741 | Bifang ist (im Mittelalter) das von einem Berechtigten durch tatsächlichen Zugriff neu (stärker) genutzte, meist eingefriedete Grundstück. Lit.: Köbler, WAS; Bethge, O., Über Bifänge, VSWG 20 (1928), 139ff.; Sorhagen, I., Die karolingischen Koloniosationsprivilegien, 1976 |
742 | Bigamie ist die weitere Eheschließung eines bereits verheirateten Menschen in einer nur die Einehe zulassenden Rechtsordnung. Das Christentum hält von Anfang an nur die Einehe für zulässig. Als Folge der Christianisierung der römischen Gesellschaft ist die B. seit Diokletian strafbar und als Folge der Christianisierung der Germanen wird die bei ihnen erlaubte, tatsächlich aber wohl seltene Mehrehe von der Kirche abgelehnt. Im Früh-mittelalter ist die B. eine zunächst rein kirchliche Frage, für die nur die kirchlichen Gerichte zuständig sind. Seit dem Hochmittelalter sehen aber vor allem die Stadtrechte Enthaupten und Ertränken als peinliche Strafe vor. Die →Constitutio Criminalis Bambergensis (1507, Art. 146) behandelt unter dem Einfluss der augustinischen Ehebruchsgesetzgebung eine Frau bei B. strenger als einen Mann, die →Constitutio Criminalis Carolina (1532, Art. 121) ordnet die B. stets als qualifizierten Ehebruch ein. Strafe ist zunächst die Todesstrafe, nach dem preußischen Allgemeinen Landrecht von 1794 (II, 20 §§ 1066ff.) und nach dem deutschen Reichsstrafgesetzbuch von 1871 mehrjähriges Zuchthaus (§ 171 StGB, 5 Jahre Zuchthaus). Privatrechtlich ist die B. Ehehindernis. Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 56; Hälschner, H., Die Lehre vom Ehebruch und der Bigamie, Gerichtssaal 22 (1870), 401; His, R., Geschichte des deutschen Strafrechts, 1928, 150f.; Erle, M., Die Ehe im Naturrecht des 17. Jh.s, 1952; Buchholz, S., Der Landgraf und sein Professor, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997; Siebenhüner, K., Bigamie und Inquisition in Italien 1600-1750, 2006 |
743 | Bilanz ist die zusammengefasste Gegenüberstellung der aktiven und passiven Vermögenswerte einer Person. Sie entwickelt sich im spätmittelalterlichen Handelsgeschäft. Besonders seit dem ausgehenden 20. Jh. werden die rechtlichen Vorschriften betreffend eine B. angesichts der wachsenden Größe der Unternehmen immer dichter (1937 Richtlinien zur Vereinheitlichung des Buchhaltungswesens der Wirtschaft, § 266 HGB). Lit.: Brönner, H., Die Bilanz nach Handels- und Steuerrecht, 2. A. 1940, 9. A. 1991, 10. A. 2011 |
744 | Bild ist die sichtbare Wiedergabe eines Umstands (durch menschliches Tun). Lit.: Goerlitz, T., Die rechtliche Behandlung der gewerblichen Bildzeichen in Deutschland seit dem 14. Jahrhundert, ZRG GA 55 (1935), 216; Historische Bildkunde 2, 1935; Beyerle, F., Sinnbild und Bildgewalt im älteren deutschen Recht, ZRG GA 58 (1938), 788; Troescher, G., Weltgerichtsbilder, Westdt. Jb. f. Kunstgeschichte 11 (1939), 139; Kisch, G., Recht und Gerechtigkeit in der Medaillenkunst, 1955; Brückner, W., Bildnis und Brauch, 1966; Ebel, F. u. a., Römisches Rechtsleben im Mittelalter, 1988; Köbler, G., Bilder aus der deutschen Rechtsgeschichte, 1988; Bild und Abbild, hg. v. Vavra, E., 1999; Schmoeckel, M., Auf der Suche nach der verlorenen Ordnung, 2004; Zitzlsperger, P., Dürers Pelz und das Recht im Bild, 2008; Poeschel, S., Handbuch der Ikonographie, 2. A. 2008; Boehme-Neßler, V., BilderRecht, 2010; Hayduk, H., Rechtsidee und Bild, 2011; Steinhauer, F., Das eigene Bild, 2013; Rechtsikonographie geistlicher und weltlicher Macht, hg. v. Gulczyński, A., 2012; Bild und Konfession im östlichen Mitteleuropa, hg. v. Deiters, M. u. a., 2013 |
