801 | Bonifatius VIII (Benedetto Caetani, Anagni um 1235-Rom 11. 10. 1303) wird nach dem Studium vermutlich des kirchlichen Rechtes in Todi, Spoleto und Bologna am 23. 1. 1295 Papst. 1298 lässt er die päpstlichen Dekretalen ab 1234 im (lat.) Liber (M.) sextus decretalium (sechsten Buch der Dekretalen) zusammenfassen. In der Dekretale (lat.) Unam sanctam (eine heilige) vom 18. 11. 1302 fordert er die Unterordnung der weltlichen Gewalt unter den Papst, wird aber am 7. 9. 1303 in Anagni verhaftet. Lit.: Gagnér, S., Studien zur Ideengeschichte der Gesetzgebung, 1960; Schmidt, T., Der Bonifaz-Prozess, 1989; Politische Reflexion der Welt des späten Mittelalters, hg. v. Kaufhold, M., 2004, 129ff. |
802 | bonitarisch auf (lat.) in bonis esse, „in den Gütern sein“ beruhend, im Gegensatz zu zivil (z. B. die im römischen Recht durch bloße Übergabe einer mancipium-Sache statt Manzipation seitens des Eigentümers erlangte, vom Prätor geschützte Stellung des Erwerbers) |
803 | Bonn (Bonna 12-9 v. Chr.) am Rhein gegenüber der Einmündung der Sieg ist ein auf keltisch-römischer Grundlage entstandener Ort, der im 11. Jh. (von den Ezzonen) an das Erzstift →Köln gelangt. Im 16. Jh. wird er dessen Hauptort und erhält 1777/1786 eine 1797 aufgehobene, 1815/1816 jedoch wiedererrichtete Universität, in der 1928 die Staatswissenschaften fast vollständig aus der philosophischen Fakultät in die juristische Fakultät übergeführt werden. Vom 1. 9. 1948 bis 23. 5. 1949 tagt in B. der Parlamentarische Rat zur Vorbereitung der Bundesrepublik Deutschland, weshalb das →Grundgesetz auch als Bonner Grundgesetz bezeichnet wird. 1949 wird B. bis zum Beitritt der Deutschen Demokratischen Republik zur Bundesrepublik Deutschland (1990) vorläufige Hauptstadt der Bundesrepublik Deutschland. Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Wiedemann, A., Geschichte Godesbergs und seiner Umgebung, 1920; Niessen, J./Ennen, E., Geschichte der Stadt Bonn, 1956ff.; Eisenhardt, U., Die weltliche Gerichtsbarkeit der Offizialate, 1966; Hübinger, P., Das historische Seminar, 1963; Schäfer, K., Verfassungsgeschichte der Universität Bonn 1818 bis 1960, 1969; Meier, J., Der Rechtsunterricht an den Universitäten Köln und Bonn, Diss. jur. Köln 1987; Geschichte der Stadt Bonn, hg. v. Höroldt, D. u. a., 1989ff.; 150 Jahre Landgericht Bonn, hg. v. Fassbender, H., 2000; Die Juristen der Universität Bonn im Dritten Reich, hg. v. Schmoeckel, M., 2004; 75-Jahr-Feier der rechts- und staatswissenschaftlichen Fakultät, 2004; Schmoeckel, M. u. a., Stätten des Rechts in Bonn, 2004 |
804 | Bonorum possessio (lat. [F.] Güterbesitz, Nachlassbesitz) ist im klassischen römischen Erbrecht die Stellung, die der →Prätor auf Antrag dem zuweist, den er im Fall des Todes eines Erblassers am ehesten für berechtigt hält. Der damit erreichte Schutz und die damit gewonnene Zuständigkeit für den Bereich des prätorischen Rechtes können sich durch Ersitzung in Eigentum nach zivilem Recht wandeln. Lit.: Kaser §§ 65, 71, 73; Söllner § 25; Köbler, DRG 38; Ankum, H. u. a., Die verschiedenen Bedeutungen des Ausdrucks in bonis alicuius esse, ZRG RA 107 (1990), 155 |
805 | bonum (N.) commune (lat) gemeines Wohl, Allgemeinwohl |
806 | bonus homo →boni homines |
807 | Boppard Lit.: Heyen, F., Reichsgut im Rheinland, 1956 |
808 | Borgarthingsbók ist ein norwegisches Rechtsbuch. →nordisches Recht Lit.: Bruchstücke der Rechtsbücher des Borgarthings und des Eidsivathings, hg. v. Meißner, R., 1942 |
