115 | Adel ist die Gesamtheit der erblich bevorrechtigten Familien einer Gesellschaft. Derartige Erscheinungen treten in verschiedenen Kulturen auf. Sie sind Wandlungen unterworfen. Die Herkunft des mittelalterlichen deutschen Adels ist ungeklärt. Neben wirtschaftlichen Gesichtspunkten (ererbter Boden?) spielt wohl auch die Herrschaft über Menschen eine Rolle. Nicht sicher feststellbar ist die Bedeutung charismatischer Elemente (Heil, Behauptung göttlicher Abkunft). Die germanischen (lat. [M.Pl.]) principes (Ersten, Anführer) lassen sich nicht als A. sichern. Das salfränkische Volksrecht (507-511?) kennt noch keine rechtliche Aussonderung erblich bevorrechtigter Familien, doch ist es nicht ausgeschlossen, dass der aus der spätrömischen Reichsbeamtenschaft hervorgegangene römische Senatorenadel vergleichbare fränkische Strukturen als Gegenstück findet. Mit den fränkischen Königen steigen viele ihrer Anhänger über die Zuteilung von wichtigen Aufgaben auf. Infolge von Heiratsverbindungen und militärischen Erfolgen entwickelt sich ein engerer Kreis bedeutender Familien, denen zunehmend die höchsten Ämter des Reiches vorbehalten werden (Reichsadel). Weil ihre Lehen seit dem Ende des 9. Jh.s erblich werden, festigt sich ihre örtliche Bindung zu bestimmten Gebieten. Diese oberste Schicht des bereits in den karolingischen Volksrechten durch ein besonderes →Wergeld sowie im Übrigen durch →Ebenburt (Ebenbürtigkeit) und später →Pairsgericht gekennzeichneten Adels wird seit dem Hochmittelalter zu den →Landesherren bzw. →Reichsfürsten. Demgegenüber tritt der vielfach der Unfreiheit entstammende, durch Herrendienst entstandene →niedere Adel in den Dienst der Landesherren ein. Seit 1346 kann der A. (vom König) durch Urkunde an Bürger verliehen werden (Briefadel). Mit dem Absolutismus wird die politische Bedeutung des Adels im Land beschnitten. Durch Säkularisation, Mediatisierung, Beseitigung der Grundherrschaft und Einführung des 1789 in Frankreich revolutionär verwirklichten Gleichheitsgrundsatzes wird der rechtliche Vorrang des Adels (im deutschen Gebiet) in der jüngeren Neuzeit (bis 1918) beseitigt (Österreich 3. 4. 1919 Gesetz über die Aufhebung des Adels, Führung verwaltungsstrafbar). Mit der Bodenreform in der sowjetischen Besatzungszone (1945-1949) werden ihm dort auch die wirtschaftlichen Grundlagen entzogen. Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2, 3; Köbler, DRG 78, 87, 98, 111, 120, 132, 135, 149, 206, 225; Guilhermoz, P., Essai sur l’origine de la noblesse en France, 1902; Wittich, W., Altfreiheit und Dienstbarkeit des Uradels in Niedersachsen, Vjschr. für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte 1906; Schulte, A., Der Adel und die deutsche Kirche, 1910; Mayer, E., Der germanische Uradel, ZRG GA 32 (1911), 1; Mayer, E., Zur Lehre vom germanischen Uradel, ZRG GA 37 (1916), 93; Ernst, V., Die Entstehung des niederen Adels, 1916; Lintzel, M., Die Stände der deutschen Volksrechte, 1933; Dungern, O. v., Adelsherrschaft im Mittelalter, 1927, Neudruck 1967; Otto, E., Adel und Freiheit, 1937; Stutz, U., Zum Ursprung und Wesen des niederen Adels, 1937; Bader, K., Zur Lage und Haltung des schwäbischen Adels am Ende des alten Reiches, Zs. f. württ. 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