| Festschrift 200 Jahre Appellationsgericht/Oberlandesgericht Bamberg, hg. v. Meisenberg, Michael. Beck, München 2009. XIX, 356 S. Besprochen von Werner Schubert. |
Ganzen Eintrag anzeigen Festschrift 200 Jahre Appellationsgericht/Oberlandesgericht Bamberg, hg. v. Meisenberg, Michael. Beck, München 2009. XIX, 356 S. Besprochen von Werner Schubert.
Das heutige Oberlandesgericht Bamberg ist eines der drei bayerischen Oberlandesgerichte und umfasst sieben Landgerichtsbezirke (Aschaffenburg, Bamberg, Bayreuth, Coburg, Hof, Schweinfurt und Würzburg). Als OLG im Rahmen des Inkrafttretens der Reichsjustizgesetze am 1. 10. 1879 begründet, geht seine 200jährige Geschichte als bayerisches Obergericht bis auf das Jahr 1809 zurück, als Bayern aufgrund des Organisationsedikts über die Gerichtsverfassung zum 1. 1. 1809 in Bamberg ein Appellationsgericht errichtete. Nach der Säkularisation des Hochstifts Bamberg hatte Bayern in Bamberg bereits 1803 ein Hofgericht und eine Oberste Justizstelle eingerichtet, über die G. Dippold berichtet (S. 3ff.). Ziel der vorliegenden Festschrift ist es, „wichtige Ereignisse und herausragende Persönlichkeiten“ aus der Geschichte des OLG Bamberg aus verschiedenen Blickwinkeln zugänglich zu machen (Meisenberg, S. XIII). Einen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt die Festschrift nicht. In Teil I (S. 3-81) behandelt die Festschrift P. J. A. Feuerbach als zweiten Präsidenten am Appellationsgericht in Bamberg (1814-1816), das 1873 mit dem Bamberger Gericht zusammengelegte Appellationsgericht in Aschaffenburg, die Erweiterung des Zuständigkeitsbezirks des OLG Bamberg um das Landgericht Coburg (1921), die Geschichte des Oberfränkischen Schwurgerichtshofs (1848-1924; mit konkreten Beispielen), das Bamberger Gericht als Fideikommissgericht und die Gerichtsgebäude seit 1808. – Sehr verdienstvoll sind im folgenden Abschnitt die biographischen Skizzen jüdischer Richter und Rechtsanwälte, die in der NS-Zeit ihr Amt bzw. ihre Stellung verloren (S. 115ff.; vgl. auch S. 290f. für das Notariat). Die Beiträge für die Zeit seit 1945 (S. 171ff.) gehen ein auf Thomas Dehler als Generalstaatsanwalt, Generalkläger und OLG-Präsident |
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| Festschrift für Claus-Wilhelm Canaris zum 70. Geburtstag, hg. v. Heldrich, Andreas/Prölss, Jürgen/Koller, Ingo sowie Langenbucher, Katja/Grigoleit, Hans Christoph/Hager, Johannes/Hex, Felix Christopher/Neuner, Jörg/Petersen, Jens/Singer, Reinhard, 2 Bände. Beck, München 2007. XXVIII, 1532, XXI, 1480 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen Festschrift für Claus-Wilhelm Canaris zum 70. Geburtstag, hg. v. Heldrich, Andreas/Prölss, Jürgen/Koller, Ingo sowie Langenbucher, Katja/Grigoleit, Hans Christoph/Hager, Johannes/Hex, Felix Christopher/Neuner, Jörg/Petersen, Jens/Singer, Reinhard, 2 Bände. Beck, München 2007. XXVIII, 1532, XXI, 1480 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Variatio delectat. Deswegen erfreut sich der Mensch der Individualität allen Seins trotz Grundsätzlichkeit des Universums und unterscheidet schön von hässlich, reich von arm oder groß von klein. In der Welt der Jurisprudenz zählt Claus-Wilhelm Canaris zweifelsfrei zu den Großen der deutschen Rechtswissenschaft der Gegenwart.
Dieser einen bekannten individuellen Namen griechisch-lombardischer Herkunft tragende Große wurde in Liegnitz in Schlesien am 1. Juli 1937 als Sohn eines Juristen geboren. Nach der Schule in Königsberg, Miesbach und Düsseldorf und den 1957 aufgenommenen Studien von Rechtswissenschaft, Philosophie und Germanistik in München, Genf und Paris wurde er 1963 bei Karl Larenz in München mit einer Dissertation über die Feststellung von Lücken im Gesetz promoviert und 1967 über die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht habilitiert. Nach Lehrtätigkeiten in München und Regensburg wurde er 1968 nach Graz berufen, wechselte 1969 nach Hamburg und kehrte 1972 in der Nachfolge nach Karl Larenz nach München zurück.
Sein am Ende der Festschrift aufgenommenes Schriftenverzeichnis weist (2007) 16 Monographien auf. Dazu zählen neben Dissertation, Habilitationsvortrag und Habilitationsschrift vor allem auch das Bankvertragsrecht (1975, 3. Auflage 1988), die zwölfte Auflage des von Alfred Hueck begründeten Rechts der Wertpapiere (Vahlen), die 24. Auflage des von Karl-Hermann Capelle vorgelegten Handelsrechts, die 13. Auflage des von Karl Larenz geschaffenen Lehrbuchs des Schuldrechts (Band II/2) und die 3. Auflage der von Karl Larenz verfassten Methodenlehre der Rechtswissenschaft. Dazu kommen |
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| Fietz, Jana, Nordische Studenten an der Universität Greifswald in der Zeit von 1815 bis 1933 (= Beiträge zur Geschichte der Universität Greifswald 5). Steiner, Stuttgart 2003. 265 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
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Die Arbeit ist die von Dörte Putensen betreute, im Sommersemester 2001 an der philosophischen Fakultät der Universität Greifswald angenommene, für die Drucklegung intensiv überarbeitete Dissertation der Verfasserin. Sie greift weit über die Rechtswissenschaft aus. Dennoch ist sie angesichts der modernen Europäisierung des Rechts grundsätzlich auch für die Rechtsgeschichte interessant.
Gegliedert ist die mit der Kopie eines Schreibens des preußischen Ministers der Wissenschaft, Kunst und Volksbildung vom 23. Juni 1923 bezüglich des außerordentlichen Rückgangs der im nordischen Institut arbeitenden skandinavischen Studierenden geschmückte Untersuchung nach einer unnummerierten Einleitung in vier weitere Teile. Davon betrifft der zweite Teil die Kultur- und Wissenschaftsbeziehungen zwischen Deutschland und den nordischen Staaten im Allgemeinen. Der dritte Teil behandelt die Studenten der nordischen Länder in Greifswald und der vierte Teil schließt sie nach Fakultäten auf.
Im untersuchten Zeitraum studierten 329 Nordeuropäer in Greifswald, davon 17 Prozent Frauen. 178 waren Schweden, 116 Norweger, 19 Dänen und 16 Finnen. Sehr auffällig ist dabei, dass sich in den ersten hundert Jahren des Untersuchungszeitraums (bis 1918) nur 62 Studierende einschrieben, während allein in den anschließenden wenigen Jahren der Weimarer Republik - trotz des ministeriellen Schreibens - 300 nordische Studierende nach Greifswald kamen, was die Verfasserin vor allem auf die Inflation zurückführt.
Die Verteilung auf die verschiedenen Fakultäten zeigt eine deutliche Ungleichmäßigkeit. 246 nordische Studenten immatrikulierten sich in der medizinischen Fakultät, 55 in der philosophischen Fakultät, je zehn in der Theologie und in der Ju |
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| Fischer, Annette, Die Entwicklung des postmortalen Persönlichkeitsschutzes. Von Bismarck bis Marlene Dietrich (= Europäische Hochschulschriften 2, 3969). Lang, Frankfurt am Main 2004. 282 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
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Die Arbeit ist die von Hermann Nehlsen betreute, im Wintersemester 2003/2004 von der juristischen Fakultät der Universität München angenommene Dissertation der Verfasserin. Sie ist im Rahmen des Graduiertenkollegs zum europäischen Persönlichkeitsrechtsschutz entstanden. Fertiggestellt ist sie berufsbegleitend zu einer praktischen Tätigkeit in einer internationalen Wirtschaftskanzlei.
Gegliedert ist sie nach einem ausführlichen Abkürzungsverzeichnis und einer ähnlich langen Einleitung in zwei Teile. Im Teil A befasst sie sich mit dem Schutz Verstorbener in ideeller Hinsicht. Im Teil B behandelt sie die Stärkung des Schutzes Verstorbener im kommerziellen Bereich.
Ausgangspunkt ist die beabsichtigte Veröffentlichung eines Fotos Otto von Bismarcks auf dem Totenbett durch die Fotografen Wilcke und Priester im Jahre 1898. An diesem Fall und an anderen Beispielen veranschaulicht die Verfasserin die Problematik. Sie besteht einerseits in der Würde und dem Ansehen eines Menschen nach seinem Tode und andererseits in der Verwendung des Rufes und des Ansehens eines Verstorbenen durch Dritte zwecks Verfolgung eigener kommerzieller Interessen.
Im Teil A verfolgt die Verfasserin die Entwicklung der Rechtsprechung zur Anerkennung eines postmortalen Persönlichkeitsrechts von Bismarck über die höchstrichterliche Anerkennung eines allgemeinen Persönlichkeitsrechts bis zur höchstrichterlichen Anerkennung auch eines postmortalen Persönlichkeitsrechts in den Jahren 1954 (Cosima Wagner) und 1968 (Mephisto). Danach setzt sie sich ausführlich mit der dogmatischen Erfassung auseinander und behandelt den Umfang des postmortalen Persönlichkeitsschutzes, die Befugnis zur Wahrnehmung der ideellen Interessen des Verstorbenen, d |
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| Frankreich am Rhein - Die Spuren der „Franzosenzeit“ im Westen Deutschlands, hg. v. Theis, Kerstin/Wilhelm, Jürgen (= Eine Veröffentlichung des Landschaftsverbandes Rheinland). Greven, Köln 2009. 303 S., Ill. Besprochen von Werner Schubert. |
Ganzen Eintrag anzeigen Frankreich am Rhein - Die Spuren der „Franzosenzeit“ im Westen Deutschlands, hg. v. Theis, Kerstin/Wilhelm, Jürgen (= Eine Veröffentlichung des Landschaftsverbandes Rheinland). Greven, Köln 2009. 303 S., Ill. Besprochen von Werner Schubert.
Der Band steht im Kontext eines 2004 vom Landschaftsverband Rheinland begründeten Projekts, das sich mit den Auswirkungen der „Franzosenzeit“ auf das Rheinland beschäftigt. Ein Teil der Beiträge geht auf eine Tagung von 2005 unter dem Titel „Der mythisierte Napoleon – Auswirkungen der ,Franzosenzeit’ auf das Rheinland“ zurück. Das Vorhaben geht von der Erkenntnis aus, dass die „langfristige Wirkung eines Wendepunkts der Geschichte einer kulturhistorischen und sozialwissenschaftlichen Analyse, die durch mentalitätsgeschichtliche Erkenntnisse komplementiert wird, bedürfe“ (S. 28). Eine tiefgreifende, bis heute das Bewusstsein der Rheinländer noch immer prägende Wirkung hatten das französische Recht und die französischen Verwaltungsgrundsätze. Den Einflüssen des französischen Rechts der Cinq Codes und der diesen zugrunde liegenden Justizverfassung auf die deutsche Rechtsentwicklung im 19. Jahrhundert widmet sich Dieter Strauch. Anhand einer Dankadresse der Stadt Köln von 1817 arbeitet Strauch die Prinzipien des französischen Rechts heraus, deren Beibehaltung gewünscht wurde. In dem Eintreten für die Aufrechterhaltung der rheinisch-französischen Institutionen, von denen Strauch die Schwurgerichte, die Öffentlichkeit der Gerichtsverfahren, die preußischen Friedensgerichte und die Staatsanwaltschaft (öffentliches Ministerium) ausführlich behandelt (S. 168ff.), kann als ein „Meilenstein der Partizipation für die erst sehr viel später entstehende Staatsform der Demokratie“ angesehen werden (J. Wilhelm, S. 27). Den Abschluss des Beitrags Strauchs, dessen Anmerkungen einen umfassenden Überblick über das französische Recht in Deutschland bringen, bildet die Darstellung des allerdings nur begrenzten Einflusses des Co |
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| Franquismus und Salazarismus - Legitimation durch Diktatur?, hg. v. Fernández-Crehuet López, Federico/Hespanha, António Manuel (= Das Europa der Diktatur 15 = Studien zur europäischen Rechtsgeschichte 234). Klostermann, Frankfurt am Main 2008. VII, 752 S. Besprochen von Thomas Gergen. |
Ganzen Eintrag anzeigen Franquismus und Salazarismus - Legitimation durch Diktatur?, hg. v. Fernández-Crehuet López, Federico/Hespanha, António Manuel (= Das Europa der Diktatur 15 = Studien zur europäischen Rechtsgeschichte 234). Klostermann, Frankfurt am Main 2008. VII, 752 S. Besprochen von Thomas Gergen.
Fast 30 Autoren gehen in dieser Aufsatzsammlung der Frage nach der Legitimation durch Diktatur im Franquismus sowie im Salazarismus auf den Grund. Dabei wird der Franquismus unter der Überschrift „Recht als nützliche Fiktion“, der Salazarismus unter „schwache Diktatur oder scheinrechtlicher Staat?“ betrachtet. Es stellt sich heraus, dass der portugiesische Estado Novo und das Franco-Regime zwei ungleiche Diktaturen waren. Beide Regime verband indes der Antikommunismus. Das Bündnis zwischen Portugal und Spanien hatte überdies die Verhinderung eines möglichen Einmarsches der amerikanischen Truppen in Portugal zum Hintergrund. Denn die iberische Halbinsel galt als vorrangiger Stützpunkt der Vereinigten Staaten im Kampf gegen den Kommunismus.
Sowohl in Spanien als auch in Portugal spielte die Armee eine wichtige Rolle. Während sich in Portugal ihr Einsatz eher auf Gebiete außerhalb Portugals, d. h. auf die Kolonien, konzentrierte, war das spanische Militär im Land selbst präsent. Der heutige Umgang mit den Opfern der beiden Regime ist sehr umstritten. Während in Portugal das Datenmaterial zwar einsehbar, aber noch keine Auseinandersetzung mit den Akten des portugiesischen Militärs und der Polizei erfolgt ist, diskutiert die spanische Justiz und Öffentlichkeit, ob und wie die Verbrechen der Franco-Zeit zu verfolgen sind. Der spanische Untersuchungsrichter Baltasar Garzón verfolgt Anklagen wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit, die bekanntlich nicht verjähren. Wie in lateinamerikanischen Militärdiktaturen ließ auch Franco seine politischen Gegner entführen und verschwinden, weswegen noch heute unklar ist, wo diese toten Gegner verblieben sind[1]. In beid |
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| Freedom of Movement in the Middle Ages. Proceedings of the 2003 Harlaxton Symposium, hg. v. Horden, Peregrine (= Harlaxton Medieval Studies 15). Paul Watkins, Donington 2007. XXXIV, 366 S., 45 Bildtaf. Besprochen von Susanne Jenks. |
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Die 21 Beiträge dieses Konferenzbandes behandeln das Thema der Mobilität unter verschiedensten Gesichtspunkten: kulturelle Mobilität, freiwillige und erzwungene Reisetätigkeit, Informationsverbreitung, Reisebeschränkungen und Reisebehinderungen. Zwei Autoren erörtern rechtsgeschichtlich relevante Themen: Paul Brand, The Travails of Travel: The Difficulties of Getting to Court in Later Medieval England (S. 215-228) führt an Hand von Beispielen auf, mit welchen Problemen Prozessparteien und Anwälte auf dem Weg zu Gerichtsterminen zu kämpfen hatten. Am häufigsten wurden drei Arten von Entschuldigungen vorgebracht, wenn ein Termin versäumt wurde: Hochwasser (frühester Beleg von 1256), Inhaftierung (frühester Beleg von 1262) und Gefangennahme durch Diebe (frühester Beleg von 1277). Dieser Beitrag ist, wie man es vom Autor nicht anders kennt, quellennah und abgewogen. Im Gegensatz dazu weist der Aufsatz von Jessica Freeman, ,And He Abjured the Realm of England, Never to Return’ (S. 287-304) einige Schwächen auf. Geboten wird ein nicht über das bereits Bekannte hinausgehender Überblick über den wohl auf angelsächsische Ursprünge zurückgehenden Brauch der abiuratio (das freiwillige Verlassen des Landes nach dem Geständnis einer Straftat) in der Zeit zwischen 1390 und 1491, der nur in unter englischer Herrschaft stehenden Gebieten bekannt war. Der Versuch der Autorin, die Zahl derjenigen zu schätzen, die jährlich das Land freiwillig verliessen, muss als gewagt bezeichnet werden.