809 | Börse (zu lat. [F.] bursa, Beutel, Kasse?) ist die regelmäßig an einem bestimmten Ort stattfindende, nur von Kaufleuten besuchte Veranstaltung zum Zweck des Abschlusses von Gattungskäufen vertretbarer Sachen. Geldbörsen entstehen seit dem 12. Jh. in Oberitalien und Südfrankreich, eine Warenbörse ohne anwesende Waren ist in Antwerpen um 1500 bezeugt. Wichtige Börsen bestehen in Antwerpen, Lyon, Amsterdam, Paris, London, Frankfurt am Main, Berlin und Wien, später auch in New York oder Tokio. 2012 untersagt die Europäische Kommission die Verbindung von Deutscher Börse und New York Stock Exchange. Lit.: Deutsche Börsengeschichte, hg. v. Pohl, H., 1992; Blumentritt, J., Die privatrechtlich organisierte Börse, 2003 |
810 | Börsengesetz ist das am 22. 6. 1896 geschaffene, das Recht des Wertpapierhandels an der Börse (Vorformen im 15. Jh. in Sevilla, Cadiz und Lissabon [16. Jh.]) regelnde deutsche Gesetz. Lit.: Meier, J., Die Entstehung des Börsengesetzes, 1992; Schulz, W., Das deutsche Börsengesetz, 1994 |
811 | Bösgläubigkeit ist das Wissen oder grobfahrlässige Nichtwissen um einen rechtlich bedeutsamen Umstand. →guter Glaube |
812 | Bosnien ist die östlich der mittleren Adria gelegene Landschaft, die 9 n. Chr. von den Römern erobert wird (Dalmatia) und bei der Reichsteilung des 4. Jh.s an Ostrom gelangt. Zu Beginn des 7. Jh.s siedeln sich Südslawen an. Das dort entstehende Königreich (1377) gerät mit Herzegowina 1463/1482 durch Eroberung unter die Herrschaft der Osmanen. Seit 1878 erlebt B. unter dem Einfluss (Besetzung und Verwaltung) Österreichs (1883 HGB, ZPO, Wechselgesetz u. a.) einen Aufschwung. 1908 wird B. von →Österreich-Ungarn annektiert und als weitere pragmatische Angelegenheit von Österreich und Ungarn gemeinsam verwaltet (1909 von der Türkei anerkannt). 1918 wird es Teil →Jugoslawiens (1941-1945 Kroatiens). Nach der Erklärung der Souveränität (1992) und einem Bürgerkrieg wird es 1995/1996 als Bosnien-Herzegowina (zwischen Kroatien, Serbien, Monenegro und Adria, 4,3 Millionen Einwohner, 51129 Quadratkilometer, bosniakisch-kroatische Föderation und serbische Republik) verselbständigt. Lit.: Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 3,5,332; Balic, S., Das unbekannte Bosnien, 1992; Dzaja, S., Bosnien-Herzegowina, 1994; Bär, S., Der Zerfall Jugoslawiens, 1995; Babouna, A., Die nationale Entwicklung der bosnischen Muslime, 1996; Haselsteiner, H., Bosnien-Hercegovina, 1996; Lovrenovic, I., Bosnien und Herzegowina, 1998; Jäger, F., Bosniaken, Kroaten, Serben, 2001; Gabriel, K., Bosnien-Herzegowina 1878, 2003; Classen, L., Der völkerrechtliche Status von Bosnien-Herzegowina, 2004; Küpper, H., Einführung in die Rechtsgeschichte Osteuropas, 2005 |
813 | Bote (lat. [M.] nuntius) ist ein Mensch, der für einen anderen ohne eigene Willensbildung eine Erklärung (wie ein Brief) empfängt oder abgibt. Lit.: Kaser § 11; Kroeschell, DRG 2 |
814 | Bourbone ist der nach Bourbon-l’Archambault im heutigen Departement Allier benannte Angehörige einer durch Graf Ludwig I. von Clermont (1270-1342, 1327 Herzog von Bourbon) begründeten Seitenlinie der →Kapetinger. Die jüngere Linie Bourbon-Vendôme erlangt von 1589 bis 1792 und von 1814 bis 1830 bzw. in der 1660 abgespaltenen Nebenlinie Orléans von 1830 bis 1848 das Königtum in →Frankreich. In Spanien wird die Linie Bourbon-Anjou 1700 Königsgeschlecht (ausgenommen 1808-1814, 1868-1875, 1931-1975). Sie herrscht auch von 1735 bis 1860 in Neapel-Sizilien sowie von 1748 bis 1802 und von 1847 bis 1859/1860 in Parma-Piacenza. Lit.: Legual, A., Histoire du Bourbonnais, 1960; Malettke, K., Die Bourbonen 1589-1848, Bd. 1ff. 2008f. |
