41 | Accursius (Bagnolo [Certaldo] bei Florenz 1182 oder 1185-Bologna 1260 oder 1263) wird in einer bäuerlichen Familie geboren und lehrt nach dem Studium des römischen Rechtes in Bologna (Azo, Jacobus Balduinus) und der Promotion seit etwa 1215. Bis kurz nach 1230 legt er (in Bearbeitung eines unvollendeten Werkes Azos?) fünfbändige, durch etwa 1200 Handschriften überlieferte Erklärungen (Kommentare) zu allen Teilen der justinianischen Kompilation in Form von Glossenapparaten (lat. glossa [F.] ordinaria) mit insgesamt 96940 Einzelglossen (22365 zum Digestum vetus, 17969 zum Infortiatum, 22243 zum Digestum novum 17814 zum Codex, 4737 zu den Institutionen, 7013 zum Authenticum und 680 zu den libri feudorum, Summe dieser Zahlen 92811) vor, in denen er Problemlösungen unter umfangreicher Verwertung der vorangehenden Literatur bietet. Außerdem sind 8 seiner Gutachten (Konsilien) erhalten, während eine bezeugte Summe nicht überliefert ist. Zu seinen Schülern zählen Odofredus und Papst Innozenz IV. Lit.: Söllner § 25; Köbler, DRG 106; Genzmer, E., Zur Lebensgeschichte des Accursius, FS L. Wenger, Bd. 2 1945, 223; Atti del convegno internazionale di studi accursiani, ed. Rossi, G., Bd. 1ff. 1968; Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997, 335; Jakobs, H., Magna Glossa, 2006 |
42 | Achilleisches Hausgesetz →Dispositio Achillea |
43 | Achramire (lat.-afrk.), adchramire, ist die frühmittelalterliche Bezeichnung für das Versprechen (Geloben), einen Gerichtstag wahrzunehmen, einen Eid zu leisten oder einen Bürgen oder Zeugen zu stellen (Lex Salica [507-511] 62 u. ö.). Das a. erfolgt unter Übergeben oder Zuwerfen eines (gekerbten) Stäbchens (lat. [F.] →festuca, vielleicht ursprünglich mit der [lat., F.] framea, Lanze). Lit.: Köbler, LAW; Daberkow, M., Adhramire und die germanische framea, Z. f. d. P. 49 (1923), 229 |
44 | Acht ist im mittelalterlichen deutschen Recht die als Unrechtsfolge (Strafmittel oder Verfahrensmittel) mögliche allgemeine Verfolgung. Die A. folgt auf verschiedene Taten, die eine niedrige Gesinnung widerspiegeln (z. B. Mord, Treubruch). Wird der Täter in der Tat ergriffen, so kann er folgenlos getötet werden. Im Übrigen bedarf es eines besonderen Verfahrens, in dem die A. erklärt wird. Der Geächtete steht außerhalb des Rechtes, ist Feind aller und kann von jedem folgenlos getötet werden. Das bewegliche Vermögen des Geächteten wird verteilt, die Liegenschaft verwüstet. Mindere Formen der A. sind zeitlich (z. B. auf ein Jahr) befristet. Bei fruchtlosem Ablauf einer damit verbundenen Gestellungsfrist (Ungehorsams-acht) verfällt der Betreffende in →Aberacht. Die vom König oder seinem Gericht verhängte A. gilt als →Reichsacht im gesamten Reich. Lösung aus der A. ist möglich. Im Laufe des Mittelalters entwickelt sich die A. zu einer differenzierten Rechtsfigur, die mit Erstarkung der staatlichen Gerichts-herrschaft verschwindet (wegen der Vollstreckungsschwäche des Reiches vom Reichskammergericht zuletzt noch 1698, vom Reichshofrat zuletzt noch 1709 ausgesprochen). Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Eichmann, E., Acht und Bann, 1909; Künßberg, E. Frhr. v., Acht, 1910; Heusler, A., Das Strafrecht der Isländersagas, 1911; Poetsch, J., Die Reichsacht, 1911; Ruf, F., Acht und Ortsverweis im alten Land- und Stadtgericht Nürnberg, Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg 46 (1955), 1; Siuts, H., Bann und Acht, 1959; Landes, D., Das Achtverfahren, Diss. jur. Frankfurt am Main 1964; Jacoby, M., Wargus, 1974; Kampmann, C., Reichsrebellion und kaiserliche Acht, 1992; Weber, M., Zur Bedeutung der Reichsacht in der frühen Neuzeit, ZHF Beiheft 19 (1997), 55 |
45 | Achtbuch ist das über die von einem Gericht ausgesprochene →Acht (und dadurch die Geächteten) geführte Buch (Register), wie es anscheinend erstmals der Reichslandfriede des Jahres 1235 vorsieht (z. B. Lübeck 1243, Iglau 1249, Rostock 1258, Rothenburg ob der Tauber 1274, Nürnberg 1285, Achtbuch der Reichshofgerichtsschreiber Petrus Wacker und Johann Geisler zwischen 1417 und 1445 mit fast 600 Einträgen u. a.). Lit.: Schultheiß, W., Nürnberger Rechtsquellen, Bd. 1f. 1960, 16; Battenberg, F., Das Achtbuch der Könige Sigmund und Friedrich III., 1986 |
