1361 | Deutschlandvertrag ist der das Besatzungsstatut der westlichen alliierten Siegermächte für ihre Besatzungszonen aufhebende Vertrag der Westmächte mit der Bundesrepublik Deutschland vom 26. 5. 1952/5. 5. 1955. Er löst die →Alliierte Hohe Kommission auf und schreibt der Bundes-republik Deutschland die volle Macht eines souveränen Staates über ihre inneren und äußeren Angelegenheiten zu. Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Die Rechtsstellung Deutschlands, hg. v. Rauschning, D., 1985; Kohl, H., Ich wollte Deutschlands Einheit, 1996 |
1362 | Deutschösterreich ist (im 19. Jh. die inoffizielle Bezeichnung für die deutschsprachigen Gebiete Österreich-Ungarns und danach) die am 30. Oktober 1918 (str., Staatsgründungsbeschluss) entstandene, am 12. 11. 1918 (Beschluss über die republikanische Regierungs- und Staatsform) von der provisorischen Nationalversammlung der deutschsprachigen Teile →Österreichs ausgerufene Republik, die ein Bestandteil der Deutschen Republik sein und nach dem Grundsatz der Selbstbestimmung das geschlossene Siedlungsgebiet der Deutschen innerhalb der bisher im Reichsrat Österreichs vertretenen Königreiche und Länder umfassen soll (einschließlich Deutschsüdmähren, Deutschsüdböhmen, Sudetenland, Brünn, Iglau, Olmütz). Der am 10. 9. 1919 zwischen Österreich und den alliierten Mächten geschlossene Friedensvertrag von Saint Germain-en-Laye schließt dies auf Grund der Interessen der nichtdeutschen Mächte in Art. 88 aus bzw. macht es von der Zustimmung des Völkerbunds abhängig. Das Deutsche Reich anerkennt im Friedensvertrag von Versailles vom 28. 6. 1919 notwendigerweise die Unabhängigkeit Österreichs. Mit Gesetz vom 21. 10. 1919 ändert Österreich seinen Namen in Republik Österreich und lehnt die Rechtsnachfolge nach der Monarchie (nochmals) ab. Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 220; Baltl/Kocher; Merkl, A., Die Verfassung der Republik Deutschösterreich, 1919; Brauneder, W., Eine Republik entsteht, 1999; Brauneder, W., Deutsch-Österreich 1918, 2000; Krämer, K., Die Bestrebungen für einen Zusammenschluss zwischen Österreich und Deutschland, Diss. phil. Hannover 2003 |
1363 | Deutschtirol ist im Gegensatz zu Welschtirol der deutschsprachige Teil der verschiedensprachige Gebiete unter einer Herrschaft zusammenfassenden Grafschaft Tirol. D. reicht südlich bis zur Salurner Klause. Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Wopfner, H., Beiträge zur Geschichte der freien bäuerlichen Erbleihe Deutschtirols im Mittelalter, 1903; Stolz, O., Deutschtirol, 1910; Riedmann, J., Geschichte Tirols, 1983, 2. A. 1988, 3. A. 2001 |
1364 | Devestierung ist im kirchlichen Recht die das Gegenstück zur sichtbar gemachten Bekleidung (Investierung oder Investitur) mit einem Amt bei dessen Übertragung bildende, ebenfalls sichtbar gemachte Entkleidung von dem Amt bei dessen Entzug (z. B. Papst Formosus 897, Petrus Leonis 1139, Jan Hus auf dem Konstanzer Konzil 1414-1418, Alfred Dreyfus Frankreich 1894). In der Gegenwart wird die D. nicht mehr durchgeführt. Lit.: Kober, F., Die Deposition und Degradation, 1867 |
1365 | Devolution ist der Übergang eines Rechtes von einer Person auf eine andere, insbesondere in der Kirche der Übergang des Rechtes zur Verleihung eines Amtes auf den nächsthöheren Oberen, wenn der an sich zuständige Berechtigte sein Recht nicht oder nicht rechtmäßig ausübt. Die D. findet sich bereits bei Justinian. Seit dem 13. Jh. schränkt die Kirche den Anwendungsbereich ein. Lit.: Ebers, G., Devolutionsrecht, 1906, Neudruck 1965; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 1950, 5. A. 1972, 343 |