Die weiteren Aufsätze beschäftigen sich mit der grenzüberschreitende Ausbreitung der gregorianischen Gesänge, der frühchristlichen Kunst und der Totentanz-Tradition (Christopher Page, Freedom of Movement and the Rise of European Music in |
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| Freiheit, Einheit und Europa - das Hambacher Fest von 1832. Ursachen, Ziele, Wirkungen, hg. v. Kermann, Joachim/Nestler, Gerhard/Schiffmann, Dieter. Pro Message, Ludwigshafen am Rhein 2006. 416 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen Freiheit, Einheit und Europa - das Hambacher Fest von 1832. Ursachen, Ziele, Wirkungen, hg. v. Kermann, Joachim/Nestler, Gerhard/Schiffmann, Dieter. Pro Message, Ludwigshafen am Rhein 2006. 416 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Freiheit verknüpfen die als Dienststellenleiter des Landesarchivs Speyer, als Leiter des Stadtarchivs Frankenthal und als Direktor der Landeszentrale für politische Bildung in Rheinland-Pfalz tätigen Herausgeber des von einem ausgezeichneten Sachkenner zur Rezension vorgeschlagenen, vom Verlag aber der Redaktion nicht gelieferten und deswegen nachträglich auf Grund Ausleihe in wenigen Sätzen anzuzeigenden Sammelbands in ihrem kurzen Vorwort mit Philipp Jakob Siebenpfeiffers Zusammenfassung der Botschaft des Hambacher Festes vom Mai 1832, Europa mit Johann Georg August Wirth als dem zweiten Hauptredner der Veranstaltung. Danach stellen sie fest, dass Freiheit und Einheit es im Verlauf der seitdem vergangenen 175 Jahre deutscher Geschichte immer schwer hatten, nur für kurze Zeit Nationalstaat und Demokratie zusammen realisiert werden konnten, die friedliche Revolution der Bürgerinnen und Bürger der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik im Herbst 1989 die Voraussetzung für die Wiedervereinigung der Nation schufen, aber die Bundesrepublik als demokratischer Nationalstaat neuer Prägung im Einvernehmen mit den Siegermächten von 1945 und den europäischen Nachbarn am 3. Oktober 1990 nur als Teil der Europäischen Union und zusammen mit der gleichzeitigen Vertiefung der europäischen Einigung neu begründet werden konnte.. Am Ende aber hätten die großen Forderungen und Visionen des Hambacher Festes dann aber doch über alle Rückschläge und Katastrophen der deutschen Geschichte hinweg triumphiert.
In den (25) Jahren seit 1982 als dem 150. Jahrestag des Festes habe sich deshalb in der Geschichtswissenschaft und in der öffentlichen Debatte zunehmend als gemeinsame Auffassung herausgebildet, dass das Hambacher Fest am |
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| Fried, Johannes, Das Mittelalter. Geschichte und Kultur, 3. Aufl. Beck, München 2009. 606 S., 70 Abb. Besprochen von Karsten Ruppert. |
Ganzen Eintrag anzeigen Fried, Johannes, Das Mittelalter. Geschichte und Kultur, 3. Aufl. Beck, München 2009. 606 S., 70 Abb. Besprochen von Karsten Ruppert.
Ein Buch über das Mittelalter ist der kühne Versuch, die Geschichte der lateinischen Christenheit vom Ende der Antike bis an den Vorabend der Reformation in einem Band zur Synthese zu bringen. Der renommierte Mediävist Johannes Fried gehört zu denjenigen, denen man ein solches Wagnis zutrauen kann.
Mit einem solchen Unternehmen verbinden sich zwangsläufig die Probleme der Auswahl, der Schwerpunktsetzung und des inneren Zusammenhangs. Fried löst diese, indem er weitgehend dem gängigen chronologischen Schema mit einer Schwerpunktsetzung auf den politischen Ereignissen folgt. Es wird allerdings immer wieder in beträchtlichem Umfange auf kulturelle, kulturgeschichtliche, alltagsgeschichtliche und auch sozialgeschichtliche Aspekte eingegangen. Freilich ist der Wechsel zwischen den Räumen und zwischen den jeweiligen Gegenständen oft abrupt. Für Laien, an die sich ein solches Werk ja vor allen Dingen richtet, wären für das Verständnis der Zusammenhänge überleitende und verbindende Ausführungen hilfreich gewesen. Das Buch wäre dann weniger eine Sammlung von Essais und mehr eine zusammenhängende Darstellung. Zu viele Ereignisse und Phänome werden zu erratisch, nur für sich abgehandelt. Wie sie entstanden sind und welche Folgen sie hatten, erfährt der Leser öfters nicht.
Darüber hinaus hält es sich der Verfasser im Vorwort zugute, dass er Trends, Strukturen und Typologisierungen vermieden habe, dafür ereignisgeschichtlich, aber exemplarisch erzähle, die Ereignisse um einzelne Personen, nicht um soziale Typen gruppiert. Damit nimmt er aber die bereits aufgezeigten Mängel in Kauf. Ein solches Vorgehen ist eben nicht nur subjektiv, sondern auch fragmentarisch, ihm fehlt die innere Geschlossenheit.
Was Frieds Werk vor vergleichbaren Versuchen auszeichnet, ist die umfangreiche Berücksichtigung der |
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| Fritsche, Maria, Entziehungen. Österreichische Deserteure und Selbstverstümmler in der deutschen Wehrmacht. Böhlau, Wien 2004. 284 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen Fritsche, Maria, Entziehungen. Österreichische Deserteure und Selbstverstümmler in der deutschen Wehrmacht. Böhlau, Wien 2004. 284 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Die Studie ist die aktualisierte und wesentlich erweiterte Überarbeitung der Diplomarbeit der Verfasserin, die auf ein 1998 am Institut für Politikwissenschaft der Universität Wien zur Thematik der deutschen Wehrmacht abgehaltenes Seminar zurückgeht- Hier richtete sich die Aufmerksamkeit der Verfasserin, die nach eigenen Worten als Frau von der Wehrdienstpflicht als „Schule der Männlichkeit“ ausgeschlossen ist, den Krieg nicht miterlebt hat und dem Militär weitgehend skeptisch gegenübersteht, auf jene Nonkonformisten, die nicht in das gängige Bild von der Wehrmacht als einer einheitlichen, blind dem Befehl des Führers folgenden Masse passen. Auf dieser Grundlage wertete sie mit drei Kolleginnen den im Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands lagernden, relativ gut erhaltenen Aktenbestand des Feldgerichts der Division Nr. 177 aus, der überwiegend Urteile gegen österreichische Deserteure und Wehrkraftzersetzer enthält und suchte aus Interesse an persönlichen Erfahrungen erstmals zielgerichtet nach überlebenden Deserteuren.
Gegliedert ist das Werk in acht Kapitel. Der kurzen Einleitung zu Begriffsklärung, Fragestellung, Forschungsstand, Methode, Deserteursthematik, Forschungsdesideraten und Aufbau folgen Untersuchungen über österreichische Deserteure aus der deutschen Wehrmacht (Ausmaß, Wesen, Motivationen, Verlauf), das soziale Umfeld zwischen Unterstützung und Verrat, die Wehrmachtsjustiz, den Strafvollzug, die Feindbilder und Vorurteile („Feiglinge“, „Kameradenschweine“, „Vaterlandsverräter“) und die rechtliche und gesellschaftliche Stellung der Deserteure und Selbstverstümmler in Österreich.
Danach wurden von deutschen Kriegsgerichten etwa 2,5 Millionen Strafverfahren gegen Wehrmachtsangehörige durchgeführt. Etwa 1,5 Millionen Wehrmachtssoldaten w |
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| fühlte ich mich durchaus als Deutscher … - das Schicksal der Mainzer Anwälte jüdischer Herkunft nach 1933, hg. v. d. Rechtsanwaltskammer Koblenz, bearb. v. Krach, Tillmann. Luchterhand, Köln 2007. 75 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
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Wie Norbert Westenberger als Präsident der Rechtsanwaltskammer für den Oberlandesgerichtsbezirk Koblenz in seinem kurzen Vorwort darlegt, gab es zu Beginn des Dritten Reiches in Deutschland etwa 20000 Rechtsanwälte. Ungefähr ein Viertel davon waren Juden. Die meisten von ihnen wurden ermordet, einige konnten rechtzeitig ins Exil gehen, das Schicksal vieler ist ungeklärt.
Die Ausstellung „Anwalt ohne Recht“ will nach den weiteren Ausführungen dazu auffordern, sich mit dem Schicksal dieser Kollegen zu befassen, an jedem Ort, an dem sie gezeigt wird, Mittlerweile in drei Weltsprachen übersetzt, wurde sie, außer in Deutschland, auch bereits in vielen Städten in Nordamerika und Südamerika und Kanada gezeigt und hat dort zu weiteren Forschungen über das Lebensschicksal jüdischer Kollegen geführt und jeweils eine Erweiterung der Ausstellung um einige Tafeln mit den Schicksalen dieser Kollegen bewirkt. Für Mainz hat sich dabei Tillmann Krach besonders verdient gemacht.
Deswegen ist seine eindringliche Studie über die Verfolgung und Ermordung der Mainzer Anwälte jüdischer Herkunft in den Mittelpunkt des schmalen Bandes gestellt, dessen Titel dem in den Lebenserinnerungen Paul Simons (1884-1977) enthaltenen Satz „Als ich aufwuchs in Mainz, fühlte ich durchaus als Deutscher.“ entnommen ist. Veranschaulicht ist das Geschehen durch ein Faksimile eines Fragebogenteils auf dem Umschlag. Im Einzelnen bietet die Untersuchung Portraits von Siegfried Drucker (1887-1956), Julius Guthmann (1875-1956) Alfred Haas (1897-1964), Josef Kahn (1905-1986), Franz Kallmann (1894-1982), Emil Kramer (1878-1960), Siegmund Levi (1864-1943), Otto Neumann (1885-1964), Paul Simon (1884-1977), Fritz Straus (1902-1990) und Max |
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| Fünfzig (50) Jahre Römische Verträge. Geschichts- und Rechtswissenschaft im Gespräch über Entwicklungsstand und Perspektiven der Europäischen Integration, hg. v. Schulze, Reiner/Walter, Christian (= Jus internationale et Europaeum 19). Mohr (Siebeck), Tübingen 2008. VII, 101 S. Besprochen von Dieter Kugelmann. |
Ganzen Eintrag anzeigen Fünfzig (50) Jahre Römische Verträge. Geschichts- und Rechtswissenschaft im Gespräch über Entwicklungsstand und Perspektiven der Europäischen Integration, hg. v. Schulze, Reiner/Walter, Christian (= Jus internationale et Europaeum 19). Mohr (Siebeck), Tübingen 2008. VII, 101 S. Besprochen von Dieter Kugelmann.
Der Tagungsband dokumentiert die Beiträge einer Konferenz des Jahres 2007 aus Anlass des 50-jährigen Jubiläums der Römischen Verträge. Diese sind eine Erfolgsgeschichte. In den Beiträgen werden aber auch kritische Ansätze deutlich und im Hinblick auf die Zukunftsaussichten spiegeln sich Erwartungen und Befürchtungen wider, die inzwischen Bestätigung erfahren haben. Der Ausgangspunkt der Beiträge ist an den Grundlagen orientiert. Die Hälfte der Autorinnen und Autoren sind öffentlich-rechtliche Richterinnen, Richter und Wissenschaftler, die andere Hälfte sind Historiker. Der Festvortrag der Tagung stammte vom Präsidenten des Europäischen Gerichtshofes, Vassilios Skouris. Die Kurzbeiträge Gertrude Lübbe-Wolfs und Jochen A. Froweins bilden ihre Stellungnahmen in der Podiumsdiskussion ab. Eindrucksvoll runden die historisch orientierten Beiträge von Rainer Hudemann, Wilfried Loth und Jürgen Elvert zu Grundfragen der europäischen Integration den Band ab. Hilfreich ist das Stichwortverzeichnis und die ausführliche Einleitung der Herausgeber verdient besondere Hervorhebung. Der sorgfältig gearbeitete Band vereint unterschiedliche Sichtweisen auf zentrale Strukturen und Probleme der Europäischen Gemeinschaften und der Europäischen Union. Die Rolle der Geschichtswissenschaft in der Erforschung der EU nimmt zu. In ihrer aktuellen Gestalt und zukünftigen Entwicklung kann die Europäische Union nur interdisziplinär umfassend analysiert werden. Zu diesem Prozess der Analyse leistet der vorliegende Band einen wertvollen Beitrag.
Münster Dieter Kugelmann
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| Gall, Lothar, Walther Rathenau. Portrait einer Epoche. Beck, München 2009. 299 S., 51 Abb. Besprochen von Hannes Ludyga. |
Ganzen Eintrag anzeigen Gall, Lothar, Walther Rathenau. Portrait einer Epoche.Beck, München 2009. 299 S., 51 Abb. Besprochen von Hannes Ludyga.
Die biographische Forschung besitzt in den Rechtsgeschichts- und Geschichtswissenschaften Hochkonjunktur. Es ist auch ein Verdienst des emeritierten Historikers Lothar Gall, dafür gesorgt zu haben, dass der wissenschaftlichen Biographie die ihr gebührende Rolle in der Geschichtsforschung zukommt. Gall, der als Bismarck-Biograph außerhalb des wissenschaftlichen Fachpublikums bekannt wurde, verfasste die gut lesbare, informative und optisch ansprechend ausgestattete Biographie „Walther Rathenau. Portrait einer Epoche“. Er griff damit ein bekanntes Thema auf, da die Untersuchung des Lebensweges von Walther Rathenau, der zu den bedeutendsten Persönlichkeiten der deutschen Demokratie überhaupt gehört, bereits Gegenstand diverser Abhandlungen bildet. So bezeichnete etwa bereits Sebastian Haffner (1907-1999) Rathenau als eine zerrissene Figur in einem zerrissenen Zeitalter und eine schwer fassbare sowie einschätzbare Persönlichkeit in seinem erstmals posthum im Jahre 2000 erschienen Werk „Geschichte eines Deutschen“.