745 | Bilderhandschrift ist die mit sachlich auf den Text bezogenen Bildern ausgestattete Handschrift. Die umfänglichsten rechtlichen Bilderhandschriften sind mit bis zu 924 Bildstreifen zum Sachsenspiegel überliefert (Vorbild eine bebilderte Willehalmhandschrift? [1300 Miniaturen], 1270?/vor E. 13. Jh. Harzvorland?, Stammhandschrift verloren, Anfang 14. Jh./um 1300 Heidelberger B. [nur zu einem Drittel erhalten, Druck 1971], vielleicht Meißen wohl 1347-1363/M. 14. Jh. Dresdener B. [Druck 1902, 2002], drittes Viertel 14. Jh. Wolfenbütteler B. [Tochterhandschrift der Dresdener Bilderhandschrift?, Druck 1993], 1336 Oldenburger B. [mittelniederdeutsch, nur Landrecht bebildert, vielfach nur Vorzeichnungen, Druck 1995], insgesamt mindestens sieben Bilderhandschriften anzunehmen). Die Bedeutung der Bilder ist streitig. Mehr Bilderhanschriften als zum Sachsenspiegel gibt es zu dem Decretum Gratiani. Lit.: Köbler, DRG 103; Amira, K. v., Die Dresdener Bilderhandschrift, Bd. 1ff. 1902ff.; Koschorreck, W., Die Heidelberger Bilderhandschrift des Sachsenspiegels, 1970; Text – Bild – Interpretation, hg. v. Schmidt-Wiegand, R., 1986; Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 24; Katalog der deutschsprachigen illustrierten Handschriften des Mittelalters, hg. v. Ott, N., 1991ff.; Got ist selber Recht. Die vier Bilderhandschriften des Sachsenspiegels Oldenburg, Heidelberg, Wolfenbüttel, Dresden, hg. durch Schmidt-Wiegand, R. u. a., 1992; Scheele, F., die sal man alle radebrechen, 1992; Eike von Repgow Sachsenspiegel Die Wolfenbütteler Bilderhandschrift, hg. v. Schmidt-Wiegand, R., 1993; Bloh, U. v., Die illustrierten Historienbibeln, 1993; Der Oldenburger Sachsenspiegel, hg. v. Schmidt-Wiegand, R., 1995; Bilderhandschriften des Sachsenspiegels, 1995; Repgow, Eike von, Sachsenspiegel. Die Wolfenbütteler Bilderhandschrift, hg. v. Schmidt-Wiegand, R., 1998; Die Heidelberger Bilderhandschrift des Sachsenspiegels als digitale Edition auf CD-ROM, hg. v. Hüpper, D. u. a., 1999; Lück, H., Über den Sachsenspiegel, 1999, 2. A. 2005; Brunschwig, C., Visualisierung von Rechtsnormen, 2001; Die Dresdener Bilderhandschrift des Sachsenpiegels. Interimskommentar, hg. v. Lück, H., 2002; Der Dresdener Sachsenspiegel. Faksimile-Ausgabe, 2002; Schmidt-Wiegand, R., Rechtsbücher als Ausdruck pragmatischer Schriftlichkeit, Frühmittelalterliche Studien 37 (2003), 435ff.; http://digi.ub.uni-heidel-berg.de/diglit/cpg164; http://digital.slub-dresden.de/ppn272362328; http://www.sachsenspiegel-online.de/cms; Eike von Repgow, Sachsenspiegel. Die Heidelberger Bilderhandschrift Cod. Pal. Germ. 164, hg. v. Kocher, G., u. a., 2010 |
746 | Bildnisstrafe ist die am Bild vollzogene Strafe. Sie findet sich für die Majestätsbeleidigung beispielweise in Frankreich 1670 in Dänemark und Norwegen 1683 und 1687, in Brandenburg 1688 und 1717, in Sachsen 1712, in Peußen 1721 und 1794, in Österreich 1768 und in Baden 1809, wird aber nach 1848 beseitigt. Daneben bestehen verschiedene von der B. im engeren Sinn verschiedene Einrichtungen. Lit.: Hentig, H. v., Die Strafe, Bd. 1 1954, 320 |
