Martin Le Franc, Agreste otium. De bono mortis, hg. und übersetzt v. Schwitter, Raphael (= Monumenta Germaniae Historica, Quellen zur Geistesgeschichte des Mittelalters 30). Harrassowitz, Wiesbaden 2018. CXXXV, 300 S. Angezeigt von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen Martin Le Franc, Agreste otium. De bono mortis, hg. und übersetzt v. Schwitter, Raphael (= Monumenta Germaniae Historica, Quellen zur Geistesgeschichte des Mittelalters 30). Harrassowitz, Wiesbaden 2018. CXXXV, 300 S. Angezeigt von Gerhard Köbler.
Martin le Franc wurde um 1410 in der Grafschaft Aumale in der Normandie geboren, erwarb in Paris den Grad eines Magister artium, wurde nach der Wahl des Gegenpapsts Felix V. dessen apostolischer Protonotar und Sekretär und erwarb dadurch beachtliche Güter, die ihm auch nach dem Rücktritt des Gegenpapsts von seinem Amt verblieben. Sein wichtigstes Werk als Autor ist der zwischen 1441 und 1442 mit 24384 Versen entstandene, Herzog Philipp dem Guten gewidmete Le Champion des Dames. Von der zurückhaltenden Aufnahme war er jedoch ziemlich enttäuscht.
Der vorliegende Band enthält den Erstdruck zweier Dialoge des französischen Klerikers und Autors. Angeregt wurde er durch Claudia Märtl, verfasst von dem Herausgeber während eines dreijährigen von dem schweizerischen Nationalfonds in dem Rahmen eines Stipendiums geförderten Forschungsaufenthalts bei den Monumenta Germaniae Historica in München. Peter Stotz, Claudia Märtl und Veronika Lukas haben unter großem zeitlichem Aufwand und mit Sprachgefühl und Sachverstand den lateinischen Text und die deutsche Übersetzung korrigiert und die Edition nach den eigenen Worten des Herausgebers vor zahlreichen Fehlern bewahrt.
Die Ausgabe beginnt mit einer umfangreichen Einleitung des Herausgebers zu Autor und Werk., in der Agreste otium auf den September 1451 und De bono mortis auf 1437 datiert werden. Die Edition bietet jeweils links den lateinischen Text und rechts die deutsche Übersetzung. Ein Register der insgesamt 22 Handschriften, der Stellen, Namen und Wörter (von abhominatio bis zephirus), so dass insgesamt eine bisher bestehende Editionslücke der mittellateinischen Literatur in überzeugender Weise geschlossen werden konnte.
Innsbruck |
|
Martin Luther und die deutsche Sprache – damals und heute, hg. v. Wolf, Norbert Richard (= Schriften des europäischen Zentrums für Sprachwissenschaften 7). Winter, Heidelberg 2017. 217 S. Besprochen von Werner Augustinovic. |
Ganzen Eintrag anzeigen Martin Luther und die deutsche Sprache – damals und heute, hg. v. Wolf, Norbert Richard (= Schriften des Europäischen Zentrums für Sprachwissenschaften Bd. 7). Winter, Heidelberg 2017. 217 S., Abb. Besprochen von Werner Augustinovic.
Bei all dem Trubel, den das Reformations-Jubiläumsjahr 2017 um die Person und das Wirken Martin Luthers in Gang gesetzt hat, ist es wenig verwunderlich, dass neben dem Reformator auch der Sprachgestalter nicht ohne gebührende Aufmerksamkeit geblieben ist. Vielen gilt der Mönch aus Wittenberg mit seiner revolutionären Übersetzung der Bibel ins Deutsche, einsetzend mit dem „Neuen Testament“ im September 1522, immer noch als Schöpfer der neuhochdeutschen Schriftsprache und als jener Geist, der damit die Emanzipation des Deutschen als Hoch- und Kultursprache entscheidend angestoßen habe. Im „Sendbrief vom Dolmetschen“ (1530) soll er seine methodischen Prinzipien dargelegt haben.
Soweit das gängige Bild. Dass es, wie so manches, die Realität nur grob und unvollständig wiedergibt, zeigen die insgesamt neun breit gefächerten Beiträge des vorliegenden Sammelbandes, der auf eine Anregung des Direktors des Mannheimer Instituts für Deutsche Sprache (IDS), Ludwig M. Eichinger, aus dem Jahr 2016 zurückgeht, die überarbeiteten Vorträge des nachfolgenden Kolloquiums vom Mai 2017 präsentiert und von Norbert Richard Wolf editorisch betreut wurde. Unterschiedliche Aspekte von Luthers Sprachgebrauch werden in differenzierter Weise ausgeleuchtet.
In einem ersten Schritt hinterfragt Karlheinz Jakob „Sprachwissen und Spracheinschätzungen bei Martin Luther“ und wendet sich dabei gegen einen „zu radikale(n) Denkmalsturz“ und die Rückstufung Luthers zum bloßen „Katalysator“, sei dieser doch tatsächlich „in quantitativer und qualitativer Hinsicht der absolute ‚Sprach-Dominator‘ und ‚Sprach-Präger‘ für die deutsche Sprache im 16. Jahrhundert“ gewesen. Allerdings habe „(d)ie objektsprachliche Kompetenz Luthers dazu verführt, s |
|
Martin Luther und die deutsche Sprache – damals und heute, hg. v. Wolf, Norbert Richard (= Schriften des europäischen Zentrums für Sprachwissenschaften 7). Winter, Heidelberg 2017. 217 S. Angezeigt von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen Martin Luther und die deutsche Sprache – damals und heute, hg. v. Wolf, Norbert Richard (= Schriften des europäischen Zentrums für Sprachwissenschaften 7). Winter, Heidelberg 2017. 217 S. Angezeigt von Gerhard Köbler.
Der in Eisleben 1483 als Sohn eines Bergmanns geborene Martin Luther wurde nach kurzem Studium des Rechtes in Erfurt (1505) und danach der Theologie 1512 doctor theologiae in Wittenberg. Durch die Veröffentlichung von 95 Thesen, welche die Kirche reformieren sollten, stiftete er im Ergebnis den Protestantismus, der die Erlösung des Menschen auf die Gnade Gottes gründete. Sprachgeschichtlich ist seine mehr in der Mitte als in dem oberdeutschen Süden angesiedelte, das Neuhochdeutsche wesentlich prägende Übersetzung der Bibel in das Deutsche zwischen 1522 und 1534 besonders bedeutsam.
Nach dem kurzen Vorwort des Herausgebers des vorliegenden Sammelbands wurde 500 Jahre nach dem religiösen Reformationsversuch des Jahres 1517 neben der theologischen Leistung und Wirkung Luthers auch seine sprachliche Wirkung besonders hervorgehoben, obwohl die Behauptung, dass der Reformator durch seine Bibelübersetzung die neuhochdeutsche Schriftsprache geschaffen habe, falsch ist. Auf der Suche nach einer sachgerechten Würdigung des Verhältnisses zwischen Martin Luther und der deutschen Sprache fand in dem Mai 2017 ein in dem Frühsommer 2016 von Ludwig M. Eichinger als dem Direktor des Instituts für deutsche Sprache in Mannheim angeregtes vorbereitendes Kolloquium statt, dessen Vorträge nunmehr der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt werden. Es wäre nach den Worten des Herausgebers ohne die Ressourcen des Instituts nicht möglich gewesen.
Insgesamt enthält der schlanke Band neun Studien über Sprachwissen, Ideale, grammatisches Erbe, Luthers Pfingstgeschichte, Dialoge, Sprachwechsel, Luthers Antijudaismus, die Züricher Bearbeitung der Bibel Luthers und über Bibelrevisionen von 1522 bis 2017. Da das Werk unmittelbar nach seinem Bekannt |
|
Meier, Heinrich, Was ist Nietzsches Zarathustra? – Eine philosophische Auseinandersetzung. Beck, München 2017, 240 S. Besprochen von Werner Augustinovic. |
Ganzen Eintrag anzeigen Meier, Heinrich, Was ist Nietzsches Zarathustra? Eine philosophische Auseinandersetzung. Beck, München 2017. 240 S. Besprochen von Werner Augustinovic.
Kaum jemand, dessen Bildungsweg gänzlich an ihm vorbeigeführt hätte, an Friedrich Nietzsche (1844 – 1900), dem sächsischen Altphilologen und Philosophen, der sein Leben so unglücklich in geistiger Umnachtung beschloss und durch seine vielzitierte Schrift „Also sprach Zarathustra“ (1885/1887) die Welt mit der Konzeption des „Übermenschen“ in tragische Verwirrungen stürzte. In diesen Landmarken dürfte sich das Wissen der meisten Zeitgenossen ohne spezielle Affinität zur philosophischen Disziplin aber auch schon erschöpfen, mag doch der „Zarathustra“ aus unterschiedlichen Gründen heute nur mehr selten auf der Lektüreliste durchschnittlicher Leser erscheinen. Dies ist aus Sicht des Rezensenten durchaus zu beklagen, denn das der Gattung des Prosagedichts zugeschriebene „Buch für Alle und Keinen“ (Untertitel) ist allein in seinem ebenso einfachen wie bildhaft-poetischen Stil von einem außerordentlichen sprachlichen Reiz, der mit der üblichen Hermetik philosophischer Abhandlungen wenig gemein hat.
Der Titel „Was ist Nietzsches Zarathustra?“ weckt daher die Erwartungshaltung, es könne sich bei der aktuellen Publikation um eine Schrift handeln, welche die unterschiedlichen Überlegungen, die Nietzsches wahrscheinlich berühmtester Text in mittlerweile über 130 Jahren angestoßen hat, unter Einbeziehung allgemeiner und fachspezifischer historischer Kontexte vorstellt, diskutiert und wertet. Doch bereits ein erster Blick in das aufgeschlagene Buch erweist solche Hoffnungen als trügerisch: Nur knappe eineinhalb Seiten Vorwort benötigt der Verfasser zur Erläuterung seines Ansatzes und der Genese seiner Ideen, gefolgt von einem knappen Kapitel von weiteren fünf Seiten Umfang, dessen Titel mit dem Buchtitel ident ist und das gleichsam jene Interpretationsgrundlage darlegt, auf der in weiterer Folge die vie |
|
Nichts zu klagen? Der Rückgang der Klageeingangszahlen in der Justiz. Mögliche Ursachen und Folgen, hg. v. Höland, Armin/Meller-Hannich, Caroline. Nomos, Baden-Baden 2016. 153 S. Angezeigt von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen Nichts zu klagen? Der Rückgang der Klageeingangszahlen in der Justiz. Mögliche Ursachen und Folgen, hg. v. Höland, Armin/Meller-Hannich, Caroline. Nomos, Baden-Baden 2016. 153 S. Angezeigt von Gerhard Köbler.
Seit ihren ersten Anfängen bis zu der unmittelbaren Gegenwart hat die Zahl der Menschen weltweit zugenommen, ist ihre Lebenserwartung gestiegen und ihr Vermögen gewachsen. In diesem Rahmen ist es der Menschheit gelungen, die bloße Gewalt durch den Verstand zu ergänzen, wozu die Entwicklung des Rechtes und des Verfahrens gerechnet werden kann. Auch sie haben an dem weltweiten zahlenmäßigen Höhenflug teilgenommen und doch müssen die beiden in Halle-Wittenberg tätigen Herausgeber fragen, ob die Justiz den bei dieser Vorgeschichte an sich nicht zu erwartenden Rückgang der Klageeingangszahlen in den letzten Jahren nicht zu beklagen hat.
Nach ihren in den schmalen Sammelband einführenden Worten glaubt, wer die justizpolitischen und rechtssoziologischen Diskurse des späten 20. Jahrhunderts in Deutschland in Erinnerung hat, seinen Augen nicht zu trauen. Die Zahlen der Klageeingänge der Institution Justiz wechselten innerhalb erstaunlich kurzer Zeit von Flut zu Ebbe. Seit den Jahren 2003 bis 2005 sind die Klageeingangszahlen in der Zivilgerichtsbarkeit, Arbeitsgerichtsbarkeit, Finanzgerichtsbarkeit und Verwaltungsgerichtsbarkeit und seit 2011 selbst in der Sozialgerichtsbarkeit in den Sinkflug übergegangen.
Mit dieser auffälligen Erscheinung befassen sich insgesamt zehn Beiträge auf der Suche nach dem Problem, seinen Ursachen und Folgen. Dabei bieten sie unter Verwendung vieler Tabellen und Abbildungen Fakten, Überlegungen und Maßnahmen, Erfahrung mit Streitverhalten und Streitbeilegung aus Justiz und Schlichtung, ermitteln die Bedeutung von Konjunkturzyklen, das Gewicht von Entscheidung und Schlichtung, von Streitverhalten und Streitbeilegung sowie von Prozessflut und Prozessebbe. Am Ende fragt Bernd Hirtz allgemein nach der Zukunf |
|
Nolte, Hans-Heinrich, Kurze Geschichte der Imperien, mit einem Beitrag von Nolte, Christiane. Böhlau, Wien 2017. 505 S., 18 Tab., 12 Kart. Angezeigt von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen KöblerNoltekurzegeschichtederimperien20180618 Nr. ZIER 8 (2018) 00. IT
Nolte, Hans-Heinrich, Kurze Geschichte der Imperien, mit einem Beitrag von Nolte, Christiane. Böhlau, Wien 2017. 505 S., 18 Tab., 12 Kart. Angezeigt von Gerhard Köbler.
In dem Laufe seiner Geschichte fand der Mensch auf Grund seines Verstandes zu immer mehr Möglichkeiten der Beherrschung der Erde. Etwa vor rund zehntausend Jahren gelang ihm dabei die Sesshaftwerdung in dem vorderen Orient zwischen Afrika und Europa. Von den dabei entstehenden Städten aus vermochte er in der Folge verschiedene politische Gebilde zu errichten, die sich nach lateinischem Vorbild als Imperien verstehen lassen.
Mit ihnen hat sich der in Ulm 1938 geborene, nach dem Studium von Geschichte und Germanistik in Marburg, Münster und Göttingen dort 1967 mit einer Dissertation über religiöse Toleranz im Russland zwischen 1600 und 1725 promovierte, nach dem Wechsel nach Hannover (1970) dort 1975 als Assistent mit einer Schrift über die sowjetische Geschichtsschreibung der deutschen Ostexpansion (Drang nach Osten) habilitierte Verfasser, Emeritus für osteuropäische Geschichte an dem Historischen Seminar der Universität Hannover, bereits in seinem in dem gleichen Verlag 2005 erschienenen Werk mit dem Titel Weltgeschichte - Imperien, Religionen und Systeme 15.-19. Jahrhundert befasst (392 Seiten). Dem hat er 2009 eine Weltgeschichte des 20. Jahrhunderts folgen lassen.
Das auf dieser breiten Sachgrundlage verfasste vorliegende Werk ist bereits von Werner Augustinovic vorzüglich analysiert worden. Deswegen genügt an dieser Stelle der einfache wiederholende Hinweis aus dem Vorwort, dass das Buch sich an historisch und politisch interessierte Bürger wendet, die in der Geschichte nach Hinweisen suchen, wie man die Gegenwart angemessen gestalten kann, aber skeptisch gegenüber plakativen Analysen sind. Sie erhalten in sechs Abschnitten vielfältige Aufklärung über die Frage, ob wir |
|
Patschovsky, Alexander, Ein kurialer Ketzerprozess in Avignon (1354). Die Verurteilung der Franziskanerspiritualen Giovanni di Castiglione und Fracesco d'Arquata (= Monumenta Germaniae Historica, Studien und Texte 64). Harrassowitz, Wiesbaden 2018. XVIII, 136 S. Angezeigt von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen Patschovsky, Alexander, Ein kurialer Ketzerprozess in Avignon (1354). Die Verurteilung der Franziskanerspiritualen Giovanni di Castiglione und Fracesco d'Arquata (= Monumenta Germaniae Historica, Studien und Texte 64). Harrassowitz, Wiesbaden 2018. XVIII, 136 S. Angezeigt von Gerhard Köbler.
