Original Ergebnisseite.

Tauschgeschäft und Tauschurkunde vom 8. bis zum 12. Jahrhundert/L’Acte d’échange, du 8e au 12e siècle, hg. v. Fees, Irmgard/Depreux, Philippe (= Beihefte zum Archiv für Diplomatik, Schriftgeschichte, Siegel- und Wappenkunde 13). Böhlau, Köln 2013. 508 S., 22 Abb. Besprochen von Gerhard Köbler.

Tauschgeschäft und Tauschurkunde vom 8. bis zum 12. Jahrhundert/L’Acte d’échange, du 8e au 12e siècle, hg. v. Fees, Irmgard/Depreux, Philippe (= Beihefte zum Archiv für Diplomatik, Schriftgeschichte, Siegel- und Wappenkunde 13). Böhlau, Köln 2013. 508 S., 22 Abb.

 

Im Laufe seiner langem Entwicklung hat der Mensch die ihn umgebende Welt immer nachdrücklicher in die Hand genommen und dadurch von ihr Besitz ergriffen. War dies einmal geschehen, stellte sich von selbst die Frage, wie ohne Anwendung von Gewalt das Gut des einen an einen anderen gelangen konnte, wofür sich im Rahmen einfacher Verhältnisse die Gabe gegen  eine Gegengabe anbot.

 

Nachdrücklich weisen in diesem Zusammenhang die beiden Herausgeber in ihrem kurzen Vorwort auf den auffälligen Umstand hin, dass trotz seiner hohen Bedeutung für die frühmittelalterliche und hochmittelalterliche Wirtschaftsgeschichte und Sozialgeschichte der Tausch, der im Übrigen als deutsches Wort wohl erst im Jahre 1181 belegt ist, in Bezug auf Güter und Grund bisher nur in ganz eingeschränktem Maße Gegenstand wissenschaftlichen Interesses gewesen ist. Insbesondere ist nach ihren Erkenntnissen der frühmittelalterliche und hochmittelalterliche Tausch von Grundstücken in Zeiten entwickelter Geldwirtschaft aus anderen Gründen als mangelnder monetärer Entwicklung weder von rechtsgeschichtlicher, noch von sozialgeschichtlicher, wirtschaftsgeschichtlicher oder diplomatischer Seite aus eingehend untersucht, obwohl gerade diese Art von Geschäft im Frühmittelalter, in dem man freilich durchaus Zweifel an einer ausreichenden monetären Entwicklung haben kann, in ganz Europa weit verbreitet war und ihr auch im hohen Mittelalter noch beachtliche Bedeutung zukam.

 

In dieser Lage traf es sich gut, dass sich Philippe Depreux bereits im Jahre 2000 in einem Aufsatz über die königlichen Bestätigungen von Tauschverträgen mit dem Gegenstand befasst und dabei neben der Analyse von Ursachen, Praxis und dem Formular der königlichen Tauschbestätigengen (!) vor allem der Karolingerzeit  Beobachtungen zum Tauschakt und zur Tauschurkunde in Europa allgemein machte und etwa auf die Bestimmungen zum Tausch in frühmittelalterlichen Leges oder die Verbindung zwischen Tausch und Geschenk wie zwischen Tausch und Prekarie einging. Von daher erschien eine neue Untersuchung des Tausches unter dem Gesichtspunkt der Überlieferung und der Diplomatik besonders lohnenswert. Dass in einigen Regionen Europas wie etwa Italien, Bayern, Alemannien oder Katalonien der Tauschakt doch schon länger eine gewisse Aufmerksamkeit erfahren hatte, konnte dabei kaum schaden.

 

Angesichts der gleichwohl insgesamt immer wenig zufriedenstellenden Forschungslage wurde in Limoges im Jahre 2010 eine Tagung abgehalten, auf der Tauschgeschäfte im europäischen Vergleich behandelt und ausgehend von der Karolingerzeit die unterschiedlichen europäischen Regionen untersucht werden sollten. Im Mittelpunkt sollten neben der bisher unzureichenden quantitativen Erfassung Fragen nach dem zeitgenössischen Verständnis des Tauschakts, seiner Abgrenzung etwa zu Kauf, Schenkung oder Prekarie, den Gründen und Umständen, den sozialen Implikationen und der wirtschaftlichen Bedeutung sowie der Niederschlag in den Urkunden stehen, wofür insgesamt ein im Anhang wiedergegebener Fragenkatalog zur Verfügung gestellt wurde.

 

Als Folge der Tagung können nunmehr (in einem ersten Meilenstein) für Nordfrankreich, Lotharingien und Burgund, Bayern, Alemannien, Westfalen und Thüringen, das Languedoc, Katalonien, das Königreich Asturien-Léón sowie Mittelitalien und Mittelitalien Ergebnisse vorgelegt werden, während Referate über Flandern, Anjou und Poitou aus unterschiedlichen Gründen nicht in einer Druckfassung abgeliefert werden konnten. Das mittlere Rheingebiet und Hessen mit Lorsch, Fulda und Hersfeld musste leider ganz ausgespart bleiben.

 

Insgesamt stellt der interessante und weiterführende Band gleichwohl 17 eindringliche Einzelstudien über die Ursachen des Tausches, Italien, Venedig und Veneto, die Toskana, Lucca, Sankt Gallen, Bayern, Freising, Westfalen, Thüringen, Nordfrankreich, Lotharingien, Trier, Burgund, Languedoc, Katalonien und Asturien-Léon mit vielfältigen neuen Einzelerkenntnissen zur Verfügung. Aus ihnen ziehen Laurent Morelle und Régine Le Jan allgemeinere Schlüsse. Ein Ortsregister verzeichnet von Aachen bis Zürich zahlreiche ausgewählte Orte, an denen der insgesamt in weniger als 10 Prozent der Überlieferung aufscheinende Tausch (commutatio, permutatio, transmutatio, cambium) in der betrachteten Zeit von beachtlicher, vertieftes Interesse verdienender Bedeutung war.

 

Innsbruck                                                        Gerhard Köbler