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Schicksalsjahre Österreichs. Die Erinnerungen und Tagebücher Josef Redlichs 1869-1936. Band 1 Erinnerungen und Tagebücher 1869-1914, Band 2 Tagebücher 1915-1936, Band 3 Biographische Daten und Register, hg. v. Fellner, Fritz/Corradini, Doris A. (= Veröffentlichungen der Kommission für neuere Geschichte Österreichs Band 105). Verlag Österreich, Wien 2011. XI, 695, 684, 233 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

Schicksalsjahre Österreichs. Die Erinnerungen und Tagebücher Josef Redlichs 1869-1936. Band 1 Erinnerungen und Tagebücher 1869-1914, Band 2 Tagebücher 1915-1936, Band 3 Biographische Daten und Register, hg. v. Fellner, Fritz/Corradini, Doris A. (= Veröffentlichungen der Kommission für neuere Geschichte Österreichs Band 105). Verlag Österreich, Wien 2011. XI, 695, 684, 233 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Josef Redlich wurde in Göding (Hodonin) in Mähren am 18. Juni 1869 in einer mit Zuckerfabriken und Großgrundeigentum großbürgerlich gewordenen assimilierten jüdischen Familie geboren, nach dem Studium der Rechtswissenschaft in Wien (Leipzig und Tübingen) 1891 promoviert und 1901 (Englische Lokalverwaltung) für Staatsrecht und Verwaltungsrecht habilitiert. 1906 wurde er titulierter außerordentlicher Professor der Universität Wien, 1909 ordentlicher Professor für Verfassungsrecht und Verwaltungsrecht an der Technischen Hochschule Wien, lehrte dann aber von 1926 bis 1935 Rechtsvergleichung an der Harvard University in Cambridge/Massachusetts in den Vereinigten Staaten von Amerika. Daneben wirkte er erfolgreich als Politiker und war vom 27. 10. 1918 bis zum 11. 11. 1918 Finanzminister im Kabinett Lammasch und vom 20. Juni 1931 bis zum 5. Oktober 1932 Finanzminister in der Bundesregierung Karl Buresch, doch zerbrach für ihn bereits mit dem Jahr 1918 ein Weltbild, für das er bis zu seinem Tod in Wien am 11. November 1936 keinen Ersatz mehr fand.

 

Möglicherweise deswegen ließ Josef Redlich zu Beginn der 1930er Jahre durch seine Sekretärin die politisch relevanten Auszüge aus seinen Tagebüchern der Jahre von 1908 bis 1919 in ein maschinenschriftliches Manuskript umschreiben, das Redlichs zweite Ehefrau 1937/1938 vergeblich einer Veröffentlichung im Druck zuzuführen versuchte. Erst 1953 konnte Fritz Fellner unter dem Titel Schicksalsjahre Österreichs 1908-1919 die politischen Tagebücher Redlichs nach manchen Irrfahrten edieren. In Zusammenarbeit mit seiner Assistentin Doris Corradini gelang ihm weit mehr als 50 Jahre später eine erweiterte Edition, die zwar umgehend das Interesse zweier sachkundiger Rezensenten fand, in Ermangelung eines verfügbaren Rezensionsexemplars aber nur vom Herausgeber in wenigen Zeilen angezeigt werden kann.

 

Diese über die Tagebücher hinaus um weitere Quellen bereicherte Neuauflage lässt erstmals die wissenschaftliche Tätigkeit, die gesellschaftlichen Verflechtungen und die politischen Ambitionen Redlichs in vollem Ausmaß erkennen. Sie eröffnet zugleich einen Blick auf das politische Ende (Schicksalsjahre) des Vielvölkerstaates Österreich-Ungarn aus der Perspektive des alltäglichen Lebens eines ungewöhnlichen Menschen. Möge das gewichtige, vielseitige, durch ein Lebensbild und Werkbild, eine Datenübersicht, ein Lehrtätigkeitsverzeichnis von Wien, eine Bibliographie der Werke und Sekundärliteratur, Stammtafeln, ein 180-seitiges Personenregister (von Abbott-Zwiedineck-Südenhorst) mit Kurzbiographien und einige Verzeichnisse vorteilhaft abgerundete Werk viele interessierte Leser finden.

 

Innsbruck                                                                               Gerhard Köbler