1366 | Dezemberverfassung ist in →Österreich eine Gesamtheit von sechs am 21. 12. 1867 erlassenen Gesetzen (Gesetz über die Ministerverantwortlichkeit, Staatsgrundgesetz über die Reichsvertretung [Novellierung des Grundgesetzes der Februarverfassung von 1861 mit Herrenhaus, Abgeordnetenhaus, kaiserlichem Vetorecht und Notverordnungs-recht], Staatsgrundgesetz über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger [übernimmt Gesetz zum Schutze der persönlichen Freiheit und Gesetz zum Schutz des Hausrechts aus dem Jahr 1862], Staatsgrundsetz über die Einsetzung eines Reichsgerichts [verfassungsgerichtliche und verwaltungsgerichtliche Zuständigkeiten des Reichsgerichts), Staatsgrundgesetz über die richterliche Gewalt [Trennung von Rechtspflege und Verwaltung, Unabhängigkeit des Richters, Mündlichkeit, Öffentlichkeit, Anklageverfahren, Geschworenen-gerichte, Ankündigung eines Verwaltungsgerichtshofs], Staatsgrundgesetz über die Ausübung der Regierungs- und Vollzugsgewalt [z. B. Bindung an die Gesetze], Delegationsgesetz über das Verhältnis zwischen der österreichischen und der ungarischen Reichshälfte und deren Beziehung zum gemeinsamen Monarchen), die einen Reichsrat mit Herrenhaus und Abgeordnetenhaus, Grundrechte in 19 Artikeln, ein Reichsgericht als Verfassungsgerichtshof, Trennung von Verwaltung und Justiz u. a. vorsehen. Lit.: http://www.koeblergerhard.de/Fontes/VerfOeDezember1867.doc; Köbler, DRG 194; Baltl/Kocher; Haider, B., Die Protokolle des Verfassungsausschusses des Reichsrates von 1867, 1997 |
1367 | Dezennalrezess ist der zehn Jahre laufende Steuerbewilligungsbeschluss der Landstände, den Maria Theresia seit 1749 (außer in Kärnten) in ihren Ländern politisch erzwingt. |
1368 | Dezision (F.) Entscheidung, Urteil |
1369 | Diakon (Lehnwort aus dem Griechischen, „Diener, Helfer“) ist in der Antike ein dem Bischof untergeordneter Diener oder Gehilfe, danach eine Vorbereitungsstufe (Weihegrad) auf dem Weg zur Priesterschaft. In der protestantischen Kirche gewinnt der D. seit dem 19. Jh., in der katholischen Kirche seit dem zweiten Vatikanischen Konzil an Bedeutung. Hier ist der D., der auch verheiratet sein kann, ermächtigt, viele liturgische Handlungen selbständig vorzunehmen (ausgenommen Eucharistie und Bußsakramenterteilung). Lit.: Kroeschell, DRG 1; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 1950, 5. A. 1972; Reynolds, R., The Ordinals of Christ, 1978; Der Diakon, hg. v. Plöger, J. u. a., 1980; Landau, P., Officium und libertas christiana, 1991; Will, J., Die Rechtsverhältnisse zwischen Bischof und Klerus im Dekret des Bischofs Burchard von Woms, 1992; Handbuch Geschichte der deutschen evangelischen Diakonie, hg. v. Kaiser, J., 2000 |
1370 | Dialogus (M.) de scaccario (lat.) des Schatzmeisters Richard von Ely (um 1178) ist ein Lehrgespräch (Dialog) zwischen Lehrer und Schüler über die vom Schatzamt (lat. [N.] scaccarium, engl. exchequer) in Finanz-angelegenheiten angewandten Rechtssätze des englischen Rechtes. Lit.: Busz, H., Zur Entstehungsgeschichte des Scaccarium, ZRG GA 35 (1914), 437; Richard von Ely, Dialog über das Schatzamt, übers. v. Siegrist, M., 1963; Dialogus de Scaccario, hg. v. Carter, F. u. a., 1983 |