46 | Achtklausel ist die in mittelalterlichen Verträgen enthaltene Vereinbarung, sich für den Fall der Vertragsverletzung der →Acht zu unterwerfen. Lit.: Battenberg, F., Reichsacht und Anleite im Spätmittelalter, 1987´6, 288 |
47 | acta (lat. [N.Pl.]) →Akten |
48 | acta municipalia (lat. [N.Pl.]) Gemeindeakten |
49 | Actio (lat. [F.]) ist im römischen Recht die Möglichkeit, vor Gericht zu verlangen, was einem zusteht (Klaganspruch). Im →Formularprozess trägt der Kläger in Gegenwart des Beklagten das Begehren vor dem Gerichtsmagistrat vor und beantragt die Er-teilung einer bestimmten a. Ergibt sich, dass der vom Kläger vorgetragene Sachverhalt keine bereits anerkannte a. rechtfertigt, entfällt der Antrag. Allerdings kann der Gerichtsmagistrat, wenn er das Begehren des Klägers gleichwohl als rechtsschutzbedürftig erachtet, eine a. in factum in Aussicht stellen. Die zugelassenen actiones, von denen jede ihre eigene Formel hat, werden vor allem im 4. Buch der Institutionen Justinians im Titel (lat.) De actionibus (Von den Klagansprüchen) zusammengestellt. Im Hochmittelalter anerkennt beispielsweise Johannes Bassianus 169 verschiedene actiones. Im 19. Jh. (Windscheid 1856) wird aus der römischrechtlichen a. der materiellrechtliche →Anspruch. Lit.: Kaser § 82; Söllner § 9; Köbler, LAW; Windscheid, B., Die actio des römischen Civilrechts, 1856; Bethmann Hollweg, C. v., Der Civilprozess des gemeinen Rechts, Bd. 6 1874, 16; Peter, H., Actio und writ, 1957; Kriechbaum, M., Actio, ius und dominium in den Rechtslehren des 13. und 14. Jahrhunderts, 1996; Kollmann, A., Begriffs- und Problemgeschichte des Verhältnisses von formellem und materiellem Recht, 1996; Gröschler, P., Actiones in factum, 2002; Artner, M., Agere praescriptis verbis, 2002 |
50 | Actio (F.) ad exhibendum (lat.), Klaganspruch auf Vorlegung, Vorweisung (vor dem Prätor), Herausgabe, Exhibitionsklage (vgl. § 809 BGB, Klage auf Besichtigung) ist eine (lat.) actio in personam, durch die der bei einer (lat.) actio in rem fehlende Einlassungszwang umgangen werden kann. Lit.: Kaser §§ 26 III 3, 27 I 5, 34 II 3 |
51 | actio (F.) adiecticiae qualitatis (lat.) Klaganspruch aus Haftung für Gewaltunterworfene Lit.: Kaser §§ 11, 15, 49, 60, 83; Wacke, A., Die adjektizischen Klagen, ZRG RA 111 (1994), 280 |
52 | actio (F.) aestimatoria (lat.) Klaganspruch zur Schätzung (aus Trödelvertrag) Lit.: Köbler, DRG 48 |
53 | actio (F.) arbitraria (lat.) Klaganspruch zur Schätzung bzw. zum Ermessen Lit.: Kaser §§ 8 IV, 83 II, 87 II |
54 | Actio (F.) auctoritatis (lat.), Klaganspruch wegen Eviktion (Entwerung) gegen den Verkäufer, Gewährschaftsklage, ist im römischen Recht der Klaganspruch eines wegen einer durch Manzipation erworbenen Sache von einem Dritten angegriffenenen und vom Veräußerer nicht geschützten oder unterliegenden Käufers auf den doppelten Kaufpreis. Lit.: Kaser §§ 7, 27, 32, 51; Söllner § 8; Brägger, R., Actio auctoritatis, 2013 |
55 | Actio (F.) certae creditae pecuniae (lat.) ist im römischen Recht der Klaganspruch auf eine bestimmte Gelddarlehensschuld. Lit.: Kaser §§ 39, 83 |
56 | actio (F.) civilis (lat.) Klaganspruch nach dem Zivilrecht |
57 | actio (F.) commodati (lat.) Klaganspruch aus Leihvertrag Lit.: Kaser § 39 II |
58 | Actio (F.) communi dividundo (lat.) ist im römischen Recht der wohl im 3./2. Jh. v. Chr. durch eine (lat.) lex (F.) Licinnia geschaffene Teilungsklaganspruch mindestens eines Angehörigen einer Vermögensgemeinschaft. Lit.: Kaser §§ 23 IV 83 |
59 | actio (F.) conducti (lat.) Klaganspruch des Mieters u. s. w. Lit.: Kaser §§ 42, 83 |
60 | actio (F.) confessoria (lat.) Servitutenklaganspruch, Nießbrauchsklaganspruch Lit.: Kaser §§ 28, 29 |