Wirbelauer, Wolfram, Der Antrag der Landtagsabgeordneten Best und Genossen von 1928 auf Beschränkung des hessischen Notariats und die Geschichte des Notariats, der Ortsgerichte und des Grundbuchwesens in Hessen bis 1928. Kovač, Hamburg 2013. XXII, 237 S. Besprochen von Werner Schubert.
Wirbelauer, Wolfram, Der Antrag der Landtagsabgeordneten Best und Genossen von 1928 auf Beschränkung des hessischen Notariats und die Geschichte des Notariats, der Ortsgerichte und des Grundbuchwesens in Hessen bis 1928. Kovač, Hamburg 2013. XXII, 237 S. Besprochen von Werner Schubert.
Nach dem S. VIIf. wiedergegebenen, im Buchtitel genannten Antrag von vier Landtagsabgeordneten des Volksstaats Hessen sollten zur Beurkundung der Grundstücksgeschäfte (§§ 313, 873, 925, 1015 BGB) nur noch die Gerichte zuständig sein (teilweise auch der Ortsvorsteher; Art. 2 des Antrags). Notarstellen sollten nach Art. 4 eingezogen werden, wenn die Richter die Beurkundungsgeschäfte neben den ihnen sonst obliegenden Dienstgeschäften wahrnehmen konnten. Mit seinen Untersuchungen hat Wirbelauer das Ziel verfolgt, anhand des Antrags „die Entwicklung von Notariat, Ortsgerichtsbarkeit und Grundbüchern in Hessen nachzuzeichnen, den politischen Konflikt anhand des vorgebrachten Für und Wider darzustellen und aus der Sicht der Zeitgenossen zu bewerten“ (S. 2). Im Abschnitt über die Grundlagen des Notariats verfolgt Wirbelauer zunächst die Entwicklung in Oberhessen und Starkenburg (Darmstadt, Gießen; S. 17-74). Nach einem nicht speziell auf Oberhessen ausgerichteten Überblick über das Notariatsrecht bis zum 18. Jahrhundert stellt Wirbelauer die für das Notariat relevante Landesgesetzgebung dar, beginnend mit „Contracten-Reglements“ von 1769/1770 (S. 50ff.) und einer Verordnung von 1788 (S. 48). Letztere führte für die wohl noch kaiserlichen Notare eine Prüfung und die Immatrikulation ein. Die Aufnahme von Appellationsinstrumenten wurde verboten, die Aufsetzungen von Kaufbriefen sowie Schuldverschreibungen waren nichtig. Seit dieser Zeit waren weitgehend Beamte der Kommunalverwaltung mit der Wahrnehmung von Beurkundungen zuständig. Im Verlauf des 19. Jahrhunderts wurde das Recht des Erwerbs des Grundeigentums und das Hypothekenwesen unter weiterer Zurückdrängung der Notare weiter ausgebaut (S. 58ff.). In diesem Zusammenhang wäre eine etwas systematischere Durchdringung der von Wirbelauer behandelten Gesetze hilfreich gewesen (vgl. zum Grundstücksrecht in Oberhessen R. Johow in: W. Schubert [Hrsg.], Vorlagen der Redaktoren, Sachenrecht, 1982, S. 268ff.).
Für Rheinhessen berichtet Wirbelauer zunächst über die Einführung des französischen Notariats durch eine Verordnung vom 24. 7. 1798 sowie über dessen endgültige Etablierung durch das Nivôse-Gesetz von 1803 und den Code civil (S. 76ff.). Ein Edikt von 1817 verlangte von den künftigen Notaren ein abgeschlossenes Rechtsstudium (S. 95f.). Das französische Notariatsrecht wurde durch ein Gesetz vom 17. 6. 1879 im Zuge des Inkrafttretens der Reichsjustizgesetze vollständig ersetzt und von den Notaren in Zukunft die Fähigkeit zum Richteramt verlangt. Die Notarkammer hatte keine Befugnisse in Disziplinarsachen. Mit einem Gesetz von 1899 wurde das Notariatsrecht für beide Landesteile vereinheitlicht und allgemein die Verbindung der Rechtsanwaltschaft mit dem Notariat zugelassen. Gerne hätte man erfahren, wie weit nach 1899 in Rheinhessen noch Nurnotare zugelassen wurden und über wie viel Notare der Volksstaat Hessen insgesamt verfügte. Soweit ersichtlich brachten die im Zusammenhang mit dem Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuchs ergangenen hessischen Gesetze keine Einschränkung der notariellen Zuständigkeit gegenüber den BGB-Regelungen (S. 113ff.). Auch hier wäre eine zusammenfassende Darstellung der besprochenen Gesetze nützlich gewesen.
Auf den Seiten 171ff. beschäftigt sich Wirbelauer mit dem Antrag von 1928 und dessen Bewertung. In ihrem Antrag wiesen die der DVVP und der Volksrechtspartei angehörenden Antragsteller darauf hin, dass die Beurkundungsgebühren überhöht seien. Ablehnung des Antrags kam vor allem von der hessischen Notarkammer und dem außerordentlichen Deutschen Notartag in Leipzig (S. 179ff., 203ff.). Der Gesetzgebungsausschuss des Landtags lehnte den Antrag ebenso ab wie das Plenum des Landtags, in dem Abgeordnete der SPD, der DDP und der DVP ablehnend zum Antrag Stellung nahmen. Das Stimmenverhältnis der Abstimmung am 13. 6. 1929 gibt das Landtagsprotokoll nicht wieder. Insgesamt war der Antrag rückwärts gewandt, wie die acht Jahre später erlassene Reichsnotarordnung zeigt, mit der das Nur-Notariat durchgesetzt werden sollte. Die Darstellung der Inhalte der für das Notarrecht relevanten zahlreichen Gesetze des Großherzogtums Hessen-Darmstadt wäre im Ganzen anschaulicher gewesen, wenn Wirbelauer jeweils auch die Verhandlungen der hessischen Landtage mit herangezogen hätte. Zur Überlieferung der archivalischen Quellen zum hessischen Notariat finden sich in dem Werk Wirbelauers keine näheren Hinweise, so dass offen bleibt, inwieweit eine detailliertere Darstellung des Notariatswesens in Hessen-Darmstadt überhaupt möglich gewesen wäre. Im Hinblick darauf, dass das hessische Notariatsrecht im „Handbuch zur Geschichte des deutschen Notariats seit der Reichsnotariatsordnung von 1512“ (2012) keine Darstellung gefunden hat, hat Wirbelauer mit seinem Werk nicht nur für die hessische, sondern auch für die deutsche Notariatsrechtsgeschichte eine erhebliche Lücke geschlossen.
Kiel
Werner Schubert