Ketzer (13. Jh., Häretiker) ist in dem katholischen Kirchenrecht jeder bewusste Leugner eines kirchlichen Grundsatzes. Ketzerische Lehren erscheinen bereits kurz nach der Begründung des Christentums, wobei die Abgrenzung zwischen Glauben und Irrglauben objektiv kaum möglich und der Vorwurf der Ketzerei vielfach mit anderen Überlegungen (z. B. menschliche Ablehnung, wirtschaftlicher Wettbewerb, Machtstreben) verbunden ist. Die Kirche bekämpft die Ketzer mit Exkommunikation, seit Gratian (um 1140) mit Verbannung, Gütereinziehung und gegebenenfalls kriegerischem Vorgehen, der Staat mit Verbannung, Beschlagnahme und Todesstrafe.
Die von dem in Ratibor 1940 geborenen, in Göttingen, Wien und München in Geschichte, Germanisitik und klassischer Philologie ausgebildeten, in München 1966 bei Herbert Grundmann promovierten, während einer Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter bei den Monumenta Germaniae Historica in München 1978 habilitierten und seit 1988 in Konstanz für mittelalterliche Geschichte wirkenden Verfasser vorgelegte schlanke Studie hat nach dem Vorwort eine lange Vorgeschichte. Während systematischer Recherchen zu ungedruckten häreseologischen Materialien in mittelalterlichen Handschriften mitteleuropäischer Bibliotheken während der sechziger und siebziger Jahre des 20. Jahrhunderts stieß er auch auf Überlieferungen eines Avignoneser Prozesses, deren Publikation er in Aussicht stellte. Viele Jahre später konnte er sie nunmehr erfreulicherweise auch an optimaler Stelle verwirklichen.
Gegliedert ist das eindrucksvolle Werk nach hilfreichen Verzeichnissen in eine Einleitung, in der die personae dramatis, Ort und Zeit, Vorgeschi |
|
Peters, Verena, Der „germanische“ Code civil. Zur Wahrnehmung des Code civil in den Diskussionen der deutschen Öffentlichkeit (= Beiträge zur Rechtsgeschichte des 20. Jahrhunderts 95). Mohr Siebeck, Tübingen 2018. XVI, 276 S. Angezeigt von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen Peters, Verena, Der „germanische“ Code civil. Zur Wahrnehmung des Code civil in den Diskussionen der deutschen Öffentlichkeit (= Beiträge zur Rechtsgeschichte des 20. Jahrhunderts 95). Mohr Siebeck, Tübingen 2018. XVI, 276 S. Angezeigt von Gerhard Köbler.
Nach dem allgemeinen Wissensstand der Gegenwart lebten vor 2000 bis 3000 zwischen Skandinavien und dem Mittelmeer Römer und Germanen, von denen die Römer ab der zweiten Hälfte des ersten vorchristlichen Jahrtausends zu Schrift, Macht und Recht kamen, während die nördlich von ihnen lebenden Germanen bis zu der allgemeinen Völkerwanderung in ihren hergebrachten, in den einzelnen Gegebenheiten nicht näher bekannten Umständen verharrten. Seit 375 n. Chr. drangen sie unter dem Druck der Hunnen allerdings mehr und mehr in das hochzivilisierte weströmische Reich ein und lösten wie etwa der Franke Chlodwig 486 den weströmischen Statthalter Syagrius die Römer als Machthaber in der bisherigen Provinz Gallien ab. Seit ab 1804 durch Napoleon das Recht Frankreichs aus der südlichen Hälfte des tradierten geschriebenen (römischen) Rechtes und der nördlichen Hälfte des von den Franken beeinflussten Rechtes der coutumes zu einer einzigen Einheit in fünf naturrechtlich geprägten Codes zusammengefasst wurde, stellt sich auf dieser Grundlage die Frage des „germanischen“ Code civil.
Ihr geht die 1985 geborene, in Köln und Paris in der Rechtswissenschaft ausgebildete, nach der ersten juristischen Staatsprüfung des Jahres 2010 als wissenschaftliche Mitarbeiterin an dem Institut für neuere Privatrechtsgeschichte, deutsche und rheinische Rechtsgeschichte der Universität Köln tätige Verfasserin, in ihrer von Hans-Peter Haferkamp betreuten, in dem Wintersemester 2015/2016 von der juristischen Fakultät Universität Köln angenommenen Dissertation sorgfältig nach. Dabei unterscheidet sie nach einer Einleitung über Fragestellung, methodische Vorgehensweise, Entstehung und Inhalt des Code civil, Zivilrechtskodifikation |
|
Pieroth, Bodo, Recht und amerikanische Literatur. Von James Fenimore Cooper bis Susan Glaspell. Beck, München 2017. 310 S. Besprochen von Albrecht Götz von Olenhusen. |
Ganzen Eintrag anzeigen GötzvonOlenhusenPierothrechtundamerikanische20180502 Nr. 16693 ZIER 8 (2018) 00. IT
Pieroth, Bodo, Recht und amerikanische Literatur. Von James Fenimore Cooper bis Susan Glaspell. Beck, München 2017. 310 S. Besprochen von Albrecht Götz von Olenhusen. ZIER 8 (2018) 00. IT
Welche Grund-Fragen, welche schlüssigen Antworten liefert das Recht, das uns in der us-amerikanischen Literatur des 19. und 20. Jahrhunderts begegnet? Bodo Pieroth, prominenter Universitätslehrer und Kommentator im öffentlichen Recht, stellt 14 in Meisterwerken verarbeitete oder auf rechtliche Themen Bezug nehmende „Fälle“ vor. Die Antworten fallen namentlich im Kontext ihrer Entstehungszeiten so unterschiedlich aus wie die fiktiven Protagonisten, ihre Orte und historisch-gesellschaftlichen Situationen selbst.
Das Verhältnis des Einzelnen zum Staat bildet nach dem Ansatz des Verfassers die Klammer für die Auswahl des ersten Teils. Subjektiv und different sind manche Perspektiven des Autors, der eigens prägnante Passagen der Romane und stories glänzend übersetzt hat. Eine frühere Sammlung von Schiller bis Martin Walser hatte deutsche Werke in den Mittelpunkt gestellt.
Die weit ausgreifende Analyse von Coopers denkwürdigem Roman „Die Ansiedler“ (1823) demonstriert, wie nicht nur rechtliche Themen und Konflikte in ihrer Ära aufgezeigt werden, sondern fragt auch nach den „Rechtswirkungen“. Die ideologiekritischen Tendenzen schließen die früheren Antworten des „Naturrechts“ ein, messen sie dazu meist mit der Elle des modernen Rechts.
Das methodische Dilemma, das literarisch-fiktionale Frage- und Antwort-Spiel a posteriori zu betrachten und die Realitäten künstlerischer Felder mit den Maßstäben eines ganz anderen Feldes, des juristischen, zu konfrontieren, kann die jeweilige Autonomie aus dem Blick verlieren lassen : Denn nicht zwingend offenbaren sich dabei jeweils das „richtige Recht“, die gerechte Antwort, die treffende Subsumtion und legal |
|
Pieroth, Bodo, Recht und amerikanische Literatur. Von James Fenimore Cooper bis Susan Glaspell. Beck, München 2017. 310 S. Angezeigt von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen Pieroth, Bodo, Recht und amerikanische Literatur. Von James Fenimore Cooper bis Susan Glaspell. Beck, München 2017. 310 S. Angezeigt von Gerhard Köbler.
Wie die meisten seiner Gedanken bringt der Mensch auch das Recht seit dessen Entstehung in der vermutlich etwas älteren Sprache anderen Menschen gegenüber zum Ausdruck. Deswegen erscheint Recht in der Regel als Text. Dieser kann Teil von Literatur sein.
Dementsprechend gibt es viele Verbindungslinien zwischen Recht und Literatur. Zahlreiche Juristen sind zugleich auch Literaten und manche von ihnen, wie etwa Goethe oder Heine, sind durch Literatur bekannter geworden als durch Recht. Dementsprechend veröffentlich auch die Neue Juristische Wochenschrift als bisher erfolgreichste deutsche Rechtszeitschrift immer wieder Hefte, die sich besonders der Beziehung zwischen den beiden genannten Lebensbereichen widmen.
Bodo Pieroth, in Chemnitz 1945 geboren, nach dem Studium der Rechtswissenschaft in München, Bonn und Freiburg im Breisgau 1975 in Heidelberg mit einer Dissertation über Störung, Streik und Aussperrung an der Hochschule promoviert, 1981 mit einer Schrift über Rückwirkung und Übergangsrecht habilitiert und danach in Bonn, Bochum, Marburg und Münster in dem Bereich des öffentlichen Rechts tätig, hat sich seit vielen Jahren auch besonders für die Verfassungsgeschichte interessiert. Auf dieser Grundlage hat er 2015 eine vertiefende Untersuchung über Recht und Literatur – von Friedrich Schiller bis Martin Walser - vorgelegt, der nunmehr in loser Anknüpfung an verschiedene frühere Studienaufenthalte in den Vereinigten Staaten von Amerika das vorliegende Werk folgt. Es hat nach seinem Bekanntwerden das besondere Interesse eines sachkundigen Rezensenten gefunden, so dass an dieser Stelle ein erster vorläufiger Hinweis darauf genügt, dass es in seinen beiden gleich weiten, inhaltlich geordneten Teilen über Recht und Staat sowie Mensch und Gericht in 14 Abschnitten (zu den Erscheinungs |
|
Pilgrim, Volker Elis, Hitler 1 und Hitler 2 – Das sexuelle Niemandsland. Osburg Verlag, Waldachtal 2017. 924 S. Angezeigt von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen Pilgrim, Volker Elis, Hitler 1 und Hitler 2 – Das sexuelle Niemandsland. Osburg Verlag, Waldachtal 2017. 924 S. Angezeigt von Gerhard Köbler.
Der in Braunau am Inn 1889 als Sohn eines Zollamtsoberoffizials geborene Adolf Hitler ist der wohl weltweit bekannteste Deutsche der Gegenwart. Nach mäßig erfolgreichem Schulbesuch wurde er erfolgloser Kunstaspirant, in dem ersten Weltkrieg verletzt überlebender Meldegänger des Deutschen Reiches und danach auf der Suche nach tatsächlichem Überleben trotz Berufslosigkeit politischer Schulungsbediensteter, wobei er insgesamt völlig unauffällig blieb. In einem Brief an Adolf Gemlich von dem 16. 9. 1919 lässt er erstmals Zeichen von Antisemitismus erkennen, wird an dem 19. 10. 1919 fünfundfünfzigstes Mitglied der Deutschen Arbeiterpartei, an dem 29. Juli 1921 Parteivorsitzender, an dem 20. Januar 1933 Reichskanzler und danach millionenfacher geistiger Mörder, ohne dass dies irgendjemand so vorausgesehen hätte.
Der in Wiesbaden 1942 als Volker Elis von Pilgrim in einer brandenburgischen, dem Umfeld Hermann Görings verbundenen Adelsfamilie geborene, auf dem Umschlag des vorliegenden Werkes eindrucksvoll abgelichtete Verfasser konvertierte nach dem Studium von Psychologie, Geschichte, Rechtswissenschaft, Soziologie, Musik, Filmwissenschaft und Theaterwissenschaft in Göttingen, Frankfurt am Main, Wiesbaden und München sowie der in Frankfurt am Main 1971 abgeschlossenen Promotion über den urheberrechtlichen Schutz der angewandten Formgestaltung in Melbourne zu dem Judentum. Hervorgetreten ist er durch zahlreiche Werke über Deutschlands Supersau, den Untergang des Mannes, die Dressur des Bösen. Freud und Leid der „Onanie“, Sex antarcticus, Männerbilder, Manifest für den freien Mann, Frau Dr. Johnson, das Paradies der Väter, die Elternaustreibung, zehn Gründe, kein Fleisch mehr zu essen, Muttersöhne, Schlaf, Depression und die Weiblichkeit, Adieu Marx, jüdische Emigration nach Australien, Vatersöhne, Frauen a |
|
Pilgrim, Volker Elis, Hitler 1 und Hitler 2 – Erstes Buch Das sexuelle Niemandsland. Osburg Verlag, Waldachtal 2017. 923 S. Abb. Besprochen von Werner Augustinovic. |
Ganzen Eintrag anzeigen Pilgrim, Volker Elis, Hitler 1 und Hitler 2. Erstes Buch Das sexuelle Niemandsland. Osburg, Hamburg 2017. 923 S., 23 Abb. Besprochen von Werner Augustinovic.
Das Ausleben der Sexualität eines Menschen zählt zu jenen Aktivitäten, die üblicher Weise dem privaten Raum zuzurechnen sind und nach den traditionellen Regeln des bürgerlichen Anstandes nicht in die Öffentlichkeit gehören. Daraus folgt, dass Detailinformationen über die Art und Weise des Vollzugs zumeist exklusives Wissen der involvierten Sexualpartner bleiben. Es erscheint daher ein wenig Erfolg versprechendes Unterfangen, im Nachhinein verlässliche Feststellungen zum Intimleben eines Menschen treffen zu wollen, der seinen privaten Bereich abseits gezielter Inszenierungen weitgehend unter Verschluss hielt und dessen Tod mehr als 70 Jahre zurückliegt. Das Ganze wäre wohl kaum ein Thema, hieße das Objekt der Betrachtung nicht Adolf Hitler und hätten er und seine Herrschaft nicht den Tod von Millionen Menschen und den Versuch der vollständigen Vernichtung des europäischen Judentums zu verantworten. Und selbst dann ist die Frage zu stellen, ob über die Befriedigung frivoler voyeuristischer Bedürfnisse des Boulevards hinaus die Exploration der Sexualität dieses Menschen irgendeinen Erkenntnisgewinn im Hinblick auf seine historische Einordnung zu generieren vermag.
Der in den Rechtswissenschaften, Kriminologie, Geschichte, Psychiatrie und Soziologie multidisziplinär ausgebildete Volker Elis Pilgrim, unkonventioneller Autor mehrerer Publikationen zu einer Geschlechter-spezifischen Destruktionstheorie, ist davon zutiefst überzeugt. Die Dichotomie „Hitler 1“ und „Hitler 2“ nimmt Bezug auf die in der Hitler-Biographik seit langem diskutierte Frage, warum der unsichere, unauffällige Mann („Hitler 1“) ab 1918 eine gravierende Wesensveränderung zum radikalen, fanatisierten Hardliner vollzog, der nicht davor zurückschreckte, schlimmste Gewaltexzesse zu entfesseln („Hitler 2“). Der Verfasser mei |
|
Pitzer, Saskia, Die Mieteinigungsämter zwischen 1914 und 1918 (= Rechtsgeschichtliche Studien 78). Kovač, Hamburg 2017. XVIII, 357 S. Besprochen von Werner Schubert. |
Ganzen Eintrag anzeigen Pitzer, Saskia, Die Mieteinigungsämter zwischen 1914 und 1918 (= Rechtsgeschichtliche Studien 78). Kovač; Hamburg 2017. XVIII, 357 S. Besprochen von Werner Schubert.
Die Mieteinigungsämter, deren Errichtung entsprechend einer Bekanntmachung des Bundesrats vom 15. 12. 1914 in Verbindung der Ausführungsverordnungen der Bundesstaaten auf Antrag der Ortsgemeinden von den Landeszentralbehörden errichtet werden konnten, sind bisher noch nicht Gegenstand einer eigenen rechtshistorischen Untersuchung gewesen. Es ist deshalb zu begrüßen, dass sich Pitzer dieser Thematik unter Einbeziehung des Aktenbestandes der Stadtarchive Düsseldorf und Bergisch-Gladbach und unter Auswertung von Tageszeitungen angenommen hat. Ende 1914 bestanden Mieteinigungsämter, die jedoch keine Zwangsbefugnisse hatten, bereits in mehreren Großstädten (S. 70ff.); diese konnten in Mieteinigungsämter entsprechend der Bekanntmachung von 1914 umgewandelt werden, welche die Parteien verpflichten konnten, vor ihnen zu erscheinen. Eine Verpflichtung der Gemeinden zur Errichtung von Mieteinigungsämtern bestand nicht, wobei bei deren Fehlen die Amtsgerichte für die mietrechtlichen Zahlungsstreitigkeiten zuständig waren. Jedoch konnten ab 1917 die Landeszentralstellen die Gemeinden dazu anhalten, ein Amt zu errichten (S. 126). Die Einigungsämter konnten zunächst nur auf einen „billigen Interessenausgleich“ (S. 165) hinwirken. Erst mit den Mieterschutzgesetzen von 1917/1918 erhielten die Mieteinigungsämter auch Entscheidungsbefugnisse.