1371 | Diät ist ursprünglich die geregelte Lebensweise oder der Aufenthaltsort. Diäten sind seit dem 20. Jahrhundert die Entschädigung des Ab-geordneten für die von ihm für politische Arbeit aufgewandte Zeit (Gesetz des Deutschen Reiches vom 21. 5. 1906). Lit.: Butzer, H., Diäten und Freifahrt, 1999; Urban, N., Die Diätenfrage, 2003 |
1372 | Dichterkrönung ist die von 1315 (Albertino Mussato Universität Padua) bis 1804 (Karl Reinhard) nachweisbare Ehrung von Dichtern durch Krönung seitens der Päpste und Fürsten. Lit.: Broadus, E., The Laureateship, 1921; Konrad Celtis und Nürnberg, hg. v. Fuchs, F., 2004 |
1373 | Dictatus (M.) papae (lat.) sind fünf im ersten und zweiten Buch des Registers der Briefe Papst Gregors VII. als D. p. bezeichnete Stücke bzw. genauer 27 undatierte Sätze Gregors VII. (1073-1085), die zwischen zwei Briefen vom 3. und 4. März 1075 in das Register eingetragen sind und ohne erkennbare Ordnung Vorrang und Vorrechte der römischen Kirche und des Papstes betonen, jedoch keine zeitgenössische Wirksamkeit entfalten. Lit.: Kroeschell, DRG 1; Caspar, E., Das Register Gregors VII., (in) Monumenta Germaniae Historica, Epistolae selectae Bd. 2,1 1920, 201; Hofmann, K., Der Dictatus papae, 1933; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 1950, 5. A. 1972; Hoffmann, H., Zum Register und zu den Briefen Papst Gregors VII., DA 32 (1976), 86; Fuhrmann, H., Papst Gregor VII. und das Kirchenrecht, Studi Gregoriani 13 (1898), 123 |
1374 | Dieb ist der Täter des →Diebstahls. Lit.: Blauert, A./Wiebel, E., Gauner- und Diebslisten, 2001; Siciliano, D., Das Leben des fliehendenDiebes, 2003, 2. A: 2013 |
1375 | Diebstahl ist die Wegnahme einer fremden beweglichen Sache in der Absicht, sich (oder einem Dritten) dieselbe rechtswidrig zuzu-eignen (bzw. ganz allgemein eine Form von Vermögensschädigung). Im altrömischen Recht hat die Sachentziehung (lat. [N.] furtum) grundsätzlich die Leistung des Doppelten des Wertes und die Infamie zur Folge. In der klassisch-römischrechtlichen Zeit wird der D. zunehmend öffentlich verfolgt und mit Strafe geahndet. Justinian betont daneben den Ausgleich mit dem Doppelten. Im Mittelalter wird zunächst der D., dessen Kennzeichen die Heimlichkeit ist, mit einer →Buße geahndet. Mit der Landfriedensgesetzgebung wird der große D. mit der →Todesstrafe (Hängen), der kleine D. mit der →Leibesstrafe (Haut und Haar) bedroht, wobei die Grenze zwischen groß und klein an unterschiedlichen Orten und zu unterschiedlichen Zeiten verschieden gesetzt wird. Die →Constitutio Criminalis Carolina (1532) scheidet D., Raub und Unterschlagung, doch setzt sich dies nicht vollständig durch und werden D. und rezipiertes (lat. [N.]) futum vielfach vermengt. Erst in der ersten Hälfte des 19. Jh.s wird der D. endgültig eingeengt und die Todesstrafe für D. allmählich beseitigt. 1851 wird in Preußen auch die Trennung von großem D. und kleinem D. aufgegeben. Lit.: Kaser § 51 I; Söllner § 8; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 27, 48, 65, 86, 119, 158; Hälschner, H., System des preußischen Strafrechts, 1868, 2, 388ff.; Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1961; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1f. 1920ff., Neudruck 1964; Dahm, G., Das Strafrecht Italiens im ausgehenden Mittelalter, 1931, 459ff.; Fischer, H., Der Diebstahl in den Volksrechten, 1942; Janßen, H., Der Diebstahl, Diss. jur. Göttingen 1969; Hagemann, H., Vom Diebstahl im altdeutschen Recht, FS H. Krause 1975, 1; Wirtz, H., Versuch und Vollendung beim einfachen Diebstahl in Rechtsprechung und Dogmatik der Partikularrechte, Diss. jur. Kiel 1976; Stackmann, N., Die Rechtsprechung des preußischen Obertribunales zum Diebstahl, Diss. jur. München 1989; Schnyder, S., Tötung und Diebstahl, 2010 |
