Schekahn, Jenny/Wunschik, Tobias, Die Untersuchungshaftanstalt der Staatssicherheit in Rostock. Ermittlungsverfahren, Zelleninformatoren und Haftbedingungen in der Ära Honecker (= BF informiert 31). Der Bundesbeauftragte für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR, Berlin 2012. 157 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Schekahn, Jenny/Wunschik, Tobias, Die Untersuchungshaftanstalt der Staatssicherheit in Rostock. Ermittlungsverfahren, Zelleninformatoren und Haftbedingungen in der Ära Honecker (= BF informiert 31). Der Bundesbeauftragte für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR, Berlin 2012. 157 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Über die Lebenswirklichkeit in der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik bestanden zu ihren Lebzeiten wohl mehr ungefähre Mutmaßungen als zutreffende Sachkenntnisse und selbst nach ihrem Ende lässt sich nur einiges und auch nur langsam besser klären, so dass sogart informelle Mitarbeiter der Staatssicherheit die Tatsache und das Ausmaß ihrer Mitarbeit noch immer erfolgreich abstreiten können. Demgegenüber verschafft das vorliegende, von zwei Mitarbeitern des Bundesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen verfasste Werk für einen kleinen, aber wichtigen Ausschnitt größere Klarheit. Sie ist vor allem einer günstigen Überlieferungssituation in der Form einer bisher nicht ausgewerteten Kartei zu verdanken.
Gegliedert ist die schmale Studie außer in Einleitung, Zusammenfassung und vier Anhänge in fünf Abschnitte. In ihnen werden zunächst die als Quellen genutzten Unterlagen (Kartei der Zelleninformatoren, Häftlingsbücher), die betrachtete Untersuchungshaftanstalt und die Haftbedingungen beschrieben. Danach stellen die Bearbeiter das Ermittlungsverfahren dar und widmen sich vertieft den zwecks Bespitzelung eingeschleusten Zelleninformatoren.
Dabei können die Autoren etwa ermitteln, dass es zwischen 1960 und 1989 fast 5000 Häftlinge in ihrem Untersuchungsobjekt gab, davon etwa die Hälfte wegen Republikflucht und anderer nach § 213 des Strafgesetzbuchs verfolgter Taten. Gegenüber den Verhafteten konnte beispielsweise im Jahre 1978 in 95,4 Prozent aller Erstvernehmungen nicht zuletzt infolge Anwendung rechtswidriger Vernehmungsmethoden Geständnisse und in 3,5 Prozent zumindest Teilgeständnisse erreicht wurden, während nur 1,1 Prozent der Untersuchungshäftlinge dem intensiven Druck widerstehen und erfolgreich die Aussage verweigern konnten. Dabei bespitzelte in der die allgemeine Friedensliebe besonders betonenden Ära Honecker fast jeder zehnte Untersuchungshäftling als Zelleninformator Mithäftlinge für die Staatssicherheit.
Innsbruck Gerhard Köbler