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Reith, Reinhold, Umweltgeschichte der frühen Neuzeit (= Enzyklopädie deutscher Geschichte 89). Oldenbourg, München 2011. X, 196 S. Besprochen von Werner Augustinovic.

Reith, Reinhold, Umweltgeschichte der frühen Neuzeit (= Enzyklopädie deutscher Geschichte 89). Oldenbourg, München 2011. X, 196 S. Besprochen von Werner Augustinovic.

 

Als Arbeitsinstrument für jedermann, der mit der historischen Disziplin Berührung hat, will sich die „Enzyklopädie deutscher Geschichte“ verstanden wissen. Geschichte, Wirtschaft, Staat, Religion, Kultur, Lebenswelten und Mentalitäten sollen, in einem umfassenden Verständnis von Geschichte bei zugleich strengster Begrenzung des Umfanges, jeweils dargestellt, anhand der Forschungssituation erörtert und in Auswahl bibliographisch erfasst werden. Obwohl jeder Band für sich eine abgeschlossene Einheit bildet, sollen die insgesamt 100 geplanten Bände (eine Auflistung am Ende des Buches verzeichnet im Fettdruck die bereits erschienenen, im Normaldruck die noch ausstehenden Bände) durch übergreifende Fragestellungen untereinander in einer engen Beziehung stehen.

 

Reinhold Reith, Professor für Wirtschafts- und Sozialgeschichte an der Universität Salzburg, zeichnet in Band 89 der Reihe auf knapp 200 Seiten die Umweltgeschichte des mitteleuropäischen Raumes in der frühen Neuzeit nach. Im ersten von drei im Umfang gleichwertigen Großkapiteln wird ein enzyklopädischer Überblick über das Thema angeboten, der eine Begriffsklärung sowie eine Einteilung der Materie in natürliche Umwelten (Klima, Klima und Landwirtschaft, Klimaextreme und Naturkatastrophen, Seuchen und Bevölkerung) und anthropogene Umwelten (Kulturlandschaften, Fließgewässer und Seen, Kulturpflanzen, Fauna, Wald, Bergbau und Hüttenwesen, Gewerbe, Stadt) vornimmt. Abschnitt zwei widmet sich den wichtigsten Grundproblemen und Tendenzen der Umweltforschung: dem Klima mit der „Kleinen Eiszeit“, der Deutung und Bewältigung von Naturkatastrophen, den Seuchen, dem Wald, der Energie, dem Lebens- und Wirtschaftsraum Stadt, der Frage der Nachhaltigkeit und der naturalen Ressourcen sowie einigen aktuellen Perspektiven aus diesem Forschungsfeld. Im letzten Drittel des Bandes dokumentiert der Verfasser die wesentlichen Quellen und die maßgebliche Literatur. Diese Auswahlbibliographie verzeichnet, fortlaufend nummeriert von 1 bis 478, zunächst drei Lexika und 45 übergreifende Darstellungen und Sammelbände und hält sich in der Folge gliederungsmäßig an die inhaltliche Abfolge der beiden darstellenden Abschnitte. Je ein Personen-, ein Orts- und ein Sachregister ermöglichen jederzeit eine gute und rasche Orientierung.

 