In Teil 2 (S. 7-58) kennzeichnet Pitzer zunächst den Mangel an Kleinwohnungen insbesondere in der zweiten Hälfte des ersten Weltkriegs und die „Missstände“ im Gerichtsverfahren über Mietstreitigkeiten. In Teil 3 geht sie ein auf die „Reaktionen der gesetzgebenden Gewalt auf Krise von Wohnungsmarkt und Mietrecht“ (S. 59-115). Insbesondere werden behandelt die Bekanntmachungen über die Mieteinigungsämter, deren Befugnisse und das vor ihnen geltende Ve |
|
Posch, Thomas, Johannes Kepler - Die Entdeckung der Weltharmonie. Theiss, Darmstadt 2017. 264 S., Ill. Angezeigt von Judith Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen Posch, Thomas, Johannes Kepler – Die Entdeckung der Weltharmonie. Theiss, Darmstadt 2017. 264 S., Ill. Kart. Angezeigt von Judith Köbler.
Johannes Kepler (auch Keppler) wurde in Weil der Stadt an dem 27. Dezember 1571 geboren und starb nach einem bewegten Leben in Regensburg an dem 15. November 1630. Er verwendete die Optik wissenschaftlich und entdeckte die Regelmäßigkeiten, nach denen sich die Planeten um die Sonne bewegen. Dadurch wurde er einer der Begründer der modernen Naturwissenschaft.
Der als wissenschaftlicher Mitarbeiter der Universitätssternwarte Wien tätige Verfasser will die Lücke einer aktuellen deutschsprachigen Biographie Keplers vor allem deswegen schließen, weil er selbst von der Vorbildfunktion des als evangelischer Theologe, Naturphilosoph, Mathematiker, Optiker, Astronom und Astrologe wirkenden Gelehrten zutiefst überzeugt ist. Er gliedert seine detaillierte, sorgfältige Studie in erster Linie chronologisch und folgt damit dem Lebensweg von Tübingen über Graz und Prag bis nach Linz. An vielen Stellen lässt er dabei die Quellen selbst zu Wort kommen.
Insgesamt gelingt dem Verfasser eine gut verständliche, ausgewogene, mit verschiedenen Abbildungen veranschaulichte Studie zu Leben und Werk des berühmten, das gesamte Weltbild des Menschen modernisierenden Gelehrten. Eine Zeittafel an dem Ende erleichtert den raschen Überblick über den vielseitigen Lebensweg zwischen Reformation und Gegenreformation. Wer immer sich für Johannes Kepler und seine wichtigen Beiträge auf dem Wege von den mittelalterlichen Anschauungen zu der naturwissenschaftlich geprägten Gegenwart interessiert, wird durch den schlanken Band klar und sachgerecht informiert.
Innsbruck Judith Köbler
|
|
Rauchensteiner, Manfried, Unter Beobachtung. Österreich seit 1918. Böhlau, Wien 2017. 628 S., 25 Abb., 3 Kart. Besprochen von Werner Augustinovic. |
Ganzen Eintrag anzeigen Rauchensteiner, Manfried, Unter Beobachtung. Österreich seit 1918. Böhlau, Wien 2017. 628 S., 25 Abb., 3 Kart. Besprochen von Werner Augustinovic.
Im heurigen Jahr 2018 vollenden sich hundert Jahre österreichischer Geschichte seit dem verlorenen Ersten Weltkrieg und dem damit einhergehenden Zusammenbruch der Habsburgermonarchie – ein willkommener Anlass, um zusammenfassend Rückschau zu halten auf die prägnanten Landmarken dieses an Wandlungen so reichen Centenniums. Der renommierte österreichische Militärhistoriker und ehemalige Leiter des Heeresgeschichtlichen Museums (HGM) in Wien, Manfried Rauchensteiner, hat seine Überblicksdarstellung in assoziativer Anknüpfung an einen Ausschnitt aus einem Gemälde von Otto Dix, der den Einband des vorliegenden Buches schmückt, unter das Motto der Beobachtung gestellt, der Rest-Österreich – 1918 innerhalb Europas gleichsam über Nacht „von einer Unentbehrlichkeit zur Verlegenheit“ und nach 1945 wiederum zu einem „Stabilitätsfaktor“ geworden – seitdem verstärkt von außen, aber auch von innen unterliege: „Jedes Mal, wenn sich in Österreich etwas tat, stand das Land unter Beobachtung. Und auch dann, wenn sich nichts tat. Immer wieder galt es als Problemzone, dann wieder als Sonderfall, als Musterschüler und gleich mehrfach als der böse Bube, dem man ganz genau auf die Finger schauen wollte“. Die Wahrnehmung dieses Verhaltens rechtfertige es, „dass man die Geschichte eines Landes, das sich selbst manchmal nicht wichtig nimmt, als wichtig für die Gesamtentwicklung eines Kontinents versteht und sich selbst eingestehen kann, dass es eine spannende Geschichte ist“ (S. 9f.).
Inklusive des Nachworts benötigt der Verfasser für die Aufbereitung der Inhalte 25 Kapitel, jedes davon eröffnet mit einer charakteristischen, ganzseitig reproduzierten und mit Erläuterungen versehenen Fotografie in Schwarzweiß. Acht Kapitel behandeln die Jahre vom Ende des Ersten Weltkriegs bis zum „Anschluss“ (1918 – 1938), fünf die Ära |
|
Regesten Kaiser Ludwigs des Bayern (1314-1347), nach Archiven und Bibliotheken geordnet hg. v. Menzel, Michael. Heft 11 Die Urkunden aus den Archiven und Bibliotheken Berlins, Brandenburgs, Mecklenburg-Vorpommerns, Sachsens, Sachsen-Anhalts, Thüringens, bearb. v. Bulach, Doris. Böhlau, Wien 2018. XLIII, 418 S. Angezeigt von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen Regesten Kaiser Ludwigs des Bayern (1314-1347), nach Archiven und Bibliotheken geordnet hg. v. Menzel, Michael. Heft 11 Die Urkunden aus den Archiven und Bibliotheken Berlins, Brandenburgs, Mecklenburg-Vorpommerns, Sachsens, Sachsen-Anhalts, Thüringens, bearb. v. Bulach, Doris. Böhlau, Wien 2018. XLIII, 418 S. Angezeigt von Gerhard Köbler.
Für die den rund 3600 Regesten Johann Friedrich Böhmers (1839-1865) folgende modernisierte Regestierung Ludwigs des Bayern liegen bereits zehn Hefte vor, die Württemberg, Baden, das bayerische Hauptstaatsarchiv und die bayerische Staatsbibliothek in München, das Elsass, Schwaben, die Schweiz, Oberbayern und Niederbayern, Österreich, die Oberpfalz und Tschechien sowie Mittelfanken und Oberfranken umfassen. Dem fügt der vorliegende Band die Urkunden aus den Archiven und Bibliotheken der fünf neuen Bundesländer und Berlins an. Ihre Zahl beträgt 515 aus 43 von 390 konsultierten Archiven und Bibliotheken.
Davon schöpfen 257 Nummern aus Originalen. Gegenüber Böhmer kann das vorliegende Regestenwerk den Bestand um 29 Prozent vermehren. Im Detail beschreibt die umfangreiche sachkundige Einleitung den historischen Raum, die Überlieferungsorte und die Überlieferungslage sowie die Beständeaufarbeitung sehr sorgfältig und wertet sie für die Urkundenbetreffe und die Politik Ludwigs hilfreich aus, um dann die äußeren und inneren Merkmale sowie die Kanzlei zu durchleuchten und den Forschungsertrag festzuhalten und Archive und Bibliotheken, Abkürzungen und Siglen sowie Digitalisate (nur Digitalisat LASA – Standort Magdeburg – 48, 79) aufzuführen.
Dem Abdruck der Regesten (S. 3ff., 1314 Dezember 2, Köln-1328 Januar 17-1347 Oktober 11) schließen sich Quellen und Literatur, Empfängergruppen und Empfängerliste sowie ein Register der Ortsnamen, Personennamen und der damit eindeutig zu verbindenden Amtsbezeichnungen, Funktionsbezeichnungen und Sachbezeichnungen. Damit ist die Aufarbeitung der Überlieferung Ludwigs |
|
Remy, Maurice Philipp, Der Fall Gurlitt – die wahre Geschichte über Deutschlands größten Kunstskandal, 2. Aufl. Europa Verlag. München 2017. 669 S. Besprochen von Werner Augustinovic. |
Ganzen Eintrag anzeigen Remy, Maurice Philip, Der Fall Gurlitt. Die wahre Geschichte über Deutschlands größten Kunstskandal. Europa, Berlin 2017. 669 S., Abb. Besprochen von Werner Augustinovic.
Zu dem Unrecht, das im Zuge der nationalsozialistischen Herrschaft rassisch Verfolgten zugefügt worden ist, zählt unter anderem die Abpressung von Kunstwerken zu einem inadäquaten Gegenwert und deren Eingliederung in verschiedene öffentliche und private Sammlungen. Nach dem Fall des Regimes wurde die Restitution dieser Werke an die ursprünglichen Eigentümer zu einem umstrittenen politischen wie juristischen Feld, das die gesellschaftspolitische Entwicklung widerspiegelt und seit der Jahrtausendwende durch spektakuläre Aktionen wie Beschlagnahmungen nicht nur den Stellenwert der Provenienzforschung steigerte, sondern auch verstärkt mediales Aufsehen erregte. Anfang März 2017 berichtete „Spiegel online“ über die freiwillige Rückstellung von Kunstwerken an Polen durch den Sohn des promovierten Juristen und SS-Gruppenführers Otto (von) Wächter. Wächters Familie soll sich das Material einst im Zuge von dessen Tätigkeit als hoher deutscher Besatzungsfunktionär in Polen illegal angeeignet haben. Ungleich größere Aufmerksamkeit hat ziemlich genau dreieinhalb Jahre zuvor die Causa Cornelius Gurlitt (1932 – 2014), der im November 2013 breit publik gemachte, sogenannte „Schwabinger Kunstfund“ von 2012, auf sich gezogen, der, wie man heute weiß, vorschnell und ganz überwiegend zu Unrecht mit dem Etikett der nationalsozialistischen Raubkunst versehen worden ist. Gurlitts Vater, der Kunsthändler Hildebrand Gurlitt (1895 – 1956), war einst als beauftragter Veräußerer sogenannter „Entarteter Kunst“ und als Einkäufer für das geplante „Führermuseum“ in Linz für die Nationalsozialisten tätig gewesen und hatte privat eine Sammlung von etwa 1.500 Kunstwerken (1.300 Papierarbeiten, 130 Ölbilder, 8 Skulpturen, 60 kunsthandwerkliche Arbeiten) überwiegend der klassischen Moderne zusammengetragen und sei |
|
Richter, Hedwig, Moderne Wahlen. Eine Geschichte der Demokratie in Preußen und den USA im 19. Jahrhundert. Hamburger Edition, Hamburg 2017. 656 S., Abb. Angezeigt von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen Richter, Hedwig, Moderne Wahlen. Eine Geschichte der Demokratie in Preußen und den USA im 19. Jahrhundert. Hamburger Edition, Hamburg 2017. 656 S., Abb. Angezeigt von Gerhard Köbler.
Die Wahl ist die Möglichkeit der Entscheidung zwischen verschiedenen Gegebenheiten und insbesondere die Berufung eines Menschen zu einer Aufgabe durch Abstimmung. Sie findet sich bereits in dem Altertum und von daher auch in der christlichen Kirche. Dabei wird vielleicht das Einstimmigkeitsprinzip allmählich durch den Mehrheitsgrundsatz ersetzt.
Mit der Geschichte der modernen Wahlen befasst sich die 1973 geborene, nach dem Studium von Geschichte, deutscher Literatur und Philosophie in Heidelberg, Belfast und Berlin 2008 in Köln mit einer Dissertation über die Herrnhuter Brüdergemeine in der Deutschen Demokratischen Republik promovierte, nach Tätigkeiten in der Tschechei, in Bielefeld, Greifswald und Washington 2016 in Greifswald auf Grund der vorliegenden Schrift habilitierte und seitdem als wissenschaftliche Mitarbeiterin der Forschungsgruppe Demokratie und Staatlichkeit in Hamburg an dem Institut für Sozialforschung wirkende Verfasserin. Ihr umfangreiches Werk gliedert sich nach einer Einleitung über Demokratie als Fiktion in fünf Kapitel. Sie betreffen Wahlen in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts als Elitenprojekte, die Gemeinschaft der Männer in der Mitte des 19. Jahrhunderts als Männerprojekt, das Dreiklassenwahlrecht als Hybrid zwischen Tradition und Moderne in traditionsbedürftigen Zeiten, die Probleme moderner Herrschaft zwischen Freiheit und Manipulation sowie die Massenpartizipation als Konsens vor dem ersten Weltkrieg.
In ihrem überzeugenden, sich auf Daten aus Preußen und den Vereinigten Staaten von Amerika stützenden, synchrone Entwicklungen aufzeigenden Ergebnis gelangt sie zu der Erkenntnis, dass die Demokratie als Frucht der Aufklärung zwar auch von unten eingefordert, aber auch von oben gewährt wurde. Von hier aus dienten Wahle |
|
Röhrmann, Konstanze, Das Ehescheidungsrecht des ALR und die Reformvorschläge im 19. Jahrhundert. Tectum Verlag, Baden-Baden 2017. IX, 337 S. Besprochen von Werner Schubert. |
Ganzen Eintrag anzeigen Röhrmann, Konstanze, Das Ehescheidungsrecht des ALR und die Reformvorschläge im 19. Jahrhundert. Tectum Verlag, Baden-Baden 2017. IX, 337 S. Besprochen von Werner Schubert.
Obwohl mit den Arbeiten von Stephan Buchholz, Dirk Blasius, Wiebke Mund und des Rezensenten (einschließlich dessen Quellenedition in der Gesetzrevision, Bd. II 5, 6) hinreichend Überblicksdarstellungen zum preußischen Ehe- und Ehescheidungsrecht vorliegen, fehlte bislang eine Detaildarstellung der einzelnen Scheidungstatbestände des ALR sowie eine nähere Darstellung des preußischen Ehescheidungsrechts bis 1794. Dies erfolgt nunmehr mit der an der Freien Universität in Berlin entstandenen Dissertation Konstanze Röhrmanns. Im Abschnitt B II (S. 9-29) geht Röhrmann zunächst der Ehescheidung im protestantischen Ehescheidungsrecht vom 16.-18. Jahrhundert unter Berücksichtigung der Entwicklung in Preußen nach. Wichtig ist die Feststellung, dass bereits 1748 die Ehescheidung von den Konsistorien auf die weltlichen Gerichte übertragen worden war und die große Mehrheit der protestantischen Theologen am Ende des 18. Jahrhunderts der Meinung waren, „auch die starke und unüberwindliche Abneigung (invincibilis aversatio) löse die Ehe auf“ (S. 28). In Teil B III schildert Röhrmann die Entstehung des ALR-Scheidungsrechts unter dem Einfluss Friedrichs II. Bereits im „Project des Corporis Juris Fridericiani“ von 1749 war die „einverständliche Scheidung“ als allgemeine gesetzgeberische Regelung völlig neu (S. 47) entsprechend dem naturrechtlichen Gedankengut (Gesetzeskraft in einigen Provinzen, S. 36ff.). Für die Entstehung des ALR-Scheidungsrechts waren dann maßgebend ein Edikt von 1782, eine KO von 1783 sowie die Arbeiten von Svarez (S. 40ff.).
