Original Ergebnisseite.

Mitschke-Buchholz, Gudrun, Lebenslängliche Reise. Briefe der jüdischen Familie Herzberg aus Detmold 1939-1946 (= Panu Derech - Bereitet den Weg - Schriften der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit in Lippe e. V. 28). Verlag für Regionalgeschichte, Bielefeld 2013. 595 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

Mitschke-Buchholz, Gudrun, Lebenslängliche Reise. Briefe der jüdischen Familie Herzberg aus Detmold 1939-1946 (= Panu Derech - Bereitet den Weg - Schriften der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit in Lippe e. V. 28). Verlag für Regionalgeschichte, Bielefeld 2013. 595 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Die Gedanken des Menschen sind zunächst nur ihm selbst bewusst und nur er kann im Grunde frei darüber entscheiden, ob sie auch nach außen erklärt werden. Wegen der damit verbundenen Wirkungen wird er auswählen, was er jeweils dem Wissen anderer anvertraut. Dabei wird er in öffentlichen Kundgebungen anders verfahren als gegenüber nahen Angehörigen und Freunden, denen er am ehesten gefahrlos seine innersten Regungen offenbaren kann.

 

Sie können später gleichwohl als wichtige Zeitzeugnisse der Allgemeinheit zur Kenntnis gebracht werden, wie dies durch den vorliegenden schön gestalteten Band für insgesamt 451 Briefe und Postkarten der Jahre von 1939 bis 1942 und von 1945 und 1946 geschehen ist, die der in Detmold 1921 geborene Fritz (oder später Fred) Herzberg auf einer lebenslänglichen Reise über Nord-Rhodesia und die Vereinigten Staaten von Amerika bis zu seinem Tode im Januar 2008 verwahrt hat. Während er selbst mit siebzehn Jahren im Februar 1939 mit einem Kindertransport nach England kam, blieben Eltern und die etwas jüngere Schwester zurück und waren auf postalische Nachrichten bis zu ihrem Ende im Konzentrationslager verwiesen. Über Fred Herzbergs Tochter Joanne kamen die Mitteilungen nach Detmold zurück, wo sich die bereits durch ein Gedenkbuch für die Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Detmold und durch Stadtrundgänge auf jüdischen Spuren hervorgetretene Herausgeberin ihrer sachkundig angenommen hat.

 

Die Briefsammlung beginnt am 26. Januar 1939 und endet am 2. Juni 1946, wobei aus dem Jahre 1939 224 Dokumente sowie aus dem Jahre 1940 134 Zeugnisse stammen und die letzten Sendungen der Nachkriegszeit vor allem als Kondolenzschreiben zu verstehen sind. Vor der Edition in einer Auswahl schildert die Herausgeberin eindrucksvoll den bedrückenden Rahmen vom jüdischen Leben auf dem Land und in der Kleinstadt über die Flucht durch sieben Länder bis zu dem schweren Weiterleben mit einem kaum unüberwindbaren Leid. Danach eröffnen die edierten Dokumente einen ganz persönlichen Blick auf Ausmaß und Folgen nationalsozialistischer Untaten an einer Familie, von der vierzehn Angehörige sterben mussten, weil sie der nationalsozialistischen Verfolgung nicht rechtzeitig entrinnen konnten.

 

Innsbruck                                                        Gerhard Köbler