Gegliedert ist das Buch in die vier großen Kapitel „Die Kräfte des Aufbruchs und der Dynamik“ (S. 11-45), „Sprachrohr und Repräsentant des kulturellen Aufbruchs“ (S. 46-130), „Grenzgänger zwischen den Welten“ (S. 131-174) und „Der Erste Weltkrieg: Das Ende aller Erwartungen und Versuch eines pragmatischen Neuanfangs“ (S. 175-248). Eine Zusammenfassung und ein Ausblick schließen das Werk, dem umfangreiche und reichhaltige Literatur- sowie Quellenbestände zugrundeliegen. Auch wenn es sich insoweit ausschließlich um bereits gedrucktes Material handelt, beschränkt sich der Autor nicht auf eine Kompilation des vorhandenen Materials. Ebenso hängt er keiner stark psychologisierenden Biographik an.
Der 1867 geborene Walther Rathenau kam aus einer liberalen deutsch-jüdischen Bankiers- und Unternehmerfamilie. |
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| Gaspari, Adam Christian, Der Deputations-Receß mit historischen, geographischen und statistischen Erläuterungen und einer Vergleichungs-Tafel. Mit einer Einleitung hg. v. Becker, Hans-Jürgen. Teile 1 und 2. Neudruck der Ausgabe Hamburg 1803. Olms-Weidmann, Hildesheim 2003. LIII, 325, 363 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen Gaspari, Adam Christian, Der Deputations-Receß mit historischen, geographischen und statistischen Erläuterungen und einer Vergleichungs-Tafel. Mit einer Einleitung hg. v. Becker, Hans-Jürgen. Teile 1 und 2. Neudruck der Ausgabe Hamburg 1803. Olms-Weidmann, Hildesheim 2003. LIII, 325, 363 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Am 25. Februar 1803 verabschiedete eine Reichsdeputation des Reichstages des Heiligen Römischen Reiches nach langen Verhandlungen den Reichsdeputationshauptschluss, der die Bedingungen vorangegangener internationaler Friedensverträge in Reichsrecht umwandeln sollte. Das nach Verabschiedung durch den Reichstag und Ratifikation durch den Kaiser in Kraft getretene Reichsgesetz gestaltete das Reich erheblich um. Noch im gleichen Jahr machte Adam Christian Gaspari den Reichdeputationshauptschluss durch eine zweibändige Edition allgemein zugänglich.
Im Jahre 2003 bot sich eine Erinnerung an dieses letzte bedeutende Reichsgesetz an. Hans-Jürgen Becker stellte sich am ehemaligen Sitz des Reichstages dieser Aufgabe in der Form, dass er ein gegenüber einem Exemplar der niedersächsischen Landesbibliothek Hannover vergrößerten Neudruck herausgab. Damit ist ein wichtiges Zeitdokument wieder leichter verfügbar.
Der Edition stellte der Herausgeber eine erschließende Einleitung voran. Sie widmet sich zunächst der verfassungsgeschichtlichen Problematik, die sich aus der Stellung des Reiches in Europa und dem Umbruch im Verfassungsgefüge nach der französischen Revolution von 1789 ergab. Danach sammelt sie die wenigen bekannten Daten zu dem in Schleusingen am 18. November 1752 geborenen, nach dem Studium in Jena (1790) 1795 zum außerordentlichen Professor ernannten, 1797 an das Gymnasium in Oldenburg, 1803 nach Dorpat auf eine Professur für Geschichte, Geographie und Statistik berufenen und 1809 nach Königsberg wechselnden Verfassers.
Das auf einer Reihe früherer Vorarbeiten des durch einen Schulatlas und ein Lehrbuc |
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| Geheimprotestantismus und evangelische Kirchen in der Habsburgermonarchie und im Erzstift Salzburg (17./18. Jahrhundert), hg. v. Leeb, Rudolf/Scheutz, Martin/Weikl, Dietmar (= Veröffentlichungen des Instituts für österreichische Geschichtsforschung 51). Böhlau/Oldenbourg, Wien/München 2009. 528 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen Geheimprotestantismus und evangelische Kirchen in der Habsburgermonarchie und im Erzstift Salzburg (17./18. Jahrhundert), hg. v. Leeb, Rudolf/Scheutz, Martin/Weikl, Dietmar (= Veröffentlichungen des Instituts für österreichische Geschichtsforschung 51). Böhlau/Oldenbourg, Wien/München 2009. 528 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Mittels seiner Sprache kann der Mensch Gedanken andern Menschen mitteilen. Wirkt eine Vorstellung für andere vorteilhaft, kann sie sich desto leichter verbreiten, je besser die Mitteilungsmöglichkeiten sind. Seit 1517 erschien die Möglichkeit, ohne aufwendigen Ablasskauf Vergebung von Sünden zu erlangen, vielen Armen einleuchtend und waren mit dem Druck lesekundige Verbreiter schnell und preiswert zu erreichen, so dass sich die Reformation der christlichen Lehre geschwind in viele Richtungen verbreiten konnte.
Da die Verbesserung der Lage der einen aber zugleich eine Verschlechterung der Umstände anderer bedeutete, stieß die Reformation an vielen Stellen auch auf Widerstand. Wo dieser mächtig und gefährlich war, war es ratsam oder erforderlich, sich nur heimlich zu der neuen Überzeugung zu bekennen. Von daher versteht sich seit langem die Frage des Geheimprotestantismus und evangelischer Kirchen in der Habsburgermonarchie und im Erzstift Salzburg im 17./18. Jahrhundert, deren Erörterung auch durchaus außerhalb des Kirchenrechts geschichtlich interessiert.
Der sich verdienstvollerweise mit dieser bedeutsamen Fragestellung beschäftigende Sammelband gliedert sich in drei Teile. Sachgerecht leiten die drei Herausgeber zwischen mühsam erkämpfter Legalität und widerstrebender Duldung in den Protestantismus in der Habsburgermonarchie im 17. und 18. Jahrhundert ein, was Martin Scheutz hinsichtlich der Konfessionalisierung von unten und oben sowie des administrativen Umgangs mit Geheimprotestantismus in den österreichischen Erbländern sorgfältig vertieft. Karl W. Schwarz ordnet den österreichischen Geheimprot |
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| Geld - Geschenke - Politik. Korruption im neuzeitlichen Europa, hg. v. Engels, Jens Ivo/Fahrmeir, Andreas/Nützenadel, Alexander (= Historische Zeitschrift, Beiheft 48). Oldenbourg, München 2009. VI, 307 S. Besprochen von Martin Moll. |
Ganzen Eintrag anzeigen Geld – Geschenke – Politik. Korruption im neuzeitlichen Europa, hg. v. Engels, Jens Ivo/Fahrmeir, Andreas/Nützenadel, Alexander (= Historische Zeitschrift, Beiheft 48). Oldenbourg, München 2009. VI, 307 S. Besprochen von Martin Moll.
Regelmäßige Zeitungsleser in Mitteleuropa müssen zwangsläufig den Eindruck gewinnen, in einem ständig von Korruptionsskandalen erschütterten Land zu leben. Dabei wird so getan, als ob dies im Vergleich mit der „guten alten Zeit“ ein neuartiges Phänomen sei, insbesondere deswegen, weil Korruption heute nicht nur in der hohen Politik gang und gäbe zu sein, sondern längst auch die Großwirtschaft erfasst zu haben scheint. Der hier vorzustellende Sammelband, der auf eine Mitte 2006 am Zentrum für Europäische Studien der Universität Köln veranstaltete Tagung zurückgeht, rückt derlei schiefe Urteile nachhaltig zurecht, indem er das Scheinwerferlicht auf Korruption und verwandte Erscheinungen als historische Konstante richtet.
Was aber ist bzw. war Korruption und wie wandelte sich das Verständnis von ihr im Lauf der Jahrhunderte? Mit dieser nicht eben einfach zu beantwortenden Frage schlagen sich – neben der die Forschungslage bilanzierenden Einleitung der Herausgeber – gleich drei Beiträge des ersten Abschnitts herum, der mit „Methodik und Theorie“ überschrieben ist. Ihre Verfasser (Werner Plumpe, Karsten Fischer und Andreas Fahrmeir) sind sich darin einig, dass es sich um ein Thema der (europäischen) Neuzeit handelt. Für die Antike und das Mittelalter sei es sogar irreführend, von Korruption zu sprechen, da Ämterkauf, das Beschenken von Beamten etc. derart selbstverständlich gewesen seien, dass den Zeitgenossen jegliches Unrechtsbewusstsein gefehlt habe. Typisch für Korruption sei nämlich, dass den Akteuren (Gebern wie Nehmern) das Illegale oder wenigstens moralisch Anstößige ihres Tuns mehr oder minder klar sei und dass es für Regelverstöße theoretisch und/oder praktisch Sanktionen gebe, was wiederum ei |
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| Geltner, Guy, The Medieval Prison: A Social History. Princeton University Press, Princeton, N. J. 2008, xix, 197 S. Besprochen von Susanne Jenks. |
Ganzen Eintrag anzeigen Geltner, Guy, The Medieval Prison: A Social History. Princeton University Press, Princeton, N.J. 2008, XIX, 197 S.
Das hochgesteckte Ziel dieser aus einer in Princeton erstellten Dissertation hervorgehenden Studie ist, die Entstehungsgeschichte von Gefängnissen im Allgemeinen und der Strafhaft im Besonderen unter Berücksichtigung von Gesellschaft und Kultur zu erläutern, zugleich die Forschungslücke Italien zu schließen und die traditionelle Art und Weise, die Geschichte der Gefängnisse darzustellen, um eine anthropologische, stadtgeschichtliche und soziologische Perspektive zu erweitern, und zwar auf der Basis praxisbezogener statt beschreibender Quellen, um auf diese Weise ein lebendiges Bild mittelalterlicher Gefangenschaft zu zeichnen. Herauskommen soll dabei ein fundiertes regionales Porträt, das weiterführende Aussagen über die Mentalitätgeschichte der mittelalterlichen Gesellschaft zulässt. Dies alles soll erreicht werden in fünf insgesamt circa 100 Seiten umfassenden Kapiteln. Der Rest des Bandes besteht aus drei Anhängen (Das lateinische Verzeichnis des Gefängnisinventars von Bologna aus dem Jahr 1305; eine Auswahl im Gefängis entstandener italienischer Gedichte aus dem 14. bis 16. Jahrhundert mit englischer Übersetzung; sowie die Rekonstruktion des 1833 zerstörten Florentiner Gefängnisses Le Stinche), den Endnoten, einer Bibliographie und einem Index.
Die großen Erwartungen, die durch den allgemein gehaltenen Titel und Teile der Einleitung geweckt werden, werden nicht erfüllt. Darüber kann auch die mitunter sehr abgehobene, abstrakte, ja zum Teil unverständliche Ausdrucksweise nicht hinwegtäuschen. So ist zum Beispiel der geographische Rahmen nur sehr begrenzt: allein die Gefängnisse von Venedig, Florenz, Bologna und Siena werden analysiert, wobei zu Vergleichszwecken knapp auf Forschungsergebnisse aus England und Frankreich und anderen Teilen Italiens eingegangen wird. Die Forschungslücke Italien kann somit nicht gan |
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| Gemeinsame Prinzipien des europäischen Privatrechts. Common Principles of European Private Law. Studien eines Forschungsnetzwerks. Studies of a Research Network, hg. v. Schulze, Reiner/Ajani, Gianmaria (= Europäisches Privatrecht, Sektion B Gemeinsame Rechtsprinzipien 22). Nomos, Baden-Baden 2003. 429 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen Gemeinsame Prinzipien des europäischen Privatrechts. Common Principles of European Private Law. Studien eines Forschungsnetzwerks. Studies of a Research Network, hg. v. Schulze, Reiner/Ajani, Gianmaria (= Europäisches Privatrecht, Sektion B Gemeinsame Rechtsprinzipien 22). Nomos, Baden-Baden 2003. 429 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Seit dem zweiten Weltkrieg eint sich Europa sichtlich. Grenzkontrollen werden innerhalb der Europäischen Union und einzelnen angrenzenden Staaten aufgehoben, die Münze wird mehr und mehr europäisiert. Sollte das Recht dahinter zurückbleiben?
Seit Jahrzehnten besteht über ob und wie Uneinigkeit. Vergleichbar dem Kodifikationsstreit des Jahres 1814 gibt es Gegner der Rechtsangleichung, die in der Gegenwart mehr oder weniger offen mit der Souveränität und Identität der einzelnen Mitgliedstaaten argumentieren und von einem Tross Begünstigter begleitet werden, und Befürworter, die in der Souveränität vor allem ein Besitzstandsdenken politischer Entscheidungsträger erkennen. Dessenungeachtet entsteht nahezu täglich ein klein wenig Mehr an europäischem Recht und wird auch Geld für grundsätzliche Überlegungen verfügbar gemacht.
Der mit einiger Verspätung anzuzeigende Band enthält Studien, die Wissenschaftler aus mehreren europäischen Ländern im Rahmen des Forschungsnetzwerks Common Principles of European Private Law verfasst haben. Im TMR-Programm der Europäischen Kommission haben innerhalb des Netzwerks Forschergruppen an den Universitäten Münster, Barcelona, Berlin (Humboldt), Lyon III, Nijmegen, Oxford und Turin mitgewirkt, so dass eigentlich alle großen Mitgliedstaaten vertreten sind. Die finanzielle Förderung hat die Europäische Kommission zur Verfügung gestellt.
Insgesamt enthält der Band 21 Beiträge. Davon stellt Reiner Schulze in seinem einleitenden Aufsatz über gemeinsame Prinzipien des europäischen Privatrechts die Konzeption des Netzwerks dar. Im Übrigen werden die Untersuchungen |
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| Georg Friedrich Puchta. Briefe an Gustav Hugo, hg. mit einer Einleitung und einem Nachwort von Jakobs, Horst Heinrich (= Studien zur europäischen Rechtsgeschichte - Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für europäische Rechtsgeschichte Frankfurt am Main 242 = Juristische Briefwechsel des 19. Jahrhunderts). Klostermann, Frankfurt am Main 2009. V, 316. Besprochen von Hans-Peter Haferkamp. |
Ganzen Eintrag anzeigen Georg Friedrich Puchta. Briefe an Gustav Hugo, hg. mit einer Einleitung und einem Nachwort von Jakobs, Horst Heinrich (= Studien zur europäischen Rechtsgeschichte - Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für europäische Rechtsgeschichte Frankfurt am Main 242 = Juristische Briefwechsel des 19. Jahrhunderts). Klostermann, Frankfurt am Main 2009. V, 316. Besprochen von Hans-Peter Haferkamp.
I. Diese Besprechung beginnt mit einem doppelten Dank an den Herausgeber dieser Briefedition. Horst Heinrich Jakobs stellte mir 2002 die Briefe Puchtas an Hugo, die über Fritz Schulz und Werner Flume in seinen Besitz gelangt waren, in einer von ihm gefertigten Abschrift und kurzzeitig auch im Original zur Verfügung. Meine Habilitation über Puchta verdankt diesen Briefen viel. Zudem gilt es Jakobs dafür zu danken, dass er seine in der Einleitung (6ff.) und mündlich auch mir gegenüber geäußerten Zweifel überwunden und seine Abschrift der Briefe veröffentlicht hat. Die verbleibenden Mängel der Edition sind nicht zu übersehen. Sie verfügt nur über einen kaum hilfreichen Apparat. Sie ist zudem nicht frei von Lesefehlern, was einen Rückgriff auf die in Göttingen lagernden Originale im Zweifel nicht entbehrlich macht. Für Einzelheiten verweise ich auf die detaillierte Zusammenstellung der einzelnen Mängel bei Martin Avenarius[1]. Gleichwohl überwiegt bei mir die Freude des Forschers, dass die Briefe Puchtas an Hugo nun einem breiten Publikum zugänglich sind.