747 | Bildung Lit.: Handbuch der deutschen Bildungsgeschichte, Bd. 5 1989, Bd. 2 18. Jahrhundert 2005; Nonn, U., Mönche, Schreiber und Gelehrte, 2012; Bosse, H., Bildungsrevolution 1770-1830, hg. v. Ghanbari, N., 2012 |
748 | Billigkeit ist die natürliche Gerechtigkeit vor allem im einzelnen Fall. Sie erscheint in der römischen Antike teils als (lat. [F.]) benevolentia des Kaisers, teils bei den nach der B. beurteilten Klagen oder Schuldverhältnissen (lat. →bonae-fidei-iudicia [N.Pl.]). Im frühen Mittelalter bewirkt die Kirche die Aufnahme des Gedankens der B. (lat. →aequitas [F.] canonica), wobei Streit darüber besteht, ob der König nach B. urteilen konnte. Danach greift insbesondere das Naturrecht verstärkt die B. auf. Die B. steht grundsätzlich in einem Spannungsverhältnis zur Gleichheit und zur Rechtssicherheit. Lit.: Kaser §§ 3, 33; Köbler, DRG 86; Rühl, P., Das aequitatis iudicium im fränkischen Königsgericht, ZRG GA 20 (1899), 207; Stölzel, A., Die Entwicklung der gelehrten Rechtsprechung, Bd. 1f. 1901ff.; Kirn, P., Über die angebliche Billigkeitsjustiz des fränkischen Königs, ZRG GA 47 (1927), 115; Wohlhaupter, E., Aequitas canonica, 1931; Kirn, P., Aequitatis iudicium, ZRG GA 53 (1932), 53; Lange, H., Ius aequum und ius strictum bei den Glossatoren, ZRG RA 71 (1954), 319; Erler, A., Aequitas in Sprüchen des Ingelheimer Oberhofes FS G. Kisch, 1955, 53; Kaufmann, E., Aequitatis iudicium, 1959; Schott, C., Billigkeit und Subjektivismus, FS M. Keller, 1989, 745; Wesener, G., Aequitas naturalis, natürliche Billigkeit (in) Der Gerechtigkeitsanspruch des Rechts, 1996, 81ff.; Jacoby, S., Allgemeine Rechtsgrundsätze, 1997; Schröder, J., Aequitas und rechtswissenschaftliches System, ZNR 21 (1999), 29ff.; Schmidt, R., Zur Rechtsprechung Regensburger Gerichte im 14. Jahrhundert, ZRG GA 125 (2008), 82; Zwischen Formstrenge und Billigkeit, hg. v. Oestmann, P., 2009 |
749 | Bill of Rights ist das englische Gesetz, das 1689 vom König angenommen und von einem ordentlichen Parlament bestätigt wird. In 13 Artikeln verbietet es katholische Thronfolge, Steuererhebung, Gesetze und Heer ohne Zustimmung des Parlaments sowie geistliche Gerichte und gewährt Redefreiheit, Petitionsrecht und das grundsätzliche regelmäßige Geschworenengericht. In den Vereinigten Staaten von Amerika heißen B. o. R. die zehn Artikel, die 1791 der Verfassung von 1787 hinzugefügt werden. →Virginia Bill of Rights Lit.: Baker, J., An Introduction to English Legal History, 1971, 2. A. 1979, 3. A. 1990, 4. A. 2002; The complete Bill of Rights, hg. v. Cogan, N., 1997 |
750 | Billerbeck Lit.: Geschichte der Stadt Billerbeck, hg. v. Freitag, W., 2012 |
751 | Binding, Karl (Frankfurt am Main 4. 6. 1841-Freiburg im Breisgau 7. 4. 1920), aus einer Juristenfamilie, wird nach dem Studium in Göttingen (1860-1863) Professor für Strafrecht, Strafprozessrecht und Staatsrecht in Heidelberg (1865), Basel, Freiburg im Breisgau, Straßburg und Leipzig (1913 emeritiert). Er vertritt auf liberaler Grundlage ein formales Vergeltungsstrafrecht zwecks Aufrechterhaltung staatlicher und gesetzlicher Autorität und bekämpft abweichende Auffassungen (z. B. Franz von Liszt) entschieden. Nach seiner Normentheorie geht der Rechtsregel eine Sozialnorm voraus, deren Befehlswirkung der Täter missachtet, so dass er durch Bestrafung unter die Macht des Staates gebeugt werden muss (Die Normen und ihre Übertretung, Bd. 1ff. 1872ff.). Er lässt Analogie zu und befürwortet die Vernichtung lebensunwerten Lebens (Binding, K./Hoche, A. Die Freigabe der Vernichtung lebensunwerten Lebens, 1920, posthum). Lit.: Köbler, DRG 204; Binding, K., Die Geschichte des burgundisch-romanischen Königreichs, 1868; Kaufmann, A., Lebendiges und Totes in Bindings Normentheorie, 1954; Westphalen, D., Karl Binding, 1989; Jerouschek, G., Carl Binding, JZ 2005, 514 |
