quellen zum modernen Gemeindeverfassungsrecht in Deutschland, 1975; Deutsche Verwaltungsgeschichte, hg. v. Jeserich, K. u. a., Bd. 1ff. 1983ff.; Low, P., Kommunalgesetzgebung im NS-Staat, 1992; Die bayerischen Gemeindeordnungen, hg. v. Knemeyer, F., 1994
2310Gemeinderschaft ist die aus der (von Brüdern gebildeten) Erbengemeinschaft der bäuerlichen Miterben entwickelte gesamthänderische Personenvereinigung des deutschen mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Rechtes (z. B. Ganerbschaft). Sie wird später weitgehend durch den Teilungsgrundsatz einerseits und durch das Anerbenrecht andererseits verdrängt. Gemeinderschaftliche Vorstellungen leben in der offenen Handelsgesellschaft und in der Kommanditgesellschaft bzw. der Gesamthand fort. Lit.: Hübner 154ff.; Huber, M., Die Gemeinderschaft der Schweiz, 1897
2311Gemeindeverfassung ist die Verfassung der →Gemeinde.
2312Gemeindezeuge ist der als Nachbar oder Genosse über ihm bekannte Verhältnisse in der Gemeinde aussagende Zeuge (Heinrich Brun-ner), dessen Bedeutung seit dem Spätmittelalter schwindet. Lit.: Ruth, H. Zeugen und Eideshelfer, 1922; Kornblum. U., Das Beweisrecht des Ingelheimer Oberhois. Diss. jur. Frankfurt 1960
2313Gemeiner Pfennig ist die am 7. 8. 1495 im Heiligen römischen Reich (im Rückstand gegenüber der weiter fortgeschrittenen Steuergesetzgebung der Nachbarländer, besonders Frankreichs) für vier Jahre eingeführte Abgabe (versuchte Kopfsteuer für die gesamte Bevölkerung). Der gemeine Pfennig ist je nach Vermögen auf 1/24 Gulden, ½ Gulden und 1 Gulden festgesetzt. Er wird nur teilweise eingesammelt und nur teilweise an die sieben dazu bestimmten Schatzmeister abgeliefert (43254 Gulden statt 2 Millionen erwarteter Gulden). Ähnliche Versuche der Jahre 1512, 1542 (700000 Gulden) und 1544 400000 Gulden) scheitern gleichfalls weitgehend. Lit.: Kroeschell, DRG 2; Gothein, E., Der gemeine Pfennig auf dem Reichstage von Worms, 1877; Lanzinner, M., Friedenssicherung, 1993; Schmidt, P., Der gemeine Pfennig von 1495, 1989; Rauscher, P., Zwischen Ständen und Gläubigern, 2004; Das Steuerregister des gemeinen Pfennigs für das Bistum Worms, hg. v. Lohmann, E., 2005
2314Gemeines deutsches Privatrecht ist das dem gemeinen (römischen Privat-)Recht seit dem 17. Jh. (Conring, Thomasius, Beyer) gegenü-bergestellte Privatrecht deutschrechtlicher Herkunft (→deutsches Privatrecht). Mit der Schaffung des deutschen Bürgerlichen Gesetbuchs (1896/1900) verliert es seine unmittelbare Geltung. Lit.: Köbler, DRG 186, 205; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Borrmann, K., Gemeines deutsches Privatrecht bei Carl Joseph Anton Mittermaier, 2009
2315Gemeines Recht ist das allgemeine Recht im Gegensatz zu einem besonderen Recht. Schon (in der Philosophie des Aristoteles, 384-322 v. Chr. und) im römischen Recht (z. B. Institutionen des Gaius [um 160 n. Chr.] 1, 1, Institutionen Justinians [534 n. Chr.] 1, 2, 1) ist eine derartige Gegenüberstellung eines (lat.) ius (N.) commune und mehrerer besonderer Rechte etwa der römischen Bürger oder eines räumlich bzw. ständisch bzw. personal abgegrenzten Bereichs bekannt, wobei meist dem besonderen Recht der Vorrang eingeräumt wird. Sie findet sich vereinzelt auch im frühen Mittelalter, häufiger seit dem Hochmittelalter. Als g. R. kann dabei das römische Recht, das kirchliche Recht, das römische und (mit abnehmendem Gewicht das) kirchliche Recht oder auch ein sonstiges allgemeines Recht im Gegensatz zu einem besonderen Recht (einschließlich eines Privilegs) bezeichnet werden. Im Verhältnis beider entwickeln die Juristen der oberitalienischen Städte im Hochmittelalter den grundsätzlichen Vorrang des eigenen besonderen Stadtrechts (Statutes) vor dem gemeinen Recht (römisch-kanonischem Recht). Dem folgt § 3 der Reichskammergerichtsordnung