Klee, Ernst, Auschwitz - Täter, Gehilfen, Opfer und was aus ihnen wurde - ein Personenlexikon. S. Fischer, Frankfurt am Main 2013. 507 S. 2 Ill. Besprochen von Ulrich-Dieter Oppitz.
Klee, Ernst, Auschwitz - Täter, Gehilfen, Opfer und was aus ihnen wurde - ein Personenlexikon. S. Fischer, Frankfurt am Main 2013. 507 S. 2 Ill. Besprochen von Ulrich-Dieter Oppitz.
Am 18. Mai 2013 verstarb Ernst Klee (geb. 1942); so wurde das vorliegende, im August 2013 erschienene Buch, das er noch auf dem Krankenlager bearbeitete, sein letztes. Das Buch knüpft an frühere Veröffentlichungen Klees an, der schon zu den Anstaltsmassentötungen und den Medizinverbrechen geforscht und seine Ergebnisse veröffentlicht hatte. Ihm ging es in seinen Veröffentlichungen immer darum, durch Nennung der Beteiligten und Beschreibung ihrer Tatbeiträge zu zeigen, dass nationalsozialistische Verbrechen durch Einzeltäter verübt wurden, die ihre Verbrechen unter dem Schutze eines verbrecherischen Staates verübten. Ihm ging es aber auch darum zu zeigen, wie die Täter später in den 50er bis 70er Jahren ihre berufliche Laufbahn häufig unbeschadet fortsetzen konnten. Klee war einer der ersten Forscher, die diese Kontinuität aufzeigten. Von Hause aus war er kein ausgebildeter Historiker. Ähnlich wie der ihm geistesverwandte ausgebildete Rabbiner Joseph Wulf (1912-1974) durch die Arbeit mit der Überlieferung zu den Verbrechen zum Historiker wurde, eignete sich Klee umfassende Quellenkenntnisse und Auswertungswege an. Wulf und Klee haben eine Grundlagenarbeit geleistet, an die erst viel später Historiker vom Fach herangingen. Sie forschten aus den Akten, während Klee und Wulf noch Täter nach ihren Verbrechen im Berufsleben erleben mussten.
Das Lexikon behandelt „4043 Menschen, darunter 3621 Personen, die als Täter zu bezeichnen oder zum Umfeld der Täter zu rechnen sind“ (S.10). Bei den Genannten der Täterseite sind neben den Lebensdaten der Dienstrang und, soweit bekannt, der Verbleib nach Kriegsende angegeben. Bemerkenswert ist, wie viele Täter außer in Deutschland in Polen bestraft worden sind. Überraschend ist zudem, dass bei Tätern nicht selten Angaben dazu zu finden sind, dass Gesuche von Familienangehörigen zu Aufenthalten in Lagernähe bewilligt worden sind. Die Lagerleitung hatte wohl keinerlei Bedenken, Zivilisten derart nahe an die Mordfabrik heranzulassen. Bei Tätern ist manchmal die Verleihung des Kriegsverdienstkreuzes mit Schwertern mit einem sich wiederholenden Text erwähnt. Bereits in einer frühen Phase ihrer Ermittlungen hat die Zentralstelle in Ludwigsburg die Listen mit den Namen der Personen, denen das Kriegsverdienstkreuz mit Schwertern verliehen wurde, als Quelle für die Ermittlung möglicher Täter benutzt. Im internen Dienstgebrauch wurde der Ausdruck „Mörderorden“ verwandt. Für Klees Arbeitsweise spricht, dass er neben den Tätern auch Lagerinsassen, wie den Psychotherapeuten V. E. Frankl (S. 124-126) schildert, die schon nach nur wenigen Tagen des Aufenthalts ausführliche Schilderungen über Auschwitz veröffentlichten. Wenig bekannt war lange Zeit, dass auch „Kulturschaffende“ dem Lager Besuche abstatteten. Klee nennt Dieter Borsche, der wohl als Einziger von seinem Besuch berichtet hatte. Der Schulungsleiter Kurt Knittel, der die Kulturveranstaltungen vom Lager aus organisierte, war nach 1957 in Karlsruhe im Oberschulamt tätig. Wenn auch derartige Angaben schon durch Klee in seinem ‚Personenlexikon’ und seinem ‚Kulturlexikon’ verwandt wurden, so mindert dies nicht den Wert des vorliegenden Buches. Ein Verweis wäre indes wünschenswert gewesen.
Angesichts der zwischenzeitlich im Internet auffindbaren Namen ehemaliger Häftlinge des Lagers Auschwitz ist es eine für einen Einzelnen kaum lösbare Aufgabe der Geschichte des Aufenthaltes jeder genannten Person nachzugehen. Klees Arbeit kann nur eine Anregung zu weiteren Forschungen sein. Müßig ist es, Ergänzungen zu Einträgen zu machen. Die genannten Personen sind nur eine Auswahl aus der Masse der Personen, die in engem Kontakt zu diesem Lagerkomplex während der fast fünf Jahre seines Bestehens standen.
Neu-Ulm Ulrich-Dieter Oppitz