Der von Zensur und Demagogenverfolgung geprägte Vormärz ist eine Briefgesellschaft. Hier findet sich häufig die Offenheit, die in öffentlichen Äußerungen nur schwierig über Subtexte erschlossen werden kann. Dies gilt besonders für die Briefe Puchtas an Hugo[2]. Puchtas öffentliche Äußerungen waren stets geprägt von taktischen Erwägungen darüber, was wo und in welchem Ton gesagt werden sollte. Er dachte stets in Schulzusammenhängen und war um berufliches Fortkommen bemüht. Diese Rollen, die er sich |
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| Georg Friedrich Puchta. Briefe an Gustav Hugo, hg. mit einer Einleitung und einem Nachwort von Jakobs, Horst Heinrich (= Studien zur europäischen Rechtsgeschichte - Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für europäische Rechtsgeschichte Frankfurt am Main 242 = Juristische Briefwechsel des 19. Jahrhunderts). Klostermann, Frankfurt am Main 2009. V, 316. Besprochen von Lieselotte Jelowik. |
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Die Briefedition ist eine glückliche Ergänzung der vor einigen Jahren erschienenen Puchta- Monographie von Hans-Peter Haferkamp, die Gerhard Köbler in dieser Zeitschrift unlängst besprochen hat (ZRG, German. Abt. 125 [2008], S. 794-797). Der Band enthält 73 Briefe Puchtas an Hugo aus den Jahren 1826 bis 1843. Dem Gesamtumfang der Korrespondenz Puchtas mit Hugo dürfte diese Zahl freilich nicht entsprechen: Für die Zeit vor 1826 und für die Jahre von 1829 bis 1832 sind - vermutlich verlustbedingte - Lücken zu beklagen. Schon der unvermittelte Einstieg Puchtas in einen fachlichen Diskurs in dem ersten hier abgedruckten Brief vom 17. Juni 1826 lässt auf eine lückenhafte Überlieferung schließen. Über Ursprung und Beginn der „Brieffreundschaft“ (S. 13) erfährt der Leser also nichts. Vor allem aber wegen des Fehlens der Gegenbriefe Hugos, die es „aller Wahrscheinlichkeit nach nicht mehr gibt“ (S. 5), sah sich der Herausgeber in einem „editorischen Dilemma“ (S. 6). Dass er seine Bedenken „hinsichtlich der nicht anders als einseitig zu nennenden Veröffentlichung“ (S. 5) schließlich, wenngleich, wie er mehrfach betont, nicht restlos, überwunden hat, ist mit Blick auf den Gewinn für die Wissenschafts- und Gelehrtengeschichte nur zu begrüßen.
Für Puchta war der Briefwechsel mit Hugo vor allem ein Forum des intensiven Austausches über die Wissenschaft vom römischen Recht. Dabei gibt er sich anfangs betont selbstkritisch und bescheiden (S. 33: „Für das reine R[ömische] R[echt] habe ich doch zu wenig Kenntnisse“; S. 41: „ ... ich habe kaum im römischen |
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| Gericht und Kodifikation. Einblicke in die Anfänge der Rechtsprechung zum ZGB und zum StGB, hg. v. Luminati, Michele/Linder, Nikolaus (= Luzerner Beiträge zur Rechtswissenschaft 26). Schulthess, Zürich 2008. XII, 214 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen Gericht und Kodifikation. Einblicke in die Anfänge der Rechtsprechung zum ZGB und zum StGB, hg. v. Luminati, Michele/Linder, Nikolaus (= Luzerner Beiträge zur Rechtswissenschaft 26). Schulthess, Zürich 2008. XII, 214 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Die Verfasser weisen in der Einleitung ihres schmalen Luzerner Sammelbandes zutreffend darauf hin, dass Kodifikationsgeschichte vielfach Kodifikationsentstehungsgeschichte ist. Die Wirkungen der Kodifikation zeigen sich hauptsächlich im geltenden Recht. Gleichwohl greifen sie nach ausdrücklich genannten Vorbildern auch für das Zivilgesetzbuch und das Strafgesetzbuch der Schweiz bei Gelegenheit runder Geburtstage die Frage der Kodifikationswirkungsgeschichte auf.
Für die Autorinnen und Autoren der insgesamt sieben Beiträge stellten sie einen Fragenkatalog zur Verfügung, der darauf zielte, das komplexe Verhältnis von Gericht und Kodifikation gerade in der zeitlich ersten Phase der Umsetzung des jeweiligen Gesetzbuchs in den Blick zu bekommen. Das Interesse galt der Frage nach der Reichweite der richterlichen Akzeptanz gegenüber dem gesetzgeberischen Willen, daneben auch der Vorwirkung der noch nicht in Kraft stehenden Kodifikation auf die Rechtsprechung und der Nachwirkung kantonaler, der Kodifikation entgegenstehender Rechtstraditionen und Rechtsprechungslinien. Hinzu kamen etwa der Umgang mit Generalklauseln und Rechtsprinzipien oder die Durchsetzung bestimmter Problemlösungstechniken und Wertungspräferenzen, wobei von Anfang an eine erschöpfende Behandlung als ausgeschlossen angesehen wurde.
In diesem Rahmen weist Vanessa Duss hinsichtlich der Ehescheidung nach, dass das Zivilgesetzbuch einige der vom Bundesgericht entwickelten Grundsätze aufnahm und das Bundesgericht der von Eugen Huber angestrebten Erschwerung der Ehescheidung zum Durchbruch verhalf, während Lukas Geschwend und Mirko Lenarcic eine starke Übereinstimmung zwischen den scheidungsfeindlichen gesetzgeberischen An |
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| Geschichte der Sozialversicherungen. L’histoire des assurances sociales, hg. v. Schweizerisches Bundesarchiv, Schriftleitung Kellerhals, Andreas (= Studien und Quellen 31). Chronos, Zürich 2006. 280 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen Geschichte der Sozialversicherungen. L’histoire des assurances sociales, hg. v. Schweizerisches Bundesarchiv, Schriftleitung Kellerhals, Andreas (= Studien und Quellen 31). Chronos, Zürich 2006. 280 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Als Folge der Aufklärung setzte sich nach der französischen Revolution des Jahres 1789 weltweit allmählich der Gedanke der grundsätzlichen Freiheit des Menschen durch. Die damit verbundene Auflösung der Abhängigkeitsverhältnisse hatte allerdings auch das Ende des mit der Abhängigkeit mehr oder weniger zwangsläufig ebenfalls verbundenen Schutzes zur Folge. Deswegen ergab sich im Laufe des vom Liberalismus gekennzeichneten 19. Jahrhunderts auch die Notwendigkeiten neuen sozialen Schutzes der Schwachen.
Vor allem aus parteipolitischen Überlegungen führte dies zur Einführung der Sozialversicherung, die den Schutz der Gegenwart der Zukunft aufbürdete. Seitdem die Gegenwart immer älter und die Zukunft immer geringer wird, erwachsen hieraus neue Gefährdungen. Aus diesem Grund sind, wie der Schriftleiter des schmalen Sammelbandes zu Beginn einer kurzen Einleitung darlegt, die schweizerischen Sozialversicherungen heute mehr denn je Gegenstand heftiger politischer Auseinandersetzungen, zu deren Versachlichung die wissenschaftliche Beleuchtung hilfreich sein kann.
Dies versuchen die insgesamt acht, die Anmerkungen jeweils ans Ende stellenden Beiträge des anregenden, vielfältige Einsichten vermittelnden, mit einer nicht wirklich beeindruckenden Graphik zum equilibre financier auf dem Umschlag geschmückten Werkes. Sie betreffen die Entstehung und Entwicklung des schweizerischen Sozialstaates (Bernhard Degen), Retard, rattrapage, normalisation - L’Etat social suisse face aux défis de transformation de sécurité sociale (Sandro Cattacin), L’assurance vieillesse, survivants et invalidité - ses enjeux financiers entre 1918 et 1925 (Luca Pellegrini), La politique sociale comme marché - Les assureurs vie et la stru |
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| Geyer, Stefan, Den Code civil „richtiger“ auslegen. Der zweite Zivilsenat des Reichsgerichts und das französische Zivilrecht (= Rechtsprechung. Materialien und Studien 29). Klostermann, Frankfurt am Main 2008. XVIII, 378 S. Besprochen von Werner Schubert. |
Ganzen Eintrag anzeigen Geyer, Stefan, Den Code civil „richtiger“ auslegen. Der zweite Zivilsenat des Reichsgerichts und das französische Zivilrecht (= Rechtsprechung. Materialien und Studien 29). Klostermann, Frankfurt am Main 2008. XVIII, 378 S. Besprochen von Werner Schubert.
Der zweite Zivilsenat des Reichsgerichts war u. a. zuständig für die Zivilsachen aus den OLG-Bezirken Köln, Colmar, Karlsruhe und Zweibrücken sowie aus dem LG-Bezirk Mainz (Rheinhessen) und hatte damit zu entscheiden über Revisionen, in denen es um die Anwendung des Code civil ging. Überwiegend wird im Anschluss an die Monographie von D. Schumacher, Das Rheinische Recht in der Gerichtspraxis des 19. Jahrhunderts (1969) die deutsche Judikatur zum Code civil dahin gekennzeichnet, diese habe „das Recht des Code civil an gemeines deutsches Recht, insbesondere an das römische, zumindest im Ergebnis angepasst und damit die deutsche Rechtswissenschaft vorangetrieben“ (Geyer, S. 4). Insbesondere die Judikatur des Reichsgerichts, so Schulte/Nölke/Strack, Rheinisches Recht, in: R. Schulze, Rheinisches Recht und Europäische Rechtsgeschichte (1998, S. 31) habe sich von der französischen Judikatur entfernt, „indem sie ihre Ergebnisse in Übereinstimmung mit dem gemeinen Recht brachte“. Dies lässt sich, so Geyer, für die Judikatur des genannten Senats des Reichsgerichts nicht feststellen. Die diskursanalytisch ausgerichteten Untersuchungen belegen nach Geyer vielmehr, dass sich der Senat grundsätzlich an der französischen Literatur und Praxis angelehnt und in diesem Zusammenhang großen Wert auf den Willen des Gesetzgebers gelegt habe, wie bereits die häufige Heranziehung der Materialien zum Code civil zeigten. Im ersten Teil seiner Arbeit untersucht Geyer die Annäherung der Reichsgerichts-Judikatur an französische Auslegungstraditionen. In einem ersten Abschnitt geht es um die Orientierung am Willen des Gesetzgebers als eines wohl zentralen Legitimationselements. Die leitenden Kriterien für die Richtigkei |
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| Giese, Simone, Studenten aus Mitternacht. Bildungsideal und peregrinatio academica des schwedischen Adels im Zeichen von Humanismus und Konfessionalisierung (= Contubernium 68). Steiner, Stuttgart 2008. XXVII, 826 S., Abb., Graf., Tab., Kart. Besprochen von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen Giese, Simone, Studenten aus Mitternacht. Bildungsideal und peregrinatio academica des schwedischen Adels im Zeichen von Humanismus und Konfessionalisierung (= Contubernium 68). Steiner, Stuttgart 2008. XXVII, 826 S., Abb., Graf., Tab., Kart. Besprochen von Gerhard Köbler.
Am Anfang zog der Mensch wohl auf der Suche nach freiem Raum von der warmen Mitte auch in den kälteren Norden. Dort erkannte er verschiedentlich doch bestehende Vorzüge des Südens. Deswegen verlangte es ihn immer wieder auf Dauer oder wenigstens vorübergehend nach der Wärme des größeren Wissens und reicheren Lebens.
Das mit einer drei Kronen auf einer Standarte als Zeichen des Königreichs Schweden aufweisenden Vignette aus dem siebenten Kapitel des achten Buches der Historia de gentibus septentrionalibus (1555) des Olaus Magnus geschmückte Werk ist die von Anton Schindling betreute, in Tübingen angenommene Dissertation der Verfasserin. Sie beruht auf Forschungen in Schweden, Dänemark, Polen, den Niederlanden, Frankreich und Deutschland. Sie verfolgt die durch die Erziehung adliger Knaben zu Kriegern symbolisierte Ausbildung des schwedischen Adels an mittäglichen Universitäten.
Gegliedert ist sie in insgesamt 12 Abschnitte. Dabei betrachtet die Verfasserin zu Beginn die Studenten aus Mitternacht unter dem Gedanken der humanistischen Bildung des Adels als Triebkraft für den Aufstieg Schwedens zur europäischen Großmacht hinsichtlich des Ansatzes und Aufbaus wie der Methode und der Quellen, zu denen vor allem die Universitätsmatrikel gehören. Danach untersucht sie Schweden, Europa und das Bildungsideal des Adels sowie die Adelserziehung zu Hause im schwedischen Reich.
Im Anschluss hieran wendet sich die Verfasserin den Rahmenbedingungen und Grundzügen der peregrinatio academica schwedischer Adeliger, den Universitäten und hohen Schulen an der Ostsee (Rostock, Greifswald, Braunsberg, Königsberg, Kopenhagen, Danzig, Elbing, Thorn, Stettin, Lübeck, Hamb |
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| Gith, Rainer, Die Entstehungsgeschichte des europäischen Kartellrechts (= Juristische Schriftenreihe 221). Lit-Verlag, Münster 2003. 211 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen Gith, Rainer, Die Entstehungsgeschichte des europäischen Kartellrechts (= Juristische Schriftenreihe 221). Lit-Verlag, Münster 2003. 211 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Die schlanke, einen modernen wirtschaftsrechtlichen Gegenstand betreffende Arbeit ist die 2003 von der rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Münster angenommene Dissertation des Verfassers. Sie geht davon aus, dass bis 1983 die Materialien zum primären Gemeinschaftsrecht der europäischen Gemeinschaften für die Öffentlichkeit nicht zugänglich waren, so dass über ihre Inhalte nicht geforscht werden konnte. Da aber Thomas Hoeren und Reiner Schulze in den Jahren 1996 und 1997 aus verschiedenen europäischen Archiven Materialien zur Entstehungsgeschichte des europäischen Kartellrechts in den Dokumenten zum Europäischen Recht Band 3 veröffentlicht hätten, sei eine wissenschaftliche Auswertung möglich geworden, wodurch die Zusammenhänge zwischen den unterschiedlichen nationalen Marktkonzeptionen und den politischen Zielsetzungen aufgezeigt werden könnten.
Der Verfasser gliedert seine Untersuchung in Einleitung, Darstellung und Schluss. Dabei geht er im Wesentlichen chronologisch vor. Eingangs beschreibt er den Gegenstand und die Grundlagen, wobei er zwischen vier Grundtypen staatlicher Kartellpolitik unterscheidet (Kartellfreiheit, Missbrauchskontrolle, Kartelllenkung und Kartellverbot).
Als Ausgangslage schildert er danach Kartelle in Europa, die teils die europäischen Nationalstaaten betreffen, teils international ausgerichtet sind. Danach wendet er sich der rechtlichen Behandlung der Kartelle sowohl in einzelstaatlichen Regelungen in Europa wie auch im Antitrustrecht der Vereinigten Staaten von Amerika zu. Hieraus erwachsen wenig später erste internationale Erörterungen des Kartellproblems.