Im Hauptteil (S. 53-308) geht Röhrmann für die Normen bzw. Normengruppen des ALR-Scheidungsrechts deren Herkunft und Entstehung sowie der jeweiligen Rechtsprechungs- und Reformgeschichte bis 1861 nach. Berücksichtigt wird nicht nur die (veröf |
|
Rüthers, Bernd, Deutsche Funktionseliten als Wende-Experten? – Erinnerungskulturen im Wandel der Systeme und Ideologien 1933, 1945/49 und 1989. UVK Verlag Konstanz 2017. 82 S. Angezeigt von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen Rüthers, Bernd, Deutsche Funktionseliten als Wende-Experten? – Erinnerungskulturen im Wandel der Systeme und Ideologien 1933, 1945/49 und 1989. UVK Verlag Konstanz 2017. 82 S. Angezeigt von Gerhard Köbler.
Der in Dortmund 1930 geborene, in Münster 1958 mit einer Dissertation über Streik und Verfassung promovierte führende Arbeitsrechtler und Rechtstheoretiker Bernd Rüthers, der von 1960 bis 1963 als Direktionsassistent der Daimler-Benz AG auch wichtige praktische Erfahrungen an herausgehobener Stelle sammelte, beschäftigt sich seit seiner vielfach aufgelegten Münsteraner Habilitationsschrift des Jahres 1968 über die unbegrenzte Auslegung als Kern des Wandels der Privatrechtsordnung in dem Nationalsozialismus auch mit grundlegenden rechtsgeschichtlichen Fragen. Dieses Engagement hat er seit seiner Emeritierung in Konstanz noch vertieft. Auf diese Weise sind ihm wesentliche Erweiterungen gelungen, die der vorliegende schmale Band auf knappem Raum zusammenfasst.
Das Vorwort berichtet über die Vorgeschichte. Danach regte ihn nach der Veröffentlichung einer Studie über verfälschte Geschichtsbilder deutscher Juristen in der Neuen Juristischen Wochenschrift in dem Jahre 2016 der ihm bekannte Redakteur einer überregionalen Tageszeitung zu einer Suche nach ähnlichen Verdrängungen und Wahrnehmungsblockaden in anderen staatsnahen Lebensbereichen an, doch lehnte die zugehörige Redaktion den vorgelegten Text mit Bedauern ohne Angabe von Gründen ab. Auch eine Monatsschrift für europäisches Denken war nur anfangs an der Untersuchung des inzwischen von der Thematik gefesselten Verfassers interessiert, zog sich aber nach mehrfachem Hin und Her mit einer vagen Begründung zurück, woraufhin eine Ergänzung, Vertiefung und Aktualisierung beider Entwürfe erfolgte, die sich in neun Abschnitte gliedert.
In ihnen behandelt der Verfasser Erinnerungskulturen (Carl August Emge, Fritz Hartung), personelle Kontinuitäten mit verweigerten Erinnerungen (Hans |
|
Rüthers, Bernd, Wider den juristischen Zeitgeist – Ausgewählte Schriften, hg. v. Henssler, Martin/Höpfner, Clemens. Mohr Siebeck. Tübingen 2017. XI, 628 S. Angezeigt von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen Rüthers, Bernd, Wider den juristischen Zeitgeist – Ausgewählte Schriften, hg. v. Henssler, Martin/Höpfner, Clemens. Mohr Siebeck. Tübingen 2017. XI, 628 S. Angezeigt von Gerhard Köbler.
Nach dem überzeugenden Geleitwort der Herausgeber zählt Bernd Rüthers zu den renommiertesten Arbeitsrechtlern Deutschlands und ist einer der arriviertesten Rechtstheoretiker des 20. Jahrhunderts. Seine von Rolf Dietz betreute Dissertation über den Streik geht von den Interessenbewertungen des Verfassungsrechts aus und seine in der Themenwahl hochriskante, aber den kommenden Zeitgeist vorbereitende Habilitationsschrift über die unbegrenzte Auslegung des Rechts aus politischen Gründen wurde zu einer beispiellosen oder beispielhaften Erfolgsgeschichte. Der Kampf um die inhaltliche Gerechtigkeit musste so zu vielfachen Gegensätzen und Auseinandersetzungen auf den unterschiedlichsten Feldern führen, die seit 1968 in Berlin wie in Konstanz lebenslangen Ruhm eintragen konnten.
Der vorliegende Band enthält 43 in ihrer großen Mehrzahl durch Gefühle angeregte und biographisch beeinflusste, von den Herausgebern in alleiniger Verantwortung ausgewählte Schriften aus den Jahren 1964 bis 2015. Richtschnur war es zum einen, vor allem die heute weniger leicht zugänglichen Beiträge der Allgemeinheit in Erinnerung zu halten, zum anderen, das Juwel der Person des Autors, der sich eine Festschrift stets strikt verbat, dem Leser in all ihren Facetten unmittelbar näherzubringen. Auf diese Weise entsteht von selbst ein beeindruckendes Monument eines unabhängigen, mutigen Gelehrten, der sich um sein Fach und sein Land in höchstem Maße verdient gemacht hat.
Von den vier Abteilungen beginnt das Arbeitsrecht mit der Institutionalisierung von Dauerkonflikten als Lösung gesellschaftlicher Probleme, setzen die Grundfragen des Rechtes mit der Unabhängigkeit des Richters und seiner Bindung an Gesetz und Recht ein, wird die Hochschulpolitik mit den Gefahren von Tendenzuniversitä |
|
Säuberungen an österreichischen Hochschulen 1934-1945 – Voraussetzungen, Prozesse, Folgen, hg. v. Koll, Johannes. Böhlau, Wien 2017. 540 S. 50 Abb. Angezeigt von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen „Säuberungen“ an österreichischen Hochschulen 1934-1945 – Voraussetzungen, Prozesse, Folgen, hg. v. Koll, Johannes. Böhlau, Wien 2017. 540 S. 50 Abb. Angezeigt von Gerhard Köbler.
Der Mensch ist des anderen Menschen ärgster Feind. Deswegen stellt er den anderen immer wieder vor die Frage, sein Bruder sein zu wollen oder den Schädel eingeschlagen zu bekommen. Das ist vermutlich ein von Anfang an bestehender, bisher nicht erfolgreich abgeänderter menschlicher Wesenszug.
Nach der sachkundigen Einleitung des vorliegenden, aus einem Forschungsprojekt Peter Bergers und des als Senior Scientist an dem Institut für Wirtschafts- und Sozialgeschichte der Wirtschaftsuniversität Wien tätigen Herausgebers mit einem Workshop an dem 20. März 2014 hervorgegangenen Sammelbandes fragt er nach Unterschieden, Gemeinsamkeiten und Kontinuitäten zwischen den drei Regimewechseln, die in Österreich in den 1930er und 1940er Jahren mit den Zäsurjahren 1934, 1938 und 1945 stattgefunden haben. Dazu versammelt er sechzehn einzelne Beiträge. Sie gliedern sich in geschichtliche Rahmenbedingungen und methodische Ansätze sowie Hochschulen in Österreich (Fallbeispiele und Vergleiche) und einen biographischen Blickwinkel (auf Josef Hupka, Robert Eder).
Im Eingang behandelt Mitchell G. Ash die österreichischen Hochschulen in den politischen Umbrüchen der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Danach werden Verzeichnisse über illegale studentische politische Aktivitäten im Austrofaschismus, Vertreibung und Emigrationserfahrungen, die Vertreibungspolitik an der Universität Wien, die Wiener Hochschule für Welthandel (da mosaisch zu den Rigorosen nicht zugelassen), die Technische Hochschule in Wien, die Hochschule für Bodenkultur, die Universität für Musik, die Akademie der bildenden Künste in Wien, die Grazer Hochschulen, die politische Lage an der Universität Innsbruck, die Entnazifizierung und Rehabilitierung der Professorenschaft an der Universität Wien und die Entna |
|
Schmitt, Michael, Der Reichsfinanzhof und seine Rechtsprechung in steuerlichen Angelegenheiten jüdischer Mitbürger 1933-1945 (= Hagener juristische Beiträge 2). MV-Wissenschaft, Münster 2017. 180 S. Besprochen von Werner Schubert. |
Ganzen Eintrag anzeigen Schmitt, Michael, Der Reichsfinanzhof und seine Rechtsprechung in steuerlichen Angelegenheiten jüdischer Mitbürger 1933-1945 (= Hagener juristische Beiträge 2). MV-Wissenschaft, Münster 2017. 180 S. Besprochen von Werner Schubert.
Die vorliegende Untersuchung hat der Fernuniversität Hagen im Studiengang „Master of Law“ im Sommersemester 2010 vorgelegen. Die Veröffentlichung dieser Arbeit – wenn auch erst sieben Jahre später - ist vollauf zu begrüßen, da bis jetzt eine systematische Aufarbeitung der Judikatur des Reichsfinanzhofs (RFH) fehlt. Ziel der Untersuchungen Schmitts ist es, anhand von Entscheidungen des Reichsfinanzhofs zu untersuchen, „inwieweit die oberste Steuergerichtsbarkeit diese Rolle des ‚Gehilfen des Reichsministeriums der Finanzen‘ übernommen hatte oder übernehmen musste; und inwieweit sie den Spielraum der Gesetzesauslegung dahingehend ausnutzte, die gesetzlich angelegten Unrechtselemente weiter zu verschärfen“ (S. 11). Dabei beschränkt sich Schmitt darauf, „die Restriktionen im Steuerrecht und die zugehörigen Entscheidungen des RFH gegenüber Angehörigen des jüdischen Glaubens zu untersuchen“ (S. 12). Im urteilsanalytischen Teil wird ein Abschnitt über die „Rahmenbedingungen im zeitlichen Kontext“ vorangestellt (S. 13-59). Der Reichsfinanzhof wurde noch kurz vor dem Ende des Kaiserreichs aufgrund eines Gesetzes vom Juni 1918 zum 1. 10. 1918 in München begründet. Er verfügte 1924 über sechs Senate mit insgesamt 39 Richtern. Der Reichsfinanzhof war eine reine Rechtsinstanz. 1939 wurden die Finanzgerichte abgeschafft. Statt dessen entschied das Landesfinanzamt in besonderen „Abteilungen“ in Anfechtungssachen; diese Abteilungen konnten Rechtsbeschwerden zum Reichsfinanzhof gegen ihre Entscheidungen nur noch in Sachen von „grundsätzlicher Bedeutung oder wegen besonderer Umstände des Einzelfalles zulassen“ (S. 22). S. 24ff. geht Schmitt ein auf die die jüdischen Bürger diskriminierende Gesetzgebung ab 1933. Zu nennen sind hier das St |
|
Schmitt, Michael, Der Reichsfinanzhof und seine Rechtsprechung in steuerlichen Angelegenheiten jüdischer Mitbürger 1933-1945 (= Hagener juristische Beiträge 2). MV-Wissenschaft, Münster 2017. 180 S. Angezeigt von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen Schmitt, Michael, Der Reichsfinanzhof und seine Rechtsprechung in steuerlichen Angelegenheiten jüdischer Mitbürger 1933-1945 (= Hagener juristische Beiträge 2). MV-Wissenschaft, Münster 2017. 180 S. Angezeigt von Gerhard Köbler.
Der Reichsfinanzhof ist das mit Gesetz von dem 26. 7. 1918 geschaffene, in München zu dem 1. 10. 1918 in der ausgehenden Monarchie eingerichtete oberste deutsche Gericht in Finanzstreitigkeiten. Bei Beginn der nationalsozialistischen Herrschaft Adolf Hitlers bestand er also noch nicht einmal fünfzehn Jahre. Nahezu ebenso viele Jahre konnte seine Tätigkeit bis Kriegsende währen.
Mit dieser Zeit beschäftigt sich die von Thomas Vormbaum betreute, in dem Sommersemester 2010 der rechtswissenschaftlichen Fakultät der Fernuniversität Hagen vorgelegte Masterarbeit des Verfassers. Sie hat unmittelbar nach Bekanntwerden das Interesse eines besonderen Sachkenners erweckt. Deswegen genügt an dieser Stelle ein allgemeiner Hinweis.
Gegliedert ist die Arbeit nach einer Einleitung in drei Sachkapitel. Sie betreffen die Rahmenbedingungen in dem zeitlichen Kontext (Entstehung, Steuergesetzgebung, Beamtenrecht, personelle Veränderungen) die Spruchpraxis und den Umgang mit Steuerrecht und Rechtsprechung aus der Zeit der nationalsozialistischen Herrschaft nach dem Kriegsende an dem 8. Mai 1945. Im Ergebnis stellt der Verfasser gegen Franz Josef Strauß und Weber-Fas mit Günther Felix fest, dass der Reichsfinanzhof in nationalsozialistischer Zeit nicht integer geblieben ist, sondern neben einer großen Zahl nicht zu beanstandender Urteile auch (nach Franzen 1,4 Prozent) rechtswidrige Urteile gefällt hat, so dass er einen Anfangsverdacht annimmt, dass der Reichsfinanzhof diskreditiert ist, was bis zu dem hundertsten Geburtstag der Einrichtung eines obersten deutschen Gerichts in Finanzstreitigkeiten genauer geklärt werden könnte.
Innsbruck Gerhard Köbler.
|
|
Schneider, Jürgen, Die Ursachen für den Zusammenbruch der Sowjetunion und der DDR (1945-1990). Eine ordnungstheoretische Analyse (= Beiträge zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte 132, 2). Steiner, Stuttgart 2017. 1672 S., Abb. Angezeigt von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen Schneider, Jürgen, Die Ursachen für den Zusammenbruch der Sowjetunion und der DDR (1945-1990). Eine ordnungstheoretische Analyse (= Beiträge zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte 132, 2). Steiner, Stuttgart 2017. 1672 S., Abb. Angezeigt von Gerhard Köbler.
Nur ziemlich selten ändert sich das Zusammenleben vieler Menschen der gesamten Erde binnen kurzer Zeit durch einen einzigen Gesamtvorgang erheblich. Ein herausragendes Ereignis ist in dieser Hinsicht trotz unübersehbarer Kontinuitäten in der jüngeren Zeitgeschichte der Zusammenbruch der seit der Oktoberrevolution des Jahres 1917 aus Russland entstandenen Union der sozialistischen Sowjetrepubliken (Sowjetunion) und der 1949 aus der sowjetischen Besatzungszone des von den alliierten Siegermächten des zweiten Weltkriegs niedergerungenen Deutschen Reiches gebildeten Deutschen Demokratischen Republik. Da beides noch in dem Sommer des Jahres 1989 kaum vorstellbar schien, ist ein umfassendes Werk über die Ursachen für den Zusammenbruch dieser beiden Staaten von besonderer Bedeutung.
Vorgelegt wird es ohne orientierende Vorbemerkung als zweiter Teil des Bandes 132 der Beiträge zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte in Kommission bei dem Verlag Steiner in Stuttgart von dem 1937 geborenen Wirtschaftswissenschaftler und Sozialhistoriker Jürgen Schneider, der sich im gleichen Verlag bereits 1995 mit der bayerischen Beamtenbank, 2001 mit dem öffentlichen und privaten Wirtschaften in sich wandelnden Wirtschaftsordnungen und 2003 mit natürlichen und politischen Grenzen als sozialer und wirtschaftlicher Herausforderung befasst hatte. Gegliedert ist das gewichtige Werk in 19 Kapitel. Sie betreffen die Neustrukturierung der globalen Einflusssphären nach 1945, Deutschland unter alliierter Besatzung, die universale Neuordnung der Weltwirtschaft durch die Vereinigten Staaten von (Nord)Amerika nach 1945 und die Währungsreform in den Besatzungszonen der westlichen Alliierten von dem 20. Juni 1948, die Transfo |
|
Schroeder, Klaus-Peter, „Sie haben kaum Chancen, auf einen Lehrstuhl berufen zu werden“ – Die Heidelberger juristische Fakultät und ihre Mitglieder jüdischer Herkunft (= Heidelberger rechtswissenschaftliche Abhandlungen 16). Mohr Siebeck, Tübingen 2017. XIV, 372 S. Besprochen von Albrecht Götz von Olenhusen. |
Ganzen Eintrag anzeigen Schroeder, Klaus-Peter, „Sie haben kaum Chancen, auf einen Lehrstuhl berufen zu werden“ – Die Heidelberger juristische Fakultät und ihre Mitglieder jüdischer Herkunft (= Heidelberger rechtswissenschaftliche Abhandlungen 16). Mohr Siebeck, Tübingen 2017. XIV, 372 S. Besprochen von Albrecht Götz von Olenhusen.
