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Schwartz, Michael, Funktionäre mit Vergangenheit. Das Gründungspräsidium des Bundesverbandes der Vertriebenen und das „Dritte Reich“. Oldenbourg, München 2012. 592 S., 13 Ill. Besprochen von Gerhard Köbler.

Schwartz, Michael, Funktionäre mit Vergangenheit. Das Gründungspräsidium des Bundesverbandes der Vertriebenen und das „Dritte Reich“. Oldenbourg, München 2012. 592 S., 13 Ill. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Die Vertriebenen sind die im Laufe und am Ende des zweiten Weltkriegs aus ihrer bisherigen Heimat im Osten des Deutschen Reiches mit Gewalt und Zwang ausgetriebenen Deutschen, die in den vier Besatzungszonen des Deutschen Reiches und in Österreich unterkamen. Ihre Zahl wird auf rund 12,5 Millionen Menschen geschätzt. Am 27. Oktober 1957 errichteten ihre einzelnen Verbände als Dachverband den Bund der Vertriebenen, der sich die Vertretung der Interessen der von Flucht, Vertreibung und Aussiedlung betroffenen Deutschen unabhängig von einer Mitgliedschaft zum Ziel setzte.

 

Viele Jahre danach stellte „Der Spiegel“ in einer Untersuchung fest, dass dem Bund eine weit überdurchschnittliche Zahl ehemaliger Mitglieder der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei angehört hatte. Dem widersprach Erika Steinbach als Vorsitzende 2009 mit der Behauptung, dass dem Bund mehr Widerstandskämpfer angehörten als Nationalsozialisten. Schon 2007 hatte sie allerdings eine wissenschaftliche, mit öffentlichen Mitteln geförderte Studie dem Institut für Zeitgeschichte in Auftrag gegeben, deren Ergebnis das vorliegende Werk veröffentlicht.

 

Danach waren elf von dreizehn Mitgliedern (rund 85 Prozent) des Gründungspräsidiums früher Mitglieder der insgesamt bis zu 10 Millionen Angehörige zählenden Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei, denen nur Wenzel Jaksch (SPD) und Linus Kather (CDU, späterer Kandidat der NPD) gegenübergestellt werden können, wenn auch keines der Mitglieder vor 1933 beitrat. Im Präsidium machten die ehemaligen Mitglieder der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei 61,6 Prozent aus, so dass insgesamt eine erkennbare nationalsozialistische Einbindung des Bundes erwiesen ist. Dass dadurch die Verbandspolitik gerade der deutschen, durch Nationalität ausgewiesenen Vertriebenen nicht doch auch mitgeprägt wurde, wird sich angesichts der allgemeine Erkenntnisse über menschliche Sozialisierung und trotz der erkennbar tendenziellen Ausrichtung der Untersuchung kaum besonders wahrscheinlich machen lassen.

 

Innsbruck                                                        Gerhard Köbler