Nach dem zweiten Weltkrieg findet in Europa eine erste diesbezügliche Bewusstseinsbildung statt. Zugleich regen sich Überlegungen zu einer wirtschaftlic |
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| Gleixner, Sebastian, Sprachrohr kaiserlichen Willens. Die Kanzlei Kaiser Friedrichs II. (1226-1236) (= Archiv für Diplomatik, Schriftgeschichte, Siegel- und Wappenkunde, Beiheft 11). Böhlau, Köln 2006. XII, 580 S., 600 Abb. Besprochen von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen Gleixner, Sebastian, Sprachrohr kaiserlichen Willens. Die Kanzlei Kaiser Friedrichs II. (1226-1236) (=Archiv für Diplomatik, Schriftgeschichte, Siegel- und Wappenkunde, Beiheft 11). Böhlau, Köln 2006. XII, 580 S., 600 Abb. Besprochen von Gerhard Köbler.
Die Arbeit ist die von Walter Koch betreute, 2005 von der Universität München angenommene Dissertation des von der Studienstiftung des deutschen Volkes geförderten und danach am Bundesarchiv tätigen Verfassers. Sie hat ihren Titel einem 1933 in den Mitteilungen des Instituts für österreichische Geschichtsforschungen erschienenen Beitrag Gerhart Ladners über Formularbehelfe in der Kanzlei Kaiser Friedrichs II. und die Briefe des Petrus de Vinea entnommen. Ziel ist es, der Schnittstelle zwischen kaiserlichem Hof und der Außenwelt der Beamten, Würdenträger und der durch Propaganda zu beeindruckenden Allgemeinheit nachzuspüren.
In seiner kurzen Einleitung berichtet der Verfasser darüber, dass bereits Johann Friedrich Böhmer 1849 einen ersten Überblick über die überlieferten Kaiserdiplome der spätstaufischen Zeit gab und zwischen 1852 und 1861 Jean-Louis-Alphonse Huillard-Bréholles die erste umfassende Sammlung von Dokumenten Friedrichs II. in seiner Historia diplomatica Friderici secundi zum Druck brachte. 2002 kam der erste Band der Edition der Urkunden Kaiser Friedrichs II. durch Walter Koch in der Reihe der Diplomata-Bände bei den Monumenta Germaniae Historica heraus. Deswegen bot es sich an, die bislang einzige Monographie zur Reichskanzlei unter Friedrich II., Heinrich (VII.) und Konrad IV. durch Friedrich Philippi aus dem Jahre 1885 durch eine auf dem heutigen Kenntnisstand befindliche Untersuchung unter Vertiefung des Zeitabschnitts zwischen dem Hoftag in Cremona 1226 und etwa dem Mainzer Landfrieden von 1235 bis in das Kleinste zu ersetzen.
Die mit Abstand wichtigste Quellen des Verfassers sind die etwa 540 Urkunden, die im Original oder in einer Abschrift überliefert si |
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| Goetz, Hans-Werner, Geschichtsschreibung und Geschichtsbewusstsein im hohen Mittelalter, 2. Auflage (= Orbis medievalis 1). Akademie Verlag, Berlin 2008. 501 S., 16 Abb. Besprochen von Christof Paulus. |
Ganzen Eintrag anzeigen Goetz, Hans-Werner, Geschichtsschreibung und Geschichtsbewusstsein im hohen Mittelalter, 2. Auflage (= Orbis medievalis 1). Akademie Verlag, Berlin 2008. 501 S., 16 Abb. Besprochen von Christof Paulus.
In derselben Nacht konnte der König nicht schlafen, und er ließ das Buch der Denkwürdigkeiten, die Chronik, herbringen; daraus wurde dem König vorgelesen. Da fand sich, daß darin geschrieben war, wie Mordechai angezeigt hatte, daß Bigtan und Teres, die beiden Kämmerer des Königs, die die Schwelle hüteten, danach getrachtet hatten, Hand an den König Ahasveros zu legen (noctem illam rex duxit insomnem iussitque adferri sibi historias et annales priorum temporum qui cum illo praesente legerentur. ventum est ad eum locum ubi scriptum erat quomodo nuntiasset Mardocheus insidias Bagathan et Thares eunuchorum regem Asuerum iugulare cupientium). So heißt es im Buch Ester (hier: Schlachter 2000, Vulgata).
Was war die hochmittelalterliche Historiographie? Dieser Leitfrage spürt Hans-Werner Goetz, Hamburger Mediävist, in seinem umfangreichen, in zweiter Auflage um ein weiteres Vorwort und einen Literaturanhang ergänzten und mittlerweile zum Standardwerk avancierten Lehrbuch nach. Seine Antwort lautet: „Mittelalterliche Geschichtsschreibung hielt in chronologischer Folge die Erinnerung an wahre, denkwürdige Taten fest“ (233). Es ist die Gegenwart der Vergangenheit, welche die Texte bestimmt. Geschichte diente, wie Goetz pointiert zusammenfasst, nicht der Vergangenheits-, sondern der Gegenwartsbewältigung (422). Es ist das Lernen aus der Geschichte, wie es auch das Buch Ester oder Ciceros berühmtes Dictum von der historia magistra vitae nahelegen.
So konnte Geschichte, der eine auctoritas innewohnte, als Argument dienen. Der Autor zeigt dies vor allen Dingen am Schrifttum des Investiturstreits, das auch bezüglich der Historiographie zu einer Verdichtung führte. Im Wechsel zwischen eingehenden Fallbeispielen zu Bernold von St. Blasie |
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| Goldberg, Jeremy, Communal Discord, Child Abduction and Rape in the Later Middle Ages (= The New Middle Ages). Palgrave Macmillan, Basingstoke 2008. XIV, 239 S. Besprochen von Susanne Jenks. |
Ganzen Eintrag anzeigen Goldberg, Jeremy, Communal Discord, Child Abduction and Rape in the Later Middle Ages (= The New Middle Ages). Palgrave Macmillan, Basingstoke 2008. XIV, 239 S. Besprochen von Susanne Jenks.
Anders als man vom Titel erwarten könnte, ist dies kein vornehmlich rechtsgeschichtlich orientiertes Buch, in dem Rechtsentwicklungen aufgezeigt werden. Es werden vielmehr – in unterschiedlicher Gewichtung - die Heiratsgeschichten dreier Frauen erzählt, um daraus Erkenntnisse über die spätmittelalterliche Gesellschaft und Kultur zu erlangen. Der Geschichte des Mädchens Alice de Rouclif, das, obwohl vermeintlich verheiratet, von einem Verwandten dem Ehemann entzogen und deren Fall 1365/1366 im Gericht der Diözese York verhandelt wurde, wird in sieben Kapiteln abgehandelt. Der Autor gibt en detail die zahlreichen Zeugenaussagen wieder, die zum Beispiel um das Alter des Mädchens kreisen, wobei es mitunter zu Wiederholungen kommt. Vom Leser wird somit ein gehöriges Maß an Geduld gefordert. Der zweite Fall, der im Jahr 1411 spielt, handelt von der Witwe Agnes Grantham, die zur Heirat gezwungen wurde, und im letzten Beispiel, das sich 1391 ereignete, geht es um das Eheversprechen der Witwe Alice Brathwell, das diese vehement bestritt. Der diese drei Fälle verbindende rote Faden ist die Frage nach dem Grad der Zustimmung, der einer Frau bei der Eheschließung zustand, wobei allerdings mehr sozialpolitische als rechtliche Aspekte im Vordergrund stehen.
Fürth Susanne Jenks
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| Göttlicher, Doris Regine, Auf der Suche nach dem gerechten Preis. Iustum pretium und Vertragsgerechtigkeit (= Osnabrücker Schriften zur Rechtsgeschichte 6). V&Runipress, Göttingen 2004. 173 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen Göttlicher, Doris Regine, Auf der Suche nach dem gerechten Preis. Iustum pretium und Vertragsgerechtigkeit (= Osnabrücker Schriften zur Rechtsgeschichte 6). V&Runipress, Göttingen 2004. 173 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Die Arbeit ist die von Wulf Eckart Voß betreute, mit Mitteln der Konrad-Adenauer-Stiftung geförderte, nach zwölf Jahren wissenschaftlicher Forschung unter nicht immer einfachen Bedingungen vorgelegte Osnabrücker Dissertation der Verfasserin. Sie beschränkt sich auf das Altertum. Da sie aber eine grundsätzliche, auch in späterer Zeit auf antiker Grundlage immer wieder behandelte Frage betrifft, erweckt sie auch das Interesse der Germanistik.
Nach einer kurzen Einleitung untersucht die Verfasserin die Grundlagen der Preisgerechtigkeit in der römischen Republik. Ausgangspunkt ist die Diskussion bei Cicero. Danach stellt die Verfasserin die philosophische und juristische Pflichtenlehre bei Cicero den Käuferpflichten und Verkäuferpflichten in den zwölf Tafeln, bei Plautus und Terenz sowie im ädilizischen Edikt gegenüber und ergänzt die Leitlinien der juristischen Pflichtenlehre beim Kauf durch die actio de dolo.
Zeitlich schließt sie dem die Preisgerechtigkeit im Prinzipat unter Berücksichtigung der Schulenentwicklung an. Den Beschluss bildet die Preisgerechtigkeit im Dominat unter Diokletian. Hier berücksichtigt die Verfasserin besonders die Bedeutung der Bürokratie, der späteren Interpolationenkritik und der humanitas.
Insgesamt kommt sie zu dem Ergebnis, dass die beiden Reskripte C. 4. 44. 2. und 8. als unmittelbare Folge einer langen Entwicklung diokletianisch sind, weil sie sich in das Recht der diokletianischen Zeit organisch einfügen und gerade dort einen wesentlichen Punkt in der Geschichte der Austauschgerechtigkeit bilden. Dementsprechend hat nicht erst Justinian in das formale Synallagma der Hauptpflichten im Kauf zwecks Herstellung materialer Gerechtigkeit eingegriffen. Den Begriff de |
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| Gotto, Bernhard, Nationalsozialistische Kommunalpolitik. Administrative Normalität und Systemstabilisierung durch die Augsburger Stadtverwaltung 1933-1945 (= Studien zur Zeitgeschichte 71). Oldenbourg, München 2006. X, 476 S., 16 Abb. Besprochen von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen Gotto, Bernhard, Nationalsozialistische Kommunalpolitik. Administrative Normalität und Systemstabilisierung durch die Augsburger Stadtverwaltung 1933-1945 (= Studien zur Zeitgeschichte 71). Oldenbourg, München 2006. X, 476 S., 16 Abb. Besprochen von Gerhard Köbler.
Die Arbeit ist die von Andreas Wirsching nach einem kritischen Moment betreute, von der Volkswagenstiftung unterstützte, geringfügig überarbeitete, im Juni 2004 unter dem Titel „Administrative Normalität - Die Augsburger Stadtverwaltung im lokalen NS-Herrschaftssystem 1933-1945“ von der philosophischen Fakultät der Universität Augsburg angenommene Dissertation des als Projektmitarbeiter am Institut für Zeitgeschichte tätigen Verfassers. Sie gliedert sich nach einer kurzen Einleitung in fünf Teile. Diese folgen teils chronologischen, teils systematischen Gesichtspunkten.
Den Beginn bilden Machtergreifung und Machtsicherung, in deren Rahmen die Revolution auf leisen Sohlen kommt. Unter den Vorzeichen des Terrors erfolgt eine Konsolidierung. Mit der Einführung der Deutschen Gemeindeordnung entstehen geordnete Verhältnisse.
Für sie erstellt der Verfasser das Profil einer nationalsozialistischen Behörde. Hinsichtlich der kommunalen Elite fragt er nach dem braunen Amtsschimmel. Im Ergebnis kann er die Stadtverwaltung im Geflecht nationalsozialistischer Herrschaftsinstanzen als Polykratie vor Ort erklären.
Als Einzelfälle kommunalen Handelns im polykratischen Führerstaat untersucht er Fürsorge- und Gesundheitsorganisation. Danach behandelt er das kommunale Wohnungswesen im Zwiespalt zwischen Wohnungselend und Prachtstraße. Die Strukturpolitik sieht er traditional, aber braun eingefärbt.
Von hier aus geht er zu den Veränderungen im und durch den Krieg über. Am Ende verfolgt er die Entwicklung von alten Kämpfern zu alten Kameraden. Dabei geht es außer um Entnazifizierung vor allem um Pensionsansprüche etwa der Funktionäre Mayr und Förg.
Die am |
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| Gottwald, Dorothee, Fürstenrecht und Staatsrecht im 19. Jahrhundert. Eine wissenschaftsgeschichtliche Studie (= tudien zur europäischen Rechtsgeschichte 241). Klostermann, Frankfurt am Main 2009. IX, 289 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen Gottwald, Dorothee, Fürstenrecht und Staatsrecht im 19. Jahrhundert. Eine wissenschaftsgeschichtliche Studie (= Studien zur europäischen Rechtsgeschichte 241). Klostermann, Frankfurt am Main 2009. IX, 289 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Die mit einer Anfangsseite eines Hausgesetzes für das fürstliche Haus Reuß jüngerer Linie auf der Außenseite geschmückte Arbeit ist die im Wintersemester 2003/2004 vom Fachbereich Rechtswissenschaften der Universität Frankfurt am Main angenommene Dissertation, der von Michael Stolleis nach Frankfurt eingeladenen und dort intensiv betreuten, von den Diskussionen im Doktorandenseminar, beim Stipendiatenkaffee und in den Büros und Fluren des Instituts für europäische Rechtsgeschichte fachlich und intellektuell geprägten Verfasserin. Sie gliedert ihre Untersuchung in sechs Abschnitte. Fürstenrecht ist ihr das Recht des Hochadels, weshalb sie mit der Außenperspektive auf den Hochadel, mit dem traditionellen nichtstaatlichen Recht und der Wissenschaftsgeschichte des Fürstenrechts beginnt.
Im zweiten Abschnitt fragt sie nach dem Fürstenrecht im Rahmen der Probleme mit der Deutschen Bundesakte und findet eine Spur zu Werken seit den 40er Jahren des 18. Jahrhunderts. Sie sieht die Behandlung der Rechtsverhältnisse des hohen Adels als eigenes Rechtsgebiet als Folge der sich anbahnenden Trennung von Privatrecht und öffentlichem Recht. Im Ergebnis gelangt sie zu der Einsicht, dass der hohe Adel als Stand in der Wissenschaft seit 1815 keinen Platz gefunden hatte und dass für sein Recht die alten Konstruktionen noch ihren Zweck erfüllten.
Im dritten Abschnitt stellt sie für das germanistische Fürstenrecht zwei grundlegende Deutungsmuster vor 1865 nebeneinander. Georg Beseler strebte eine Einbindung der hochadeligen Familie in die Genossenschaftslehre an. Carl Friedrich Gerber wandte sich demgegenüber sowohl vom Herrscherprivatrecht der früheren Staatsrechtslehre wie auch von der genossenschaftlichen Vor |
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| Gribbohm, Günter, Das Reichsmilitärgericht - Teil deutscher Rechtskultur in wilhelminischer Zeit (= Ius vivens B 19).. LIT-Verlag, Berlin 2007. VII, 138 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
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Günter Gribbohm hat bereits 2004 eine wichtige Untersuchung über das Reichskriegsgericht vorgelegt. Deswegen hat sich auch für die weiter zurückführende Geschichte des Reichsmilitärgerichts rasch ein Rezensent gefunden. Da dem Verlag aber die Lieferung eines Rezensionsexemplars nicht gelang, muss der Herausgeber die kurze Studie hilfsweise mit wenigen Worten wenigstens anzeigen.
