8601 | Vergewaltigung ist die Nötigung einer Frau mit Gewalt oder Drohung zu dem Beischlaf mit dem Nötigenden oder einem Dritten (→Notzucht). An dem Ende des 20. Jahrhunderts wird auch die Vergewaltigung in der→Ehe strafbar (Österreich 1989, Schweiz 1992, Deutschland 1997). In Deutschland wird 1997 die Vergewaltigung als eigenständiger Tatbestand aufgegeben und als besonders schwerer Fall der sexuellen Nötigung eingeordnet. | Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1961; His, R., Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1f. 1920ff., Neudruck 1964; Thornhill, R./Palmer, C., A Natural History of Rape, 2000; Balthasar, S., Die Tatbestände der Vergewaltigung und sexuellen Nötigung, 2001; Künzel, C., Unzucht – Notzucht – Vergewaltigung, 2003; Shaw, Y., Entwicklung und Reform zur Vergewaltigung in der Ehe gemäß § 177 StGB, 2005; Münch, I. v., Frau komm!, 2009; Gebhardt, M., Als die Soldaten kamen. Die Vergewaltigung deutscher Frauen, 2015; Gebhardt, M., Wir Kinder der Gewalt, 2019 |
8602 | Vergleich (1468, lat. [F.] transactio) ist der gegenseitige Vertrag, durch den der Streit oder die Ungewissheit von Parteien über ein Rechtsverhältnis in dem Wege gegenseitigen Nachgebens beendet wird. Der Vergleich ist in dem klassischen römischen Recht ein →Erlass, wird aber von →Justinian (527-565) hiervon abgelöst. Der Vergleich ist auch in dem deutschen Recht zulässig. Seit dem Spätmittelalter wird das justinianische Recht aufgenommen. | Kaser §§ 50 II 6, 53 II 3; Oertmann, P., Der Vergleich im gemeinen Zivilrecht, 1895; Steinwenter, A., Die Streitbeendigung, 2. A. 1971; Ebel, F., Berichtung, Transactio und Vergleich, 1978; Bork, R., Der Vergleich, 1988; Ausschüsse für Vergleichs- und Konkursrecht, hg. v. Schubert, W., 2008; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010; Eisenhardt, M., Sanierung statt Liquidation, 2011; Thomsch, A., David Mevius und der (Prozess-)Vergleich, 2014 |
8603 | verhaften | |
8604 | Verhaftung ist seit der frühen Neuzeit die amtliche Festnahme eines einer Straftat Verdäch-tigen. Für sie verdichten sich seit der Aufklärung die gesetzlich festzulegenden Vor-aussetzungen. | Kroeschell, 20. Jahrhundert; Baltl/Kocher; Ollinger, T., Die Entwicklung des Richtervorbehalts im Verhaftungsrecht, 1997 |
8605 | Verhältnis | |
8606 | verhältnismäßig | |
8607 | Verhältnismäßigkeit ist der Grundsatz des Verwaltungsrechts, dass die Verwaltung unter mehreren möglichen und geeigneten Maßnahmen nur die wählen darf, die den Betroffenen und die Allgemeinheit besonders wenig beeinträchtigt. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist an sich naheliegend, wird aber erst in dem 20. Jahrhundert verwendet. | Avoine, M. d’, Die Entwicklung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit, Diss. jur. Trier 1994 |
8608 | Verhältniswahlrecht (Proportionalwahlrecht, engl. block voting system) ist die Art des Wahlrechts, bei der die Gesamtzahl der Parlamentssitze auf die Parteien in dem Verhältnis der Gesamtstimmenzahl zu der auf die einzelne Partei bzw. ihre Kandidatenliste in dem gesamten Wahlgebiet abgegebenen Zahl der Stimmen verteilt wird (beispielsweise Belgien 1899, Österreich 18. 12. 1918 [1992 reformiert, mindestens ein Grundmandat oder bundesweit 4 Prozent der Stimmen], Deutsches Reich 1919, pro 60000 Stimmen in dem ganzen Reich ein Abgeordneter). Das Verhältniswahlrecht. bildet einen Gegensatz zu dem Mehrheitswahlrecht. Es kann klare politische Entscheidungen erschweren, entspricht aber den politischen Verhältnissen in dem gesamten Wahlvolk besser. | Köbler, DRG 230, 257; Smend, R., Die Verschiebung der konstitutionellen Ordnung durch das Verhältniswahlrecht, (in) Smend, R., Staatsrechtliche Abhandlungen, 2. A. 1968, 60 |
8609 | verhandeln | |
8610 | Verhandlung ist die Erörterung eines Gegenstands durch Beteiligte, insbesondere die Erörterung vor einem Gericht. Bei der hiervon abgeleiteten Verhandlungsmaxime des Zivilprozesses steht es bei den Parteien, welchen Streitstoff sie dem Gericht unterbreiten, so dass nicht notwendigerweise über die Wahrheit entschieden wird. Ein Gegensatz zu dem Verhandlungsgrundsatz (Verhandlungsmaxime [Gönner]) ist der Grundsatz der Untersuchung durch das Gericht (beispielsweise in dem Inquisitionsprozess). | Köbler, DRG 155, 201; Tiegelkamp, K., Geschichte und Stellung der Verhandlungsmaxime, 1940; Bomsdorf, F., Prozessmaximen und Rechtswirklichkeit, 1971 |
8611 | Verhandlungsmaxime | |
8612 | Verhör ist die eindringliche Befragung eines Menschen durch einen anderen Menschen zu der Ermittlung von Umständen, insbesondere die Befragung von Verdächtigen durch einen Ermittler. | Eibach, J., Frankfurter Verhöre, 2003; Niehaus, M., Das Verhör, 2003 |