von 1495, der wohl die redlichen ehrbaren und leidlichen Ordnungen, Statuten und Gewohnheiten der Fürstentümer, Herrschaften und Gerichte dem gemeinen Recht vorgehen lässt. Allerdings müssen sie redlich, ehrbar und leidlich sein und besonders vorgebracht, d. h. nachgewiesen werden. Weil die Anforderungen an diese Voraussetzungen verschärft werden, hat im 17. Jh. das gemeine Recht in der Form des römischen Rechtes die Vermutung der Anwendbarkeit für sich. Zusätzlich wird vor allem für bestimmte Sachgebiete ein gemeines deutsches Privatrecht erarbeitet (z. B. Johann Stephan Pütter 1725-1809, Justus Friedrich Runde 1741-1807), dessen Anwendbarkeit im Verhältnis zum gemeinen Recht im Einzelfall geklärt wird. Im 18. Jh. werden das gemeine Recht und das gemeine deutsche Privatrecht durch die inhaltlich von ihnen mitgeprägten Kodifikationen (ALR, ABGB) zurückgedrängt. Mit dem Inkrafttreten des →deutschen Bürgerlichen Gesetbuchs (1. 1. 1900) endet für 16,5 Millionen Menschen in Hessen, Thüringen, Braunschweig, Hannover, Oldenburg, Mecklenburg, Neuvorpommern, Rügen, Schleswig-Holstein u. s. w. (insgesamt in 93 verschiedenen Gebieten) die unmittelbare Geltung des gemeinen Rechtes in Deutschland. →Allgemeines deutsches Recht, →common law Lit.: Söllner §§ 2, 3, 25; Köbler, DRG 107, 137, 184; Linck, H., De dubia ac difficili iuris communis definitione, 1680; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Wiegand, W., Zur Herkunft und Ausbreitung der Formel habere fundatam intentionem, FS Hermann Krause 1975, 126ff.; Wiegand, W., Studien zur Rechtsanwendungslehre der Rezeptionszeit, 1977; Bellomo, M., L’Europa del diritto comune, 1988; Wesener, G., Einflüsse und Geltung des römisch-gemeinen Rechts in den altösterreichischen Ländern in der Neuzeit, 1989; Gemeines Privatrecht in der Europäischen Gemeinschaft, hg. v. Müller-Graf, 1993; Schlosser, H., Grundzüge der neueren Privatrechtsgeschichte, 9. A. 2001, 10. A. 2005; Nève, P., (Europäisches) ius commune und (nationales) gemeines Recht, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997; Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, 1997ff.; Watson, A., Legal history and a common law for Europe, 2001; Schröder, J., Recht als Wissenschaft, 2001, 2. A. 2012; Oestmann, P., Rechtsvielfalt vor Gericht, 2002; Daniel, A., Gemeines Recht, 2003; Bellomo, M., Europäische Rechtseinheit, 2005
2316Gemeines Sachsenrecht ist das auf der Grundlage des →Sachsenspiegels (1221-1224), der Glosse zum Sachsenspiegel und der sog. Richtsteige (sowie des sächsischen Weichbildrechts Magdeburgs [str.]) ent-wickelte, in Sachsen mehr oder weniger allgemein anerkannte Recht, dessen Durchsetzung vor allem die Schöffenstühle von Magdeburg, Leipzig, Dohna, Halle und (1529) Wittenberg, die juristischen Fakultäten in Leipzig, (1502) Wittenberg und Jena sowie die verschiedenen Hofgerichte (Leipzig, Wittenberg, Jena) fördern. Die Gesetze einzelner Länder engen zwar den Geltungsbereich des gemeinen Sachsenrechts ein, entwickeln dieses aber auch durch ihre Grundgedanken fort (z. B. Kursächsische Konstitutionen). Die Geltung des gemeinen Sachsenrechts betrifft das Kurfürstentum Sachsen (bis 1863/1865), Schlesien, Brandenburg, die sachsen-ernestinischen Teilfürstentümer (z. B. Sachsen-Weimar-Eisenach, Sachsen-Coburg-Gotha, Sachsen-Meiningen, Sachsen-Altenburg: „Thüringen“ bis 1900), Schwarzburg, Reuß, Anhalt (bis 1900), Hannover, Lüneburg, Lauenburg, Holstein, Braunschweig (bis 16. Jh.) und dazwischenliegende kleinere Länder. Gegen 1700 wird das gemeine Sachsenrecht auch bescheidener Lehrgegenstand an den Universitäten Sachsens. Die Rechtsakte Kursachsens werden 1724 von Johann Christian Lünig in einer amtlichen Sammlung (Codex Augusteus, Teil 1) veröffentlicht. Mit dem sächsi-schen Bürgerlichen Gesetzbuch (1863/1865) und dem deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (1. 