Gegliedert ist sie in klassischer Weise in Einleitung, Hauptteil und Schlussbetrachtung. Dabei weist der Verfasser selbst darauf hin, dass das Reichsmilitärgericht heute eine fast vergessene Institution deutscher Strafrechtspflege ist, in deren veröffentlichten Entscheidungen spektakuläre Fälle nicht zu finden sind. Dennoch verdient nach Ansicht des Verfassers der hohe Stand rechtsstaatlichen Denkens dieser Einrichtung eine Befassung mit ihr, die vor allem auf der 22 Bände umfassenden amtlichen Sammlung der Entscheidungen beruht, die seit 1902 vorgelegt wurde.
Im Hauptteil behandelt der Verfasser als erstes die Errichtung und Gerichtsorganisation des auf der Grundlage der Militärstrafgerichtsordnung vom 1. 12. 1898 geschaffenen ständigen obersten Militärgerichts mit Sitz in Berlin, das er überzeugend in das Gesamtgefüge der Militärgerichtsbarkeit einordnet. Danach untersucht er die Zuständigkeit und das Verfahren, wobei er Rechtskraft- und Bestandskraft der Entscheidungen besonders prüft. Anschließend berichtet er aus der Praxis des Gerichts und zeigt die Schwerpunkte und Probleme der Rechtsprechung auf, um schließlich auf wenigen Seiten Bleibendes zu ermitteln und das klanglose Ende des Reichsmilitärgerichts zu schildern.
Die Schlussbetrachtung sieht das Gericht als in jeder Hinsicht rechtsstaatliches Gericht an. 167 Anmerkungen weisen Einzelheiten nach. D |
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| Grochowina, Nicole, Das Eigentum der Frauen. Konflikte vor dem Jenaer Schöppenstuhl im ausgehenden 18. Jahrhundert (= Veröffentlichungen der historischen Kommission für Thüringen, Kleine Reihe 28). Böhlau, Köln 2009. IX, 451 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
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Die Arbeit ist die im Sonderforschungsbereich 482 (Ereignis Weimar-Jena - Kultur um 1800) an der Universität Jena entstandene, von Georg Schmidt, Siegrid Westphal und Hans-Werner Hahn begutachtete, geschichtswissenschaftliche Habilitationsschrift der 2001 in Hamburg mit einer Untersuchung über Indifferenz und Dissens in der Grafschaft Ostfriesland im 16. und 17. Jahrhundert promovierten, an Recht und Rechtswirklichkeit interessierten Verfasserin. Sie ist allen gewidmet, die der Verfasserin gezeigt haben, dass Martin Buber trotz allem Recht hat. Geschmückt ist sie mit den nicht besonders aussagekräftigen Blättern 244 und 246 von Thüringisches Hauptstaatsarchiv Weimar, Schöppenstuhl, Nr. 2575.
Die Verfasserin geht in ihrer Einleitung von einem Diktum Ernst Ferdinand Kleins in seiner Schrift Freiheit und Eigentum aus, dass Eigentum ein unverletzliches Menschenrecht sei. Eigentum als Menschenrecht erforderte nach ihrer daraus gezogenen Folgerung seine konzise, umfassende und nachvollziehbare rechtliche Bestimmung, um eine Verletzung des Eigentumsrechtes bei Bedarf zügig vor einem ordentlichen Gericht verhandeln zu können. Dazu gehörte es auch, durch einen Rechtsprozess Eigentumsansprüche in faktische Eigentumsrechte umzuwandeln.
In diesem Rahmen beschreibt die Verfasserin zunächst Forschungsstand und Fragestellung, wobei sie in Verpflichtung gegenüber kulturgeschichtlich orientierten Theoremen und unter Erweiterung bisheriger Perspektiven die Lücke zwischen den theoretischen Konzeptionen zur Eigentumskultur und den umfangreichen Quellen aus der Rechtspraxis schließen will. Tatsächliche Grundlage sind 10124 in Jena zwischen 1780 und 1800 angefertigte Gutachten (etwa 500 pro |
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| Gröning, Christian, Körperverletzungsdelikte 223ff., 340 StGB. Reformdiskussion und Gesetzgebung seit 1933 (= Juristische Zeitgeschichte, Beiträge zur modernen deutschen Strafgesetzgebung - Materialien zu einem historischen Kommentar 13). Berliner Wissenschaftsverlag, Berlin 2004. XV, 276 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
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Die Arbeit ist die von Thomas Vormbaum betreute, 2003 an der Fernuniversität Hagen angenommene Dissertation des Verfassers. Sie schließt zeitlich an die Arbeit Frank Korns über Körperverletzungsdelikte - §§ 223ff., 340 StGB. Reformdiskussionen und Gesetzgebung von 1870 bis 1933 (2003) an und versucht eine systematische Schließung der von verschiedenen spezielleren Abhandlungen noch offen gelassenen Lücken. Sie ist ein weiterer, positiver Beitrag zu einem historischen Kommentar zum modernen deutschen Strafrecht.
Sie umfasst die Körperverletzungstatbestände des Abschnitts über die Körperverletzungen, die Körperverletzung im Amt und einige körperverletzungsbezogene Übertretungsvorschriften des Strafgesetzbuchs. Daneben bildet das Medizinstrafrecht mit Körperverletzungsbezug den zweiten Schwerpunkt der Untersuchung. Auf der Grundlage des am 1. Januar 1933 geltenden Rechts (§§ 223, 223a, 224, 225, 226, 227, 229, 230, 232, 228, 231, 233, 340, 336, 337 StGB) betrachtet der Verfasser die Entstehungsgeschichte der Gesetzesänderungen wie der nicht verwirklichten Gesetzgebungsvorschläge.
Die der kurzen Einleitung zu Problemstellung, Forschungsstand, Methoden und Darstellungsweise folgende Untersuchung geht chronologisch vor. Dementsprechend folgen dem Gesetz zur Abänderung strafrechtlicher Vorschriften vom 26. Mai 1933 die Strafrechtsreform von 1933 bis 1939, die Gesetzgebung nach 1939 (Verordnungen vom 2. April 1940 und vom 18. März 1943) und die Reformdiskussion und Gesetzgebung nach 1945. Diese nimmt den größten Raum ein und reicht vom Besatzungsrecht in neun Unterabschnitten bis zu den Reformbemühungen seit Inkra |
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| Große Denker Erfurts und der Erfurter Universität, hg. v. Pfordten, Dietmar von der. Wallstein, Göttingen 2002. 336 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
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Das an einer Furt über die Gera liegende, in einem Brief des Bonifatius 742 kurzzeitig als Sitz eines Bischofs erstmals erwähnte, vielleicht im 10. Jahrhundert vom fränkisch-deutschen König an den Erzbischof von Mainz gelangte Erfurt erhielt bereits kurz nach Prag und Wien 1378 eine - nach der Gründung Heidelbergs und Kölns - vom zuständigen Papst 1392 bestätigte Universität. Obwohl sie bald zumindest zeitweise größte deutsche Universität wurde, führte der 1802 erfolgte Anfall an Preußen 1816 zu ihrer Schließung. Seit 1987 erwuchsen Bestrebungen zu einer Wiederbegründung, die 1994 Erfolg zeitigten, so dass nach langer Unterbrechung in der Gegenwart wieder eine Universität Erfurt besteht, die sich in eine philosophische, staatswissenschaftliche, erziehungswissenschaftliche und katholisch-theologische Fakultät gliedert.
1992 feierte die Stadt 1250 Jahre Ersterwähnung. Damals konnte die Universität mangels Bestehens noch nicht mitwirken. Dies holte sie 2002 in einer 14teiligen Ringvorlesung über große Denker Erfurts nach, die nicht nur auf ihr Dasein allgemein aufmerksam machen, sondern auch einen Beitrag zur Förderung des geistigen Lebens in der Stadt leisten wollte.
Auf Grund unterschiedlicher Bezüge zu Erfurt sind im zugehörigen, von dem Erfurter Professor für Rechts- und Sozialphilosophie herausgegebenen, leider eines Registers entbehrenden Sammelband in zeitlicher Ordnung erfasst Bonifatius, Meister Eckhart, Amplonius Rating, Jodocus Trutfetter, Marschalck, Spalatin, Mutian, Hess, Adam Ries, Martin Luther, Ulrich von Hutten, Crotus Rubinianus, Johannes Bartholomäus Trommsdorff, Christoph Martin Wieland, Karl Theodor von Dalberg, Johann Wolfgang von Goethe, Friedrich von Schiller, Wilhelm von Humboldt, Christian Gotthilf Salzmann, Max Weber und Alfred Weber. Juristen kommen d |
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| Grothe, Ewald, Zwischen Geschichte und Recht. Deutsche Verfassungsgeschichtsschreibung 1900-1970 (= Ordnungssysteme, Studien zur Ideengeschichte der Neuzeit 16). Oldenbourg, München 2005. 486 S. Besprochen von Bernd Rüthers. IT |
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Verfassungsgeschichte ist primär Machtgeschichte, danach erst Gesellschafts-, Rechts-, Begriffs- und Ideengeschichte. Die ‚Deutsche Verfassungsgeschichtsschreibung‘ zwischen 1900 und 1970, der das Bemühen des Autors gilt, ist, wie das Buch schon im Vorwort andeutet und später umfangreich belegt, nicht zuletzt eine Personengeschichte der handelnden Akteure. Für viele gilt das in zwei Epochen, nämlich zunächst bei ihren Beiträgen zur Legitimation neuer Machtlagen nach den Verfassungswechseln von 1919, 1933 und 1945/1949. Es entstehen in den meisten geistes- und sozialgeschichtlichen Fächern, besonders in der Jurisprudenz und der Geschichte spezielle „Wendeliteraturen“. In einer zweiten Stufe werden oft dieselben Autoren und Schulen nicht selten nach einem erneuten Verfassungsumbruch abermals bei der Rechtfertigung der zweiten neuen Verfassungslage tätig.[1] Verfassungsgeschichtsschreibung hat in empirischer Betrachtung ganz über-wiegend mit der Rechtfertigung der jeweils etablierten Machtlagen, ihren „Rechtsideen“ und ihren „Systemgerechtigkeiten“ zu tun. Gerade die Verfassungsgeschichte weist aus, dass die Begriffe „Rechtsidee“ und „Gerechtigkeit“ zwar in jeder Epoche im Singular beschworen, aber bei systemübergreifender Betrachtung nur im Plural richtig verstanden und eingeordnet werden können. Nach jedem Verfassungsumbruch werden sie neu definiert.
Der Leser wird, je weiter er vordringt, an den flotten Spruch des Rechtshistorikers Dieter Simon erinnert: „Ich kenne keine Geschichte, ich kenne nur Geschichten.“ Es sind die Sichtweisen der Historiker, die (vermeintliche?) Geschichte produzieren.
Der Titel spricht von der „Deutschen Verfassungsgeschichte“. In den behandelten Zeitraum 1900-1970 fallen 24 Ja |
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| Grundgesetz. Textausgabe mit sämtlichen Änderungen und andere Texte zum Verfassungsrecht, hg. v. Dreier, Horst/Wittreck, Fabian, 3. Aufl. Mohr (Siebeck), Tübingen 2008. XXVII, 729 S. Besprochen von Gerhard Köbler. ZRG GA 127 (2010) 85. 12383 2008-09-29 erhalten, anscheinend keine Seitenzahländerung Besprochen von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen Grundgesetz. Textausgabe mit sämtlichen Änderungen und andere Texte zum Verfassungsrecht, hg. v. Dreier, Horst/Wittreck, Fabian, 3. Aufl. Mohr (Siebeck), Tübingen 2008. XXVII, 729 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Seit der Entstehung des Grundsetzes der Bundesrepublik Deutschland im Jahre 1949 sind Wohlstand und technische Möglichkeiten weltweit erheblich gewachsen. Deswegen hat sich in Deutschland ein Markt eröffnet für die Präsentation von 146 Artikeln in einem historischen wie europäischen Kontext mit Anlagen auf inzwischen 729 kleinformatigen Seiten. Pünktlich zum Beginn des Wintersemesters 2008/2009 konnten die Herausgeber die dritte Auflage ihrer neu konzipierten Edition vorlegen und dabei insbesondere die umfangreichen Änderungen des der Verfassungsurkunde nachgeordneten materiellen Verfassungsrechts namentlich des Bundeswahl- und des Abgeordnetengesetzes berücksichtigen und durch 100 Seiten Register vielfältig erschließen, während Europa leider wegen Irland, Polen und Tschechien zumindest ein wenig warten musste.
Innsbruck Gerhard Köbler
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| Grundlagen der modernen bayerischen Geschichte. Staat und Politik im Spiegel der Regierungsprotokolle des 19. und 20. Jahrhunderts, hg. v. Willoweit, Dietmar (= Schriftenreihe der historischen Kommission bei der bayerischen Akademie der Wissenschaften 78). Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2007. 133 S. Besprochen von Dietmar Grypa. |
Ganzen Eintrag anzeigen Grundlagen der modernen bayerischen Geschichte. Staat und Politik im Spiegel der Regierungsprotokolle des 19. und 20. Jahrhunderts, hg. v. Willoweit, Dietmar (= Schriftenreihe der historischen Kommission bei der bayerischen Akademie der Wissenschaften 78). Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2007. 133 S. Besprochen von Dietmar Grypa.
Der vom Präsidenten der Bayerischen Akademie der Wissenschaften herausgegebene Band dokumentiert die Referate einer Tagung, die von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften im Februar 2003 durchgeführt wurde und die 2005 noch einmal aktualisiert wurden. Das Kolloquium verstand sich „als Schlüssel zu den Regierungsprotokollen“ Bayerns, wie es Lothar Gall, der Präsident der Historischen Kommission, formulierte (S. 7). Der zeitliche Horizont der Aufsätze des Bandes spannt sich vom späten Kurfürstentum über das Königreich bis zum Freistaat Bayern. Reinhardt Stauber, der die von der Historischen Kommission getragene Edition der Protokolle der Geheimen Staatskonferenz, des Staatsrats und des Geheimen Rats von 1799 bis 1817 konzipiert und vor seiner Berufung nach Graz deren ersten Band bearbeitet hat, schildert die institutionelle Neuorganisation der obersten bayerischen Staatsbehörden unter Montgelas und stellt ihre archivalische Überlieferung dar. Er zeigt, dass die personelle Kontinuität trotz des Regierungswechsels von 1799 relativ hoch war, und bietet ausgesprochen anregende Ausführungen zur Verwaltungstechnik und Arbeitspraxis der vorgestellten Staatsorgane (S. 15-45). Bernhard Grau, Archivar im Bayerischen Hauptstaatsarchiv, stellt die Protokollserien von Staatsrat und Ministerrat für die Zeit von 1817 bis 1918 als Quellen für das Regierungshandeln von Monarch und Kabinett vor. Hierbei weist er mit zwei Graphiken sehr eindrücklich auf die sich in Qualität und Quantität sehr stark von einander unterscheidende Überlieferungslage der Protokolle des Staats- bzw. Ministerrats hin |
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| Grundlagen des Verwaltungsrechts Band 2 Informationsordnung - Verwaltungsverfahren - Handlungsformen, hg. v. Hoffmann-Riem, Wolfgang/Schmidt-Aßmann, Eberhard/Voßkuhle, Andreas. Beck, München 2008. XLV, 1713 S. Besprochen von Dieter Kugelmann. |
Ganzen Eintrag anzeigen Grundlagen des Verwaltungsrechts Band 2 Informationsordnung - Verwaltungsverfahren - Handlungsformen, hg. v. Hoffmann-Riem, Wolfgang/Schmidt-Aßmann, Eberhard/Voßkuhle, Andreas. Beck, München 2008. XLV, 1713 S. Besprochen von Dieter Kugelmann.