8613 | Verjährung (1555, verjähren 1221-1224 Sachsenspiegel, Verjährungsfrist 1784/1794) ist der durch Zeitablauf eintretende Rechtsverlust. In fester Form wird die Verjährung als (lat.) praescriptio (F.) temporis aller Klagen von den römischen Kaisern Honorius (393-423) und Arcadius bzw. Theodosius II. (424) mit einer Frist von grundsätzlich 30 (in bestimmten Fällen auch 40, 20, 10 Jahren oder einem Jahr) eingeführt. Danach strahlt die Verjährung bereits auf das Frühmittelalter aus und wird später allgemein aus dem römischen Recht aufgenommen. Mit ihr verschmilzt die →Verschweigung. Das Bürgerliche Gesetzbuch des Deutschen Reiches (1896/1900) kennt neben der regelmäßigen Verjährung binnen 30 Jahren verschiedene kürzere Verjährungsfristen. Seit 2002 ist in Deutschland die regelmäßige Verjährungsf... | Kaser § 4 III; Köbler, DRG 61; Kroeschell, 20. Jahrhundert; Unterholzner, K., Ausführliche Entwicklung der gesamten Verjährungslehre, 2. A. 1858; Schwarz, F., Bemerkungen zur Lehre von der Verjährung, 1866; Reich, O., Die Entwicklung der kanonistischen Verjährungslehre, 1908; Iterson, W. van, Immemoriale possessie en prescriptie, Themis 1962, 427; Schmachtenberg, H., Die Verschweigung, Diss. jur. Frankfurt am Main 1971; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Ebihara, A., Savigny und die gemeinrechtliche Verjährungslehre, ZRG RA 110 (1993), 602; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010; Jansen, J., Bezit te kwader trouw, verkrijgende en bevrijdende verjaring, 2011; Pichonnaz, P., Ursprung und Begründung der Verjährung in historischer S... |
8614 | Verkauf →Kauf | |
8615 | Verkaufspfand ist das bereits dem klassischen römischen Recht bekannte, bei Pfandreife durch Verkauf der Pfandsache an einen Dritten zu verwertende Pfand. Das Verkaufspfand erscheint in dem Mittelalter in den Städten seit dem 13. Jahrhundert, auf dem Land seit dem 14. Jahrhundert In der frühen Neuzeit erfolgt der Verkauf durch das Gericht oder eine andere hierzu bestellte Einrichtung. Nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch des Deutschen Reiches (1896/1900) wird der verpfändete Gegenstand meist durch öffentliche Versteigerung bzw. bei Grundstücken durch Zwangsversteigerung verwertet. | Kaser § 31; Hübner; Planitz, H., Das deutsche Grundpfandrecht, 1912; Hromadka, W., Die Entwicklung des Faustpfandprinzips, 1971; Klink, R., Die Behandlung des Pfandrechts, 1976; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff. |
8616 | Verkehr ist ausgehend von dem Vertrieb von Waren die Bewegung oder Beförderung von Menschen oder Gegenständen auf dafür vorgesehenen Wegen. Das Verkehrswesen ist in dem römischen Reich bereits hoch entwickelt. Dieser Zustand wird erst in der Neuzeit wieder erreicht. Seit der Mitte des 18. Jahrhunderts und vor allem seit dem 19. Jahrhundert verdichtet sich der Verkehr immer mehr. Besondere Bedeutung kommt dem Schienenverkehr (Eisenbahn, Straßenbahn), dem Straßenverkehr (Straße, Chaussee, Autobahn, Fahrrad, Motorrad, Automobil, Lastkraftwagen), dem Wasserverkehr (Kanal, Hafen, Schiff, Containerschiff) und dem Luftverkehr (Ballon, Luftschiff, Flugzeug, Flughafen, Raumfahrt) zu. Die Modernisierung der Mobilität wirkt sich auf Urbanisierung, Mobilisierung und Globalisierung aus (schneller, öfte... | Köbler, DRG 113, 176, 225, 251; Untersuchungen zu Handel und Verkehr, hg. v. Düwel, K. u. a., Bd. 1ff. 1985ff.; Helmedach, A., Das Verkehrssystem als Modernisierungsfaktor, 2000; Gadow, O. v., Die Zähmung des Automobils durch die Gefährdungshaftung, 2002; Schubert, W., Die Anfänge eines modernen Verkehrsrechts im Radfahrrecht um 1900, ZRG GA 122 (2005), 194; Bethkenhagen, K., Die Entwicklung des Luftrechts, 2004; Merki, C., Verkehrsgeschichte und Mobilität, 2008; Ammoser, H., Das Buch vom Verkehr, 2014 |
8617 | Verkehrssicherung | |
8618 | Verkehrssicherungspflicht ist die in dem 20. Jahrhundert von der deutschen Rechtsprechung entwickelte Pflicht des Eröffners eines Verkehrs, die Benützer vor hieraus erwachsenden Gefahren zu sichern. Bei schuldhafter Verletzung der V. ist Schadensersatz aus unerlaubter Handlung zu leisten. | Kroeschell, 20. Jahrhundert; Voss, L., Die Verkehrspflichten, 2007; Bohrer, M., Der morsche Baum. Verkehrssicherheit und Fahrlässigkeit in der Rechtsprechung des Reichsgerichts, 2010 |
8619 | Verkehrssitte (um 1860?) ist das übliche Verhalten in dem Rechtsverkehr. Die Verkehrssitte kann bei der Auslegung eines Rechtsgeschäfts herangezogen werden. Bei unvollständigen Vereinbarungen kann sie der Lückenschließung dienen. | Al-Shamari, N., Die Verkehrssitte im § 242 BGB, 2006 |
8620 | verklaren | |