752 | Binnenmarkt ist der innere Markt, insbesondere der Markt innerhalb der sich aus der europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (seit 1957) entwickelnden Europäischen Gemeinschaft und Europäischen Union (1992). In ihm gibt es keine Grenzen und Binnenzölle, während der Außenhandel mit Drittstaaten gemeinsam geregelt wird. In der Europäischen Union gelten Warenverkehrsfreiheit, Personenverkehrsfreiheit, Kapitalverkehrs-freiheit und Dienstleistungsverkehrsfreiheit. |
753 | Binnenschifffahrt ist die Schifffahrt auf den schiffbaren Binnenwasserstraßen. Sie geht bereits weit in die Zeit der alten Völker zurück, wobei nach römischem Recht alle größeren Flüsse als öffentliche Sachen (lat. [F.Pl.] res publicae) von jedem Bürger zur Schifffahrt benutzt werden dürfen. Im Mittelalter ist die B. durch Zölle stark belastet. Im 19. Jh. sichern nach dem Reichsdeputationshauptschluss von 1803 und dem Wiener Kongress (1815) besondere Schifffahrtsakten die freie Schifffahrt (1821 Elbe, 1823 Weser, 1831/1868 Rhein, 1857/1948 Donau). In Deutschland ist die B. in der Gegenwart in einem besonderen Gesetz (1896) geregelt. Lit.: Eckert, C., Rheinschifffahrt im 19. Jahrhundert, 1900; Rörig, F., Zur Rechtsgeschichte der Territorialgewässer, 1949; Wettstein, L., Die Schifffahrtsfreiheit auf dem Rhein, Diss. jur. Mainz 1963; Gerber, S., Die Ordnung auf den Wasserwegen, Diss. jur. Würzburg 1975; Kischel, D., Die Geschichte der Rheinschifffahrtsgerichtsbarkeit, 1990; Vortisch, O., Binnenschifffahrtsrecht, 4. A. 1991; Scherner, K., Handel, Wirtschaft und Recht in Europa, 1999 |
754 | Biographie ist die Lebensbeschreibung eines Menschen. Aussagen über sich selbst (Autobiographien) begegnen in Griechenland seit dem 7. Jh. v. Chr. (Hesiod, Xenophon, Isokrates, Platon, Augustinus), wobei die Zeit um 300 v. Chr. für die griechische B. besonders wichtig ist. Im deutschen Sprachraum entsteht seit der Mitte des 14. Jh.s eine umfangreiche weltliche Autobiographik (z. B. Ulman Stromer, Nikolaus Muffel, Anton Tucher, Elias Holl, Karl IV.). Lit.: Berschin, W., Biographie und Epochenstil im lateinischen Mittelalter, Bd. 1ff. 1986ff.; Varnhagen von Ense, K., Denkwürdigkeiten des eignen Lebens, hg. v. Feilchefeldt, K., Bd. 1ff. 1987; Rüthers, B., Geschönte Geschichten – geschonte Biographien, 2001; Biographisches Lexikon zur Weltgeschichte, hg. v. Danckelmann, O., 2001; Sonnabend, H., Geschichte der antiken Biographie, 2002; Meisterdenker der Welt, hg. v. Grabner-Haider u. a., 2004; Biographisches Handbuch der deutschen Politik, bearb. v. Jahn, B., Bd. 1ff. 2004; Antike Autobiographien, hg. v. Reichel, M., 2005; Schmid, B., Schreiben für Status und Herrschaft, 2006; Hageneier, L., Jenseits der Topik, 2004; The Limits of Ancient Biography, hg. v. McGing, B. u. a., 2006; Handbuch Biographie, hg. v. Klein, C., 2009; Henning, E., Selbstzeugnisse, 2012 |
755 | Birkarecht (biaerkeraett, bjärköarätt) →Schonen, →Schweden |