Der Heidelberger Rechtshistoriker Klaus-Peter Schroeder ergänzt mit dieser Spezialstudie seine großangelegte bedeutende Geschichte der Heidelberger Juristenfakultät im 19. und 20. Jahrhundert (2011). Sie gilt den eindrucksvollen und maßgebenden Leistungen jüdischer Rechtsgelehrter an der Ruperto Carola. Es ist sehr zutreffend, dass die deutsche Rechtswissenschaft in der zweiten Hälfte des 19. und in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts eine Weltstellung erreichte und die jüdischen Rechtslehrer vor allem in Heidelberg dazu wesentlich beigetragen haben (S.VII).
Das offene liberale Klima zeichnete die Universität Heidelberg in dieser Ära sicherlich auch bald aus. Dessenungeachtet ist jedoch die Historie der nur sehr allmählichen Emanzipation im Großherzogtum Baden doch von einigen anfänglichen großzügigeren Haltungen durch erhebliche Hindernisse und generelle Rückschläge charakterisiert. Der Verfasser zeichnet diese Entwicklung insbesondere seit dem 18. Jahrhundert in plastischer Art und Weise mit zahlreichen biografischen Darstellungen nach.
Die angestrebte Rechtsgleichheit der jüdischen Minderheit wurde in der von der christlichen Gesellschaft der Mehrheit doch zunächst so behindert, dass die prinzipielle Zulassung von Juden zum Staatsdienst nicht als Anspruch interpretiert, sondern so verstanden wurde, dass der Großherzog nach eigenem Ermessen eine Zulassung verfügen durfte. Die Geschichte ist also in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts geprägt durch eine eher negativ einzuschätzende Mischung von kleineren Fortschritten und immer wieder aufflackernden Unruhen in der Bevölkerung sowie durch massive Widerstände auch an d |
|
Seckelmann, Margrit, Evaluation und Recht. Strukturen, Prozesse und Legitimationsfragen staatlicher Wissensgewinnung durch (Wissenschafts-)Evaluationen (= Jus Publicum 273). Mohr Siebeck, Tübingen 2018. XXVII, 685 S. Angezeigt von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen Seckelmann, Margrit, Evaluation und Recht. Strukturen, Prozesse und Legitimationsfragen staatlicher Wissensgewinnung durch (Wissenschafts-)Evaluationen (= Jus Publicum 273). Mohr Siebeck, Tübingen 2018. XXVII, 685 S.
Die Evaluation nimmt nach allgemeiner Ansicht ihren Ausgangspunkt von dem um 235-200 v. Chr. belegten, mit einer indogermanischen Wurzel verbindbaren Verb valere mit den Bedeutungen bei Kräften sein, kräftig sein, stark sein, Kraft haben und vermögen. Hieraus hat sich in dem Französischen während des 19. Jahrhunderts das Wort evaluation für Bewertung oder Auswertung entwickelt, dem zu Beginn des 20. Jahrhunderts das englische evaluation zur Seite trat. In der deutschen Sprache wurde das neuenglische evaluation an dem Ende der 1960er Jahre aus einem amerikanischen Umfeld aufgenommen.
Mit dem besonderen Verhältnis der Evaluation zu der Wissenschaft im Allgemeinen unter dem Blickwinkel des Rechtes beschäftigt sich die vorliegende gewichtige Arbeit der 1970 geborenen, in Rechtswissenschaft, Geschichte und Germanistik in Heidelberg und Berlin ausgebildeten, nach den beiden juristischen Staatsprüfungen 1999 als Mitglied der selbständigen wissenschaftlichen Nachwuchsgruppe Recht in der industriellen Revolution an dem Max-Planck-Institut für europäische Rechtsgeschichte in Frankfurt am Main und seit 2002 als Geschäftsführerin des deutschen Forschungsinstituts für öffentliche Verwaltung in Speyer tätigen, 2004 mit einer Dissertation über Industrialisierung, Internationalisierung und Patentrecht im Deutschen Reich zwischen 1871 und 1914 promovierten und mit der an dem 7. Dezember 2015 von der deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften angenommenen vorliegenden und mit einem Personenverzeichnis und einem Sachverzeichnis benutzerfreundlich aufgeschlossenen Schrift habilitierten Verfasserin. Gegliedert ist sie nach grundsätzlichen Überlegungen zu Evaluationen als Instrument staatlicher Wissensgenerierung in zwei Haup |
|
Securitization in Statebuilding and Intervention, hg. v. Bonacker, Thorsten/Distler, Werner/Ketzmerick, Maria (= Politiken der Sicherheit 1). Nomos, Baden-Baden 2018. 295 S. Angezeigt von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen Securitization in Statebuilding and Intervention, hg. v. Bonacker, Thorsten/Distler, Werner/Ketzmerick, Maria (= Politiken der Sicherheit 1). Nomos, Baden-Baden 2018. 295 S. Angezeigt von Gerhard Köbler.
Die Welt ist seit ihrem dem Menschen nicht wirklich erklärlichen Anfang in vollkommener Spannung zwischen Bestand und Wandel. Insbesondere ist das Leben jedes Wesens stets von dem Ende durch den Tod bedroht. In Erkenntnis der vielfältigen unabsehbaren Gefahren bedeutet die Sicherheit ein kostbares Gut.
Die Herausgeber des vorliegenden Sammelbands haben in diesem Zusammenhang die Einsicht gewonnen, dass besonders in den letzten drei Jahrzehnten der Staat durch die Einmischung anderer Staaten in seine inneren Angelegenheiten gefährdet worden ist. Deswegen sehen sie die Sicherheitspolitik für Stabilität und Frieden als besonders wichtig an. Wie sie in ihrer ansprechenden Ausführung umsichtig darlegen, sind dafür vielfältige Bemühungen aller Beteiligten und Interessierten erforderlich, zu denen insgesamt zehn in zwei Teile gegliederte englischsprachige Studien beitragen sollen.
Dabei beginnt Stefanie Kappler allgemein mit der Betrachtung der Securitization of International Peacebuilding. Danach werden die Waffenlieferungen an Aufständische in Lybien, fünf die Religion betreffende Fälle in den Vereinigten Staaten von Amerika, das Verhältnis des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen zu seinen Aufgaben, Wahlen in Kamerun und Kosovo, die Verwaltung Kameruns durch Frankreich, die zweite Republik in der Türkei, die Bedeutung der Menschenrechte, Tadschikistan sowie der Südsudan näher sachkundig betrachtet. Danach beißt sich am Ende die Schlange in ihren eigenen Schwanz, so dass insgesamt die Sicherheit allein niemals der einzige Gesichtspunkt sein kann und darf, unter dem wenige Menschen das Leben vieler anderer zu bestimmen versuchen und die Gesamtproblematik insgesamt so gewichtig ist, dass eine einzige Lösung für alle Fälle und zum Woh |
|
Security turns its eye exclusively to the future – Zum Verhältnis von Sicherheit und Zukunft in der Geschichte, hg. v. Kampmann, Christoph/Marciniak, Angela/Meteling, Wencke (= Politiken der Sicherheit 3). Nomos, Baden-Baden 2018. 421 S. Angezeigt von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen Security turns its eye exclusively to the future – Zum Verhältnis von Sicherheit und Zukunft in der Geschichte, hg. v. Kampmann, Christoph/Marciniak, Angela/Meteling, Wencke (= Politiken der Sicherheit 3). Nomos, Baden-Baden 2018. 421 S. Angezeigt von Gerhard Köbler.
Sicherheit ist allgemein der Zustand, der frei von Sorge ist. Er hat wie jede andere Gegebenheit in der Dimension Zeit eine Vergangenheit, eine Gegenwart und eine Zukunft. Besonders bedeutsam hiervon sind Gegenwart und Zukunft, da sie von Gefahren durchaus beeinflusst werden können, während dies für die Vergangenheit grundsätzlich nicht mehr möglich ist.
Mit einem Teilaspekt dieser Problematik befasst sich der vorliegende Sammelband, der nach der vorangestellten Danksagung der Herausgeber auf die Tagung Zukunft – Sicherheit – Politische Kommunikation – Relationen und Bedingtheiten in historischer Perspektive zurückgeht, die durch die Konzeptgruppe 2 Sicherheit und Zukunft des Sonderforschungsbereichs TRR 138 Dynamiken der Sicherheit in Marburg in dem Schloss an dem 29. und 30. Juni 2016 veranstaltet wurde. Seine insgesamt vierzehn Beiträge stellt das Werk nunmehr der Allgemeinheit in gedruckter Form vor. Eingeleitet wird es dabei von einer allgemeinen Betrachtung der Herausgeber zu dem Verhältnis von Sicherheit und Zukunft in der Geschichte.
Dem folgen moderne Betrachtungen zu einem unklaren Verhältnis von Zukunft – Sicherheit – Moderne Achim Landwehrs. Im Anschluss hieran werden dann die politische Sicherheit an Hand von Thomas Morus und Utopia, Endzeitdiagnosen des kalten Krieges und der französischen Religionskriege im transepochalen Vergleich, Prävention und Zukunftshandeln in der frühen Neuzeit an dem Beispiel dynastischer Eigenpolitik, der Augsburger Religionsfriede, die Endlichkeit des Religionsfriedens und die Zukunft des Reiches (1608-1618), das frühe neunzehnte Jahrhundert, 1878 als sicherheitskulturelle Wende in der deutschen Geschichte, die Sicherheit vo |
|
Segev, Tom, David Ben Gurion. Ein Staat um jeden Preis, aus dem Hebräischen von Achlama, Ruth. Siedler, München 2018. 800 S. Abb. Angezeigt von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen Segev, Tom, David Ben Gurion. Ein Staat um jeden Preis, aus dem Hebräischen von Achlama, Ruth. Siedler, München 2018. 800 S. Abb. Angezeigt von Gerhard Köbler.
David Grün wurde in Plońsk in Kongresspolen in dem russischen Zarenreich an dem 16. Oktober 1886 als Sohn des eine zionistische Organisation führenden jüdischen Rechtsanwalts Avigdor Grün geboren und wandte sich früh dem Zionismus und dem Sozialismus zu. An dem 7. September 1906 landete er in Jaffa in Palästina und wirkte in seiner neuen Heimat zuerst in einem Orangenbaubetrieb und dann als Journalist, wobei er bei dem Aufbau der jüdischen Untergrundorganisation HaSchomer mitwirkte. Bei seinem Einstieg in die Politik nahm er in Erinnerung an den jüdischen Anführer Shimon bar Kokhba aus dem zweiten nachchristlichen Jahrhundert den Namen Ben Gurion (Sohn des Sterns) an, unter dem er weltweite Bedeutung gewann.
Der Verfasser des vorliegenden gewichtigen biographischen Werkes wurde in Jerusalem 1945 geboren und nach dem Studium der Geschichte einer der bekanntesten Journalisten Israels, dessen Untersuchung über die siebte Million – Der Holocaust und Israels Politik der Erinnerung aus dem Jahre 1995 ihn auch in Deutschland bekannt machte. Seitdem hat er weitere eindringliche Untersuchungen über Palästina, den Sechstagekrieg, Israels zweite Geburt, die Anfänge des jüdischen Staates sowie Simon Wiesenthal vorgelegt. David Ben Gurion, der 1930 in dem an dem Ende des ersten Weltkriegs aus dem Erbe des Osmanischen Reiches übernommenen Mandatsgebiet Palästina Großbritanniens die zionistisch-sozialistische Arbeiterpartei Israels mitbegründete, an dem 14. Mai 1948 die Unabhängigkeit Israels ausrief und von 1948 bis 1953 sowie von 1955 bis 1963 Premierminister und Verteidigungsminister Israels war, begleitete er gewissermaßen von seinen ersten Anfängen an bis zu seinem Tode in Ramat Gan an dem 1. Dezember 1973.
Gegliedert ist das durch zahlreiche Anmerkungen abgesicherte Werk in z |
|
Siehr, Angelika, Das Recht am öffentlichen Raum – Theorie des öffentlichen Raumes und die räumliche Dimension von Freiheit (= Jus Publicum 260). Mohr Siebeck, Tübingen 2016. XXXIV, 770 S. Angezeigt von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen Siehr, Angelika, Das Recht am öffentlichen Raum – Theorie des öffentlichen Raumes und die räumliche Dimension von Freiheit (= Jus Publicum 260). Mohr Siebeck, Tübingen 2016. XXXIV, 770 S. Angezeigt von Gerhard Köbler.
In dem Universum ist die Dimension Raum mit Länge, Breite und Höhe in anscheinend endlich-unendlicher Ausdehnung vorgegeben. Trotz der Beschränktheit der darin eingebundenen Erde ergeben sich daraus für den auf ihr lebenden Menschen zahlreiche Organisationsfragen. Zu ihrer möglichst günstigen Gestaltung bedient sich der zu anfangs unvorhersehbarer Zahl entwickelte Mensch vielfältiger unterschiedlicher Überlegungen.
Einen Teilaspekt dieser Problematik behandelt die in Berlin an der Humboldt-Universität 1999 mit einer Dissertation über die Deutschenrechte des Grundgesetzes promovierte, in Bielefeld tätige Verfasserin in ihrer vorliegenden umfangreichen, von Bernhard Schlink angestoßenen und von Alexander Blankenagel betreuten Habilitationsschrift, die 2011 an ihrer Heimatuniversität angenommen wurde. Gegliedert ist die eindringliche, auf einem Literaturverzeichnis von mehr als 60 Seiten ruhende Untersuchung in fünf Kapitel. Sie betreffen Wandlungsprozesse und neue Herausforderungen in dem öffentlichen Raum, den öffentlichen Raum als interdisziplinäres Phänomen, Grundlinien einer materiellen Konzeption des urbanen öffentlichen Raumes, das Recht an dem öffentlichen Raum und das Recht auf den öffentlichen Raum sowie als Fazit und Ausblick Grundzüge einer rechtswissenschaftlichen Theorie des öffentlichen Raumes.
Danach bringt das Recht auf öffentlichen Raum als individuelles Teilhaberecht den öffentlichen Raum als Raum der Gleichheit zur Geltung. Ihm drohen vielfältige Gefahren durch unterschiedliche tatsächliche Entwicklungen. Aus diesem Grund sieht die Verfasserin überzeugend einerseits Anstrengungen als erforderlich an, die darauf gerichtet sind, den öffentlichen Raum in dem engeren Sinne in seiner Attraktivität, Mult |
|
Simek, Rudolf, Trolle. Ihre Geschichte von der nordischen Mythologie bis zum Internet. Böhlau, Köln 2018. 254 S. Angezeigt von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen Simek, Rudolf, Trolle. Ihre Geschichte von der nordischen Mythologie bis zum Internet. Böhlau, Köln 2018. 254 S. Angezeigt von Gerhard Köbler.
Neben sich kannte der Mensch wohl von frühen Anfängen an wirkliche wie gedachte Gegebenheiten. Seine körperliche Umwelt erfuhr er über seine verschiedenen Sinne und nutzte sie entsprechend seinen Fähigkeiten. Götter und andere gedankliche Gebilde gestaltete und verwendete er vor diesem Hintergrund in dem freien Spiel seiner Gedanken.