815 | Bourges ist die auf keltischen Grundlagen (Avaricum) beruhende zentralfranzösische Stadt am Zusammenfluss von Yèvre und Auron. Ihre Universität ist zu Beginn des 16. Jh.s Ausgangspunkt des →mos Gallicus (lat. [M.], gallische Art) der Rechtswissenschaft. →Budé Lit.: Devailly, G. u. a., Histoire du Berry, 1980 |
816 | Boutillier, Jehan (Pernes/Pas-de-Calais vor 1350-Tournai [vor?] 24. 1. 1396) verfasst als Berater des französischen Königs in Nordfrankreich (Tournai) wohl kurz vor 1396 das (französische) Rechtsbuch →Somme rural. Lit.: Köbler, DRG 143; Dievoet, G. van, Jehan Boutillier en de Somme rural, 1951 |
817 | Boykott ist die nach dem englischen Gutsbesitzer Charles Boycott (Irland 1880) benannte Ablehnung aller Rechtsbeziehungen zu einem möglichen Vertragspartner, dem dadurch die Möglichkeit zur Teilnahme am Rechtsverkehr abgeschnitten wird. Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Ahlheim, H., Deutsche, kauft nicht bei Juden, 2011 |
818 | Boyneburg Lit.: Diehl, T., Adelsherrschaft im Werraraum, 2010; Eckhardt, W., Reichsministerialen der Boxneburg, ZRG GA 129 (2012), 377 |
819 | Bozen Lit.: Die Bozner Handelskammer vom Merkantilmagistrat bis zur Gegenwart, 1981; Das Urbar des Heilig-Geist-Spitals zu Bozen von 1420, bearb. v. Schneider, W., 2003; Obermair, H., Bozen Süd – Bolzano Nord. Schriftlichkeit und urkundliche Überlieferung, Bd. 1 2005 |
820 | Brabant ist das aus dem fränkischen Gau Bracbantum im Nordwesten (um Brüssel) unter den Grafen von Löwen (um 1188 Herzöge von B.) entstandene, sich vom Reich verselbständigende (1349 Goldene Bulle von Brabant), den Einwohnern in der Blijde Inkomst 1356 die Rechte des Fürsten begrenzende Herzogtum, das nach Johanna von B. (1355-1406) 1390/1430 an →Burgund und nach Maria von Burgund 1477 an →Habsburg (Spanien) kommt. Nach dem spanischen Erbfolgekrieg gelangt es 1723 an Österreich. Nach Ende der 1775 erfolgten Annexion durch Frankreich wird es 1815 Teil der →Niederlande, 1830 mit seinem südlichen Gebiet Teil →Belgiens. Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Moll, W., De rechten van den Heer van Bergen op Zoom, 1915; Lousse, E., Les deux chartes romanes brabançonnes du 12 juillet 1314, Bulletin de la Commission royale d’histoire 96 (1932), 1; Sturler, J. de, Les relations politiques et les échanges commerciaux entre le duché de Brabant et l’Angleterre, 1936; Willem van der Tanerijen, Boec van der loopender praktijken der raidtcameren van Brabant, hg. v. Strubbe, E., 1952; Ganshof, F., Brabant, 1938; Middeleeuwe rechtsbronnen van stad en heerlijkheid Breda, hg. v. Cerutti, F., Bd. 1f. 1956ff.; Nikolay, W., Die Ausbildung der ständischen Verfassung in Geldern und Brabant während des 13. und 14. Jahrhunderts, 1985; Geschiedenis van Noord-Brabant, hg. v. Van den Eerenbeemt, H., Bd. 1ff. 1996f; Godding, P., Le Conseil de Brabant sous le règne de Philippe le Bon (1430-1467), 1999; Weller, T., Die Heiratspolitik, 2004; Geschiedenis van Brabant, hg. v. Van Uytven, R. u. a.,2004; Tigelaar, J., Brabants historie ontvouwd, 2006 |