756 | Bischof (griech. episkopos [M.] Aufseher) ist in der katholischen Kirche der Obere, der in einem bestimmten Teil der Kirche als Nachfolger der Apostel in Einheit mit dem Papst das höchste Amt ausübt. Er setzt sich als Leiter einer Gemeinde von Kleinasien aus allmählich durch und hat im 3. Jh. auch das Amt als Richter inne, wobei zu innergemeindlichen Aufgaben auch weltliche Aufgaben kommen (lat. [F.] episcopalis audientia). Sein Sitz innerhalb seines Bistums ist grundsätzlich eine Stadt (lat. [F.] civitas). Ausgewählt wird er an sich durch Klerus und Volk, tatsächlich aber im Einzelfall vom Vorgänger, durch das Priesterkollegium der Bischofskirche, durch die Gemeinde oder durch den Erzbischof. Im fränkischen Frühmittelalter wird der B. wichtiger Berater des Königs, wird deshalb das Interesse des Adels an dieser Stellung geweckt und beginnt der König allmählich mit der Einbeziehung der Bischöfe in sein Herrschaftssystem durch Beauftragung der Bischöfe mit weltlichen Aufgaben, weshalb neben die Wahl durch Klerus und Volk die Einsetzung durch den König tritt (ottonisch-salisches Reichskir-chensystem). Im Investiturstreit (ab 1073) setzt die Kirche (1122) die Wahl durch Klerus und Volk durch. Bis 1215 wird das Domkapitel zum Wahlgremium. Danach tritt neben den B. der vor allem mit geistlichen Aufgaben betraute Weihbischof. Im Reich, für dessen Gebiet sich zwischen 1198 und 2001 rund 5500 Diözesanbischöfe (und seit der frühen Neuzeit Weihbischöfe und Generalvikare) nachweisen lassen, wird der B. (seit dem Investiturstreit) geistlicher Reichsfürst (bis zur Säkularisation 1803). Im evangelischen Kirchenwesen verdrängt der Superintendent bis 1918 (teilweise) den B. Seit dem 19. Jh. sind Staat und Kirche grundsätzlich getrennt, doch gewähren Konkordate (z. B. Österreich 1855, 1933) der Kirche noch verschiedene Einflussmöglichkeiten. Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 56, 87, 115, 152; Friedberg, E., Der Staat und die Bischofswahlen in Deutschland, 1874, Neudruck 2013; Stutz, U., Der neuste Stand des deutschen Bischofswahlrechts, 1909; Feine, H., Die Besetzung der Reichsbistümer, 1921; Hofmeister, P., Bischof und Domkapitel, 1931; Claude, D., Die Bestellung der Bischöfe im merowingischen Reiche, ZRG KA 80 (1963), 1; Vescovi e diocesi, 1964; Ganzer, K., Papsttum und Bischofsbesetzungen, 1968; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 1950, 5. A. 1972; Kaiser, R., Bischofsherrschaft, 1981; Scheibelreiter, G., Der Bischof in merowingischer Zeit, 1983; Die Bischöfe des Heiligen römischen Reiches, hg. v. Gatz, E., 1990; Landau, P., Der Papst und die Besetzung der Bischofsstühle, Z. f. ev. Kirchenrecht 37 (1992), 241; Bührer-Thierry, G., Évêques et pouvoir dans le royaume de Germanie, 1997; Die früh- und hochmittelalterliche Bischofserhebung im europäischen Vergleich, hg. v. Erkens, F., 1998; Die Bischöfe des Heiligen römischen Reiches, hg. v. Gatz, E., 2000; Die Bischöfe der deutschsprachigen Länder 1945-2001, hg. v. Gatz, E., 2002; Freund, S., Von den Agilolfingern zu den Karolingern, 2004; Die Wappen der Hochstifte, Bistümer und Diözesanbischöfe im heiligen römischen Reich 1648-1803, hg. v. Glatz, E., 2007; Norton, P., Episcopal Elections 250-600, 2007; Peltzer, J., Canon Law, Carrers and Conquest, 2008; Patzold, S., Episcopus - Wissen über Bischöfe, 2009; Christopher, P., L’élection des évêques, 2009; Thier, A., Hierarchie und Autonomie, 2011; Patterns of episcopal power, hg. v. Körntgen, L. u. a., 2011; Jégou, L., L’évêque, juge de pais, 2011 |