Es liegt auf der Hand, dass eine umfangmäßig derartig knapp kalkulierte Publikation angesichts des weiten Themenfeldes nicht allzu viel Raum für rechtsgeschichtliche Exkurse bieten kann. Auf der anderen Seite wird bei der Lektüre immer wieder deutlich, wie sehr gerade die anthropogenen Eingriffe in die Umwelt sehr bald geradezu zwangsläufig die Notwendigkeit rechtlicher Regularien nach sich ziehen. Als mit der großen Montankonjunktur seit 1450 der Bedarf an Bau-, Gruben- und Kohlholz für den Bergbau und die Verhüttung massiv anwuchs, führte „das (fiskalische) Interesse der Landesherren am Bergbau […] zum Erlass von Berg- und Waldordnungen, um den Zugriff auf das Holz zu sichern. Die von König Ferdinand I. für Schwaz und Hall 1551 erlassene Waldordnung sah vor, ,die Wäld und Helzer sollen und miessen auch mit gueter Ordnung erhalten und gezügelt. On das kann kain Perkwerch erhalten und gebawt werden. Ist wolzubesorgen. Es wird ee Manngl an Holz als an Perkwerch erschein‘. Wald- und Forstwirtschaft wurden daher dem Montanwesen untergeordnet“ (S. 48). Auch die „sehr unterschiedlich mit Waldbesitz ausgestattet(en)“ Städte kontrollierten über den Rat „die Waldweide, und dem Rat oblag z. B. der Schutz der Eichen, die Begrenzung des Holzhiebes, die Kontrolle und die Gewährleistung der Versorgung. Die städtischen Waldordnungen gelten mithin als Vorläufer der territorialstaatlichen Regelungen“ (S. 67). Schadstoffemissionen aus dem Bergbau führten bereits in der Rattenberger Bergordnung von 1463 und der Salzburger Bergordnung von 1477 zu einer Festlegung des Verursacherprinzips: „Wer einen ‚Aufschlag in Wiesen, Äckern und Feldern‘ tue, solle den Schaden vergelten“ (S. 53). Die Wasserversorgung und die Abwasserentsorgung als wichtige kommunale Aufgaben evozierten Brunnenordnungen, die „Regularien zu Wasserverteilung, Reparatur und Kostenbeteiligung zusammen(fassten), wobei diese Ordnungen im 17./18. Jh. schrittweise verschärft wurden“ (S. 63). Schon früh musste man mittels Verordnungen gegen die Gewässerverunreinigung vorgehen: „1421 dehnte z. B. die Stadt Zürich das Verbot, Kadaver in die Fließgewässer zu werfen, auf das Territorium aus, auch für kranke Pferde wurde das Schwemmen untersagt, und 1605 zeigte man sich in Ulm besorgt, ob das Waschwasser aus der Blau, das zuvor am Quartier der ‚Inficierten‘ vorbeifloss, nicht ‚vergifft‘ sei“ (S. 64). Besondere Anforderungen an die Entsorgung wurden in Zeiten der Pest in eigenen Pestordnungen niedergelegt: „In Augsburg erinnerte der Rat im Pestjahr 1563, kein Bürger solle vor seiner Haustür ‚vber ain Karren vol Mists/äschen/Körath oder andere vnsauberkait‘ liegen lassen. Auch der Konstanzer Rat hatte 1514 aus Anlass ‚großen Sterbens‘ verfügt, dass man nur ‚by der kaufbruck‘ die ‚todtenwäsche‘ waschen solle. Nürnberg verfügte mehrfach, dass die Bettwäsche Kranker nur noch unterhalb des Ausflusses der Pegnitz aus der Stadt gewaschen werden dürfe“ (S. 65). Der ständigen Brandgefahr in den Städten rückte man ebenfalls früh mit Vorschriften zu Leibe; so forderten schon „seit dem 16. Jh. […] städtische und territoriale Feuerordnungen die regelmäßige Reinigung der Kamine“ (S. 68).

 

Bereits diese wenigen Beispiele offenbaren, wie Eingriffe des Menschen in seine Umwelt stets zu Ungleichgewichten unterschiedlicher Natur führen, die Anpassungsreaktionen auf der normativen Ebene notwendig machen. Es ist eine Erkenntnis aus der Lektüre dieses Bandes, dass „Umweltrecht“ im weiten Sinn des Wortes somit keineswegs ein auf das 20./21. Jahrhundert zu beschränkendes Phänomen darstellt, sondern in einer historischen Kontinuität steht, die durchaus einer Epochen übergreifenden, rechtsvergleichenden Sammlung und Betrachtung wert wäre.

 

Kapfenberg                                                                Werner Augustinovic