1. 1900) wird die Geltung des gemeinen Sachsenrechts (zuerst in Sachsen und dann auch in Thüringen und Anhalt) beendet. Lit.: Weiske, J., Die Quellen des gemeinen sächsischen Rechts, 1846; Haubold, C., Lehrbuch des königlich-sächsischen Privatrechts, 3. A. 1847; Heimbach, C., Lehrbuch des partikulären Privatrechts, 1848; Emminghaus, G., Pandekten des gemeinen sächsischen Rechts, 1848; Schultze von Lasaulx, H., Die Krise des gemeinen Sachsenrechts, FS J. Hedemann, 1938, 51; Günther, G., Römisches Recht in Thüringen, Diss. jur. Jena 1957 (Druck 2008).; Sachsen im Spiegel des Rechts, hg. v. Schmidt-Recla, A. u. a., 2001; Kroeschell, K., recht und unrecht der sassen, 2005; Grundlagen für ein neues Europa, hg. v. Lück, H. u. a. 2009
2317Gemeines Strafrecht ist das auf der Grundlage der →Constitutio Criminalis Carolina (1532), die den örtlichen Gewohnheiten und Satzungen nachgehen will, gebildete deutsche Strafrecht des 16. bis 18. Jh.s. Lit.: Kroeschell, DRG 2
2318Gemeinfreier ist (seit dem späten 18. Jh.) der allgemeine →Freie der germanischen Zeit und des frühen Mittelalters. Im Gegensatz zur klassischen Lehre der deutschen Rechtsgeschichte ist es in der Gegenwart streitig geworden, ob es in der fraglichen Zeit eine breite, „den Staat tragende“ Schicht freier Leute unter einem Adel mit schwach ausgeprägten Vorrechten gegeben hat. In jedem Fall nimmt die Zahl der Freien im Frühmittelalter infolge der Ausbreitung der →Grundherrschaft ab. Lit.: Köbler, DRG 71; Brunner, H., Nobiles und Gemeinfreie, ZRG GA 19 (1898), 76; Heck, P., Die Gemeinfeien der karolingischen Volksrechte, 1900; Mayer, T., Königtum und Gemeinfreiheit im frühen Mittelalter, DA 6 (1943), 239; Das Problem der Freiheit, hg. v. Mayer, T., 4. unv. A. 1981
2319Gemeingebrauch (um 1830) ist der aus mehreren Wurzeln (z. B. Allmende, römisches Recht) erwachsene, grundsätzlich jedermann gebührenfrei offen stehende bestimmungsgemäße Gebrauch einer der Allgemeinheit gehörenden oder gewidmeten Sache (z. B. Fluss, Straße, Wald?). Gegensatz hierzu ist die gebührenpflichtige Sondernutzung öffentlicher Sachen. Lit.: Ubbelohde, A., Die Interdikte zum Schutz des Gemeingebrauchs, 1893; Lewy, R., Zur Geschichte und heutigen Berechtiguing des Begriffs öffentliche Sachen im Gemeingebrauch, Diss. jur. Greifswald 1910; Knapp, M., Gemeingebrauch und Staatseigentum, 2003
2320Gemeinschaft (Wort 765, gemeinschaftlich 1691, gemeinschaftliches Testament 1766) ist die durch eine Gemeinsamkeit verbundene Mehrheit von Personen, insbesondere im Schuldrecht die gemeinschaftliche Inhaberschaft eines einzelnen Rechtes durch mehrere. G. ist im klassischen römischen Recht die vielleicht in den letzten vorchristlichen Jahrhunderten aus wirtschaftlichen Gründen entwickelte (lat.) →communio (F.) pro indiviso, bei der über die ganze Sache alle Gemeinschafter zusammen verfügen können und jeder Gemeinschafter unabhängig von den anderen über seinen (rechnerischen) Anteil. Aufgelöst wird diese G. mit Hilfe der jederzeit möglichen allgemeinen Teilungsklage (lat. actio [F.] communi dividundo). Seit dem Spätmittelalter wird die römischrechtliche, dem Gesamthandsgrundsatz widersprechende G. in Deutschland übernommen. Lit.: Kaser § 23 IV; Köbler, DRG 25; Schultze, A., Zur Rechtsgeschichte der germanischen Brüdergemeinschaft, ZRG GA 56 (1936), 264; Conrad, H., Individuum und Gemeinschaft in der Privatrechtsordnung des 18. und beginnenden 19. Jahrhunderts, 1956; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1 1985, 293, 549; Person und Gemeinschaft im Mittelalter, hg. v. Althoff, G. u. a., 1988; Schnorr, R., Die Gemeinschaft nach Bruchteilen, 2004; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Erste | ... | 115 | 116 | 117 | ... | Letzte