Das ehrgeizige Projekt, die Grundlagen des Verwaltungsrechts zu erforschen, kann als gelungen gelten. Der vorliegende zweite Band enthält eine Reihe von Beiträgen, die Strukturen des Verwaltungsrechts im 21. Jahrhundert aufdecken, theoretische Konzepte entwickeln und ihre praktischen Folgen darlegen und damit wahrlich Grundlagen legen. Grund für das Gelingen des Vorhabens ist das übergreifende Thema: Verwaltung wird als Informationsverarbeitung begriffen. Diese These wird im ersten Teil des vorliegenden Bandes II (dem insgesamt sechsten Teil des Gesamtwerkes) aufgearbeitet. Aber auch die beiden weiteren Teile zum Verwaltungsverfahren und den Handlungsformen greifen neuere Entwicklungen, auch des Informationsrechts, auf und führen sie mit anderen thematischen Strängen und hergebrachten Sichtweisen zusammen. Die Vielzahl der Bearbeiterinnen und Bearbeiter bringt es mit sich, dass eine Vielzahl an konzeptionellen Herangehensweisen durchaus unterschiedliche Schlussfolgerungen zeitigt. Dergestalt ist das Werk in sich selbst pluralistisch. Angesichts der Neuartigkeit einer Reihe von Fragestellungen liegt darin eher ein Vorteil als ein Nachteil. Die wiederholte Erörterung bestimmter Problemkreise schadet ebenso wenig. Durchgehend werden auf hohem Niveau dogmatische mit methodischen Grundlagenfragen verbunden, womit das Werk seinem Anspruch gerecht wird. Besonders fällt das Bemühen der Autorinnen und Autoren auf, Querverbindungen und Zusammenhänge zwischen unterschiedlichen rechtlichen Sachgebieten, ökonomischen und theoretischen Konzepten offen zu legen. Die daraus folgenden Erkenntnisse eröffnen Möglichkeiten, das Verständnis von Verwaltung und Verwaltungsrecht neu zu bestimmen.
Münster |
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| Grypa, Dietmar, Der diplomatische Dienst des Königreichs Preußen (1815-1866). Institutioneller Aufbau und soziale Zusammensetzung (= Quellen und Forschungen zur brandenburgischen und preußischen Geschichte 37). Duncker & Humblot, Berlin 2008. 600 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen Grypa, Dietmar, Der diplomatische Dienst des Königreichs Preußen (1815-1866). Institutioneller Aufbau und soziale Zusammensetzung (= Quellen und Forschungen zur brandenburgischen und preußischen Geschichte 37). Duncker & Humblot, Berlin 2008. 600 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Die Arbeit ist die im Sommersemester 2005 von der geschichts- und gesellschaftswissenschaftlichen Fakultät der katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt angenommene Habilitationsschrift des bei Heinz Hürten am 5. Mai 1987 beginnenden, bei Walter Ziegler promovierten, 1991 mit Studien zu Kriegsende und Neuanfang im Landkreis Altötting hervorgetretenen, der Zeitschrift bereits als Rezensent bekannten Verfassers. Sie beschreibt in der Einleitung eingehend Fragestellung, Aufbau und Quellenlage, für die der Editionsstand nicht wesentlich über das bereits vor 1914 erreichte Niveau hinausgelangt ist. Die wichtigste Grundlage der Studie bildet freilich die davon unabhängige archivalische Überlieferung des preußischen Ministeriums der auswärtigen Angelegenheiten, wobei vor allem die Personalakten im Mittelpunkt stehen, für die sich ein normierter Fragebogen erst nach 1865 nachweisen lässt.
Die Arbeit gliedert sich in zwei Abschnitte. Zunächst beschreibt der Verfasser den institutionellen Aufbau des diplomatischen Dienstes. Danach wendet er sich der sozialen Zusammensetzung zu.
Der institutionelle Aufbau geht vom bestimmenden König und seiner Familie, vom königlichen Kabinett und vom Hof und der Hofgesellschaft aus. Daran schließt sich die Beschreibung des Ministeriums an, das sich vom Kabinettsministerium zum Ressortministerium fortbildete. In seinem Mittelpunkt stehen naheliegenderweise die Minister von Hardenberg bis zu Bismarck, der selbst als Quereinsteiger in den auswärtigen Dienst gelangte und diesem Weg auch später Raum gewährte.
Bedeutsam sind die einzelnen diplomatischen Missionen. Sie betreffen im Deutschen Bund die Bundestagsgesa |
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| Haehling von Lanzenauer, Reiner, Der Mord an Matthias Erzberger (= Schriftenreihe des rechtshistorischen Museums Karlsruhe 14). Verlag der Gesellschaft für kulturhistorische Dokumentation e. V. Karlsruhe 2008. 47 S., zahlreiche Abb. Besprochen von Karsten Ruppert. |
Ganzen Eintrag anzeigen Haehling von Lanzenauer, Reiner, Der Mord an Matthias Erzberger (= Schriftenreihe des rechtshistorischen Museums Karlsruhe 14). Verlag der Gesellschaft für kulturhistorische Dokumentation e. V. Karlsruhe 2008. 47 S., zahlreiche Abb. Besprochen von Karsten Ruppert.
Matthias Erzberger ist nicht zuletzt deswegen als Politiker des Kaiserreichs und der Weimarer Republik im Gedächtnis geblieben, weil er eines der ersten Opfer der politischen Morde rechtsradikaler Geheimorganisationen nach 1918 geworden ist. Deswegen nahm er auch in der demokratischen Erinnerungskultur der frühen Bundesrepublik eine herausgehobene Stellung ein. Das schlug sich besonders in der Benennung zahlreicher Plätze und Straßen nieder; sein Geburtshaus in Buttenhausen wurde allerdings erst 2004 zu einer Gedenkstätte umgewandelt.
Der 1875 auf der schwäbischen Alb geborene Erzberger war aus kleinen Verhältnissen zu einem der führenden Parlamentarier des Kaiserreichs und bis zum Finanzminister in der Weimarer Republik aufgestiegen. Wegen der Aufdeckung von Kolonialskandalen, seiner Unterschrift unter den Waffenstillstand und seines Eintretens für die Annahme des Versailler Vertrags war er zum Prototyp des „Systempolitikers“ bei allen Gegnern der jungen Republik geworden. Deswegen hatte eine Verschwörerclique der rechtsradikalen „Organisation Consul“, die aus der berüchtigten Marinebrigade Ehrhardt hervorgegangen war, zwei ehemalige Offiziere aus ihren Reihen ausgewählt, um ihn am 26. August 1921 während eines Erholungsurlaubs im Schwarzwald zu ermorden. Der ehemalige Leitende Staatsanwalt Haehling von Lanzenauer schildert in dieser Broschüre den Anschlag, legt aber ein besonderes Schwergewicht auf die Biografie der Attentäter und deren Prozesse. Sie wurden erst nach dem Zweiten Weltkrieg durchgeführt, da die Mörder fliehen konnten und nach ihrer Rückkehr ins Dritte Reich beachtliche Karrieren machen konnten. Nachdem es zunächst in dem Verfahren gegen einen der Mörder zu |
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| Hanawalt, Barbara A., The Wealth of Wives - Women, Law, and Economy in Late Medieval London. Oxford University Press, Oxford 2007. XIV, 317 S. Besprochen von Susanne Jenks. |
Ganzen Eintrag anzeigen Hanawalt, Barbara A., The Wealth of Wives - Women, Law, and Economy in Late Medieval London. Oxford University Press, Oxford 2007. XIV, 317 S. Besprochen von Susanne Jenks.
Nach der These dieses Buches leisteten Frauen nicht so sehr − wie bislang angenommen − durch ihre Arbeitskraft einen bedeutenden Beitrag zur Entwicklung Londons im Spätmittelalter, sondern vielmehr durch die Weitergabe von Vermögen (insbesondere durch Heirat).
Im ersten Teil wird auf der Grundlage einer Vielzahl von Einzelbeispielen der Lebensweg von Frauen von der Geburt bis zur (Wieder-)Heirat nachgezeichnet. Kapitel 1 (Daughters and Identities) fragt, ob alle Kinder gleichbehandelt wurden. Am Beispiel der Londoner Vorschriften zu Erbschaftsangelegenheiten wird aufgezeigt, dass dies von offizieller Seite aus durchaus der Fall war. Allerdings wird vermutet, dass im familiären Umfeld Unterschiede gemacht wurden, sich zum Beispiel in den Familien intensiver um männliche Kleinkinder gekümmert worden sein könnte, da 10% weniger Mädchen im court of orphans nachzuweisen sind. Kapitel 2 (Education and Apprenticeship) bestätigt, dass die Erziehung von Mädchen darauf abzielte, sie auf die Ehe vorzubereiten, wobei sich ihr Marktwert steigerte, wenn sie jungfräulich in die Ehe gingen. Aus dem folgenden Kapitel (Inheritance, Dowry, and Dower) geht hervor, dass Mädchen bei Erreichen der Volljährigkeit (21 Jahre) oder zum Zeitpunkt der Eheschließung (in der Regel mit 16 Jahren) ihr Erbe antreten durften. Wenn möglich wurde Land von den Eltern an die Mädchen vererbt, wie auch Grundbesitz gerne als Mitgift (dowry) gegeben wurde. Das Wittum (dower) konnte im Rahmen der Eheschließung ausgehandelt werden und es konnte auch Land umfassen, doch konnte Grundbesitz von Ehemännern nicht auf ihre Frauen vererbt werden. Falls das Wittum nicht zu Beginn der Ehe festgelegt wurde, erhielt die Witwe beim Tod ihres Mannes ein Drittel seines Gutes auf Lebenszeit, falls es Kinde |
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| Handbuch der Grundrechte in Deutschland und Europa, hg. v. Merten, Detlef/Papier, Hans-Jürgen. Bd. 6,2 Europäische Grundrechte II - Universelle Menschenrechte. C. F. Müller, Heidelberg 2009. XXXI, 726 S. Besprochen von Tilman Repgen. |
Ganzen Eintrag anzeigen Handbuch der Grundrechte in Deutschland und Europa, hg. v. Merten, Detlef/Papier, Hans-Jürgen. Bd. 6,2 Europäische Grundrechte II - Universelle Menschenrechte. C. F. Müller, Heidelberg 2009. XXXI, 726 S. Besprochen von Tilman Repgen.
Fünf Jahre nach dem Erscheinen des ersten Bandes des „Handbuchs der Grundrechte in Deutschland und Europa“ (besprochen in dieser Zeitschrift von Ulrich Eisenhardt, ZRG GA 122 [2005], S. 454-456; vgl. auch Tilman Repgen, in: http://www.forhistiur.de/zitat/0701repgen1.htm) und drei weiteren Bänden ist hier Band VI/2 anzuzeigen, der „als Rückschau und als Ergänzung zum ersten Halbband „europäische und nationale „Grundrechtsräume“ (Vorwort, S. V) einander gegenüberstellt und zugleich die Perspektive auf die Universalität der Menschenrechte lenkt. Damit gibt dieser Band der Dogmatik der europäischen Grundrechte, die in Band VI/1 behandelt werden soll, gewissermaßen die Tiefenschärfe. Das Handbuch folgt in Ausstattung und Layout dem Handbuch des Staatsrechts von Josef Isensee und Paul Kirchhof. Kluge Inhaltsübersichten, praktische Orientierung über Randnoten und Marginalien sowie nützliche Register werden mit einem optimalen Druckbild und bester buchmacherischer Tradition verbunden. Wissenschaftliche und handwerkliche Qualität hat der Verlag in glücklicher Weise zusammengeführt.
Das Gesamtwerk ist auf neun Bände angelegt, deren ersten fünf die deutschen Grundrechte betreffen. Nach Band I, der Entwicklung und Grundlagen der Grundrechtsdogmatik behandelt, folgen in den Bänden II-V die Grundrechte in Deutschland. Band VII schaut auf das deutschsprachige Ausland, Band VIII auf West-, Nord- und Südeuropa und Band IX schließlich in den Osten. Band VI verfolgt das Thema also aus einer internationalen Sicht, die wohl in ganz besonderem Maß seit dem „vorbildhaften Grundrechtshandbuch“ (Widmung von Bd. I), dem Handbuch der Theorie und Praxis der Grundrechte von Ulrich Scheuner, Hans-Carl Nipperdey und Karl August |
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| Handbuch der Grundrechte in Deutschland und Europa, hg. v. Merten, Detlef/Papier, Hans-Jürgen. Bd. 7,1 Grundrechte in Österreich. C. F. Müller, Heidelberg 2009. XXVIII, 639 S. Besprochen von Thomas Olechowski. |
Ganzen Eintrag anzeigen Handbuch der Grundrechte in Deutschland und Europa, hg. v. Merten, Detlef/Papier, Hans-Jürgen. Bd. 7,1 Grundrechte in Österreich. C. F. Müller, Heidelberg 2009. XXVIII, 639 S. Besprochen von Thomas Olechowski.
Im Rahmen des umfangreichen Gesamtwerkes erschien schon 2007 der Band VII/2: „Die Grundrechte in der Schweiz und in Liechtenstein“. Sein Pendant, der hier zu besprechende Band VII/1, wurde von vierzehn österreichischen Autorinnen und Autoren verfasst, deren Koordination und offenbar auch Auswahl der (am 1. Dezember 2008 verstorbene) Salzburger Ordinarius für Verfassungsrecht Heinz Schäffer übernahm. Der Band ist in sechzehn Beiträge („Paragraphen“) gegliedert, von denen sich vier mit allgemeinen Lehren und zwölf mit den einzelnen Grundrechten befassen. Ein Anhang enthält wichtige Normtexte im Wortlaut. In der gegenständlichen Rezension sei lediglich der Frage nach dem rechtshistorischen Gehalt des – für die Rechtsdogmatik zweifelsfrei sehr bedeutsamen – Bandes nachgegangen.