Eine Zusammenschau von Vergangenheit und Gegenwart in Bezug auf die Trolle unternimmt in dem vorliegenden Werk der in Eisenstadt 1954 geborene, nach dem Studium von Germanistik, Philosophie und katholischer Theologie 1980 in Wien promovierte und 1990 habilitierte, seit 1976 in unterschiedlichen Funktionen in Edinburgh, Wien, Heiligenkreuz, Bonn, Tromsø, Sydney und anderen Orten tätige Verfasser. Er gliedert seine weite Reise nach einer kurzen Einleitung in zwölf Abschnitte. Sie betreffen in chronologisch-sachlicher Reihung die ältesten Spuren in der nordgermanischen Mythologie, die bösen Trolle in den Sagas des isländischen Mittelalters, Zauberei und Trolldomr in Spätmittelalter und früher Neuzeit, die Wiedergeburt der Trolle in Märchen und Sagen der mittleren Neuzeit, die einsamen Trolle in Norwegen und Island, die Märchentrolle in Dänemark und Schweden, die Illustrationen der Trollmärchen, die Kinderbuchtrolle in Skandinavien und Deutschland, die Trolle in der Literatur der jüngeren Vergangenheit, die Rückkehr der Trolle in Filmen der jüngsten Vergangenheit, Trolle in der Natur und die ganz bösen Trolle der Gegenwart.
Achtundachtzig, teilweise farbige Abbildungen veranschaulichen die Ausführungen, mehr als 300 Anmerkungen verankern sie in der bisherigen Literatur. Ein Register der Personen und anonymen Werke schließt das vielfältige Ergebnis auf. Wer immer sich Trolle in seinem Leben wünscht, kann durch die Lektüre reiche Belehrung aus den vielseitigen Erkenntniss |
|
Sommer, Lisa, Die Geschichte des Werkbegriffs im deutschen Urheberrecht (= Geistiges Eigentum und Wettbewerbsrecht). Mohr Siebeck, Tübingen 2017. 295 S. Besprochen von Albrecht Götz von Olenhusen. |
Ganzen Eintrag anzeigen Sommer, Lisa, Die Geschichte des Werkbegriffs im deutschen Urheberrecht (= Geistiges Eigentum und Wettbewerbsrecht 130). Mohr Siebeck, Tübingen 2017. XVIII, 295 S. Besprochen von Albrecht Götz von Olenhusen.
Zu den „Paradoxien des Werkbegriffs“ (Helmut Haberstumpf) zählt, dass seine Harmonisierung und Europäisierung von dem Gerichtshof der Europäischen Union eher bejaht oder mindestens angestrebt, während sie von nationalen Gerichten und Lehrmeinungen eher abgelehnt wird.
Der rechtshistorischen Entwicklung des Werkbegriffs ist die bei Diethelm Klippel (Bayreuth) entstandene Dissertation der Verfasserin gewidmet. Sie untersucht die Geschichte des Begriffs seit dem Literatururhebergesetz von 1871 bis zu dem Urhebergesetz von 1965, nach ihrem Anspruch im Kontext der technologischen Medien- und Wirtschaftsgeschichte. Schwerpunkte bilden jedoch die Pluralität der begrifflichen Erfassung und die Phasen der Expansion und Eingrenzung. Mit der Arbeit soll eine Lücke in der bisherigen Forschung geschlossen werden.
Die Differenzierung ergab sich zu Beginn des Untersuchungszeitraums aus den unterschiedlichen Werkformen, die etwa die Fotografie als Werk noch ausschlossen. Das „Schriftwerk“ als Schutzobjekt stand seit der Entstehung des Urheberrechts im Mittelpunkt. Der Abbildungsschutz nach LUG wird dann gegen den für bildende Künste nach KUG abgegrenzt.
Der Interessenkonflikt zwischen Literatur- und Kunstproduktion und kunstindustriellen Erzeugnissen wird durch das Musterschutzgesetz 1876 partiell gelöst. Die Rechtsprechung des Reichsgerichts erkennt schließlich auch an, dass der Charakter als Kunstwerk nicht durch einen Gebrauchszweck tangiert wird. Die Minderqualifikation der Fotografie wird mit der Einführung des PhSchG legitimiert. Mit der normativen Aufrechterhaltung der Differenzen durch LUG (1901) und KUG (1907) geht die schärfere Abgrenzung zum gewerblichen Rechtsschutz und zu Leistungen wie denen der ausübenden Künstler ei |
|
Sommer, Lisa, Die Geschichte des Werkbegriffs im deutschen Urheberrecht (= Geistiges Eigentum und Wettbewerbsrecht 130). Mohr Siebeck, Tübingen 2017. XVIII, 295 S. Angezeigt von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen Sommer, Lisa, Die Geschichte des Werkbegriffs im deutschen Urheberrecht (= Geistiges Eigentum und Wettbewerbsrecht 130). Mohr Siebeck, Tübingen 2017. XVIII, 295 S. Angezeigt von Gerhard Köbler.
Werke als Ergebnisse der auf einen neuen Erfolg gerichteten Tätigkeiten von Menschen gibt es vermutlich seit dessen Entstehung. Über körperliche Erzeugnisse hinaus bewirkten sie jedoch auch nach der allmählichen Ausbildung von Rechtssätzen allgemein keine rechtlichen Folgen. Wann, wo, wie und warum sich dies bis zu der Gegenwart in tiefgreifender Weise änderte, ist eine spannende Frage.
Mit einem ihrer gegenwartsnäheren Teilaspekte beschäftigt sich auf der Grundlage der bereits vorliegenden umfangreichen Literatur die in dem Bayreuther Graduiertenkolleg „Geistiges Eigentum und Gemeinfreiheit“ entstandene, von Diethelm Klippel nach dem Vorwort in vorbildlicher Weise betreute, in dem Wintersemester 2016/2017 von der rechtswissenschaftlichen und wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät in Bayreuth angenommene Dissertation der 1988 geborenen und 2012 graduierten Verfasserin. Sie gliedert sich nach einer kurzen Einleitung über Fragestellung, Quellen und Forschungsstand in sieben Kapitel. Sie betreffen die Pluralität der urheberrechtlichen Werkbegriffe und das Literatururhebergesetz von 1871, den Begriff des Werkes der bildenden Künste in dem Kunsturhebergesetz von 1876, die Anfänge des einheitlichen Werkbegriffs und das Literatururhebergesetz 1901, die Ausweitung des Kunsturheberrechts durch das Kunsturhebergesetz von 1907 samt dem Begriff des Werkes der bildenden Künste, die Pluralität der Werkbegriffe in Rechtsprechung und Literatur von dem Wechsel der Monarchie zu der Republik bis zu dem Urhebergesetz von 1965, die Entstehung des einheitlichen Werkbegriffs während dieser Zeit und die Unterscheidung zwischen Urheberrechten und Leistungsschutzrechten in dieser Zeit.
Im Ergebnis ihrer sorgfältigen eindringlichen Untersuchungen stellt die Verfass |
|
Sparen – Geschichte einer deutschen Tugend (= Ausstellungskatalog), hg. v. Muschalla, Robert/Deutsches Historisches Museum. Theiß, Darmstadt 2018. 288 S., 200 Abb. Angezeigt von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen Sparen – Geschichte einer deutschen Tugend (= Ausstellungskatalog), hg. v. Muschalla, Robert/Deutsches Historisches Museum. Theiß, Darmstadt 2018. 288 S., 200 Abb. Angezeigt von Gerhard Köbler.
Bereits Tiere verfügen über Erfahrung und wohl darauf gegründetes Wissen, dass Zeiten von Überfluss an Nahrung auch Zeiten von Mangel folgen können, so dass sie etwa während des Sommers Vorräte anlegen, von denen sie in dem Winter zehren. Eine entsprechende Einsicht hat sich auch der Mensch zu eigen gemacht und in dem Gefolge seiner allmählichen Sesshaftwerdung zunehmend ausgebaut. Aus dieser Überlegung ist letztlich der Gedanke des Sparens entstanden.
Mit einem seiner Teilaspekte befassen sich die derzeit laufende Ausstellung des Deutschen Historischen Museums in Berlin und ihr zugehöriger Katalog. Zwar wird in dem Rahmen der jeweiligen Möglichkeiten weltweit mehr oder weniger gespart. Aber die in Frankreich 1611 sichtbare Idee der Annahme und Verwaltung von Spardarlehen durch besondere Unternehmen setzt sich auch in dem Heiligen römischen Reich bereits in dem 18. Jahrhundert durch.
Zeitliche Schwerpunkte der vorliegenden Veröffentlichung sind der erste Weltkrieg, die dadurch verursachte Inflation des Geldwerts, die während der nationalsozialistischen Herrschaft erwachsenden Veränderungen, das dem zweiten Weltkrieg folgende so genannte Wirtschaftswunder und die spätere Finanzkrise. Ausstellungsgegenstände sind etwa Sparbücher, Sparkarten, Sparautomaten, Spardosen, Sparbroschüren oder vielfältige Werbung für Sparen von der ersten Sparkasse bis in die Gegenwart. Sehr oft ist in diesen langen bewegten Zeiten der brave Sparer nicht für seinen ehrlichen Fleiß belohnt, sondern in dem Ergebnis durch vielfältige Täuschungen um die Früchte seiner entbehrungsreichen Anstrengungen gebracht worden, weil Vorteile am ehesten den besonders Wachsamen zugutekommen und Enttäuschungen in dem Rahmen des insgesamt deutlich wachsenden Volkseinkommens vor alle |
|
Speyer als Hauptstadt des Reiches. Politik und Justiz zwischen Reich und Territorium im 16. und 17. Jahrhundert, hg. v. Baumann, Anette/Kemper, Joachim (= Bibliothek altes Reich 20). De Gruyter, Berlin 2016. 249 S., Abb., 60 Euro. Besprochen von Karsten Ruppert. |
Ganzen Eintrag anzeigen Speyer als Hauptstadt des Reiches: Politik und Justiz zwischen Reich und Territorium im 16. und 17. Jahrhundert, hg. v. Baumann, Anette/Kemper, Joachim (= Bibliothek altes Reich 20). De Gruyter, Berlin 2016. 249 S., Abb. Besprochen von Karsten Ruppert.
Der vorliegende Band dokumentiert eine gemeinsame Tagung der Stadt Speyer, des Netzwerks Reichsgerichtsbarkeit und der Gesellschaft für Reichskammergerichtsforschung vom Oktober 2015 in Speyer. Sie ist von der richtigen, doch auch ebenso überraschenden These ausgegangen, dass die Rolle der Stadt Speyer als zentraler Regierungsort des Alten Reiches bis heute kaum erforscht worden sei, ja deren Bedeutung überhaupt noch nicht recht ins Bewusstsein gedrungen ist. Es wäre dabei eine besondere Aufgabe der Forschung, die Interaktion und Überschneidung der Aktivitäten der in dieser Reichsstadt angesiedelten Reichsinstanzen herauszuarbeiten. In der Forschung und im allgemeinen Geschichtsbewusstsein rangiere Speyerer als zentraler Ort des Alten Reiches immer noch hinter Regensburg, Wien, Augsburg und Nürnberg. Es ist unter anderem nicht das geringste Verdienst dieses Bandes, dass er deutlich macht, dass es dafür eigentlich keinen einsichtigen Grund gibt.
Denn in Speyer waren - das hätte mit etwas mehr Nachdruck herausgestellt werden können - die Hauptstadtfunktionen des Alten Reiches im 16. und 17. Jahrhundert in einem Maße verdichtet wie kaum woanders: Hier residierte von 1527/1530 bis 1689/1690 mit dem Reichskammergericht eines der beiden Obergerichte des Reiches und mit ihm zusammen im frühen 16. Jahrhunderts zeitweise auch das kurzlebige ständische Reichsregiment. Dazu kamen im 16. Jahrhundert mehrere bedeutende Reichstage. Diese brachten zusammen mit dem Kaiser auch dessen Hofrat für die Dauer von dessen Anwesenheit in die Stadt. Daher kann man sagen, dass im 16. Jahrhundert, wenn auch nur zeitweise und für wenige Monate, in Speyer sämtliche obersten politischen und juristischen Institutionen d |
|
Spiller, Philipp, Personalpolitik beim Berliner Kammergericht von 1933 bis 1945. Berliner Wissenschaftsverlag, Berlin 2016. 285 S. Besprochen von Albrecht Götz von Olenhusen. |
Ganzen Eintrag anzeigen Spiller, Philipp, Personalpolitik beim Berliner Kammergericht von 1933 bis 1945. Berliner Wissenschaftsverlag, Berlin 2016. 285 S. Besprochen von Albrecht Götz von Olenhusen.
Während es an übergreifenden Studien zur Justiz in dem nationalsozialistisch beherrschten Deutschland nicht mangelt, blieben Arbeiten zur Rekonstruktion der Schicksale, der Verhaltensweisen, ihrer Spielräume und subjektiven wie objektiven Möglichkeiten von Richtern nach 1933 für einzelne Gerichte längere Zeit seltener. Erst der vergleichsweise späte Zugang zu Personalakten hat dann Arbeiten ermöglicht, die viele Lücken, auch zu den Situationen an Oberlandesgerichten ausgefüllt haben. Das Kammergericht als eines der wichtigsten Obergerichte war zwar schon Gegenstand von Forschungen. Eine genauere Analyse der Personalpolitik, wie sie der Autor vorlegt, schließt in bemerkenswerter Weise an ein Forschungsprojekt Hubert Rottleuthners an, der Karrieren und Kontinuitäten deutscher Justizjuristen, u. a. auch am Kammergericht, zwischen 1933 und 1964 aufgrund von Basisdaten untersucht hat. Seine Zielrichtung war allerdings die Justiz als Massenphänomen. Philipp Spiller sieht hingegen das Phänomen Justiz in der Diktatur nicht aus der „Vogelperspektive“, sondern primär „von unten“, d. h. die Justizangehörigen des Kammergerichts Berlin mit ihren persönlichen und beruflichen Daten im Kontext der allgemeinen Entwicklungen; dabei interessierten ihn spezielle wie allgemeine Forschungsfragen (S. 22f.). Damit entwirft er eine Sozial- und Politik-Geschichte eines bedeutenden deutschen Gerichts, in der die Einzelfragen nach Verhaltensweisen der etablierten Richterschaft nach der Machtergreifung, aber auch die personellen Änderungen, ihre Hintergründe, speziell die Personalpolitik innerhalb der Machtinstanzen Staat und Partei, Justiz und politischer Polizei genau in den Blick genommen werden. Die Forschungsfragen, die notwendigerweise die allgemeine Personalpolitik, aber eben auch dafür die Einzel |
|
Statthalterregimes – Napoleons Generalgouvernements in Italien, Holland und Deutschland 1808-1814 – mit Blicken auf Generalgouverneure im Zarenreich und das NS-Generalgouvernement Polen (1939-1945), hg. v. Stubbe da Luz, Helmut (= Hamburg, Europa und die Welt 3). Lang, Frankfurt am Main 2016. 321 S., Ill. Kart. Besprochen von Werner Schubert. |
Ganzen Eintrag anzeigen Statthalterregimes – Napoleons Generalgouvernements in Italien, Holland und Deutschland 1808-1814 – mit Blicken auf Generalgouverneure im Zarenreich und das NS-Generalgouvernement Polen (1939-1945), hg. v. Stubbe da Luz, Helmut (= Hamburg, Europa und die Welt 3). Lang, Frankfurt am Main 2016. 321 S., Ill. Kart. Besprochen von Werner Schubert.