757 | Bismarck, Otto von (Schönhausen/Altmark 1. 4. 1815-Friedrichsruh 30. 7. 1898) wird nach dem Studium der Rechtswissenschaft (1832-1835) in Göttingen und Berlin und Tätigkeit im Staatsdienst Landwirt (1839) und 1849 für die Konservative Partei Mitglied der zweiten preußischen Kammer, Vertreter Preußens im Deutschen Bund (1851), Gesandter in Sankt Petersburg (1859) und Paris (1862) und am 23. 9./8. 10. 1862 preußischer Ministerpräsident. Im Deutschen Bund setzt er sich für Preußen und damit gegen Österreich ein. Nach der Gründung des →Norddeutschen Bundes (1867) und des (zweiten) Deutschen Reiches (1871) wird er bis 20. 3. 1890 Reichskanzler (meist gleichzeitig Ministerpräsident und Außenminister Preußens) und betreibt eine Bündnispolitik (1879 Zweibund mit Österreich-Ungarn, 1882 zum Dreibund mit Italien erweitert, 1915 von Italien gekündigt). Besondere rechtliche Verdienste gewinnt er durch die Herstellung der Rechtseinheit in Deutschland und durch die Einführung der →Sozialversicherung. Im Mittelpunkt seines Denkens und Handelns steht der von einem Erbmonarchen mit starker Bürokratie gelenkte Staat, nicht die Nationsidee. Lit.: Köbler, DRG 171, 177, 183, 194; Meyer, A., Bismarcks Kampf mit Österreich, 1927; Kober, H., Studien zur Rechtsanschauung Bismarcks, 1961; Wehler, H., Bismarck und der Imperialismus, 1969; Gall, L., Bismarck, 1980; Engelberg, E., Bismarck, 1985; Pflanze, O., Bismarck, Bd. 1f. 1997f.; Krockow, C., Graf v., Bismarck, 1997; Thier, A., Steuergesetzgebung und Verfassung in der konstitutionellen Monarchie, 1999; Otto von Bismarck und die Parteien, hg. v. Gall, L., 2001; Schmidt. R., Otto von Bismarck (1815-1898), 2004; Brunck, H., Bismarck und das preußische Staatsministerium 1862-1890, 2004; Otto von Bismarck im Spiegel Europas, hg. v. Hildebrand, K. u. a., 2006; Gall, L., Bismarck, Preußen und die nationale Einigung, HZ 285 (2007), 355; Althammer, B., Das Bismarckreich 1871-1890, 2008; Bismarcks Mitarbeiter, hg. v. Gall, L. u. a., 2009; Kolb, E., Bismarck, 2009; Haffer, D., Europa in den Augen Bismarcks, 2010; Thies, J., Die Bismarcks, 2013 |
758 | Bistum ist der kirchliche Herrschaftsbezirk des →Bischofs. Seit dem 12. Jh. tritt ihm im Heiligen römischen Reich das weltliche Hochstift bis 1803/1806 zur Seite. Neben dem Bischof steht im B. der Kathedralklerus (mit Archidiakon, Archipresbyter, Propst, Offizial, Generalvikar). Lit.: Hinschius, P., Das System des katholischen Kirchenrechts, 1878; Gatz, E., Die Bistümer des Heiligen römischen Reiches, 2003; Die Bistümer der deutschsprachigen Länder, hg. v. Gatz, E., 2005; Bistümer und Bistumgsgrenzen, hg. v. Klueting, E. u. a., 2006 |
759 | Bittleihe (lat. [N.] precarium) ist im römischen Recht die unentgeltliche, widerrufliche Gebrauchsüberlassung einer Sache. Sie ist kein Rechtsverhältnis und begründet keinen für eine Ersitzung ausreichenden Besitz, wohl aber Schutz gegenüber Dritten. |
760 | Bizone ist die Bezeichnung für den Zusammenschluss von amerikanischer und britischer Besatzungszone in Deutschland (1. 1. 1947-8. 4. 1949). Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Pünder, T., Das bizonale Interregnum, 1966; Hubert, G., Die Diskussion um die rechtliche Natur der Bizone, 1996 |