Was zunächst die Beiträge zu den einzelnen Grundrechten betrifft, so weisen die meisten von ihnen einen entwicklungsgeschichtlichen, einleitenden Abschnitt auf; Umfang und Intensität der rechtshistorischen Auseinandersetzung schwanken von Beitrag zu Beitrag erheblich, was sich allerdings meist aus dem Gegenstand ergibt: So ist es leicht erklärlich, dass die Rechtsgeschichte am ausführlichsten im Beitrag über die religiösen Rechte (Georg Lienbacher) zur Sprache kommt; der Beitrag, der mit dem Augsburger Religionsfrieden 1555 ansetzt und bis zum Orientalisch-orthodoxen Kirchengesetz 2003 führt, ist bemerkenswert gehaltvoll und lässt kaum etwas zu wünschen übrig (Erwähnung hätte das Protestantenpatent 1861 verdient gehabt). Kürzer sind die rechtshistorischen Ausführungen zum Schutz der Privatsphäre (Ewald Wiederin), zu den „kulturellen Rechten“ (= Wissenschafts-, Unterrichts- und Kunstfreiheit, Thomas Kröll), zur Kommunikationsfreiheit (Michael Holoubek), zu d |
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| Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte (HRG), begründet von Stammler, Wolfgang/Erler, Adalbert/Kaufmann, Ekkehard, 2., völlig überarbeitete und erweiterte Auflage, hg. v. Cordes, Albrecht/Lück, Heiner/Werkmüller, Dieter und Schmidt-Wiegand, Ruth als philologischer Beraterin, Lieferung 6 (Eid-Familienfideikommiss), Lieferung 7 (Familienstammgüter-Freiheitsbrief), Lieferung 8 (Freiheitsstrafe-geistliche Bank). Erich Schmidt, Berlin 2007, 2008. 1249-1504 Spalten, 128 S., 1505-1759 Spalten, 128 S. 1761-2 |
Ganzen Eintrag anzeigen Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte (HRG), begründet von Stammler, Wolfgang/Erler, Adalbert/Kaufmann, Ekkehard, 2., völlig überarbeitete und erweiterte Auflage, hg. v. Cordes, Albrecht/Lück, Heiner/Werkmüller, Dieter und Schmidt-Wiegand, Ruth als philologischer Beraterin, Lieferung 6 (Eid-Familienfideikommiss), Lieferung 7 (Familienstammgüter-Freiheitsbrief), Lieferung 8 (Freiheitsstrafe-geistliche Bank). Erich Schmidt, Berlin 2007, 2008. 1249-1504 Spalten, 128 S, 1505-1759 Spalten, 128 S. 1761-2016 Spalten, 128 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Das von Wolfgang Stammler, Adalbert Erler und Ekkehard Kaufmann 1964 begründete, von Dieter Werkmüller nach vielen Jahren umsichtig zum Abschluss redigierte Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte hat sich angesichts der Weite, Breite und Tiefe des gesamten Schrifttums zur deutschen Rechtsgeschichte den ersten Rang in der deutschsprachigen rechtsgeschichtlichen Forschungsliteratur der Gegenwart erworben. Das erfolgsreichste Lehrbuch kann es zwar in der Zahl der Auflagen und wohl auch der Nutzer durchaus übertreffen, nicht aber im Umfang des vermittelten Wissens. Im Hinblick hierauf ist das Handwörterbuch so konkurrenzlos, dass von Albrecht Cordes, Heiner Lück und Dieter Werkmüller völlig zu Recht eine zweite Auflage in Angriff genommen werden konnte, deren erste Lieferungen bereits seit 2004 erscheinen und dementsprechend in den Bänden 123 (2006), 124 (2007) und 126 (2009) angezeigt werden konnten.
In wenigen Jahren ist das Werk in offensichtlich straffer Organisation gut vorangekommen. Innerhalb vierer Jahre konnten acht Lieferungen mit mehr als 2000 Spalten oder mehr als 1000 Seiten vorgelegt werden. Damit ist der erste der geplanten Bände bereits abgeschlossen.
Bedeutende Artikel sind dabei in Lieferung 6 Eid (Dietlinde Munzel-Everling), Eigentum (Hans-Rudolf Hagemann), Eike von Regpow (Rolf Lieberwirth), England (Peter Wende), englisches Recht (Kent D. Lerch), E |
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| Hansisches und hansestädtisches Recht, hg. v. Cordes, Albrecht (= Hansische Studien 17). Porta Alba Verlag, Trier 2007. 240 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen Hansisches und hansestädtisches Recht, hg. v. Cordes, Albrecht (= Hansische Studien 17). Porta Alba Verlag, Trier 2007. 240 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Es kann sein, dass einem Herausgeber und einem Rezensionsinteressenten ein Buchtitel auffällt und der Herausgeber ihn bestellt und dem Interessenten zusagt. Wenn der Herausgeber dann das Werk nicht erhält, kann er es dem Interessenten nicht zusenden. Im Zweifel kann er das Buch dann nur ausleihen und selbst in einigen Worten anzeigen.
Unter dem genannten Buchtitel befasste sich die durch ein Blockseminar gespiegelte und begleitete Rostocker Pfingsttagung des hansischen Geschichtsvereins 2005 mit der Rechtsgeschichte des Hanseraums. Die dort gehaltenen Referate hat der Herausgeber geringfügig erweitert zum Druck gebracht. In Freundschaft gewidmet ist das in zwei Teile gegliederte Werk dem verdienstvollen Ehrenhanseaten Götz Landwehr.
Unter einer Abbildung der Innenseite der Türe des Audienzsaales des Rathauses Lübecks mit Gerichts- und Gerechtigkeitsmotiven befasst sich zunächst Udo Schäfer mit Hanserezessen als Quelle hansischen Rechts und gelangt zu dem Ergebnis, dass die Hanserezesse Protokolle sind, so dass normativen Charakter immer nur einzelne Elemente der Niederschriften haben können.. Volker Henn betrachtet die Hansekontore in Nowgorod, London, Brügge und Bergen und ihre Ordnungen. Dabei kann er zeigen, dass die Kontorordnungen hansisches Recht enthalten, das auf älterem Gewohnheitsrecht beruht, das durch Satzungen und Beschlüsse erweitert wurde.
Carsten Jahnke untersucht hansisches und anderes Seerecht, das vor allem aus Arbeitsrecht, Vertragsrecht, Betriebsrecht und Handelsrecht für Seefahrzeuge besteht, und zieht aus seinen Ermittlungen den Schluss, dass es ein hansisches Seerecht vor dem 16. Jahrhundert nicht gibt, weil die Hanse nur ein Teil eines größeren internationalen Gefüges ist. Nils Jörn zeigt, dass eine statistische Auswertung der Inanspru |
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| Harrecker, Stefanie, Degradierte Doktoren. Die Aberkennung der Doktorwürde an der Ludwig-Maximilians-Universität München während der Zeit des Nationalsozialismus (= Beiträge zur Geschichte der Ludwig-Maximilians-Universität München 2). Herbert Utz Verlag, München 2007. 409 S. Besprochen von Hans-Michael Empell. |
Ganzen Eintrag anzeigen Harrecker, Stefanie, Degradierte Doktoren. Die Aberkennung der Doktorwürde an der Ludwig-Maximilians-Universität München während der Zeit des Nationalsozialismus (= Beiträge zur Geschichte der Ludwig-Maximilians-Universität München 2). Herbert Utz Verlag, München 2007. 409 S. Besprochen von Hans-Michael Empell.
Die Autorin, die Geschichte und Germanistik studiert hat und mit der Arbeit „Der Landwirtschaftliche Verein in Bayern 1810-1870/71“ im Jahre 2003 zum Dr. phil. promoviert wurde, war als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Universitätsarchiv München tätig. In diesem Zusammenhang ist die vorliegende Untersuchung entstanden. Nach einem knappen Kapitel über „Doktorwürde und Doktorentzug vor 1933“ (S. 19ff.) wendet sich die Verfasserin dem „Doktorentzug ab 1933“ zu (S. 33ff.). Zunächst stellt sie die rechtlichen Grundlagen dar, die geschaffen wurden, um den Doktorgrad in sehr viel größerem Umfang, als dies zuvor möglich war, entziehen zu können. Ausschlaggebend war das am 14. 7. 1933 in Kraft getretene „Gesetz über den Widerruf von Einbürgerungen und die Aberkennung der deutschen Staatsangehörigkeit“, das zunächst gegen ins Ausland geflohene Politiker und Publizisten angewandt wurde mit der Begründung, sie hätten ihre „Treuepflicht“ gegenüber dem deutschen Volk verletzt, indem sie „der feindseligen Propaganda gegen Deutschland Vorschub“ geleistet hätten; später waren auch Flüchtlinge ohne prominenten Status betroffen. Durch eine Verordnung vom 25. 11. 1941 wurden dann alle im Ausland lebenden deutschen Juden kollektiv für ausgebürgert erklärt. Anlässlich des Gesetzes von 1933 wurde der in München lebende Jura-Student und „Führer der Deutschen Studentenschaft“, Karl Gengenbach, aktiv. In einem Brief an den bayerischen Kultusminister Hans Schemm (18. 9. 1933) forderte er, den Ausgebürgerten müsse auch der Doktorgrad entzogen werden. Seine Initiative führte dazu, dass der Kultusminister die bayerischen Universitäten und Hochschulen anwies, de |
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| Harris, Whitney R., Tyrannen vor Gericht. Das Verfahren gegen die deutschen Hauptkriegsverbrecher nach dem zweiten Weltkrieg in Nürnberg 1945-1946 (= Juristische Zeitgeschichte, Abteilung 4 Leben und Werk - Biographien und Werkanalysen 11). BWV Berliner Wissenschafts-Verlag, Berlin 2008. XLV, 603 S. Besprochen von Gerhard Köbler. |
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Whitney R. Harris wurde in Seattle/Washington am 12. August 1912 geboren. Nach dem Studium an der University of Washington und der Promotion an der Universität von Kalifornien (1936) wurde er zur Anwaltskammer in Kalifornien zugelassen und in Los Angeles tätig. Während seines Kriegsdiensts im zweiten Weltkrieg wurde er zur besonderen Verwendung zum Office of Strategic Services versetzt und mit der Aufgabe betraut, Beweise für Kriegsverbrechen zu sammeln, so dass er im August 1945 dem Anklageteam um den Obersten Bundesrichter Robert H. Jackson am Kriegsverbrechertribunal von Nürnberg als ausgezeichneter Sachkenner zugeteilt werden konnte, wo er für die Anklage gegen Ernst Kaltenbrunner zuständig war und die Anklage gegen Gestapo und SD zu vertreten hatte.
Im Jahre 1948 kehrte er in die Vereinigten Staaten von Amerika zurück, übernahm eine Professur an der Southern Methodist University in Dallas und veröffentlichte 1954 ein Werk über das Nürnberger Verfahren gegen die deutschen Hauptkriegsverbrecher nach dem zweiten Weltkrieg unter dem Titel Tyranny on Trial – The Evidence of Nuremberg mit einem Vorwort Robert H. Jacksons, der bald darauf am 9. Oktober 1954 starb. 1995 erschien eine zweite, um die anschließende Entwicklung ergänzte Auflage, 1999 eine dritte um ein Kapitel über den 1998 durch Statut ins Leben gerufenen Internationalen Gerichtshof erweiterte Auflage.
60 Jahre nach dem Beginn des ersten Nürnberger Kriegsverbrecherprozesses fand im Jahre 2005 eine Gedenkveranstaltung in Nürnberg statt. Bei dem Empfang im Grand Hotel, das den Mitarbeitern des internationalen Militärtribunals als sozialer |
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| Hartmann, Christian/Hürter, Johannes/Lieb, Peter/Pohl, Dieter, Der deutsche Krieg im Osten 1941-1944. Facetten einer Grenzüberschreitung (= Quellen und Darstellungen zur Zeitgeschichte 76). Oldenbourg, München 2009. IX, 404 S. Besprochen von Werner Augustinovic. |
Ganzen Eintrag anzeigen Hartmann, Christian/Hürter, Johannes/Lieb, Peter/Pohl, Dieter, Der deutsche Krieg im Osten 1941-1944. Facetten einer Grenzüberschreitung (= Quellen und Darstellungen zur Zeitgeschichte 76). Oldenbourg, München 2009. IX, 404 S. Besprochen von Werner Augustinovic.
Als im Jahr 1995 die „Urversion“ der Ausstellung „Vernichtungskrieg. Verbrechen der Wehrmacht 1941 bis 1944“ des Hamburger Instituts für Sozialforschung mit der ihr vorgeworfenen Pauschalverurteilung der Angehörigen der ehemaligen deutschen Wehrmacht die Emotionen hochgehen ließ, sah sich das renommierte Münchener Institut für Zeitgeschichte als die erste Adresse der deutschen Geschichtsforschung für die jüngere Vergangenheit zur fachlichen Stellungnahme aufgefordert. Die Bemühungen mündeten in ein umfangreiches Forschungsprojekt über die Funktion der Wehrmacht während der nationalsozialistischen Diktatur unter Einschluss ihrer Sozialgeschichte, dessen Ergebnisse sich in fünf großen Monographien, über 50 Einzelstudien und zahlreichen Kolloquien manifestieren.
Das vorliegende Sammelwerk, das insgesamt neun Beiträge – allesamt bereits andernorts publiziert – in einem Band vereinigt, soll den Abschluss dieses Programms bilden. Sechs der Aufsätze wurden zwischen 2000 und 2004 in den Vierteljahrsheften für Zeitgeschichte erstveröffentlicht; bei den drei weiteren handelt es sich um eine Arbeit aus einem Sammelwerk zur nationalsozialistischen Lagerpolitik (2000), einen Beitrag aus der Festschrift für Winfried Baumgart (2003) und um die Übersetzung einer Darstellung aus dem Französischen (2006). Zwei Studien (Lieb: „Täter aus Überzeugung? Oberst Carl von Andrian und die Judenmorde der 707. Infanteriedivision 1941/42“ und Hartmann: „Massensterben oder Massenvernichtung? Sowjetische Kriegsgefangene im ‚Unternehmen Barbarossa’. Aus dem Tagebuch eines deutschen Lagerkommandanten“) wurden unter dem Titel „Nachbemerkung 2009“ kurze, jeweils etwa eineinhalbseitige Aktualisierungen angefügt |
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| Hartwich, Esther, Der deutsche Juristentag von seiner Gründung 1860 bis zu den Reichsjustizgesetzen 1877 im Kontext von Nationsbildung und Rechtsvereinheitlichung. BWV Berliner Wissenschafts-Verlag 2008. 141 S. Besprochen von Werner Schubert. |
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Die Verhandlungen des 1860 gegründeten Deutschen Juristentags (DJT), der ersten berufsübergreifenden deutschen Juristenvereinigung, zeigen nach Meinung Esther Hartwichs, dass der Wunsch nach Rechtsvereinheitlichung im 19. Jahrhundert und deren Umsetzung nicht nur als „Ausdruck sozialer, politischer und/oder wirtschaftlicher Interessen“ verstanden werden kann, sondern dass die „Nationsbildung ein ebenso starker Antriebsfaktor für die Forderung nach und die Umsetzung der nationalen Rechtseinheit war“ (S. 15). Durch die Studie Hartwichs soll belegt werden, dass „die Forderung nach Rechtsvereinheitlichung auf der einen Seite ein Ergebnis der Nationsbildung war, und auf der anderen diese gleichzeitig auch weiter fördern sollte“. Dementsprechend steht nicht nur „Rechtsvereinheitlichung durch Nationsbildung“, sondern auch „Nationsbildung durch Rechtsvereinheitlichung“ im Mittelpunkt der Untersuchung (S. 16). Schon die Gründung des DJT stand im Kontext der Nationsbildung, diese verstanden als Prozess der Entstehung und Entwicklung einer Nation. Mit Recht sieht Hartwich im DJT einen Teil der deutschen Nationalbewegung, was auch für die anderen Verbände dieser Zeit (u. a. Kongress Deutscher Volkswirte) zutrifft. Dabei wandelte sich der zunächst großdeutsch eingestellte DJT nach der kleindeutschen Reichsgründung zum „Symbol der deutschen Kulturnation“. Die zentralistische Organisationsstruktur, die Mitgliederöffnung und das Prinzip der Öffentlichkeit spiegeln die rechtsvereinheitlichende Zielsetzung des DJT wieder (S. 23ff.). Im zweiten, dem Hauptteil der Untersuchung, wertet Hartwich die wohl wichtigsten Verhandlungsgegenstände des 1.-14. DJT (1860-1878) bis zur Erreichung der ersten Etappe der Rechtsvereinheitli |