Der von Stubbe da Luz herausgegebene Band vereinigt die Vorträge einer Ringvorlesung Ende 2010 an der Universität der Bundeswehr in Hamburg. Die Thematik dieser Vorlesungen beruht auf der von Stubbe da Luz herausgearbeiteten Konzeption Napoleons, mit Hilfe von Generalgouverneuren (Statthaltern) die Integration der mit dem Empire bereits vereinigten, aber noch nicht voll assimilierten Departements zu fördern und zu beaufsichtigen. Stubbe da Luz spricht insoweit von Generalgouvernements neuen Typs (hierzu insgesamt die Einführung S. 9-25). Die Generalgouvernements alten Typs dienten dagegen der Besatzungspolitik Napoleons als Ausschaltungs- und Disziplinierungsinstitution (vgl. S. 54ff. eine Zeittafel von Stubbe da Luz für die Jahre des französischen postrevolutionären Imperialismus und eine Übersicht über die Generalgouvernements neuen Typs). Fabio Bertini (emeritierter Historiker der Universität Florenz) behandelt die Generalgouverneure alten und neuen Stils in Italien (Transalpine Departements, Toskana und Rom; S. 85 -149). Nach Bertini konnte die französische Zeit als ein Fortschritt angesehen werden, während aus der Sicht der „Besatzer die Bilanz nicht durchgehend und überwiegend positiv“ sein konnte (S. 147). Insgesamt ist der Beitrag teilweise biografisch ausgerichtet. Die Versuche, das französische Rechts- und Justizsystem in den italienischen Departements zu verankern, hätte im Ganzen noch ausführlicher angesprochen werden sollen (vgl. hierzu Filippo Ranieri, in: H. Coing [Hrsg.], Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, Bd. III 1, S. 177, Bd. III 3, S. 3209f |
|
Stedman Jones, Gareth, Karl Marx – Die Biographie, aus dem Englischen von Atzert, Thomas/Wirthensohn, Andreas. Fischer, Frankfurt am Main 2017. 891 S., 30 Abb. Kart. Besprochen von Werner Augustinovic. |
Ganzen Eintrag anzeigen Stedman Jones, Gareth, Karl Marx. Die Biographie, aus dem Engl. v. Atzert, Thomas/Wirthensohn, Andreas. Fischer, Frankfurt am Main 2017. 891 S., 30 Abb., Kart. Besprochen von Werner Augustinovic.
Wer oder was mag verantwortlich dafür sein, „dass den Marx, wie ihn das 20. Jahrhundert schuf, mit dem Marx, der im 19. Jahrhundert lebte, nur eine zufällige Ähnlichkeit verbindet“? Gareth Stedman Jones spricht von den „einst gewaltsamen, noch immer schwelenden Leidenschaften“, welche die Texte von Karl Marx umgeben und denen die meisten seiner wissenschaftlichen Biographen ausgewichen seien, indem sie sich „mit deskriptiven Darstellungen seiner theoretischen Schriften (begnügten) und sich lieber auf sein Leben (konzentrierten)“. Der Verfasser habe sich „hingegen dafür entschieden, Marx‘ Denken mindestens genauso viel Aufmerksamkeit zu schenken wie seinem Leben. […] Bei aller Originalität war Marx kein solitärer Denker, der auf einem noch nie zuvor beschrittenen Pfad zu einer neuen und bislang unbekannten Gesellschaftstheorie gelangte. Vielmehr waren seine Schriften, ob als Philosoph, politischer Denker oder Kritiker der politischen Ökonomie, als Einmischungen auf bereits bestehenden Diskursfeldern gedacht. Zudem richteten sich diese Interventionen an seine Zeitgenossen und nicht an seine Nachfahren im 20. oder 21. Jahrhundert. […] Daher gilt es die Geschichte des 19. Jahrhunderts, zu der Marx und seine Zeitgenossen gehörten, zumindest in Teilen neu zu denken“ (S. 719ff.). Gareth Stedman Jones ist bestens ausgewiesen, ein derartig umfangreiches Unternehmen der Historisierung erfolgversprechend zu betreiben. Er hat fast 20 Jahre am Kings College in Oxford politische Wissenschaften unterrichtet, sich als Mitherausgeber der „New Left Review“ engagiert und ist aktuell in den Positionen eines Professors für Ideengeschichte an der Queen Mary University in London und eines Direktors des Centre for History and Economics an der Universität Cambridge tätig. Viele |
|
Streck, Michael/Rieck, Annette, Die Akte Jeanne d’Arc. Prozess- und Vollstreckungsbericht 1431 – Urteilsanalyse und Thesen zur Verteidigung. Otto Schmidt, 2017. 219 S. Angezeigt von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen Streck, Michael/Rieck, Annette, Die Akte Jeanne d’Arc. Prozess- und Vollstreckungsbericht 1431 – Urteilsanalyse und Thesen zur Verteidigung. Otto Schmidt, 2017. 219 S. Angezeigt von Gerhard Köbler.
Die in Domrémy in Lothringen wohl an dem 6. Januar 1412 geborene, in Rouen an dem 30. Mai 1431 nach einem kirchlichen Verfahren des engländerfreundlichen Bischofs von Beauvais auf Grund Verurteilung wegen verschiedener Vorwürfe hingerichtete Jeanne d’Arc ist eine der wenigen Frauen der älteren Geschichte, die allgemeinere Bedeutung weltweit erlangten. Über sie ist, wie der Prolog des vorliegenden schlanken Berichts mitteilt, die Literatur reich und inflationär. Dessenungeachtet haben die Verfasser mit neugierigem Interesse, ja mit Lust ihr Werk in Angriff genommen und wollen versuchen, die Leserinnen und Leser in dieses Vergnügen mitzunehmen.
Dabei greifen sie Franz Salditts Befassung mit dem Prozess aus anwaltlicher Sicht auf und führen sie fort. Sie interessiert auch die Frage, ob man Jeanne d’Arc hätte verteidigen können, was sie bejahen. Vor diesem Hintergrund folgen die dem Prozess funktional.
Dementsprechend betrachten sie in ihrer sorgfältigen und verdienstvollen Untersuchung nacheinander das Prozesstagebuch, die handelnden Menschen, den Weg zu dem Verurteilungsprozess, die Gefangenschaft (nach Gefangennahme an dem 23. Mai 1430 durch Johann II. von Luxemburg nach dem Sieg der Truppen des Thronerben während des hundertjährigen Krieges über Engländer und Burgunder bei Orléans und der Niederlage bei Compiègne) und Vorbereitung des Prozesses, das Panorama des Prozesses, Vorwurf und Anklage, die Organe des Prozesses (Staatsanwaltschaft, Gericht, Verteidiger), die Vorermittlungen, Aussagepflicht und Aussageverweigerung, die Aussage vor der Inquisition in sechs öffentlichen Vernehmungen und neun nichtöffentlichen Verhören, die Stimmen und Prophezeiungen, letzte Schritte vor Beginn des ordentlichen Verfahrens, die Anklageschrift, die V |
|
Süß, Thorsten, Partikularer Zivilprozess und territoriale Gerichtsverfassung. Das weltliche Hofgericht in Paderborn und seine Ordnungen 1587-1720 (= Quellen und Forschungen zur höchsten Gerichtsbarkeit im alten Reich 69). Böhlau, Wien 2017. 570 S. Besprochen von Bernd Schildt. |
Ganzen Eintrag anzeigen Süß, Thorsten, Partikularer Zivilprozess und territoriale Gerichtsverfassung: Das weltliche Hofgericht in Paderborn und seine Ordnungen 1587–1720 (= Quellen und Forschungen zur Höchsten Gerichtsbarkeit im Alten Reich, Bd. 69), Böhlau Köln Weimar Wien 2017, 570 S. Thorsten Süß beginnt einleitend und für den Leser zunächst etwas überraschend mit der Skizzierung eines spektakulären Reichskammergerichtsprozesses und dessen publizistischer Begleitung durch den Kläger in diesem Fall - Alexius Bachmann. Das Geschehen im Fall Bachmann entsprach genau dem überkommenen Bild vom erbarmungswürdigen Zustand des Fürstbistums Paderborn und insbesondere seiner Justizverfassung. Es ist geprägt von der in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts sehr beliebten, als historische Quellengattung aber nicht unproblematischen Reiseliteratur (Campe, Gruner). Ganz dieser Tradition verhaftet haben preußische Beamte nach der Säkularisierung (1803) und dem durch den Reichsdeputationshauptschluss bestimmten Übergang an Preußen (RDH § 3) dieses einseitige und düstere Bild von den wirtschaftlich-sozialen, politischen, religiösen und justiziellen Gegebenheiten im nunmehrigen Erbfürstentum Paderborn fortgeschrieben. Dem folgten auch die nur vereinzelten Stimmen aus der geschichtswissenschaftlichen Literatur des 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts. Die preußenfreundlich und antikatholisch bestimmte Diktion dieser Historiographie ließ kaum Raum für ein Verständnis der Verfassungs- und Justizstrukturen eines traditionell katholisch-konservativ geprägten Kleinstaates wie des (ehemaligen) Fürstbistums Paderborn. Der Verfasser zieht aus alldem den Schluss, dass sich „über die Gerichtslandschaft im alten Fürstbistum Paderborn“ (S. 33) gegenwärtig keine verlässlichen Aussagen machen lassen. Auf breiter Quellenbasis nimmt er an Hand der Geschichte des weltlichen Hofgerichts in Paderborn vom ausgehenden 16. Jahrhundert bis zum Erlass der Hofgerichtsordnung von 1720 die Gerichtsverfass |
|
Thalmann, Dominik, Nutzung der Abbilder von Personen des öffentlichen Interesses zu Werbezwecken. Nomos, Baden-Baden 2016. 414 S. Besprochen von Albrecht Götz von Olenhusen. |
Ganzen Eintrag anzeigen Götzvonolenhusenthalmannnutzungderabbilde20180510 Nr. 16708 ZIER 8 (2018) 89. IT
Thalmann, Dominik, Nutzung der Abbilder von Personen des öffentlichen Interesses zu Werbezwecken. Nomos, Baden-Baden 2016. 414 S. Besprochen von Albrecht Götz von Olenhusen.
Der Konflikt zwischen dem Recht am eigenen Bild und der Nutzung von Prominenz für Werbezwecke in den Medien beschäftigt die Kasuistik und Lehre seit Jahrzehnten. Ist das Wirtschaftsgut „Celebrity“ zu einem vermögenswerten Ausschließlichkeitsrecht erstarkt oder ist die kommerzielle Verwertung von Prominenz inzwischen Teil der Gemeingüter ?
Die Anwendungsfälle sind mit Testimonialwerbung, Personenmerchandising und mit vielen anderen Formen der politischen, künstlerischen oder satirischen Formen der Werbewirtschaft umschrieben. Seit den Anfängen der Prominentenwerbung und ihrer Grenzen (Stichworte: Paul Dahlke, Herrenreiter) hat das Problem die Rechtsprechung immer wieder beschäftigt. Die Nutzung von Prominenten wie Joachim Fuchsberger, Iwan Rebroff oder Günther Jauch hat seit jeher die Frage nach dem informationellen Mehrwert derartiger Absatzförderung aufgeworfen, auch bei der Nutzung von Personenportraits für Gedenkmünzen (Willy Brandt, Franz Josef Strauß). Die Verwendung von Namen und Abbildern von Fußballspielern für Computerspielfiguren betrifft eine ähnliche Fragestellung.
Vor allem die postmortale Nutzung der Persönlichkeit bot immer wieder Gelegenheit zur Rechtsfortbildung. Seit der bekannten Entscheidung Lafontaine vs. Sixt (NJW 2007, 689) und den anschließenden mehr oder weniger unterhaltsamen Werbebildern der Firma handelt es sich um den Schutzbereich von Abbildern von „Promis“. Die Eigenwerbung von Medienprodukten macht sich den Werbewert von berühmten Namen oder Personen zu eigen. Ein unzulässiger Grenzfall wurde von der Rechtsprechung im Fall „Playboy am Sonntag“ neuerdings zugunsten der Person entschieden – hier wohl wegen der heimlichen Aufnahme, d |
|
Thiel, Matthias, Studien zu den Urkunden Heinrichs V., hg. v. Hartmann, Martina unter Mitarbeit von Ewerling, Sarah/Nierhoff, Anna Claudia (= Monumenta Germaniae Historica, Studien und Texte 63). Harrassowitz, Wiesbaden 2017. XI, 140 S., 7 Abb., 1 Tab. Angezeigt von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen Thiel, Matthias, Studien zu den Urkunden Heinrichs V., hg. v. Hartmann, Martina unter Mitarbeit von Ewerling, Sarah/Niehoff, Anna Claudia (= Monumenta Germaniae Historica, Studien und Texte 63). Harrassowitz, Wiesbaden 2017. XI, 140 S., 7 Abb., 1 Tab. Angezeigt von Gerhard Köbler.
Der an unbekanntem Ort vielleicht an dem 11. August 1086 als Sohn Heinrichs IV. geborene Heinrich V. war der vierte und letzte deutsche König aus dem mit Konrad II. an die Herrschaft gelangten Geschlecht der Salier. Er entmachtet 1105 seinen 1050 geborenen. als Kind zu dem Königtum gelangten und sich in den Investiturstreit mit Papst Gregor VII. verstrickenden, glücklosen, 1106 verstorbenen Vater und schließt 1122 mit dem Papst das ausgleichende Wormser Konkordat. Bis zu dem Erscheinen der vollständigen Druckausgabe seiner Urkunden wurden 2010 in einer digitalen Vorabedition die Nummern, Kopfregesten, Datierungen und Texte der insgesamt 347 Urkunden des Herrschers und der Königin Mathilde, hg. v. Matthias Thiel unter Mitwirkung von Alfred Gawlik (1936-2011) (ohne Vorbemerkungen, Variantenapparat oder Kommentar) ediert (http://www.mgh.de/ddhv).
Der in Trier-Ehrang an dem 21. April 1929 geborene, in Göttingen von 1977 bis zu seiner Emeritierung als Ordinarius für historische Hilfswissenschaften wirkende, in Göttingen an dem 30. Januar 2015 gestorbene Matthias Thiel hatte 1984 von seinem Lehrer Peter Acht den Editionsauftrag für die Urkunden Kaiser Heinrichs V. und seiner Gemahlin Mathilde erhalten. Während der anschließenden Beschäftigung mit diesem wichtigen Gegenstand kam er nach dem kurzen Vorwort der Herausgeberin zu der Überzeugung, dass bestimmte Themen und besonders problematische einzelne Diplome zwecks Entlastung der in Arbeit befindlichen Edition in eigenen Studien behandelt werden sollten. Sechs entsprechende, vermutlich ab 2004 geschaffene Arbeiten wurden 2006 den Monumenta Germaniae Historica für eine Publikation überlassen, aber wegen der Forderung |
|
Töppel, Roman, Kursk 1943. Die größte Schlacht des zweiten Weltkriegs, 2. Aufl. Schöningh, Paderborn 2017. 289 S. Besprochen von Werner Augustinovic. |
Ganzen Eintrag anzeigen Töppel, Roman, Kursk 1943. Die größte Schlacht des Zweiten Weltkriegs. Schöningh, Paderborn 2017. 289 S., 24 Abb., 8 Kart. Besprochen von Werner Augustinovic.
Nach der berühmten Schlacht um Stalingrad 1942/1943, in der die deutsche Wehrmacht mit der Einschließung und Kapitulation der 6. Armee unter Generalfeldmarschall Friedrich Paulus endgültig den Nimbus der Unbesiegbarkeit verlor, ist die Schlacht im Kursker Bogen im Sommer 1943 wohl das prominenteste militärische Großereignis an der Ostfront. Auf dem hinteren Einband der vorliegenden Publikation ist von „eine(r) der größten Schlachten der Kriegsgeschichte“ zu lesen, an der „etwa drei Millionen Soldaten mit mehr als 10.000 Panzern und Selbstfahrlafetten sowie 8.000 Flugzeuge teilnahmen“. Es handelt sich dabei um den fehlgeschlagenen Versuch der Wehrmachtsführung, unter der Tarnbezeichnung „Unternehmen Zitadelle“ durch einen Zangenangriff auf Kursk im Zusammenwirken von Kräften der von Norden aus operierenden Heeresgruppe Mitte (Generalfeldmarschall Hans Günther von Kluge) und der gleichzeitig von Süden vorstoßenden Heeresgruppe Süd (Generalfeldmarschall Erich von Manstein) die dort bestehende Frontausbuchtung abzuschnüren, dabei größere sowjetische Truppenkontingente einzuschließen und gefangen zu nehmen sowie mittels der durch die eintretende Verkürzung der Front frei werdenden eigenen Kräfte wieder entsprechende Handlungsfreiheit zu gewinnen. Dass dies nicht gelang, ist neben einem ganzen Bündel weiterer Faktoren in erster Linie der erdrückenden quantitativen Übermacht geschuldet, mit der die Rote Armee der deutschen Offensive entgegentrat und mit der sie in der Folge ihren Vormarsch in Richtung der Reichsgrenzen antrat, der nicht mehr zu stoppen war.