1376 | Dienst (Wort germanisch) ist die Tätigkeit eines Menschen für einen anderen. Die Grundlage hierfür ist verschieden, kann aber in einem →Dienstvertrag bestehen. Lit.: Steuern, Abgaben und Dienste, hg. v. Schremmer, E., 1994; Biographisches Handbuch des deutschen auswärtigen Dienstes 1871-1945, hg. v. Auswärtigen Amt, Bd. 1ff. 1999ff.; Concepts and Patterns of Service in the Later Middle Ages, hg. v. Curry, A. u. a., 2000; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privat-rechtswortschatzes, 2010 |
1377 | Dienstadel ist der durch Dienst für einen Herren entstehende Adel z. B. der zunächst unfreien Dienstmannen aber auch ursprünglich Freier im ausgehenden Frühmittelalter. Lit.: Bosl, K., Die Reichsministerialität, 1950/1; Witzel, W., Die fuldischen Ministerialen, 1989; Derschka, H., Die Ministerialen des Hochstiftes Konstanz, 1999; Hechberger, W., Adel im fränkisch-deutschen Mittelalter, 2005 |
1378 | Dienstbarkeit (Wort 1307, Wiedergabe von Servitut) ist das beschränkte dingliche Recht an einer Sache, das den Eigentümer in einzelnen Beziehungen in der Benutzung der Sache oder in der Ausübung seiner Rechte zu Gunsten eines anderen oder des Berechtigten eines anderen Sache beschränkt. In dieser Beziehung kennt das altrömische Recht bereits (lat. [N.]) iter (Pfad), (M.) actus (Trift), (F.) via (Weg) und (M.) aquaeductus (Wasserleitung), die als handgreifbare Sachen (lat. [F.Pl.] res mancipi) behandelt werden. Dabei werden eine in einem Tun bestehende D., eine D. an einer eigenen Sache und die Ersitzung einer D. abgelehnt. Spätestens Justinian (527-565) lässt auch die Personalservitut zu. Nach diesen römischen (F.Pl.) servitutes finden sich verschiedene beschränkte dingliche Nutzungsrechte vor allem an Liegenschaften seit dem Hochmittelalter auf unterschiedlicher Grundlage. Seit dem Spätmittelalter werden die römischen Regeln über Servituten in abgeänderter Form aufgenommen. Danach kann jede Nutzung beliebiger Art Gegenstand einer D. sein, auch ein Tun (sog. deutschrechtliche D.). Sie kann sogar dem Eigentümer der Sache zustehen. Das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch Österreichs (1811/1812) folgt weitgehend dem römischen Recht. Lit.: Kaser § 28; Hübner; Köbler, DRG 26, 125, 163; Naendrup, H., Zur Geschichte deutscher Grund-dienstbarkeiten, 1900; Birzer, B., Altrechtliche Dienstbarkeit in der Oberpfalz, Diss. jur. Regensburg 1998; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010 |
1379 | Dienstleistung ist die Leistung einess Dienstes für einen anderen durch einen. Lit.: Dienstleistungen, hg. v. Gilomen, H. u. a., 2007 |
1380 | Dienstmann ist im Mittelalter der durch Dienst allmählich in den Adel aufsteigende Unfreie. Dies ist sowohl im Dienst des Königs (Reichsdienstmann) wie auch im Dienst eines anderen Herrn möglich. Im 19. Jh. ist D. die Bezeichnung eines amtlich angestellten Gepäckträgers. Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Loesch, H. v., Das kürzere Kölner Dienstmannenrecht, ZRG GA 44 (1924), 298; Haendle, O., Die Dienstmannen Heinrichs des Löwen, 1930; Bumke, J., Studien zum Ritterbegriff, 1964, 2. A. 1977; Jendorff, A., Verwandte, Teilhaber und Dienstleute, 2003 |