Bei dem gewaltigen Umfang dieser militärischen Operation ist es nicht verwunderlich, dass sich verantwortliche Führer auf beiden Seiten zu dem Ereignis später eingehend zu Wort gemeldet haben und ihre je eigenen Deutungen des Geschehen |
|
Treeck, Peter van, Korallenriffe. Lebendige Metropolen im Meer. Wissenschaftliche Buchgesellschaft. Darmstadt 2017. 192 S., Abb. Angezeigt von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen Treeck, Peter van, Korallenriffe. Lebendige Metropolen im Meer. Wissenschaftliche Buchgesellschaft. Darmstadt 2017. 192 S., Abb. Angezeigt von Gerhard Köbler.
Korallenriffe, so beginnt der Verfasser die Einleitung seines leicht verständlich formuliertn, vorzüglich bebilderten, größerformatigen Werkes, waren einst die Schrecken der Seefahrt und wurden als wissenschaftliche Untersuchungsgegenstand oder gar Paradies unter Wasser erst in der jüngeren Vergangenheit entdeckt. Dank moderner menschlicher Tauchtechnik sind sie seit Hans Hass vor Curaçao einzelnen Tauchpionieren und seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts eigentlich jedermann unschwer zugänglich. Spätestens seit dieser Zeit sind sie jedoch auch in existentieller Gefahr.
Der die Schönheit der Korallenriffe bewundernde und ihre Gefährdung schildernde Verfasser hat an der Universität Duisburg/Essen Biologie, Kunst und Chemie studiert und dort an dem Institut für Ökologie in dem Jahre 2002 mit einer Dissertation unter dem Titel Beiträge zur Wiederbesiedlung natürlicher, seminatürlicher und künstlicher Riffsubstrate durch Steinkorallen und andere marine Invertebraten promoviert. Danach war er nach dem Klappentext in der Lehre und in der Forschung mit dem Schwerpunkt Evolution von Korallenriffen tätig. Seit 2009 unterrichtet er Biologie und Kunst an einem Gymnasium in Mülheim an der Ruhr.
Gegliedert ist das nach der Einleitung das Riff als eine maßgeblich von Organismen gebaute (biogene), von dem Meeresboden bis zu der Wasseroberfläche aufragende, ausreichend große und genügend stabile, einen facettenreichen, kleinräumig strukturierten Lebensraum für zahllose besonders angepasste Bewohner bildende Struktur definierende Werk in rund ein Dutzend Sachabschnitte. Sie betreffen die Steinkorallen als Baumeister der Riffe, die Entstehung der Riffe, die Verbreitung von Korallenriffen, die Aufbauprozesse, Umbauprozesse und Abbauprozesse im Riff, die Steuerungsfaktoren des Wachstums |
|
Tsekhanovich, Dzianis, Von der Willenstheorie zum Eventualvorsatz. Der Einfluss deutscher Strafrechtslehre auf die russische Gesetzgebung des 19. Jahrhunderts (= Abhandlungen zur rechtswissenschaftlichen Grundlagenforschung, Münchener Universitätsschriften, Juristische Fakultät 99). Schmidt, Berlin 2018. XXII, 311 S. Angezeigt von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen Tsekhanovich, Dzianis, Von der Willenstheorie zum Eventualvorsatz. Der Einfluss deutscher Strafrechtslehre auf die russische Gesetzgebung des 19. Jahrhunderts (= Abhandlungen zur rechtswissenschaftlichen Grundlagenforschung, Münchener Universitätsschriften, Juristische Fakultät 99). Schmidt, Berlin 2018. XXII, 311 S. Angezeigt von Gerhard Köbler.
Auch das Strafrecht hat sich wie das übrige Recht in dem Laufe der Geschichte allmählich entwickelt, wobei es zu zahlreichen kulturellen Interferenzerscheinungen gekommen ist. Der Wille zu der Verwirklichung eines Straftatbestands in Kenntnis all seiner Tatumstände ist so alt wie die Strafe für ein menschliches Verhalten. Als solcher erfasst wird er von der römischen Jurisprudenz, die erst zu Beginn der klassischen Zeit an die an ein Handeln gebundene Fahrlässigkeit die zunächst auf den Vorsatz beschränkte Folge anknüpft.
Mit dem noch jüngeren Eventualvorsatz beschäftigt sich die von Petra Wittig betreute, an der Professur für Strafrecht und Rechtsphilosophie der Universität München entstandene Dissertation des aus Weißrussland stammenden, in Geschichte und Rechtswissenschaft ausgebildeten, auch Deutschland als eines seiner beiden Heimatländer bezeichnenden Verfassers. Sie gliedert sich nach einer Einleitung über die Rechtsfigur des bedingten Vorsatzes in dem Strafgesetz Russlands, die Problemstellung, die Ziele der Untersuchung und den Gang der Untersuchung in fünf Teile. Sie betreffen die Geschichte der kanonischen oder kanonistischen Lehre von dem versari in re illicita und der Rechtsfiguren der voluntas indirecta, des dolus indirectus und des dolus eventualis, die Lehre von dem dolus indeterminatus und von der culpa dolo determinata als Ersatz der Lehre von dem dolus indirechtus, die Natur und den Ursprung der Rechtsfigur des indirekten Vorsatzes in dem Strafgesetzbuch Russlands von 1845, den Einfluss Wächters auf die Entwicklung des eventuellen Vorsatzes in dem Strafrecht Russlands und den |
|
Ubl, Karl, Sinnstiftungen eines Rechtsbuchs. Die Lex Salica im Frankenreich (= Quellen und Forschungen zum Recht im Mittelalter 9). Thorbecke, Ostfildern 2017. 313 S. Angezeigt von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen Ubl, Karl, Sinnstiftungen eines Rechtsbuchs. Die Lex Salica im Frankenreich (= Quellen und Forschungen zum Recht im Mittelalter 9). Thorbecke, Ostfildern 2017. 313 S. Angezeigt von Gerhard Köbler.
Lex Salica ist nach überwiegender herkömmlicher Ansicht das vielleicht auf Grund antiker formaler Vorbilder (Kodizes?) zwischen 507 und 511 in 65 Titeln (als lat. Pactus [M.] legis Salicae) erstmals aufgezeichnete Volksrecht des salischen Teilstamms der Franken (Salfranken). Diese älteste Fassung besteht überwiegend aus Texten in einem Weistumsstil (Bußweistümern) und daneben auch aus Texten in einem Konstitutionenstil (Gesetzen). Sie enthält eine Reihe von altfränkischen, aber nur noch teilweise verständlichen Wörtern (malbergische Glossen).
Sie wird bis etwa 800 mehrfach überarbeitet und ergänzt. Die älteste erhaltene Handschrift wird auf die Zeit zwischen 751 und 768 datiert. Inhaltlich ist das Kompositionensystem sehr kasuistisch behandelt und werden an dem Ende vielfach jüngere Teilstücke kapitularienartig angefügt.
Mit der Lex Salica beschäftigt sich die vorliegende Untersuchung des in Wien 1973 geborenen, dort von 1991 bis 1995 in Geschichte, Philosophie und historischen Hilfswissenschaften ausgebildeten, 1999/2000 in Heidelberg mit einer von Jürgen Miethke betreuten Dissertation über Engelbert von Admont promovierten, 2007 in Tübingen als Assistent Wilfried Hartmanns mit einer Schrift über die Geschichte des Inzestverbots zwischen 300 und 1100 habilitierten, 2011 für mittelalterliche Geschichte an die Universität Köln berufenen Verfassers. Ihr Zustandekommen wurde nach dem Vorwort wesentlich dadurch gefördert, dass die Deutsche Forschungsgemeinschaft seit 2007 die Arbeit an dem Material der karolingischen Handschriften förderte, woraus eine Bibliotheca legum erwuchs, die alle rund 300 Überlieferungszeugen der frühmittelalterlichen „Rechtsbücher“ mit neuen Handschriftenbeschreibungen, editorischen Vorarbeiten sowie Informatione |
|
Verschluss-Sachen. Dokumente, Fotos und Objekte aus dem Archiv der Staatssicherheit, hg. v. Jedlitschka, Karsten/Niederhut, Jens/Springer, Philipp. Der Bundesbeauftragte für die Unterlagen des Staatssicherheitsdiensts der ehemaligen DDR, Berlin 2017. 191 S. Angezeigt von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen Verschluss-Sachen. Dokumente, Fotos und Objekte aus dem Archiv der Staatssicherheit, hg. v. Jedlitschka, Karsten/Niederhut, Jens/Springer, Philipp. Der Bundesbeauftragte für die Unterlagen des Staatssicherheitsdiensts der ehemaligen DDR, Berlin 2017. 191 S. Angezeigt von Gerhard Köbler.
Als Individualist hält der Mensch gerne einzelne Gegebenheiten vor anderen Menschen geheim, was er entsprechend auch in Funktionen von ihn umgebenden Staaten praktiziert. Deswegen hat er in dieser Umgebung Geheimhaltungsstufen wie etwa streng geheim, geheim oder Verschlusssache eingeführt. Danach ist beispielsweise in der Bundesrepublik Deutschland eine Verschlusssache-vertraulich, wenn die Kenntnisnahme durch Unbefugte für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder schädlich sein kann.
Für die Staatssicherheit der früheren Deutschen Demokratischen Republik hat sich die vorliegende Veröffentlichung mit diesem Gegenstand beschäftigt. Vier Mitarbeiter des Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdiensts haben die entsprechenden Bestände durchgesehen und aus jedem Jahr, in dem es (ab 1950) die Staatssicherheit gab, ein bislang unbekanntes (Dokument, Foto oder) Objekt präsentiert. Auf diese Weise wird ein neuartiger, vielfältiger Einblick in die Tätigkeit der Staatssicherheit geboten.
Im Einzelnen folgen dabei einem kurzen Vorwort und einer hilfreichen Einleitung vierzig kurze Abschnitte mit zugehörigen Berichten. Sie beginnen mit einem Umschlag „voller Hetzbuchstaben“ und enden nach Kriegshetze, Ansehen der Volkspolizei, Ursula, Mäuschen, bayerischen Landstraßen, Protest, Meinung, Flüchtlingen, olympischen Spielen, Tondokumenten, Kunstschrift, Sabotageverdacht, puckelrussischen Hängebauchschweinen, Rentnern, Eigensinn, deutsch-sowjetischer Feindschaft im Jagdrevier, Mongolenschweinen, Kaderkarteikarten, dem großen Knall, Hirsebrei, Staatsarchiv, Zugtoiletten, Weihnachten, angeblichen Selbstmorden, kopiert |
|
Verzeichnis der Familienarchive und persönlichen Schriftennachlässe zur österreichischen Geschichte 1500-2000, hg. v. Hochedlinger, Michael/Krenn, Martin/Terzer, Peter (= Veröffentlichungen der Kommission für neuere Geschichte Österreichs 116). Böhlau, Wien 2018. 1106 S. Angezeigt von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen Verzeichnis der Familienarchive und persönlichen Schriftennachlässe zur österreichischen Geschichte 1500-2000, hg. v. Hochedlinger, Michael/Krenn, Martin/Terzer, Peter (= Veröffentlichungen der Kommission für neuere Geschichte Österreichs 116). Böhlau, Wien 2018. 1106 S. Angezeigt von Gerhard Köbler.
Seit der Erfindung der Schrift kann der Mensch schriftliche Erkenntnisquellen hinterlassen, die in ihrem Bestand allerdings unterschiedlichsten Gefahren ausgesetzt sind. Im Zuge der kulturellen Entwicklung haben dabei immer mehr Menschen schreiben gelernt, so dass inzwischen die Schreibfähigkeit die Regel und der Analphabetismus die Ausnahme geworden ist. Dementsprechend hinterlassen in der Gegenwart die meisten Menschen bei ihrem Tode auch Schriftgut und wird Schriftgut nach altertümlichen Anfängen spätestens seit dem Mittelalter an immer mehr Stellen bewusst bewahrt, wovon nach der Vorbemerkung der Herausgeber des gewichtigen Überblicks empirisch arbeitende Geschichtswissenschaft grundsätzlich abhängig ist.
Wie die Herausgeber ebenfalls nachdrücklich betonen, lässt sich in Gegensatz zu archiviertem Schriftgut staatlicher Behörden und öffentlicher Institutionen der Verbleib privater Archive und persönlicher Schriftnachlässe wegen des fehlenden „Archivzwangs“ oft nur mit großer Mühe ermitteln. Dementsprechend ist nicht nur bereits reiches Quellenmaterial zu der österreichischen bzw. mitteleuropäischen Geschichte infolge fehlender Betreuung verloren gegangen, sondern schlummert auch vieles an unbekanntem bzw. vergessenem Ort und kann deshalb nicht zielgerichtet nachgefragt werden. Dem hilft das zwischen 2011 und 2014 mit vergleichsweise bescheidenen Geldmitteln von allen Beteiligten nur im Nebenamt verwirklichte Vorhaben, das mehr als 5000 Familienarchive, Nachlässe, Familienarchivnachteile, Nachlassteile und verstreute Splitterüberlieferungen von historischer Bedeutung unter Wahrung besonders genannter Abgrenzungen erfasst, bestmöglich ab.
|
|
Von der Allegorie zur Empirie. Natur im Rechtsdenken des Spätmittelalters und der frühen Neuzeit, hg. v. Lepsius, Susanne/Vollhardt, Friedrich/Bach, Oliver (= Abhandlungen zur rechtswissenschaftlichen Grundlagenforschung Münchener Universitätsschriften Juristische Fakultät 100). Schmidt, Berlin 2018. VI, 328 S. Angezeigt von Gerhard Köbler. |
Ganzen Eintrag anzeigen Von der Allegorie zur Empirie. Natur im Rechtsdenken des Spätmittelalters und der frühen Neuzeit, hg. v. Lepsius, Susanne/Vollhardt, Friedrich/Bach, Oliver (= Abhandlungen zur rechtswissenschaftlichen Grundlagenforschung Münchener Universitätsschriften Juristische Fakultät 100). Schmidt, Berlin 2018. VI, 328 S. Angezeigt von Gerhard Köbler.
Bei seiner ersten Begegnung mit der ihn umgebenden Natur dürfte der Mensch einigermaßen empirisch vorgegangen sein. Mit seiner geistigen Weiterentwicklung ist der Erfahrung anscheinend auch die Allegorie zur Seite getreten. Ziel des vorliegenden Sammelbands ist in diesem weiten Rahmen die Beschreibung früher Ansätze naturrechtlicher Systematisierungstendenzen einerseits und die Rekonstruktion langanhaltender Wirkungen vermeintlich überholter Rechtskonzepte andererseits.
Dabei leiten die Herausgeber fragend vorsichtig in die Thematik ein. Danach ordnen sie die insgesamt dreizehn, mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft in dem internationalen Begegnungszentrum in München in dem Oktober 2015 vorgetragenen Tagungsbeiträge in vier Gruppen. Diese betreffen das Naturrecht vom Mittelalter bis in die frühe Neuzeit, die Naturrechtsentwürfe des 16. Jahrhunderts zwischen Transzendenz und Immanenz, Anthropologie, Naturrecht und Utopie sowie Natur in den Systembildungen um 1700.
Hierbei beginnt Elisabeth Schneider mit dem Tier und der Natur in dem Rechtsdenken des Spätmittelalters, während sich David von Mayenburg mit (Selbst-)Bildern des Bauern an der Wende von dem Mittelalter zu der Neuzeit befasst. Weitere Studien gehen besonders auf Vitorias Summenkommentare, die Schulderleichterung in der frühneuzeitlichen Scholastik, Philipp Melanchthon und Johann Oldendorp, Francisco Suárez, Francis Bacon, juristische Dissertationen, Marsilius von Padua und Hugo Grotius, Henry Nevill und Georg Greflinger, Pufendorf und Thomasius, Giambattista Vico oder die Vergesellschaftung ein. Am Ende schließen ein |